Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 62



82 II 62

9. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Februar 1956 i.
S. Schweiz. Bundesbahnen gegen Meier. Regeste

    Eisenbahnhaftpflicht. Haftung für Sachschaden infolge Kollision
eines Lastwagens mit einer Rangierlokomotive der SBB auf einem privaten
Verbindungsgeleise. Passivlegitimation.

Sachverhalt

    A.- Von der Bundesbahnlinie Döttingen-Siggenthal zweigt ausserhalb des
Einfahrtssignals der Station Döttingen-Klingnau ein Verbindungsgeleise ab,
das zum Tonwerk der A.-G. Hunziker & Cie und zum thermischen Kraftwerk
der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.-G. in der Beznau führt und über
dessen Bau und Benützung die Schweiz. Bundesbahnen (SBB) mit den beiden
erwähnten Firmen ("Anschliesserinnen") am 1. August 1950 einen Vertrag
abgeschlossen haben.

    Als am 2. Juli 1954 ein Lastwagen der Transportfirma Emil Meier
auf dem Fabrikareal der A.-G. Hunziker & Cie dieses Geleise überquerte,
rammte ihn eine mit Bundesbahnpersonal bemannte Rangier-Dampflokomotive der
SBB, die, nachdem sie Tankwagen zum thermischen Kraftwerk geführt hatte,
auf der Rückfahrt zur Station Döttingen-Klingnau begriffen war. Personen
wurden nicht verletzt. Dagegen wurde der Lastwagen stark beschädigt.

    B.- Mit Klage vom 22. Juli 1955 verlangte Emil Meier von den SBB
rund Fr. 14'000.-- Schadenersatz. Die beklagte Bahnunternehmung bestritt
vor allem ihre Passivlegitimation. Sie machte im wesentlichen geltend,
im Falle der Anwendbarkeit des EHG treffe die Haftpflicht den "Inhaber
der Eisenbahnunternehmung" (Art. 1 Abs. 1 EHG). Dies sei derjenige, auf
dessen Rechnung und Gefahr die Unternehmung zur Zeit des Unfalls geführt
werde. Nach Art. 6 und 7 des Bundesgesetzes über die Rechtsverhältnisse
der Verbindungsgeleise zwischen dem schweizerischen Eisenbahnnetz und
gewerblichen Anstalten vom 19. Dezember 1874 (VG; siehe BS 7 S. 23
ff.) seien die SBB nur verpflichtet, den Betrieb bis zum Anschlusspunkt
(Anschlussweiche) zu besorgen. Was ausserhalb dieses Punktes geschehe, sei
Sache des Anschliessers ("des Besitzers des Verbindungsgeleises"). Dieser
sei Herr des Verkehrs auf dem Anschlussgeleise, auch wenn die SBB
vertraglich den Transport der ankommenden und abgehenden Bahnwagen über
den Anschlusspunkt hinaus übernommen haben. Der Anschliesser sei nur
dann nicht Inhaber der Eisenbahnunternehmung, wenn die Hauptbahn auf
Grund eines Vertrages oder widerrechtlich ihren eigenen Betrieb auf
das Verbindungsgeleise ausgedehnt habe (Benützung als Abstell- oder
Rangiergeleise, Eindringen eines Zugs infolge falscher Weichenstellung),
was hier nicht geschehen sei. Die Übernahme der Zustellung und Abholung
der Wagen durch die SBB mache den Betrieb auf dem Anschlussgeleise nicht
zum öffentlichen, was sich darin zeige, dass für die Erstellung solcher
Geleise das Enteignungsrecht nicht in Anspruch genommen werden könne und
dass der Verkehr darauf auch bei Verwendung der Zugkraft der öffentlichen
Bahn den strafrechtlichen Schutz des öffentlichen Eisenbahnverkehrs
(Art. 238/39 StGB, früher Art. 67 BStrR) nicht geniesse. Da nicht
öffentlich, lasse sich dieser Verkehr nicht als eigener Verkehr des
öffentlichen Unternehmens qualifizieren und seien die SBB folglich
nicht als Inhaber der Bahnunternehmung anzusehen, die diesen Verkehr
betreibe. Wer ausservertraglich hafte, sei unter Ausserachtlassung jeder
vertraglichen Vereinbarung zu beurteilen. Die Vorschrift von Art. 6 VG,
wonach das Abholen und Abliefern der Wagen beim Anschlusspunkt Sache des
Anschliessers ist, sei entgegen BGE 26 II 18 zwingender Natur. Durch die
Übernahme gewisser Transporte auf dem Verbindungsgeleise seien die SBB
nur Erfüllungsgehilfe des Anschliessers geworden. Daraus, dass die SBB
in Art. 12 des Anschlussvertrags die Haftpflicht intern übernommen haben,
könne der Geschädigte kein direktes Klagerecht gegen die SBB ableiten. -
Für den Fall, dass das Gericht ihre Passivlegitimation bejahen sollte,
nahm die Beklagte materiell zur Sache Stellung. Dabei machte sie in
erster Linie geltend, nach Art. 13 VG seien die bundesgesetzlichen
Bestimmungen über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen etc. für die
beim Bau und Betrieb herbeigeführten Tötungen und Verletzungen auch
auf die Privatverbindungsgeleise anwendbar. Für Sachschäden fehle eine
Verweisung auf das EHG. Deshalb und weil das EHG als Spezialgesetz nicht
ausdehnend ausgelegt werden dürfe, gelte für die beim Betrieb eines
Verbindungsgeleises herbeigeführten Sachschäden nicht das EHG, sondern
das OR und seien die SBB zum Exzeptionsbeweis nach Art. 55 OR zuzulassen.

    C.- Durch Vorentscheid vom 14. November 1955 hat der Appellationshof
des Kantons Bern (II. Zivilkammer) die Passivlegitimation der Beklagten
bejaht mit der Begründung, wenn die Beklagte den Betrieb auf einem
Verbindungsgeleise vertraglich übernehme, habe er öffentlichen Charakter.
Art. 6 VG sei dispositiver Natur. Bei Beurteilung der Frage, ob die
Beklagte den Betrieb auf dem streitigen Verbindungsgeleise übernommen habe,
falle in Betracht, dass derjenige als Betriebsunternehmer erscheine,
auf dessen Rechnung der Betrieb geführt werde. Wer den Betrieb
auf dem Verbindungsgeleise ökonomisch für sich ausnütze, müsse die
Haftpflicht tragen. Das sei die Beklagte, sie sich im Anschlussvertrag
zur Zustellung und Abholung der Bahnwagen zur bzw. bei der Verladerampe
gegen eine Gebühr von Fr. 4.- pro Wagen verpflichtet habe. Dazu komme,
dass alle Züge auf dem Verbindungsgeleise mit Lokomotiven und Personal
der Beklagten geführt würden. Angesichts der technischen Einordnung
des Betriebs auf dem Verbindungsgeleise in den Fahrdienst der SBB und
der sonst noch bestehenden Bahnvorschriften über den Betrieb auf diesem
Geleise könne von einer selbständigen Führung des Betriebs durch die
Anschliesserin nicht die Rede sein. Vielmehr sei der Betrieb der Beklagten
über den Anschlusspunkt hinaus ausgedehnt worden. In den regelmässigen
Fahrten der Beklagten auf dem Verbindungsgeleise zwecks Zustellung
und Abholung der Bahnwagen sei dessen bestimmungsgemässe Verwendung zu
erblicken. Die Eigentumsverhältnisse am Verbindungsgeleise seien bei
Beurteilung der Frage, welche Unternehmung bezüglich des den Unfall
verursachenden Betriebsvorgangs als Betriebsunternehmerin erscheine,
ohne Bedeutung. Die von Art. 13 VG getroffene Unterscheidung zwischen
Personen- und Sachschaden gelte nur für die Fälle, wo der Anschliesser
Inhaber des Betriebs auf dem Verbindungsgeleise sei. Wo der Betrieb auf
diesem Geleise als Betrieb der Hauptbahn zu gelten habe, hafte diese
nach EHG, wie wenn sich der Unfall auf ihrer Hauptgeleiseanlage ereignet
hätte. Wenn übrigens die Anwendbarkeit des EHG verneint würde, wäre die
Beklagte als Geschäftsherrin passivlegitimiert.

    D.- Gegen diesen Entscheid hat die Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, ihre Passivlegitimation sei
zu verneinen. In der Berufungsbegründung führt sie aus, dass der
Betrieb auf dem Verbindungsgeleise in erster Linie vom Anschliesser
wirtschaftlich ausgenützt werde und dass das unmittelbare Interesse
daran bei ihm liege, auch wenn sie den technischen Betrieb übernommen
habe. Ferner hält sie daran fest, dass jener Betrieb nicht öffentlichen,
sondern privaten Charakter habe und daher nicht als ihr eigener Betrieb
gelten könne, und dass Art. 6 VG die "Verbindungsgeleise-Unternehmung"
von der öffentlichen Bahnunternehmung ohne Rücksicht darauf, ob und wie
die beiden Unternehmungen einander Dienste leisten, nach einem formellen
Kriterium (Anschlusspunkt) abgrenze. Dies habe den Vorteil, dass rasch
und einfach bestimmt werden könne, wer der Haftpflichtige sei. Auch
sei es sachlich richtig, dass der "Besitzer des Verbindungsgeleises"
haftpflichtig sei. Er setze die Gefahr, indem er den Betrieb aus eigenen
wirtschaftlichen Interessen in Gang bringe. Dies gelte unabhängig davon,
wer die technische Durchführung besorge. Art. 13 VG bedeute, dass der
Besitzer des Verbindungsgeleises jedenfalls dann nach EHG hafte, wenn
er den Betrieb selber besorge. Besorge er ihn nicht selbst, sondern
beauftrage er damit z.B. die Hauptbahn selbst, so hafte er nach Art.
1 EHG auch für diese als diejenige Person, deren er sich zum Betrieb des
Transportgeschäftes bediene.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Zulässigkeit der Berufung).

Erwägung 2

    2.- Das EHG regelt die Haftpflicht für die beim Betrieb einer
Eisenbahn erfolgte Beschädigung von Gegenständen, die weder als Frachtgut
noch als Reisegepäck aufgegeben und auch nicht im Zusammenhang mit der
Verletzung oder Tötung eines Menschen beschädigt worden sind, in Art. 11
Abs. 2. Träger der Haftpflicht ist nach dieser Bestimmung gleich wie in
den Fällen von Art. 11 Abs. 1 (im Zusammenhang mit einem Personenschaden
eingetretene Beschädigung von Sachen, die der Verunfallte unter seiner
Obhut mit sich führte) und Art. 1 Abs. 1 (Tötung oder Verletzung eines
Menschen) die Eisenbahnunternehmung oder vielmehr, gemäss der genauern
Ausdrucksweise von Art. 1, der Inhaber der Eisenbahnunternehmung, bei
deren Betrieb der Unfall sich ereignete.

    Entgegen der Auffassung, welche die Beklagte im kantonalen Verfahren
vertreten hat, lässt sich aus Art. 13 VG nicht ableiten, dass die
Haftpflicht aus Unfällen beim Betrieb eines Verbindungsgeleises sich
nur hinsichtlich des Personenschadens nach dem EHG richte, wogegen
die Ersatzpflicht für Sachschaden bei solchen Unfällen nach dem OR zu
beurteilen sei. Wenn Art. 13 VG die bundesgesetzlichen Bestimmungen
"über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen etc. für die beim Bau und
Betrieb herbeigeführten Tötungen und Verletzungen" als anwendbar erklärt,
so knüpft er unzweifelhaft an den Titel an, den das bei Erlass des VG im
Wurf liegende erste EHG (vom 1. Juli 1875) nach dem bundesrätlichen Entwurf
vom 26. Mai 1874 in Anlehnung an Art. 38 Ziff. 2 des Eisenbahngesetzes
vom 23. Dezember 1872 tragen sollte ("Bundesgesetz betreffend die
Verbindlichkeit der Eisenbahnen und anderer vom Bunde konzedierter
Transportanstalten für die beim Bau und Betriebe herbeigeführten Tötungen
und Verletzungen"; vgl. BBl. 1874 I S. 889, 899). Bereits dieser
Entwurf enthielt eine dem heutigen Art. 11 Abs. 1 und 2 EHG entsprechende
Vorschrift über die Sachschäden (Art. 7). Unter diesen Umständen darf
aus der Fassung von Art. 13 VG nicht die Absicht herausgelesen werden,
die Anwendbarkeit des EHG auf die Personenschäden zu beschränken; dies
um so weniger, als eine solche Beschränkung jedes sachlichen Grundes
ermangeln würde. Vielmehr ist die in Art. 13 VG enthaltene Verweisung
auf das EHG in seinem vollen Umfange zu beziehen.

    Für den Fall, dass die Haftpflicht für beim Betrieb eines
Verbindungsgleises eingetretene Sachschäden nach dem EHG zu beurteilen ist,
hat die Beklagte mit Recht nicht in Abrede gestellt, dass der Inhaber der
Bahnunternehmung auch dann belangt werden kann, wenn nicht ihm selber,
sondern nur seinem Personal ein Verschulden vorgeworfen wird (vgl. BGE
37 II 224 Erw. 2).

    Der Entscheid über die Passivlegitimation der Beklagten hängt also
davon ab, ob sie im Sinne des EHG Inhaber der Eisenbahnunternehmung sei,
bei deren Betrieb der eingeklagte Sachschaden entstanden ist.

Erwägung 3

    3.- Art. 6 VG bestimmt, es sei Sache des Besitzers des
Verbindungsgeleises, die Wagen beim Anschlusspunkt (Anschlussweiche)
zu holen und dorthin abzuliefern, sowie dieselben auf seinem Geleise zu
beladen und abzuladen; hinsichtlich der Art der Beladung habe er sich
den auf der Hauptbahn geltenden Vorschriften zu unterziehen. Nach der
Ansicht der Beklagten setzt diese Bestimmung ein für allemal die Grenze
zwischen der "Verbindungsgeleise-Unternehmung" und der öffentlichen
Eisenbahnunternehmung fest. Art. 6 VG regelt jedoch nur Fragen der
Betriebsführung und tut dies, wie schon in BGE 26 II 18 festgestellt,
mit Bezug auf die Abholung und Ablieferung der Wagen nicht in zwingender
Weise. Das Gegenteil ergibt sich klar aus Art. 7 Abs. 2 VG, wonach
die Verwendung der Zugkraft der öffentlichen Bahn auf dem Geleise der
gewerblichen Anstalt (oder umgekehrt) Sache der freien Verständigung
zwischen den beteiligten Eigentümern ist. In Art. 6 VG liegt also
keineswegs eine Sondervorschrift des Inhalts, dass im Bereich des
Verbindungsgeleises, soweit der Güterverkehr mit dem Anschliesser in Frage
steht, unter allen Umständen dieser als Inhaber der Bahnunternehmung zu
betrachten sei. Der Entscheid darüber, wem diese Eigenschaft zukomme, ist
bei dieser Sachlage nach den Kriterien zu treffen, die für die Bestimmung
des Inhabers der Eisenbahnunternehmung im allgemeinen gelten. Von diesem
Grundsatz wäre selbst dann nicht abzuweichen, wenn die von der Beklagten
befürwortete Lösung den Vorteil der grössern Einfachheit hätte. Im
übrigen kann keine Rede davon sein, dass diese Lösung alle Schwierigkeiten
vermiede. Bei Unfällen im Gebiet der Anschlussweiche und in dem gerade
hier gegebenen Falle, dass ein Verbindungsgeleise mehreren gewerblichen
Anstalten dient, würde das "formelle" Kriterium, auf das die Beklagte
abstellen möchte, für die Ermittlung des Haftpflichtigen nicht genügen.

Erwägung 4

    4.- Inhaber der Eisenbahnunternehmung im Sinne von Art. 1 EHG
ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts derjenige, auf dessen
Rechnung und Gefahr der Betrieb im Zeitpunkte des Unfalls geführt wurde
(BGE 9 S. 282, 19 S. 181, 26 II 18, 31 II 224/25). Ausser der Frage,
auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb lief, kann, wie OFTINGER
(Schweiz. Haftpflichtrecht II S. 662, 812) zutreffend annimmt, auch
von Bedeutung sein, wer über die zum Betrieb notwendigen Gegenstände
und Personen die tatsächliche, unmittelbare Verfügung besass (vgl. BGE
26 II 19). Die Unternehmung, auf welche diese Merkmale zutreffen, hat
nach dem Sinne des EHG die Haftpflicht zu tragen. Wem die Bahnanlage
und die Transportmittel gehören, ist unerheblich (BGE 9 S. 281, 26 II
18). Nicht diese Gegenstände an und für sich sind die Gefahrenquelle,
sondern der mit ihrer Hilfe durchgeführte Betrieb.

    Im vorliegenden Falle erhält die Beklagte von den Anschliesserinnen
für die Bedienung des Anschlusses (der Anschlussweiche und einer
Schutzweiche) sowie für die von ihr gemäss Art. 6 des Anschlussvertrags
zu besorgende Verbringung der Wagen vom Anschlusspunkt bis zu dem von
Fall zu Fall zu bezeichnenden Übergabepunkt innerhalb des Areals der
Anschliesserinnen pro Bahnwagen eine Gebühr von Fr. 4.- (Hin- und
Rückfahrt inbegriffen) nebst einem Zuschlag von 5% Haftpflichtprämie
(Art. 7 des Anschlussvertrags). Dafür trägt sie die aus dem Transport
entstehenden Sach- und Personalkosten und übernimmt gemäss Art. 12
des Anschlussvertrags (intern) die Haftpflicht für die bei diesen
Verrichtungen eintretenden Unfälle und Schäden, soweit sie nicht die Folge
von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Organe oder des Personals
der Anschliesserinnen sind oder deren Organe oder deren obligatorisch
versichertes Personal treffen. Die Zustellung und Abholung der Bahnwagen
zum bzw. beim Wagenübergabepunkt (wozu auch die damit zusammenhängenden
Leerfahrten von Rangierlokomotiven zu rechnen sind) gehen also auf Rechnung
und Gefahr der Beklagten. Dieser steht aber während der in Frage stehenden
Betriebsvorgänge auch die unmittelbare Verfügung über das dabei eingesetzte
Rollmaterial und Personal zu. Demnach hat die Beklagte als Inhaberin der
Eisenbahnunternehmung zu gelten, bei deren Betrieb der streitige Schaden
entstanden ist.

    Die Beklagte wendet freilich ein, bei Beurteilung der Frage,
auf wessen Rechnung der Betrieb geführt werde, komme es weniger auf
die "buchhaltungstechnischen" Auswirkungen als darauf an, wer bei
Würdigung aller wirtschaftlichen Faktoren in erster Linie am Betrieb des
Verbindungsgeleises interessiert sei; dies sei der Anschliesser. Das
Kriterium, mit dem die Beklagte arbeiten möchte, kann jedoch nicht
massgebend sein. Es ist klar, dass der Betrieb von Verbindungsgeleisen
sowohl den angeschlossenen gewerblichen Anstalten als auch der Hauptbahn
Nutzen zu bringen pflegt. Das Interesse der letztern lässt sich keineswegs
nur darnach beurteilen, was ihr der Verkehr auf dem Verbindungsgeleise, für
sich allein betrachtet, einbringt. Ihr Interesse liegt, wie die Beklagte
einräumt, vor allem darin, dass der Betrieb von Verbindungsgeleisen der
Erhaltung und Förderung des Güterverkehrs auf ihrem Hauptnetz dient. Dieses
Interesse ist ein sehr erhebliches. Wessen Interesse im einzelnen Fall
überwiege, liesse sich nur durch eingehende betriebswirtschaftliche
Untersuchungen ermitteln, die übrigens bei einem und demselben
Verbindungsgeleisebetrieb je nach den Zeitumständen zu verschiedenen
Ergebnissen führen könnten. Das von der Beklagten vorgeschlagene Kriterium
ist daher schon aus rein praktischen Gründen nicht brauchbar. Es ist
aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen, weil die Frage,
wer Unternehmer eines Betriebs sei, sich nicht darnach beurteilt, wem der
Betrieb am meisten nützt, sondern in erster Linie eben darnach, wer die
allfälligen Betriebseinnahmen bezieht und die Betriebskosten trägt. Etwas
anderes ist nicht gemeint, wenn einzelne Entscheide darauf abstellen,
wer den Eisenbahnbetrieb ökonomisch für sich ausnützt (BGE 9 S. 282),
wer in eigenem Interesse und auf eigene Kosten den Transport auf dem
Geleise besorgt (BGE 31 II 224/25).

    Dass die Beklagte bei der Zustellung und Abholung der Bahnwagen auf
demVerbindungsgeleise nicht etwa bloss Hilfsperson ("Erfüllungsgehilfin")
der Anschliesserin ist, liegt auf der Hand. Der mit ihren Maschinen
und ihrem Personal besorgte Fahrdienst auf dem Verbindungsgeleise muss
sich, wie insbesondere aus Art. 6 des Anschlussvertrags hervorgeht, dem
Verkehr auf der Hauptbahn einordnen und nach den von dieser erlassenen
Vorschriften abwickeln. Die Anschliesserinnen können lediglich den
sog. Wagenübergabepunkt bestimmen. Von einer Bindung an die Weisungen
der Anschliesserinnen, wie sie gegeben sein müsste, wenn die Beklagte als
deren Hilfsperson gelten sollte, kann also nicht die Rede sein (vgl. BGE
26 II 19/20, wo das Bestehen eines derartigen Verhältnisses aus ähnlichen
Gründen verneint wurde). Wer in einem solchen Falle haftpflichtig wäre,
kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

    Für die Auffassung der Beklagten, dass der Träger der Haftpflicht im
Sinne des EHG unter Ausserachtlassung aller vertraglichen Vereinbarungen
zu bestimmen sei, bietet das Gesetz keine Grundlage. Es erklärt einfach
den Inhaber der Bahnunternehmung als haftpflichtig. Um zu ermitteln, wer
dies sei, spielt beim Betrieb auf einem Verbindungsgeleise naturgemäss
der Anschlussvertrag (in den Einsicht zu erhalten für den Geschädigten
kaum je mit Schwierigkeiten verbunden sein dürfte) eine erhebliche,
oft entscheidende Rolle (vgl. BGE 26 II 19, 31 II 225/26).

    Ob ein Verbindungsgeleise ein im öffentlichen Interesse liegendes
Werk im Sinne des Enteignungsrechts darstelle und der Verkehr darauf im
Sinne des Strafrechts als öffentlicher Verkehr gelten könne oder nicht,
ist für die heute zu treffende Entscheidung, die eine ganz andere Frage
betrifft, ohne jeden Belang.

    Die Vorinstanz hat also die Passivlegitimation der Beklagten zu
Recht bejaht.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und der Vorentscheid des Appellationshofes
des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 14. November 1955 bestätigt.