Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 404



82 II 404

56. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. September 1956 i.S. Stauffer
gegen Beer. Regeste

    Vorkaufsrecht (Art. 681 ZGB). Liegt ein Vorkaufsfall vor, wenn das mit
dem Vorkaufsrecht belastete Grundstück unter Vorbehalt der Genehmigung
durch die zuständigen Gemeindeorgane an eine Gemeinde verkauft wird und
der Verkäufer sich für den Fall der Verweigerung dieser Genehmigung
damit einverstanden erklärt, dass ein privater Mitunterzeichner des
Kaufvertrags in diesen eintritt? Erstreckung der Frist für die Ausübung
des Vorkaufsrechts?

Sachverhalt

    A.- Am 17. Juli 1952 verkaufte der Landwirt Edwin Beer dem
Gipsermeister Fritz Stauffer ca. 1940 m2 Wiesland auf der Ormis in Meilen
zum Preise von Fr. 21.- pro m2 und räumte ihm mit Bezug auf ein weiteres
Stück Wiesland folgendes Vorkaufsrecht ein:

    "Der Käufer, Fritz Stauffer, ist berechtigt, im Falle eines
Verkaufes das Land sub Kat. No. 6231 auf der Ormis, des Verkäufers,
soweit seewärts der im Bebauungsplan der Gemeinde Meilen vorgesehenen
Strasse von der Allmend nach dem Vorrain ... liegend, vor einem Dritten
als Vorkaufsberechtigter zu erwerben unter folgenden Bedingungen:

    a.  innert drei Jahren ab Vormerkung am Grundbuch kann der Erwerb
zu dem, von einem Dritten offerierten Preis, maximal zu Fr. 21.- pro
m2 erfolgen,

    b.  nach Ablauf dieser drei Jahre ab Vormerkung am Grundbuch kann
der Erwerb zu dem von einem Dritten offerierten Preis erfolgen.

    .....

    Dauer der Vormerkung am Grundbuch: längstens 10 Jahre ab Eintragung."
Dieses Vorkaufsrecht wurde am 23. September 1952 im Grundbuch vorgemerkt.

    B.- Am 19. Januar 1953 verkaufte Beer das mit dem Vorkaufsrecht
belastete Land (ca. 16 650 m2 von Parzelle Nr. 6560, früher 6231; heute
Nr. 7042) zu Fr. 10.- pro m2 an die Politische Gemeinde Meilen und die
Schulgemeinde Meilen "je zur unausgeschiedenen Hälfte Miteigentum". Der
öffentlich beurkundete Kaufvertrag bestimmt u.a.:

    "4.  Baubeschränkung:

    Die Käuferschaft verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer, auf dem
Kaufobjekt ... keine Wohn- und Geschäftshäuser, keine Lagerhäuser oder
industrielle Anlagen zu erstellen.

    Auf Verlangen des Verkäufers wird diese Vereinbarung als
Grunddienstbarkeit zu Lasten des Kaufobjektes ... und zu Gunsten der
Restliegenschaft der Verkäufers ... im Grundbuch eingetragen. Das Begehren
um Eintragung der vorstehenden Beschrankung ist innert einem Jahre nach
erfolgter Eigentumsübertragung zu stellen.

    Der Verkäufer erklärt die vorstehende Beschränkung zu einem
Hauptbestandteil des vorliegenden Vertrages.

    8.  Genehmigungsvorbehalt:

    Zur Gültigkeit gegenüber der Käuferschaft bedarf dieser
Vertrag noch der Genehmigung durch den Gemeinderat Meilen und die
Schulpflege Meilen. Ebenso bleibt die Genehmigung des Vertrages und die
Kreditbewilligung durch die dannzumal hiefür gemäss Gemeindeordnung
zuständige Gemeindeversammlung oder Urnenabstimmung ausdrücklich
vorbehalten.

    9.  Für den Fall, dass der vorstehende Vertrag von der Gemeinde Meilen
abgelehnt werden sollte, erklärt sich der Verkäufer ausdrücklich damit
einverstanden, dass folgende Einwohner:

    1.  Hans Pfister, Molkereiverwalter, Austrasse, Obermeilen, und

    2.  Walter Schneider, Autotransporte, Rosengartenstrasse, Meilen,

    mit den gleichen Rechten und Pflichten in diesen Vertrag eintreten.

    Für den Fall ihres Eintrittes in diesen Vertrag verpflichten sich
die vorgenannten Herren anderseits gegenüber der Politischen Gemeinde
Meilen, der Gemeinde den westlichen, im Zonenplan der Gemeinde Meilen
als Grünzone aufgenommenen Teil des vorerwähnten Kaufsobjektes innert
dem 4. und 5. Jahre nach der erfolgten Eigentumsübertragung nochmals zum
gleichen Preis, zuzüglich Zins und Kosten, zum Kaufe zu offerieren."

    Der Vertrag wurde von Pfister und Schneider mitunterzeichnet.

    C.- Mit Schreiben vom 22. Januar 1953 gab das Grundbuchamt Stauffer
von diesem Verkaufe Kenntnis und setzte ihm im Sinne von Art. 681 ZGB eine
Frist von 30 Tagen zur Abgabe der Erklärung, ob er von seinem Vorkaufsrecht
Gebrauch machen wolle. Dieser Mitteilung lag ein Exemplar des Kaufvertrags
nebst einem Plan bei.

    Am 19. Februar 1953 liess Stauffer dem Grundbuchamt "für sich und
zuhanden des Herrn Edwin Beer, sowie der Politischen Gemeinde Meilen und
der Schulgemeinde Meilen" mitteilen, er anerkenne die Fristansetzung nicht
und verlange, dass ihm die Monatsfrist laut Art. 681 ZGB neu angesetzt
werde, sobald der Kaufvertrag gemäss Ziff. 8 von den Käuferinnen genehmigt
und der Kredit durch die zuständigen Gemeindeorgane bewilligt sei; erst
dann sei der Vorkaufsfall gegeben. Dem Verkäufer Beer und den beiden
Gemeinden liess er je eine Kopie dieser Mitteilung zustellen.

    D.- Am 24. April 1953 genehmigte die Gemeindeversammlung den
Kaufvertrag mit Beer. Der für den Landkauf erforderliche Kredit wurde
vom Volk in der Urnenabstimmung vom 13. September 1953 bewilligt. Das
Grundbuchamt brachte dies Stauffer mit Schreiben vom 24. September 1953
zur Kenntnis und setzte ihm Frist zur Erklärung, "ob er im vollen Umfang
in den Kaufvertrag eintreten wolle". Hierauf liess Stauffer mit Schreiben
an Beer, das Grundbuchamt, die Politische Gemeinde und die Schulgemeinde
Meilen vom 12. Oktober 1953 erklären, er übe sein Vorkaufsrecht aus, halte
aber dafür, dass die in Ziff. 4 des Kaufvertrages vom 19. Januar 1953
vereinbarte Baubeschränkung ihm gegenüber nicht zu Recht bestehe. Beer
machte demgegenüber geltend, die Übertragung der Liegenschaft auf
Stauffer könne nur zusammen mit der Dienstbarkeit betr. Baubeschränkung
ins Grundbuch eingetragen werden. Wegen dieser Meinungsverschiedenheit
konnte die Eintragung nicht erfolgen.

    E.-- Am 15. März 1954 leitete Stauffer gegen Beer Klage ein, mit der
er im wesentlichen verlangte, Beer sei zu verpflichten, ihm das Land, das
Gegenstand des Kaufvertrags mit den beiden Gemeinden vom 19. Januar 1953
ist, zum Preise von Fr. 10.- pro m2 und "zu den Bedingungen laut Ziffern
1, 2, 3, 5, 6, 7 und 10, jedoch ohne die Baubeschränkung laut Ziffer 4"
des eben erwähnten Vertrages, zu Eigentum zu übertragen.

    Am 13. Oktober 1955 wies das Bezirksgericht Meilen die Klage ab mit
der Begründung, der Vorkaufsfall sei trotz dem in Ziffer 8 des Kaufvertrags
stipulierten Genehmigungsvorbehalte schon mit der öffentlichen Beurkundung
vom 19. Januar 1953, durch die der Kaufvertrag rechtsgültig abgeschlossen
worden sei, eingetreten; der Beklagte habe damit seinen Verkaufswillen
unwiderruflich zum Ausdruck gebracht; die Frist für die Ausübung des
Vorkaufsrechts sei weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten
erstreckt worden, was nur vor Ablauf ihrer gesetzlichen Dauer hätte
geschehen können; die Ausübungserklärung vom 12. Oktober 1953 sei daher
verspätet und das Vorkaufsrecht verwirkt.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 28. März 1956 das
erstinstanzliche Urteil bestätigt in der Erwägung, der Kaufvertrag mit den
Gemeinden sei zwar im Hinblick auf Ziffer 8 erst mit der Urnenabstimmung
vom 13. September 1953 perfekt geworden; Ziffer 9 enthalte aber einen
rechtsgültig abgeschlossenen, suspensiv bedingten Kaufvertrag mit Pfister
und Schneider; der Abschluss dieses Vertrages habe den Vorkaufsfall
ausgelöst; einer Erstreckung der Frist bzw. einer Neuansetzung derselben
nach Genehmigung des Vertrags und Krediterteilung durch die Gemeinden habe
der Beklagte nicht zugestimmt; die Vorinstanz habe die Ausübungserklärung
daher mit Recht als verspätet bezeichnet; diese Erklärung sei im übrigen
auch deshalb unwirksam, weil sie nicht vorbehaltlos abgegeben worden sei.

    F.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht erneuert der Kläger die
Klagebegehren. Der Beklagte beantragt wie schon im kantonalen Verfahren,
die Klage sei abzuweisen; eventuell sei der Kläger zu verpflichten,
zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Kaufpreis Fr. 50'000.-- zu
bezahlen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es kann dahingestellt bleiben, ob der am 19. Januar 1953
beurkundete Verkauf der streitigen Liegenschaft an die Politische
Gemeinde und die Schulgemeinde Meilen, für sich allein genommen, schon
von der Beurkundung an einen Verkauf im Sinne der Vorkaufsklausel im
Vertrag vom 17. Juli 1952 dargestellt habe, oder ob dies erst nach der
in Ziffer 8 vorbehaltenen Genehmigung und Krediterteilung durch die
zuständigen Gemeindeorgane der Fall gewesen sei. Auch wenn man nämlich
zugunsten des Klägers mit der Vorinstanz letzteres annehmen will, muss
ein solcher Verkauf als schon am 19. Januar 1953 zustandegekommen gelten,
sobald neben den Vertragsbestimmungen, die sich auf den Verkauf an die
Gemeinden beziehen, die vom "Eintritt" Pfisters und Schneiders handelnde
Ziffer 9 berücksichtigt wird.

    Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man freilich geneigt sein, dem
Kläger darin Recht zu geben, dass diese Bestimmung Pfister und Schneider
nicht verpflichte, im Falle der Ablehnung des Kaufs durch die Gemeinden
in den Vertrag einzutreten, sondern dass sie ihnen lediglich das Recht
hiezu gewähre, m.a.W. dass es sich nur um die Einräumung eines bedingten
Kaufsrechts handle. Diese Auslegung hält jedoch einer nähern Prüfung
nicht stand, sodass nicht untersucht zu werden braucht, ob der unter
Genehmigungsvorbehalt stehende Verkauf an die Gemeinden in Verbindung
mit der Einräumung eines solchen Kaufsrechts an Pfister und Schneider als
Vorkaufsfall im Sinne des Vertrags von 1952 gelten könnte. Ziffer 9 des
Kaufvertrages vom 19. Januar 1953 begnügt sich nämlich nicht damit, zu
sagen, dass im Falle der Ablehnung des Kaufs durch die Gemeinden Pfister
und Schneider berechtigt seien, in den Vertrag einzutreten, sondern es
heisst hier in Absatz 1, der Verkäufer erkläre sich für diesen Fall mit
dem Eintritt der Genannten (damit, dass sie "mit den gleichen Rechten und
Pflichten in diesen Vertrag eintreten") ausdrücklich einverstanden. Die
Kundgabe des Einverständnisses mit einer Handlung hat nur dann einen Sinn,
wenn der andere Teil diese Handlung wirklich vorzunehmen gewillt ist. Aus
Ziffer 9 des von Pfister und Schneider mitunterzeichneten Kaufvertrags
folgt also, dass diese beiden willens waren, die Liegenschaft für den Fall
der Ablehnung des Kaufs durch die Gemeinden zu den für diese festgesetzten
Bedingungen zu kaufen. Einen Hinweis darauf, dass Pfister und Schneider
sich in diesem Sinne verpflichten wollten, enthält auch Ziffer 9 Absatz
2. Wenn sie hier "anderseits gegenüber der Politischen Gemeinde Meilen"
eine Verpflichtung übernahmen, so wird dabei eine gegenüber dem Verkäufer
eingegangene Verpflichtung vorausgesetzt. Für ihren Verpflichtungswillen
spricht im übrigen auch die nach den tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz mit der Transaktion verfolgte Absicht, das in Frage stehende
Land wenn immer möglich den Gemeinden zu sichern. Die am Anfang von
Ziffer 9 Absatz 2 stehende Wendung "Für den Fall ihres Eintrittes"
bedeutet nach dem Zusammenhang nicht: "Für den Fall, dass Pfister und
Schneider ihren Eintritt erklären sollten", sondern: "Für den Fall,
dass der von ihnen bedingt erklärte Eintritt aktuell werden sollte". Die
bedingte Verpflichtung Pfisters und Schneiders zum Kauf der Liegenschaft,
die hienach aus Ziffer 9 hervorgeht, ist formgültig begründet worden,
da Pfister und Schneider bei der öffentlichen Beurkundung des Vertrags,
der diese Bestimmung enthält, mitgewirrkt haben. Die Vorinstanz hat
also in Ziffer 9 des Kaufvertrages zu Recht einen aufschiebend bedingten
Kaufvertrag des Beklagten mit Pfister und Schneider erblickt.

    Hat der Beklagte die streitige Liegenschaft durch den Vertrag vom
19. Januar 1953 unter Vorbehalt der Genehmigung durch die zuständigen
Gemeindeorgane an die Politische Gemeinde und die Schulgemeinde Meilen
und für den Fall, dass diese Genehmigung verweigert werden sollte, an
Pfister und Schneider verkauft, so stand schon mit dem Abschluss dieses
Vertrages endgültig fest, dass die Liegenschaft zum Verkauf gelangen
würde. Fraglich konnte damals nur noch sein, ob die Gemeinden oder aber
Pfister und Schneider sie erwerben würden. Dass es sich so verhalte,
konnte der Kläger auf Grund des ihm zugestellten Vertragsexemplars
erkennen. Wer schliesslich die Käufer sein würden, konnte ihm gleichgültig
sein; wesentlich waren für ihn nur die Verkaufsbedingungen, die für
beide Fälle die gleichen waren. Unter diesen Umständen lässt sich nicht
in Abrede stellen, dass der Abschluss des Kaufvertrags vom 19. Januar
1953 einen Verkauf im Sinne der Vorkaufsklausel bildete.

Erwägung 2

    2.- Der Kläger erhielt von diesem Verkauf durch das Schreiben des
Grundbuchamtes vom 22. Januar 1953, das ihm am gleichen oder am folgenden
Tage zuging, Kenntnis. Die Monatsfrist von Art. 681 Abs. 3 ZGB lief deshalb
spätestens am 23. Februar 1953 ab. Innert dieser Frist hat der Kläger sein
Vorkaufsrecht nicht ausgeübt. Daraus, dass der Beklagte das Schreiben
des Vertreters des Klägers vom 19. Februar 1953 entgegennahm, ohne sich
sofort gegen die darin vertretene Rechtsauffassung zu verwahren und das
Verlangen nach späterer Neuansetzung der Frist von Art. 681 ausdrücklich
abzulehnen, kann eine Zustimmung zu einer Erstreckung oder Neuansetzung der
Frist nicht erblickt werden. Das Vorkaufsrecht des Klägers ist also gemäss
Art. 681 Abs. 3 ZGB spätestens am 23. Februar 1953 erloschen. Dadurch,
dass das Grundbuchamt dem Kläger später nochmals eine Frist ansetzte und
der Beklagte sich in der Folge in eine Diskussion über die Eintragung
des Eigentumsüberganges an den Kläger einliess, konnte das untergegangene
Vorkaufsrecht nicht neu begründet werden.

Erwägung 3

    3.- Ist die Klage abzuweisen, weil der Kläger sein Vorkaufsrecht
nicht fristgerecht ausgeübt hat, so kann dahingestellt bleiben, ob
die Ausübungserklärung vom 12. Oktober 1953 einen ihre Wirksamkeit
beeinträchtigenden Vorbehalt enthielt und ob die vom Beklagten sonst noch
erhobenen Einreden begründet seien.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich vom 28. März 1956 bestätigt.