Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 292



82 II 292

42. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juni 1956 i.S. Gruen Watch Mfg
Co. SA gegen Groupement des Fournisseurs d'Horlogerie, Marché Suisse.
Regeste

    Boykott; Zulässigkeit der Berufung, Art. 44 OG, 28 ZGB, 41 OR.

    Nicht vermögensrechtliche Streitigkeit: Der Streit um die
Mitgliedschaft bei einem Verein (Erw. 1).

    Boykott, Begriff und Wesen; Verdrängungsboykott durch Nichtaufnahme
in einen Verband (Erw. 2).

    Voraussetzungen der Unzulässigkeit eines Boykotts (Erw. 3).

    Unzulässigkeit wegen der Schwere der Folgen (Erw. 4-7).

    Aufhebung des unzulässigen Boykotts durch Verpflichtung des Verbandes
zur Aufnahme des Boykottierten (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Das "Groupement des Fournisseurs d'Horlogerie, Marché Suisse"
ist gemäss seinen Statuten ein im Jahre 1925 gegründeter Verein im Sinne
von Art. 60 ff. ZGB. Er bezweckt nach Art. 2 der Statuten die kollektive
Wahrung der allgemeinen Berufsinteressen seiner Mitglieder, sowie die
Förderung des Verkaufs von Schweizer Uhren hoher Qualität durch möglichste
Vereinheitlichung von Verkaufs- und Zahlungsbedingungen. Als Mitglieder
können dem Groupement schweizerische Uhrenfabriken und Unternehmen des
Uhrengrosshandels angehören.

    Zwischen dem Groupement und dem Zentralverband Schweizerischer
Uhrenmacher (ZVSU), einer Vereinigung von Ladengeschäften des
Uhrenhandels, besteht ein Vertrag, die sog. Schweizer Konvention für
den Uhrenhandel. Nach deren Art. 3 sind die Mitglieder des Groupement
verpflichtet, im Gebiete der Konvention Uhren nur an die Mitglieder
des ZVSU zu liefern, während anderseits die Mitglieder des ZVSU Uhren
ausschliesslich bei den Mitgliedern des Groupement beziehen dürfen
(Art. 4). Das Gebiet der Kantone Genf, Neuenburg und Tessin ist der
Konvention nicht unterstellt. Die dort ansässigen Mitglieder des ZVSU
sind daher im Einkauf der Uhren frei und können solche auch bei Fabriken
oder Grossisten beziehen, die dem Groupement nicht angehören.

    Neben dem ZVSU besteht ein von diesem unabhängiger Verband Schweiz.
Uhrenfachgeschäfte. Überdies gibt es noch Uhrengeschäfte, die keiner
Organisation angeschlossen sind.

    Die Gruen Watch Mfg Co. SA ist eine 1903 gegründete A.-G. mit
Sitz in Biel. Ihr Geschäftszweck ist die Fabrikation von Uhren und der
Handel mit solchen. Sie war vorerst lange Jahre ausschliesslich auf den
Export nach den USA eingestellt, wo sie eine eigene Verkaufsgesellschaft
hat, die Gruen Watch Comp. Inc. in Cincinnati. In den Jahren 1928-1939
verkaufte sie in Zusammenarbeit mit der Firma "Alpina" auch Uhren in der
Schweiz, gab dies dann aber wegen des in den Krisenjahren eingetretenen
Umsatzrückganges auf. Um nicht ausschliesslich vom Export nach den USA
abhängig zu sein, nahm sie nach dem zweiten Weltkrieg Bestrebungen auf,
ihre Erzeugnisse auch in andern Staaten abzusetzen und gründete zu diesem
Zwecke die Gruen Watch Export Co. SA in Genf.

    Am 23. März 1953 stellte die Uhrenfabrik Gruen das Gesuch um Aufnahme
in das Groupement. Sie begründete dieses Begehren mit dem Wunsche, ihre
Erzeugnisse auch auf dem Schweizer Markt verkaufen zu können.

    Mit Generalversammlungsbeschluss vom 6. Juli 1953 lehnte jedoch
das Groupement dieses Aufnahmegesuch ab und gab hievon der Bewerberin
mit Schreiben vom 11. Juli 1953 Kenntnis, ohne die Gründe für die
Aufnahmeverweigerung zu nennen.

    B.- Am 16. Februar 1954 erhob die Firma Gruen Klage gegen das
Groupement mit dem Begehren, der Beklagte sei zu verurteilen, sie
als Mitglied aufzunehmen, unter Androhung der gesetzlichen Folgen
im Unterlassungsfalle; eventuell sei die Klägerin auf die Liste
der Lieferanten zu setzen, welche zur Belieferung der Mitglieder
des ZVSU berechtigt sind. Ferner forderte sie eine gerichtlich zu
bestimmende Schadenersatzsumme. Zur Begründung machte sie geltend, die
Weigerung des Beklagten, sie als Mitglied aufzunehmen, stelle zusammen
mit den Auswirkungen der durch die Schweizer Konvention geschaffenen
Kartellordnung einen Verdrängungsboykott dar, der darauf gerichtet sei,
sie als Konkurrenzunternehmen der Mitglieder des Beklagten auf dem
schweizerischen Uhrenmarkt auszuschalten; denn es werde ihr auf diese
Weise verunmöglicht, die von ihr hergestellten Uhren in der Schweiz
abzusetzen. Ihre Existenz werde zwar dadurch nicht bedroht, aber sie
werde doch in ihrer Geschäftstätigkeit in übermässiger Weise behindert.
Schutzwürdige Interessen des Beklagten, die Klägerin vom schweizerischen
Uhrenmarkt fernzuhalten, bestünden nicht. Der über sie verhängte Boykott
sei daher unzulässig.

    C.- Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt das
Vorliegen eines Boykottes, da die Klägerin ihre Erzeugnisse in der Schweiz
auch absetzen könne, ohne dem Groupement anzugehören. Die Kantone Genf,
Neuenburg und Tessin seien überhaupt frei, und auch in der übrigen
Schweiz bestünden zahlreiche Uhrengeschäfte, die der Konvention nicht
unterstehen. Die Klägerin habe jedoch keine nennenswerten Anstrengungen
unternommen, um sich auf dem Schweizer Markt durchzusetzen. So nütze
sie die in den drei freien Kantonen bestehenden Möglichkeiten nicht aus
und betreibe keine intensive Propaganda. Anderseits gab der Beklagte zu,
dass die Klägerin die statutarischen Aufnahmebedingungen erfülle und dass
seit 1945 andere Bewerber in den Verband aufgenommen worden seien.

    D.- Der Appellationshof des Kantons Bern wies mit Urteil vom
12. Oktober 1955 die Klage ab. Die Begründung dieses Entscheides geht im
wesentlichen dahin, es liege überhaupt kein Boykott der Klägerin vor;
denn der Kartellvertrag zwischen dem Beklagten und dem ZVSU schaffe
kein Monopol der beiden Verbände, sodass die Weigerung des Beklagten,
die Klägerin aufzunehmen, diese nicht vom Schweizer Markt ausschliesse,
sondern ihr lediglich die Betätigung auf diesem in einem allerdings
erheblichen Masse erschwere.

    E.- Gegen das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern ergriff
die Klägerin die Berufung an des Bundesgericht mit dem erneuten Antrag
auf Verurteilung des Beklagten, sie als Mitglied aufzunehmen, unter
Androhung der gesetzlichen Folgen im Unterlassungsfalle, eventuell,
sie auf die Liste der Lieferanten zu setzen, welche zur Belieferung der
Mitglieder des ZVSU berechtigt sind. Das Begehren auf Schadenersatz hat
die Klägerin nicht aufrechterhalten.

    Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Zulässigkeit der Berufung, die von Amteswegen zu prüfen ist,
steht ausser Zweifel. Der Streit um die Mitgliedschaft bei einem Verein
ist nach der Rechtsprechung eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit
im Sinne von Art. 44 OG und daher ohne Rücksicht auf den Streitwert
berufungsfähig (BGE 51 II 527); denn der Entschluss einer Person,
ob sie einem Verein angehören wolle oder nicht, erfolgt in Ausübung
ihres durch Art. 28 ZGB geschützten Rechtes der Persönlichkeit. Dass im
vorliegenden Falle die wirtschaftliche Seite des Rechts der Persönlichkeit
in Frage steht, nämlich die Freiheit zur unbehinderten Teilnahme am
wirtschaftlichen Wettbewerb, ändert nichts. Bei der Genossenschaft
ist zwar nach der neuesten Rechtsprechung (BGE 80 II 75) der Streit
um die Mitgliedschaft dann als vermögensrechtlich anzusehen, wenn das
Interesse an der Mitgliedschaft rein finanzieller Art ist, wie z.B. bei
Versicherungsgenossenschaften, insbesondere Krankenkassen. Die gestützt auf
das Recht der wirtschaftlichen Persönlichkeit beanspruchte Zugehörigkeit
zu einem Verein erschöpft sich indessen auf jeden Fall dort nicht in den
damit verbundenen geldwerten Interessen, wo durch die Nichtaufnahme die
wirtschaftliche Existenz in Frage gestellt wird. Aber auch wo dies nicht
der Fall ist, sondern wie hier die Fernhaltung vom Verein lediglich eine
Behinderung in der Betätigung der wirtschaftlichen Persönlichkeit zur
Folge hat, überwiegt das persönlichkeitsrechtliche Element.

    Wollte man aber in Anlehnung an die erwähnte Rechtsprechung zum
Genossenschaftsrecht auch den vorliegenden Fall als vermögensrechtliche
Streitigkeit ansehen, weil überwiegend finanzielle Interessen der Klägerin
auf dem Spiele stünden, so wäre die Berufungsfähigkeit gleichwohl gegeben:
Das Unternehmen der Klägerin weist zugestandenermassen einen Jahresumsatz
von 11-12 Millionen Fr. auf. Es liegt deshalb auf der Hand, dass durch
die Fernhaltung vom schweizerischen Markt oder doch mindestens von einem
erheblichen Teil desselben, welche nach den Behauptungen der Klägerin die
Nichtaufnahme in den beklagten Verein zur Folge hat, finanzielle Interessen
in Mitleidenschaft gezogen werden, welche den Berufungsstreitwert von Fr.
4000.-- (bzw. von Fr. 8000.--für das mündliche Verfahren) weit übersteigen.

    Auf die Berufung ist somit einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz verneint das Vorliegen eines Boykottes, weil der
Kartellvertrag zwischen dem Beklagten und dem ZVSU diesen beiden Verbänden
keine Monopolstellung verschaffe und die Klägerin somit vom schweizerischen
Markt nicht ausgeschlossen werde. Diese Auffassung verkennt indessen das
Wesen des Boykottes, das nach der Rechtsprechung in der organisierten
Meidung eines Gewerbetreibenden besteht, um ihn zu einem bestimmten
aktiven oder passiven Verhalten zu veranlassen oder ihn für ein solches
zu massregeln (BGE 76 II 285, 81 II 122).

    Eine organisierte Meidung im Sinne dieser Begriffsumschreibung
ist im vorliegenden Falle gegeben: Auf Grund der in der Schweizer
Konvention getroffenen Abmachungen sind die im ZVSU zusammengeschlossenen
Geschäfte verpflichtet, Uhren einzig bei den dem Beklagten angehörenden
Fabrikations- und Grosshandelsgeschäften zu beziehen; sie dürfen sich bei
Aussenseitern nicht eindecken. Infolge der Weigerung, die Klägerin in den
beklagten Verband aufzunehmen, ist ihr also verwehrt, ihre Erzeugnisse
in gleicher Weise wie die Mitglieder des Beklagten bei den im ZVSU
organisierten Geschäften abzusetzen. Sie wird von diesen durch den
Nichtabschluss von Geschäften gemieden. Diese Meidung ist organisiert,
da sie planmässig, im gemeinsamen Einverständnis der an der Konvention
beteiligten Wiederverkaufsgeschäfte und auf Veranlassung des beklagten
Verbandes erfolgt.

    Auch das weitere Begriffsmerkmal ist erfüllt, dass die Klägerin durch
die organisierte Meidung zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden
soll, nämlich dazu, auf ihr Vorhaben zu verzichten, ihre Uhren auf dem
schweizerischen Markt auch durch Wiederverkaufsgeschäfte zu vertreiben,
die dem ZVSU angehören.

    Damit sind sämtliche Merkmale eines Boykottes verwirklicht,
und zwar handelt es sich um einen Verdrängungsboykott, der auf die
Ausschaltung eines Konkurrenzunternehmens der Mitglieder des beklagten
Verbandes aus einem bestimmten Wirtschaftsbereich gerichtet ist. Ob
der Beklagte durch die mit dem ZVSU getroffenen Abmachungen seinen
Mitgliedern eine Monopolstellung zu verschaffen bezwecke und vermöge,
ob mit andern Worten die Klägerin vom Schweizer Markt gänzlich oder nur
teilweise ausgeschlossen werde, ist entgegen der Meinung der Vorinstanz
für die Frage nach dem Vorliegen eines Boykottes nicht massgebend. Die
Vereinbarung des ausschliesslichen Verbandsverkehrs bedeutet für jeden,
der die betreffende Geschäftstätigkeit ausübt oder ausüben möchte, aber
nicht in den Verband aufgenommen wird, einen Boykott. Mass und Umfang der
Auswirkungen der Meidung sind für die Entscheidung der grundsätzlichen
Frage, ob ein Boykott vorliegt, nicht von Belang; sie haben lediglich
Bedeutung für die Frage nach der Zulässigkeit des Boykottes.

    Unerheblich ist sodann auch, dass die Kartellorganisation nicht
im Hinblick auf die Klägerin geschaffen worden ist, sondern schon lange
bestand, bevor ihr Aufnahmegesuch in den beklagten Verband abgewiesen wurde
(BGE 76 II 286). Es bedarf auch keiner besonderen Verrufserklärung; eine
solche ist überflüssig, wenn die organisierte Meidung wie hier durch ein
bereits bestehendes Vertragssystem und die darauf beruhenden gegenseitigen
Verpflichtungen der Beteiligten automatisch ausgelöst wird (BGE 76 II 287).

Erwägung 3

    3.- Ist mithin das Vorliegen eines Boykottes der Klägerin zu bejahen,
so erhebt sich die weitere Frage nach seiner Zulässigkeit. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Boykott nicht unter allen
Umständen unstatthaft. Er stellt vielmehr ein an sich erlaubtes
Kampfmittel im Wirtschaftsleben dar. Denn mit der Verabredung und
Durchsetzung der kartellmässigen Unterlassungspflicht übt der Urheber eines
Boykottes an sich lediglich ein Recht aus, das ihm kraft der durch die
schweizerische Rechtsordnung gewährleisteten privatrechtlichen Vertrags-
und Koalitionsfreiheit zusteht. Unzulässig ist ein Boykott jedoch, wenn
der mit ihm verfolgte Zweck oder die angewendeten Mittel rechtswidrig
sind oder gegen die guten Sitten verstossen, oder wenn zwischen dem
vom Urheber des Boykottes angestrebten Vorteil und dem Schaden, den der
durch die Massnahme Betroffene erleidet, ein offenbares Missverhältnis
besteht. Ein solcher übermässiger Eingriff verstösst gegen die guten
Sitten und bedeutet zugleich eine vor Art. 28 ZGB nicht mehr haltbare
Verletzung des Rechts auf Entfaltung der wirtschaftlichen Persönlichkeit
des Boykottierten, das den oben genannten Freiheitsrechten des Urhebers des
Boykottes gegenübersteht und diese einschränkt (vgl. hiezu BGE 81 II 124,
76 II 287, 73 II 76, 69 II 82). Dabei ist zu beachten, dass es genügt, wenn
auch nur ein einziger der in Betracht kommenden Unzulässigkeitsgründe -
Unerlaubtheit des Mittels oder des Zweckes oder Übermass des Eingriffes
in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen - verwirklicht ist (BGE 76
II 293 Erw. 5).

Erwägung 4

    4.- Unerlaubtheit der vom Beklagten verwendeten Mittel oder des mit
der Kartellordnung angestrebten Zwecks behauptet die Klägerin mit Recht
selber nicht. In der Tat kann der Abschluss von Vereinbarungen, durch
die der ausschliessliche Verbandsverkehr eingeführt wird, für sich allein
nicht als rechts- oder sittenwidrig angesehen werden; dasselbe gilt für
den mit der Kartellordnung unmittelbar verfolgten Zweck, den Handel mit
Qualitätsuhren zu fördern und gesunde Preisverhältnisse zu gewährleisten.

    Es kann sich daher einzig fragen, ob der durch die Aufnahmeverweigerung
gegen die Klägerin ausgelöste Boykott wegen übermässiger Schwere seiner
Folgen unzulässig sei.

Erwägung 5

    5.- a) Hinsichtlich der Wirkungen, die der Boykott für die Klägerin
zur Folge hat, ergibt sich auf Grund der Akten und der Feststellungen
der Vorinstanz das folgende Bild: Als Nichtmitglied des Beklagten
kann die Klägerin die der Schweizer Konvention angeschlossenen
Uhrengeschäfte nicht beliefern. In der ganzen Schweiz (mit Ausnahme
der drei freien Kantone Genf, Neuenburg und Tessin) gibt es 931 solche
Konventionsgeschäfte. Ihnen stehen - einschliesslich des Gebietes der drei
genannten freien Kantone - ungefähr gleich viele freie Geschäfte gegenüber.
Jedoch gehören - wiederum abgesehen von den drei freien Kantonen - die sog.
Spitzengeschäfte, d.h. die alteingesessenen führenden Uhrenfachgeschäfte,
welche die bekanntesten Markenuhren wie Omega, Zenith, Longines, Rolex usw.
verkaufen, fast ausnahmslos der Konvention an. Wie die Vorinstanz weiter
feststellt, befinden sich allerdings auch unter den nicht zur Konvention
gehörenden, also frei belieferbaren Geschäften im Konventionsgebiet mehrere
sog. Spitzengeschäfte, und daneben gibt es noch eine Anzahl sog. guter
Geschäfte. Ferner kann die Klägerin in den drei freien Kantonen Genf,
Neuenburg und Tessin mit sämtlichen Geschäften, also auch mit allen dort
befindlichen Spitzengeschäften, frei Handel treiben, wobei dem Platze
Genf im schweizerischen Uhrenhandel hervorstechende Bedeutung zukommt.

    b) Die Klägerin ist somit vom schweizerischen Uhrenmarkt nicht
völlig ausgeschlossen. Sie hat vielmehr auf ihm noch eine gewisse
Betätigungsmöglichkeit, der jedoch, wie auch die Vorinstanz anerkennt,
sehr fühlbare Schranken gesetzt sind. Die rechtliche Tragweite dieser
Beschränkung wird nun aber von der Vorinstanz infolge ihrer unzutreffenden
grundsätzlichen Auffassung des Boykottbegriffs unrichtig beurteilt. Nach
den von der Vorinstanz als beweiskräftig befundenen Aussagen des Zeugen
Manser, des Präsidenten des Verbands schweizerischer Uhrenfachgeschäfte
(also einer Organisation nicht der Konvention angehörender Uhrenhändler)
ist es nämlich für den Verkauf in der Schweiz nötig, die Spitzengeschäfte
beliefern zu können, und zwar auch für eine auf dem Weltmarkt bereits
eingeführte Marke. Anders ausgedrückt vermag sich also eine Uhrenmarke
auf dem Schweizer Markt nicht mit Erfolg durchzusetzen, wenn sie sich
nicht um die Kundschaft der sog. Spitzengeschäfte in der ganzen Schweiz
bewerben, sondern sich nur an die konventionsfreien, zumeist weniger
bedeutenden Wiederverkaufsgeschäfte und an die sämtlichen Geschäfte in
den drei freien Kantonen Genf, Neuenburg und Tessin wenden kann. Dadurch,
dass die Klägerin infolge der Aufnahmeverweigerung des Beklagten daran
gehindert wird, ihre Uhren in nahezu sämtlichen führenden Geschäften des
Konventionsgebietes abzusetzen, wird sie von einem wesentlichen Teil des
inländischen Uhrenhandels ausgeschlossen, und zwar gerade von dem Teil,
der für den Verkauf in der Schweiz von grösster Bedeutung ist.

    Daneben hat der Boykott für die Klägerin eine weitere Wirkung. Sie wird
durch ihn überdies aus dem freien Wettbewerb mit andern Herstellern von
Qualitätsuhren verdrängt. Wie der Zeuge Manser weiter ausgesagt hat, ist
es für den Vertrieb einer Uhr wichtig, dass sie in einem angesehenen und
alteingesessenen Geschäft ausgestellt werden kann. Mit der Nichtaufnahme
durch den Beklagten wird nun aber der Klägerin infolge der Kartellbindung
der dem ZVSU angeschlossenen Ladengeschäfte die Möglichkeit genommen, ihre
Erzeugnisse - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - in den Schaufenstern
der bedeutendsten Spitzengeschäfte der grossen Städte und Kurorte neben
den bekannten Markenuhren auszustellen. Es ist ihr damit verwehrt, mit
den bestbekannten Uhrenfabriken in unmittelbaren Wettbewerb zu treten,
deren Erzeugnisse mit den ihrigen vergleichen zu lassen und so auf dem
Markte bekannt zu werden. Darin liegt eine unannehmbare Behinderung der
Klägerin im freien Wettbewerb; diese wird verhindert, ihre wirtschaftliche
Tätigkeit nach ihrem Willen und ihren Absichten zu gestalten. Diese
Möglichkeit soll aber einem schweizerischen Fabrikationsunternehmen,
das seine Waren auf dem Schweizer Markt bekannt machen und absetzen
will, nicht genommen werden können durch einen Boykott, sofern hiefür
nicht schutzwürdige Interessen nachgewiesen sind, denen bei objektiver
Betrachtung der Vorrang vor den Interessen der Klägerin an der freien
Betätigung im Konventionsgebiet zuerkannt werden muss. Das durch Art. 31
BV gewährleistete System des freien Wettbewerbes darf ohne hinreichende
Gründe auch durch privatrechtliche Abmachungen nicht vereitelt werden.

Erwägung 6

    6.- Rechtlich schutzwürdige Interessen seiner Verbandsmitglieder,
der Uhrenindustrie oder der Volkswirtschaft im allgemeinen, die im
Sinne der vorstehenden Ausführungen die Fernhaltung der Klägerin von der
Betätigung im Konventionsgebiet als begründet erscheinen liessen, hat der
Beklagte nicht geltend gemacht. Das anerkennt auch die Vorinstanz. Wenn
sie es gleichwohl unterlassen hat, die daraus sich ergebenden rechtlichen
Schlussfolgerungen zu ziehen, so ist dies ausschliesslich ihrer rechtlich
unzutreffenden Auffassung des Boykottbegriffs zuzuschreiben.

    a) In der schriftlichen Mitteilung der Abweisung des Aufnahmegesuches
der Klägerin gab der Beklagte überhaupt keine Gründe an und verweigerte
auch auf Anfrage der Klägerin hin deren Bekanntgabe. Erst in der
schriftlichen Klagebeantwortung vor der kantonalen Instanz machte der
Beklagte dann gewisse Gründe geltend, die nach seiner Auffassung die
Nichtaufnahme der Klägerin zu rechtfertigen vermöchten. So wies er
darauf hin, dass der Klägerin anlässlich der Gründung des Verbandes
(1925) der Beitritt freigestanden wäre, dass sie aber hievon keinen
Gebrauch gemacht habe. Allein das ist kein zulänglicher Grund, sie
heute nicht aufzunehmen. Denn es ist unbestritten, dass die Klägerin
damals ausschliesslich auf den Export nach den USA ausgerichtet war,
während sie heute ihre Erzeugnisse auch nach andern Ländern ausführen und
sich auch auf dem Schweizer Markt betätigen möchte. Die wirtschaftlichen
Verhältnisse haben sich somit geändert. Hatte die Klägerin vor 30 Jahren
kein Interesse an der Mitgliedschaft beim Beklagten, so ist heute das
Gegenteil der Fall. Dazu kommt, dass nach den Aussagen des Sekretärs des
Beklagten seit 1945 eine Anzahl von Unternehmen, die vorher ebenfalls nicht
in der Schweiz gearbeitet hatten, in den Verband aufgenommen worden sind.

    b) Der Beklagte beruft sich weiter darauf, dass seinerzeit der
Schweizer Markt unter grossen finanziellen Opfern seiner Mitglieder saniert
worden sei; indem die Klägerin heute auf diesem vorbereiteten Gebiet
tätig sein wolle, ohne vorher entsprechende Opfer auf sich genommen zu
haben, wolle sie ernten, wo sie nicht gesät habe. Auch dieser Einwand
hält nicht stand. Nach Art. 20 der Statuten des Beklagten hat jedes
neueintretende Mitglied ein Eintrittsgeld zu leisten, dessen Höhe von
der Generalversammlung bestimmt wird. Dieses Eintrittsgeld stellt
das Entgelt für die Vorteile dar, die das neue Mitglied mit seinem
Beitritt erlangt. Bei der Festsetzung dieses Betrages kann den von den
bisherigen Mitgliedern gebrachten finanziellen Opfern in gewissem Umfang
Rechnung getragen werden. Abgesehen hievon hat sich der Beklagte durch
Überlegungen dieser Art nicht davon abhalten lassen, seit 1945 andere
Bewerber aufzunehmen, für die dasselbe galt wie für die Klägerin.

    c) Der Beklagte scheint sodann die Nichtaufnahme der Klägerin damit
begründen zu wollen, dass sie auf dem Schweizer Markt auch tätig sein
könne, ohne dem Groupement anzugehören. Demgegenüber ist auf die oben
gemachten Feststellungen hinsichtlich der Bedeutung zu verweisen, welche
die Zugehörigkeit zum Beklagten für den Uhrenhandel in der Schweiz hat.
Unbehelflich ist insbesondere auch der Einwand des Beklagten, die Klägerin
könne auch als Nichtmitglied die dem ZVSU angeschlossenen Geschäfte auf
dem Umweg über einen dem Verband angehörenden Grossisten beliefern. Denn
wegen des vom Grossisten beanspruchten Zwischengewinnes würde sich
entweder der Verkaufspreis der Erzeugnisse der Klägerin entsprechend
erhöhen oder ihre Gewinnspanne sich entsprechend verringern. Dadurch
würde die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin aber derart beeinträchtigt,
dass dieser Zugang zum Markt im Konventionsgebiet praktisch als für sie
ungangbar erachtet werden muss.

    d) Nach der Meinung des Beklagten kann sich die Klägerin über ihre
Nichtaufnahme schon deswegen nicht beschweren, weil sie die gebotenen
Möglichkeiten zur Durchdringung des Schweizer Marktes nicht ausgenützt
habe. Das trifft nach den Feststellungen der Vorinstanz an sich zu, da die
Klägerin in Genf nur in drei Geschäften, in Neuenburg nur in einem Geschäft
und im Tessin überhaupt nicht vertreten ist. Die Klägerin begründet diese
Zurückhaltung jedoch damit, dass die Unkosten einer vermehrten Betätigung
in keinem tragbaren Verhältnis zum möglichen Absatz stünden, solange sie
nicht den gesamten Schweizer Markt frei bearbeiten könne. Diese Erklärung
leuchtet ein, wenn man in Betracht zieht, dass nach den Aussagen des
Zeugen Manser die Einführung einer Uhrenmarke auf dem Markt sehr hohe
Propagandakosten erfordert und dass gemäss den Darlegungen des Sekretärs
des Beklagten z.B. die Propagandakosten für die Omegauhr in der Schweiz
allein Fr. 200'000.-- - 300'000.--, diejenigen für Longines nach den
Angaben des Zeugen Wirth über Fr. 100'000.-- im Jahr betragen.

    e) Der Beklagte will schliesslich die Nichtaufnahme der Klägerin
mit der Behauptung rechtfertigen, sie sei am Schweizer Markt gar nicht
so sehr interessiert, sondern wolle nur in den Auslagen alteingesessener
Spitzengeschäfte in Gesellschaft der berühmtesten Markenuhren glänzen und
so für den Absatz ihrer Erzeugnisse im Ausland Propaganda machen. Allein
abgesehen davon, dass das fehlende Interesse der Klägerin am Schweizer
Markt nicht feststeht - behauptet sie selber doch das Gegenteil -, ist
nicht einzusehen, warum der Klägerin im Gegensatz zu den Mitgliedern des
beklagten Verbandes diese für Qualitätsuhren wichtige Reklamemöglichkeit
verwehrt sein soll. Wie der Zeuge Manser hervorgehoben hat, ist es für den
Verkauf nach dem Ausland von Bedeutung, dass eine Uhr in den guten alten
Geschäften ausgestellt ist, wenn sie bekannt werden will. Dann kann
aber das Bestreben der Klägerin, sich diese über die Landesgrenzen
hinausreichende Propagandawirkung gleich wie die übrigen, dem Beklagten
angehörenden Fabrikanten ebenfalls zu Nutze zu machen, keinen Grund für
die Aufnahmeverweigerung abgeben.

    f) Dass das bisherige Verhalten der Klägerin die Bestrebungen des
Beklagten zur Aufrechterhaltung gesunder Marktverhältnisse durchkreuzt
hätte oder dass angenommen werden könnte, sie würde sich in Zukunft den
Zielen und Zwecken des Verbandes nicht unterordnen, behauptet der Beklagte
selber nicht. Ebenso fehlt jede Andeutung, dass die Aufnahme der Klägerin
in den beklagten Verband mit dem Kartellzweck irgendwie unvereinbar wäre
oder dass bestimmte Interessen der schweizerischen Uhrenindustrie oder
der Volkswirtschaft im allgemeinen gegen ihre Aufnahme sprächen.

    Was der Beklagte zur Begründung der Aufnahmeverweigerung vorbringt,
ist somit unstichhaltig. Ob das blosse Bestreben zur Ausschaltung eines
nicht genehmen Konkurrenten oder eine rein persönliche Einstellung gegen
die Klägerin für den Beschluss der Generalversammlung des Beklagten vom
6. Juli 1953 massgebend waren, kann dahingestellt bleiben. Denn sind die
zur Rechtfertigung der Aufnahmeverweigerung vorgebrachten Gründe nicht
stichhaltig, so spielt es keine ausschlaggebende Rolle, auf was für andere,
ungenannte Beweggründe die Abweisung der Klägerin zurückzuführen ist.

Erwägung 7

    7.- Die Abwägung der gegenseitigen Interessen ergibt somit, dass
der Beklagte kein rechtsschutzwürdiges Interesse an der Fernhaltung der
Klägerin geltend zu machen vermag, während für diese die Nichtaufnahme eine
wenn auch nicht existenzgefährdende, so doch schwerwiegende Beschränkung
und Behinderung in der Einführung und im Absatz ihrer Erzeugnisse auf dem
Schweizer Markt sowie eine Verdrängung aus dem freien Wettbewerb bedeutet.
Bei diesem Sachverhalt verstösst die Nichtzulassung der Klägerin zum
beklagten Verband wegen der einschneidenden Folgen, die zu den Vorteilen
für die Mitglieder des Beklagten in keinem Verhältnis stehen, gegen die
guten Sitten und verletzt das wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht der
Klägerin im Sinne von Art. 28 ZGB. Der gegen sie gerichtete Boykott ist
somit unzulässig, und sie hat Anspruch auf dessen Aufhebung.

Erwägung 8

    8.- Der einfachste und zweckmässigste Weg hiezu ist die Aufnahme
der Klägerin in den beklagten Verband, wie die Klägerin dies mit
ihrem Klagebegehren in erster Linie verlangt. Gegenüber einer blossen
Lockerung der Sperre in dem Sinn, dass die Klägerin zur Belieferung
der Mitglieder des ZVSU zugelassen wird, erscheint die Aufnahme in den
Verband als die zweckmässigere Lösung, weil damit die Klägerin auch
die aus der Mitgliedschaft fliessenden Pflichten auf sich nimmt, die
auf die Aufrechterhaltung gesunder Preis- und Absatzverhältnisse auf
dem schweizerischen Uhrenmarkt gerichteten Bestrebungen zu unterstützen
und sich den vom Beklagten zu diesem Zweck getroffenen Anordnungen zu
unterziehen.

    Der Beklagte widersetzt sich dem Aufnahmebegehren der Klägerin unter
Hinweis darauf, dass er als Verein befugt sei, einem Bewerber die Aufnahme
auch ohne Grundangabe zu verweigern. Dieser Einwand ist jedoch nicht zu
hören. Der Beklagte ist zwar äusserlich in die Rechtsform eines Vereins zu
nicht wirtschaftlichen Zwecken im Sinne von Art. 60 ff. ZGB gekleidet. In
Wirklichkeit handelt es sich aber bei ihm um einen Zusammenschluss von
Gewerbetreibenden zur Verfolgung ausgesprochen wirtschaftlicher Ziele, wie
die Zweckumschreibung in Art. 2 seiner Statuten klar erkennen lässt. Die
dort genannten Ziele, nämlich die kollektive Verteidigung der allgemeinen
Interessen der ihm angehörenden Fabrikanten und Grossisten - also nicht
der Uhrenindustrie in ihrer Gesamtheit -, die Förderung und der Schutz des
Uhrenhandels, die Vereinheitlichung der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen,
beziehen sich nicht auf irgendwelche ideale Zwecke, sondern sie sind darauf
gerichtet, den Verbandsmitgliedern auf dem Wege der Marktregulierung
eine Erhöhung des Umsatzes und des Gewinnes zu verschaffen. Es wäre
daher sachlich richtiger und den Umständen angemessener gewesen, statt
der Vereinsform diejenige der Genossenschaft zu wählen, bei der nach
ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 839 Abs. 2 OR) der Eintritt
neuer Mitglieder nicht übermässig erschwert (und noch weniger überhaupt
verunmöglicht) werden darf. Es ist daher geboten, bei Vereinen von
der Art des Beklagten die genannte Bestimmung des Genossenschaftsrechts
analog zur Anwendung zu bringen, wie dies schon im Falle des BGE 76 II
294 angedeutet worden ist.

    Die Klägerin stellt schliesslich das Begehren, der Beklagte sei
unter Androhung der gesetzlichen Folgen im Unterlassungsfalle zu ihrer
Aufnahme zu verpflichten. Allein das Prozessrecht des Bundes kennt für
Berufungsurteile eine solche Strafandrohung nicht. Dem dahingehenden
Berufungsantrag kann daher nicht entsprochen werden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 12. Oktober 1955 wird aufgehoben und der Berufungsbeklagte
verpflichtet, die Berufungsklägerin als Mitglied aufzunehmen.