Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 205



82 II 205

30. Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. Mai 1956 i.S. Hiestand gegen
Vormundschaftsbehörde Oberrieden und Bezirksrat Horgen. Regeste

    Berufung an das Bundesgericht. Parteien im Verfahren betr. Errichtung
einer Beiratschaft. Letztinstanzlicher kantonaler Entscheid? (Art. 48 OG).

    Errichtung einer Beiratschaft (Art. 395 ZGB). Die Kantone bestimmen
die sachlich zuständigen Behörden und sind in der Ausgestaltung des
kantonalen Instanzenzugs frei.

Sachverhalt

    Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde Oberrieden errichtete der
Bezirksrat Horgen am 10. Juni 1955 für Frl. Hiestand eine Beiratschaft im
Sinne von Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB. Hiegegen rekurrierte Frl. Hiestand
an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich. Diese hat am 27. Dezember
1955 verfügt, der Rekurs werde in dem Sinne gutgeheissen, dass die
Rekurrentin unter blosse Mitwirkungsbeiratschaft nach Art. 395 Abs. 1
ZGB gestellt werde.

    Gegen diesen Entscheid hat Frl. Hiestand die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die
Handlungsfähigkeit sei ihr unbeschränkt zu belassen; eventuell sei die
Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss § 91 Abs. 1 des zürcherischen Einführungsgesetzes zum
ZGB (EG) erfolgen die Beschränkung der Handlungsfähigkeit (Art. 395
ZGB) und die Aufhebung dieser Beschränkung durch den Bezirksrat auf
Antrag des Waisenamtes. Im vorliegenden Falle wirkte demgemäss die
Vormundschaftsbehörde Oberrieden als Antragsstellerin, der Bezirksrat
dagegen wie nachher die Justizdirektion als entscheidende Behörde.
Daher kann im Berufungsverfahren ausser der Berufungsklägerin nur die
Vormundschaftsbehörde als Partei gelten.

Erwägung 2

    2.- In Verfahren, welche die Entmündigung, die Anordnung einer
Beistandschaft oder die Aufhebung dieser Verfügungen zum Gegenstand haben,
ist nach Art. 44 lit. c OG die Berufung an das Bundesgericht zulässig. Wie
aus den in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Artikeln des ZGB (Art.
369-372, 392-395) klar hervorgeht, ist hier unter "Beistandschaft" die
Beiratschaft im Sinne von Art. 395 ZGB mitzuverstehen. Der angefochtene
Entscheid ist also in einer Sache ergangen, die mit der Berufung vor das
Bundesgericht gebracht werden kann.

    Die Berufung ist indes nach Art. 48 OG nur gegen Entscheide zulässig,
die nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden
können. Ob ein Entscheid einer kantonalen Behörde durch ein ordentliches
kantonales Rechtsmittel angefochten werden könne, ist dem Grundsatze
nach eine Frage des kantonalen Rechts, die das Bundesgericht bei der ihm
obliegenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen hat.

    Die Zuständigkeit der Justizdirektion des Kantons Zürich zur
Beurteilung von Rekursen gegen bezirksrätliche Entscheide über die
Anordnung einer Beiratschaft kann ihren Grund nur darin haben, dass der
Bezirksrat gemäss §§ 41 und 75 EG vormundschaftliche Aufsichtsbehörde
erster Instanz und die Justizdirektion die vom Regierungsrat auf Grund
von § 44 Ziff. 9 und § 75 EG als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde
zweiter Instanz bezeichnete Amtsstelle ist; denn die Justizdirektion ist
nach der zürcherischen Behördenorganisation nur in ihrer Eigenschaft als
obere vormundschaftliche Aufsichtsbehörde Rekursinstanz gegenüber dem
Bezirksrat (vgl. O. FEHR, Die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Zürich,
S. 235, 228). Gegen Entscheide der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde
zweiter Instanz ist nach dem letzten Satzteil von § 75 EG Rekurs an
den Regierungsrat zulässig. Diese Bestimmung entspricht § 13 Abs. 2 des
zürcherischen Gesetzes betr. die Organisation und Geschäftsordnung des
Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899, wonach gegen
alle Verfügungen in Sachen, die einer Direktion zur Erledigung zugewiesen
sind, das Recht des Rekurses an den Regierungsrat offensteht, und dem
in § 46 EG ausgesprochenen Grundsatze, dass gegen alle Entscheidungen
und Verfügungen einer untern Verwaltungsbehörde Rekurs an die obere
Behörde zulässig ist. Der hier in Frage stehende Rekurs ist ein
ordentliches Rechtsmittel; er hat Devolutiveffekt und grundsätzlich
auch Suspensiveffekt (vgl. § 46 EG). Nach kantonalem Recht ist also
der angefochtene Entscheid kein letztinstanzlicher im Sinne von Art. 48
OG, sondern wäre diese Eigenschaft erst einem auf Rekurs hin ergangenen
Entscheid des Regierungsrates, der obersten kantonalen Verwaltungsbehörde,
zugekommen.

    Im Entscheide BGE 47 II 17 Erw. 2, den die Berufungsklägerin anruft,
hat das Bundesgericht nun allerdings erklärt, nach Art. 361 ZGB seien die
Kantone nur berechtigt, eine oder zwei Instanzen der vormundschaftlichen
Aufsichtsbehörde vorzusehen; die Einführung einer dritten Instanz sei
bundesrechtwidrig; daher könne (wo ein solcher Weiterzug möglich ist)
schon der Entscheid der zweitinstanzlichen Aufsichtsbehörde an das
Bundesgericht weitergezogen werden, auch wenn das kantonale Recht,
wie es nach den angeführten Bestimmungen im Kanton Zürich der Fall
ist, eine dritte Instanz vorsieht. In BGE 64 II 336 und 67 II 205 hat
das Bundesgericht diese Rechtsprechung dann aber dahin verdeutlicht,
dass die aus Art. 361 ZGB sich ergebende Beschränkung des kantonalen
Instanzenzugs nur für die Angelegenheiten gilt, die das Bundesrecht den
vormundschaftlichen Behörden im Sinne dieser Bestimmung übertragen hat. Wo
dagegen das Bundesrecht die Bezeichnung der sachlich zuständigen Behörden
den Kantonen überlässt, sind diese in der Ausgestaltung des Instanzenzuges
frei, und zwar gilt dies auch dann, wenn ein Kanton eine Angelegenheit,
für die er die sachliche Zuständigkeit nach seinem Gutfinden ordnen kann,
den vormundschaftlichen Behörden zuweist.

    Der Entscheid darüber, ob die Verfügung der Justizdirektion vom 27.
Dezember 1955 der Berufung an das Bundesgericht unterliege oder ob dieses
Rechtsmittel erst gegen einen Rekursentscheid des Regierungsrates hätte
ergriffen werden können, hängt demnach davon ab, ob die Errichtung einer
Beiratschaft im Sinne von Art. 395 ZGB kraft Bundesrechts Sache der
vormundschaftlichen Behörden ist oder ob das Bundesrecht die Bestimmung
der hiefür zuständigen Behörden den Kantonen überlässt.

Erwägung 3

    3.- Art. 395 ZGB sagt nichts darüber, welche Behörde zuständig ist, im
Sinne dieser Bestimmung die Handlungsfähigkeit einer Person zu beschränken
und ihr einen Beirat zu geben. Die Antwort auf diese Frage muss daher
anderswo gesucht werden.

    Auf Art. 395, der mit dem Randtitel "III. Beschränkung der
Handlungsfähigkeit" im Unterabschnitt "A. Fälle der Beistandschaft" des
Abschnittes über "Die Beistandschaft" steht, folgt unter dem Randtitel
"B. Zuständigkeit" der Art. 396, der bestimmt, die Vertretung durch
einen Beistand werde für die der Beistandschaft bedürftige Person von der
Vormundschaftsbehörde ihres Wohnsitzes angeordnet (Abs. 1); die Anordnung
einer Vermögensverwaltung erfolge durch die Vormundschaftsbehörde des
Ortes, wo das Vermögen in seinem Hauptbestandteil verwaltet worden oder
der zu vertretenden Person zugefallen ist (Abs. 2). Art. 397, der mit
dem Randtitel "C. Bestellung des Beistandes" versehen ist, sagt sodann
in Abs. 1: "Für das Verfahren gelten die gleichen Vorschriften wie bei
der Bevormundung."

    Unter der Anordnung der Vertretung durch einen Beistand bzw. einer
Vermögensverwaltung, wofür Art. 396 die Zuständigkeit regelt, ist nach
allgemeinem Sprachgebrauch nicht etwa bloss die Wahl des Beistandes,
d.h. die Bezeichnung der mit der Führung der Beistandschaft betrauten
Person, sondern vor allem die Errichtung der Beistandschaft, d.h. der
Beschluss zu verstehen, der anordnet, dass in einem bestimmten Fall
eine Beistandschaft errichtet wird. Hätte das Gesetz in Art. 396 nur
die Zuständigkeit für die Wahl des Beistandes ordnen wollen, so hätte
es sich anders ausdrücken müssen. Daher ist anzunehmen, dass Art. 396
nicht nur für die Wahl des Beistands, sondern auch für die Errichtung der
Beistandschaft gelte. Der französische und der italienische Text dieser
Bestimmung können nicht zu einem andern Schlusse führen. Sie sind zwar so
gefasst, dass es möglich wäre, sie bloss auf die Zuständigkeit für die Wahl
des Beistands zu beziehen (Le curateur est nommé ..." bzw. "... désigné
..."; "La nomina del curatore ..."). In einem weitern Sinne können
aber die Ausdrücke "Ernennung", "nomination" und "nomina", auf einen
Beistand bezogen, auch die Anordnung der Beistandschaft bezeichnen
(vgl. den deutschen und italienischen Text von Art. 392 und 393, wo
die entsprechenden Zeitwörter "ernennen", "nominare" im Zusammenhang
mit der Frage verwendet werden, in welchen Fällen eine Beistandschaft
zu errichten ist, und auch den Randtitel "Bestellung des Beistandes",
"Nomination", "Nomina del curatore" zu dem vom Verbeiständungsverfahren
handelnden Art. 397). Die romanischen Texte von Art. 396 zwingen daher
keineswegs zu einer Auslegung, die dem klaren Sinne des deutschen Textes
widerspräche. Es liesse sich im übrigen kein vernünftiger Grund dafür
finden, die örtliche Zuständigkeit (um die es in Art. 396 in erster Linie
geht) für die Wahl des Beistandes anders zu ordnen als für die Errichtung
der Beistandschaft. Die Rechtsprechung hat denn auch stets angenommen,
dass Art. 396 die örtliche Zuständigkeit für die Anordnung (= Errichtung)
der Beistandschaft festsetzt (BGE 46 II 3 unten, 81 II 419).

    Da Art. 396 die Anordnung der Vertretung durch einen Beistand und die
Anordnung einer Vermögensverwaltung je der "Vormundschaftsbehörde" eines
bestimmten Ortes, zuweist, ist darin nicht nur eine Vorschrift über die
örtliche, sondern auch eine solche über die sachliche Zuständigkeit zur
Errichtung einer Beistandschaft zu erblicken (so auch KAUFMANN, 2. Aufl.,
N. 1 und 26 zu Art. 396). Für die Errichtung einer Beistandschaft sind
also nach Bundesrecht die vormundschaftlichen Behörden zuständig. -
Stellt Art. 396 demnach eine Sondervorschrift für die örtliche und
sachliche Zuständigkeit zur Errichtung einer Beistandschaft dar, so
kann die in Art. 397 enthaltene Verweisung auf die Vorschriften über
die Bevormundung nicht den Sinn haben, dass diese Zuständigkeit sich in
örtlicher Beziehung nach Art. 376 und in sachlicher Beziehung nach Art. 373
richte (vgl. BGE 81 II 420, wo festgestellt wurde, dass die den Kantonen in
Art. 376 Abs. 2 eingeräumte Befugnis, für ihre im Kanton wohnenden Bürger
die vormundschaftlichen Behörden der Heimat als zuständig zu erklären,
mit Bezug auf die Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft nicht gelte).

    Art. 396 kann nun aber trotz dem durch die Systematik des Gesetzes
vermittelten Zusammenhang mit Art. 395 nicht ohne weiteres auf die
Errichtung einer Beiratschaft Anwendung finden. Sein erster Absatz, der
von der Anordnung der "Vertretung durch einen Beistand" spricht, bezieht
sich nach seinem Wortlaut auf die Vertretungsbeistandschaft im Sinne von
Art. 392, nicht dagegen auf die Mitwirkungs- oder Verwaltungsbeiratschaft
im Sinne von Art. 395, und sein zweiter Absatz ist offensichtlich für
die Verwaltungsbeistandschaft im Sinne von Art. 393 aufgestellt worden,
die zur Voraussetzung hat, dass ein Vermögen vorhanden ist, das niemand
verwaltet (vgl. BGE 80 II 198), nicht für den Fall, dass zum Schutze einer
Person, die die tatsächliche Möglichkeit zur Verwaltung ihres Vermögens
besitzt, eine Beschränkung ihrer Handlungsfähigkeit hinsichtlich der
Vermögensverwaltung als notwendig erscheint; denn indem Art. 396 Abs. 2
für die Anordnung der Vermögensverwaltung die Vormundschaftsbehörde des
Ortes, wo das Vermögen in seinem Hauptbestandteil verwaltet worden oder
der zu vertretenden Person zugefallen ist, als zuständig bezeichnet,
nimmt er nur gerade auf den Fall Bezug, dass irgendwo ein Vermögen liegt,
um das sich niemand kümmert. Die Fassung von Art. 396 wurde eben im
wesentlichen aus dem Vorentwurf von 1900 übernommen, der im entsprechenden
Abschnitt (über "Die Anordnung der Beistandschaft", Art. 422-425) als
Fälle der Beistandschaft nur die Vertretung und die Vermögensverwaltung
im Sinne der heutigen Art. 392 und 393 vorsah. Art. 396 bestätigt also
hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit nach seinem Wortlaut nur, was
sich schon aus Art. 392 und 393 ergibt: dass es nämlich in den Fällen
dieser Artikel Sache der Vormundschaftsbehörde ist, einen Beistand zu
ernennen, d.h. eine Beistandschaft zu errichten. Lässt sich Art. 396
demnach im Falle des Art. 395 nicht unmittelbar anwenden, so kann sich
nur noch fragen, ob und wieweit jene Bestimmung auf die Anordnung einer
Beiratschaft im Sinne von Art. 395 analog angewendet werden könne.

    Mit Bezug auf die örtliche Zuständigkeit hat die Rechtsprechung diese
Frage in der Weise beantwortet, dass sie unter Hinweis auf Art. 396
Abs. 1 (und 376) die Behörden des Wohnsitzes der schutzbedürftigen
Person für die Anordnung beider Formen der Beiratschaft als zuständig
erklärte (BGE 46 II 3 ff., 81 II 419). Auf die Verwaltungsbeiratschaft im
Sinne von Art. 395 Abs. 2 den von der "Vermögensverwaltung" handelnden
Art. 396 Abs. 2 anzuwenden, wurde abgelehnt mit der Begründung, der
Gesetzessystematik komme hier keine erhebliche Bedeutung zu, weil
Art. 395 erst in der parlamentarischen Beratung (vom Ständerat) in den
Abschnitt über die Beistandschaft eingeschoben worden sei; bei solchen
Einschiebungen liege die Gefahr nahe, "dass sie dem übrigen Gesetzesinhalt
nicht nach jeder Hinsicht angepasst sind und das System in der einen
oder andern Richtung durchbrechen"; das treffe zweifellos im Verhältnis
zwischen Art. 395 Abs. 2 und 396 Abs. 2 zu; Art. 396 Abs. 2 passe für
die reine Vermögensverwaltung des Art. 393, weil diese sehr wohl von der
Person des in seiner Handlungsfähigkeit unbeschränkten Verbeiständeten
losgelöst und am Ort, wo das Vermögen liegt, vorgenommen werden könne,
nicht dagegen für die Beiratschaft, die stets die Handlungsfähigkeit
des Betroffenen beschränke; denn im Falle, dass die Beiratschaft nicht
an dessen Wohnort geführt würde, stünde der Beirat den von ihm zu
berücksichtigenden Verhältnissen des Verbeirateten oft fremd gegenüber
und wäre die Beschränkung der Handlungsfähigkeit für diesen wegen
Erschwerung des Kontakts mit dem Beirat weit drückender als bei Führung
der Beiratschaft am Wohnort (BGE 46 II 3 ff.). Es hätte beigefügt werden
können, dass die Behörden des Wohnsitzes in der Regel mit den Tatsachen,
die zur Anordnung einer Beiratschaft (sei es eine Mitwirkungs-, sei es
eine Verwaltungsbeiratschaft) Anlass geben können, in der Regel am besten
vertraut sind und am raschesten handeln können (vgl. BGE 81 II 419 unten),
und dass für die Verwaltungsbeiratschaft schon deshalb nicht eine andere
örtliche Zuständigkeit gelten kann als für die Mitwirkungsbeiratschaft,
auf die Art. 396 Abs. 2 offensichtlich nicht angewendet werden kann,
weil unter Umständen beide Massnahmen miteinander zu verbinden sind
(vgl. BGE 66 II 14, 81 II 266). Die Praxis hat also auf beide Formen
der Beiratschaft den in 396 Abs. 1 und 376 Abs. 1 ZGB ausgesprochenen
Grundsatz der Zuständigkeit der Wohnsitzbehörden angewendet, weil dadurch
die Verwirklichung der Zwecke, denen die Vorschriften über die Beiratschaft
dienen sollen, am besten gewährleistet wird.

    Entsprechende Überlegungen müssen auch bei der Lösung der Frage
wegleitend sein, welche Behörden für die Anordnung einer Beiratschaft
sachlich zuständig seien. Die im Abschnitt über die Beistandschaft
geregelte Beiratschaft ist ihrer Natur nach in Wirklichkeit eine
Vormundschaft minderen Grades (BGE 80 II 17). Ihre Anordnung setzt
nach dem Wortlaut von Art. 395 ZGB voraus, dass eine Entmündigung nicht
geboten, aber doch eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit notwendig
ist, und ihre Wirkungen sind zwar nicht so umfassend wie diejenigen der
Vormundschaft, haben aber in dem Bereiche, auf den sie sich erstrecken,
ähnlichen Charakter wie diese, da sie den Verbeirateten am selbständigen
Abschluss bestimmter Geschäfte hindern (Abs. 1) bzw. ihm die Befugnis
entziehen, sein Vermögen selber zu verwalten (Art. 2). In der Praxis
können sich leicht Fälle ergeben, wo man sich ernstlich fragen kann, ob
eine Vormundschaft oder nur eine Beiratschaft am Platze sei. Es wäre also
unzweckmässig und einer richtigen Anwendung des Gesetzes abträglich, wenn
über die Anordnung einer Beiratschaft eine andere Behörde zu befinden hätte
als über die Entmündigung. Daher ist auf die sachliche Zuständigkeit für
die Anordnung einer Beiratschaft ungeachtet der Tatsache, dass Art. 395
unter den Bestimmungen über die Beistandschaft steht, nicht der für diese
massgebende Art. 396, sondern der für die Entmündigung geltende Art. 373
ZGB analog anzuwenden, d.h. für die Anordnung einer Beiratschaft muss wie
für die Entmündigung gelten, dass die Kantone die sachlich zuständigen
Behörden bestimmen (so auch schon BGE 67 II 205 f. in Übereinstimmung
mit KAUFMANN, 2. Aufl., N. 30 zu Art. 396 und N. 21 zu Art. 397,
und EGGER, 2. Aufl., N. 6 zu Art. 397 ZGB). Die in BGE 56 II 423 ohne
nähere Begründung vertretene Auffassung, dass nach Art. 376 und 396 ZGB
die Entmündigung und die Bestellung eines Beirats (gemeint die Anordnung
einer Beiratschaft) wie die Verbeiständung Sache der vormundschaftlichen
Behörden seien, erweist sich als unzutreffend. (Ob aus den gleichen
Gründen anzunehmen sei, dass die Kantone mit heimatlicher Armenfürsorge
die Anordnung einer Beiratschaft für ihre im Kanton wohnenden Bürger
wie gemäss Art. 376 Abs. 2 die Anordnung und Führung einer Vormundschaft
den heimatlichen Behörden übertragen können, trotzdem diese Bestimmung,
wie schon bemerkt, für die Anordnung einer Beistandschaft nicht gilt,
braucht heute nicht entschieden zu werden.)

    Die analoge Anwendung von Art. 373 auf die sachliche Zuständigkeit
für die Beiratschaft schafft freilich keine absolute Gewähr dafür,
dass für die Verbeiratung überall die gleichen Behörden zuständig sind
wie für die Entmündigung, weil diese Vorschrift sich darauf beschränkt,
die Bezeichnung der zuständigen Behörden den Kantonen zu überlassen, und
folglich die Kantone nicht zwingt, die Anordnung der Beiratschaft den
gleichen Behörden zuzuweisen wie die Entmündigung. Sie macht dies den
Kantonen aber wenigstens möglich, und die meisten Kantone scheinen von
dieser Möglichkeit denn auch Gebrauch gemacht zu haben (vgl. KAUFMANN,
2. Aufl., N. 22 ff. zu Art. 397 ZGB). Eine Ausnahme macht allerdings
gerade Zürich, wo gemäss § 85 EG der auf Grund von Art. 369 oder 370 ZGB
zu Entmündigende nach Zustellung des Beschlusses des Bezirksrats eine
gerichtliche Entscheidung verlangen kann und der Rekurs an die obere
Aufsichtsbehörde und den Regierungsrat ausgeschlossen ist, während im
Falle der Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne von Art. 395 ZGB
gemäss § 91 Abs. 2 EG ein gerichtliches Verfahren nicht stattfindet. Diese
Besonderheit des zürcherischen Rechts kann aber auf die Auslegung der
bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften keinen Einfluss haben.

    Im vorliegenden Falle haben also der Bezirksrat und die Justizdirektion
nicht eine Kompetenz ausgeübt, die ihnen als vormundschaftlichen Behörden
von Bundesrechts wegen zukäme, sondern sie haben als die Behörden
gehandelt, die nach dem in dieser Hinsicht massgebenden kantonalen
Recht für den Entscheid über die Anordnung einer Beiratschaft zuständig
sind. Die Verfügung der Justizdirektion hätte daher durch Rekurs an
den Regierungsrat angefochten werden können, was nach Art. 48 OG ihre
Anfechtung durch Berufung an das Bundesgericht ausschliesst.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.