Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 97



82 III 97

27. Entscheid vom 5. Oktober 1956 i.S. J. Diethelm und W. Regeste

    Legitimation zu Beschwerde und Rekurs nach Art. 17 ff.  SchKG.

    Zur Beschwerde über die Anordmmg der amtlichen Verwahrung einer
gepfändeten Sache (Art. 98 SchKG) ist ein das Eigentum ansprechender
Dritter nicht befugt, wenn der Schuldner alleinigen Gewahrsam hat und
die Sache nicht zum Nutzen des Dritten verwendet.

Sachverhalt

    A.- Für die Gläubigerin Fira AG arrestierte das Betreibungsamt
Basel-Stadt am 23. Juli 1956 beim Schuldner Diethelm ein Personenautomobil
Marke Borgward Modell 1956, geschätzt auf Fr. 9000.--. An diesem Automobil
machten die Ehefrau des Schuldners sowie dessen Mutter, die im gleichen
Hause wohnt, Eigentum geltend. Über diese Drittansprachen eröffnete das
Betreibungsamt ein Widerspruchsverfahren nach Art. 109 SchKG mit Ansetzung
einer Klagefrist an die Gläubigerin. Ferner verfügte es was folgt:

    "Das Fahrzeug wird dem Schuldner zur Benützung überlassen, es sei
denn, der Gläubiger verlange nach Obsiegen im Widerspruchsverfahren dessen
amtliche Verwahrung und leiste hiefür einen weitern Kostenvorschuss von Fr.
300.--."

    B.- Auf Beschwerde der Gläubigerin hob die kantonale Aufsichtsbehörde
mit Entscheid vom 20. September 1956 die nach Art. 109 SchKG angesetzte
Klagefrist auf und wies das Betreibungsamt an, das Widerspruchsverfahren
nach Art. 106/7 SchKG mit umgekehrter Verteilung der Parteirollen
einzuleiten. Die Aufsichtsbehörde fand, bei den vorliegenden Verhältnissen
habe der Schuldner den alleinigen Gewahrsam am Arrestobjekt. Der Umstand,
dass seine Mutter, die ihm für die Anzahlung an den Kaufpreis Geld
lieh, als Halterin eingetragen ist, vermöge ihr keinen Mitgewahrsam zu
verschaffen; denn "der Wagen wird weder von ihr gefahren noch ist er in
ihren Räumlichkeiten eingestellt noch hat sie einen Schlüssel dazu". Auch
die Ehefrau des Schuldners habe keine tatsächliche Verfügungsmacht über
den Wagen. Daraus, dass sie Doppel des Zündungs- und des Wagenschlüssels
besitze, die sich in der ehelichen Wohnung befänden, könne nicht auf
Mitgewahrsam geschlossen werden. Sie fahre ebenfalls nicht selbst und
gebrauche den Wagen nicht für sich.

    Hinsichtlich der amtlichen Verwahrung hat die Aufsichtsbehörde
in der betreibungsamtlichen Verfügung die Worte "nach Obsiegen im
Widerspruchsverfahren" gestrichen. Da der Wagen im alleinigen Gewahrsam
des Schuldners stehe, sei eine amtliche Verwahrung schon während des
Widerspruchsverfahrens gerechtfertigt, falls die Gläubigerin es verlange
und den Kostenvorschuss von Fr. 300.-- (für die Garagierung während
eines halben Jahres) leiste, vorbehältlich einer Sicherheitsleistung des
Schuldners gemäss Art. 277 SchKG.

    C.- Gegen den zweiten Punkt des kantonalen Entscheides haben die
Drittansprecherinnen Rekurs eingelegt mit dem Antrag,

    "es sei in Aufhebung von Ziffer 2 des Entscheides der Aufsichtsbehörde
dem Schuldner das arrestierte Personenauto, Marke Borgward-Isabella, bis
zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides im Widerspruchsverfahren
zu überlassen."

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Am Arrestierungs- und Betreibungsverfahren als solchem sind die
Rekurrentinnen nicht beteiligt. Da aber eine Sache arrestiert wurde,
an der sie das Eigentum beanspruchen, ist über ihre Ansprache ein
Widerspruchsverfahren durchzuführen, und in diesem Verfahren kommt ihnen
Parteistellung zu. Sie wären deshalb ohne weiteres legitimiert gewesen,
den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde im ersten, die Verteilung
der Parteirollen betreffenden Teil weiterzuziehen, was denn auch ständiger
Praxis entspricht (vgl. neuestens BGE 82 III 32).

    Nun ist aber festgestellt, dass der Schuldner den alleinigen Gewahrsam
am arrestierten Personenautomobil hat. Unter diesen Umständen kann
den Rekurrentinnen nicht ohne weiteres ein rechtserhebliches Interesse
daran zuerkannt werden, dass das Automobil dem Schuldner belassen bleibe
und jedenfalls bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht in
amtliche Verwahrung genommen werde. Es bedürfte zur Annahme eines solchen
Interesses besonderer Gründe. Wären die Rekurrentinnen doch nicht einmal
dann, wenn sie Mitgewahrsam am arrestierten Automobil hätten, unbedingt
gegen eine amtliche Verwahrung geschützt (vgl. BGE 79 III 108 ff.). Nun
berufen sich die Rekurrentinnen nur auf ihre Eigentumsansprache, indem
sie vorbringen: "In Ausübung seines Ermessens hat der Betreibungsbeamte
nicht nur die Beschlag- und Sicherungsrechte der Gläubiger, sondern auch
die Eigentumsansprachen der Dritten angemessen zu berücksichtigen". In
diesen Ansprachen liegt aber kein genügendes Interesse begründet, sich
der amtlichen Verwahrung zu widersetzen. Denn eine solche Verwahrung
gefährdet das behauptete Dritteigentum in keiner Weise. Sie ist vielmehr
dazu geeignet, dieses Recht ebenso wie die Rechte des Arrestgläubigers zu
schützen. Auf den Ausgang des Widerspruchsverfahrens hat sie keine Wirkung;
sie stützt sich nicht etwa auf eine für den Dritten ungünstige Beurteilung
der Prozessaussichten durch die Betreibungsbehörden, was übrigens für
den Richter unbeachtlich wäre. Für die amtliche Verwahrung ist einzig
der von Art. 98 Abs. 3 in Betracht gezogene Sicherungszweck entscheidend
(vgl. Erw. 1 des Entscheides vom 5. Juli 1956 i.S. Erbschaft Piehler).

    Irgendwelche Interessen der Rekurrentinnen, die es rechtfertigen
würden, ihnen die Legitimation zur Weiterziehung des kantonalen Entscheides
hinsichtlich der amtlichen Verwahrung des Automobils zuzuerkennen,
sind nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen des angefochtenen
Entscheides wird das Automobil nur vom Schuldner benützt, und es ist
nicht die Rede davon, dass dies. zu wichtigen, namentlich beruflichen
Zwecken der Rekurrentinnen geschähe. Der Umstand, dass ihnen gelegentlich
die Bequemlichkeit des Mitfahrens geboten ist, solange der Wagen in den
Händen des Schuldners bleibt, vermag ein des Rechtsschutzes würdiges,
durch Beschwerde oder Rekurs zu verfechtendes Interesse nicht zu begründen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.