Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 55



82 III 55

20. Entscheid vom 31. Mai 1956 i.S. Casana-Anstalt. Regeste

    Zwangsversteigerung (Art. 125 ff., 133 ff., 156, 256 SchKG). Wer in
fremdem Namen bietet, hat sich auf Verlangen des Steigerungsleiters über
seine Handlungsbefugnis auszuweisen. Ist er dazu nicht in der Lage, so
darf sein Angebot unberücksichtigt bleiben. - Art. 58 Abs. 2, 102, 130 VZG.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs des Martin Rigling, gewesenen Wirtes zum "Rössli", Obere
Schwendi, Speicher, fand am 12. April 1956 die Steigerung der Liegenschaft
zum "Rössli" statt. Den Steigerungsbedingungen ist zu entnehmen:

    "3. Angebote ...

    Von Personen, die als Stellvertreter in fremdem Namen oder als Organ
einer juristischen Person bieten, kann der Nachweis der Vertretungsbefugnis
verlangt werden. Vormünder, die für ihre Mündel bieten, haben immer eine
Vollmacht der zuständigen Vormundschaftsbehörde vorzuweisen.

    "10. Die Barzahlungen nach Ziffer 7 und 8 hiervor sind wie folgt
zu leisten:

    a) Verwertungskosten Fr. 230.15, Verwaltungskosten Fr.  18.30.

    b) ...

    c) ...

    Diese Zahlungen sind wie folgt zu leisten: Die unter lit. a hievor
bezeichneten Zahlungen am Steigerungstage selbst;..."

    B.- Für die konkursamtlich auf Fr. 23'000.-- geschätzte Liegenschaft
bot Eugen Bürgi, St. Gallen, Fr. 25'200.--. Darauf folgte ein
Angebot von Fr. 25'600.-- durch Albert Kolp, St. Gallen, namens der
Grundpfandgläubigerin Casana-Anstalt, Vaduz. Der Konkursbeamte erteilte
dieser Bieterin den Zuschlag, verlangte aber von Kolp einen Nachweis
seiner Vertretungsbefugnis. Kolp wies die beglaubigte Photokopie
einer Generalvollmacht vor. Laut deren vorgedrucktem Text ist der
Generalbevollmächtigte "berechtigt, Rechtshandlungen jeder Art für den
Vollmachtgeber vorzunehmen, insbesondere ... Grundeigentum nach freiem
Willen zu erwerben, zu veräussern oder zu belasten (Art. 396, Abs. 3 OR)
...". Als Vollmachtgeberin ist am Eingang der Urkunde die CasanaAnstalt
Vaduz mit Maschinenschrift eingesetzt und als Generalbevollmächtigter
Albert Kolp, Martinsbrückerstrasse 44, St. Gallen, bezeichnet. Als
Aussteller hat ohne Firmazusatz "Morscher Eduard" unterzeichnet. Die
Urkunde ist vom 13. Januar 1956 datiert, und unter dem gleichen Datum
hat die Fürstlich liechtensteinische Landgerichtskanzlei die Echtheit
der Unterschrift "des Herrn Eduard Morscher, Rankweil" bestätigt.

    Der Konkursbeamte, dem der an der Steigerung mitwirkende
Gemeindeschreiber und Grundbuchverwalter von Speicher beistimmte, liess
diese Generalvollmacht aus zwei Gründen nicht als genügenden Ausweis
gelten: a) weil sie nicht namens der Casana-Anstalt, sondern kurzweg von
Eduard Morscher unterzeichnet war, und b) weil dessen Befugnis, für die
Casana-Anstalt zu zeichnen, nicht belegt war. Deshalb, und angeblich auch,
weil Kolp den Betrag der Verwertungs- und Verwaltungskosten von Fr. 248.45
nicht bei sich hatte, erklärte der Konkursbeamte den Zuschlag an die
Casana-Anstalt als nicht rechtskräftig und setzte die Steigerung fort. Da
kein weiteres Angebot fiel, schlug er die Liegenschaft nach dreimaligem
Ausruf an Eugen Bürgi zum nächst tieferen Angebot von Fr. 25'200.-- zu.

    C.- Darüber beschwerte sich die Casana-Anstalt binnen zehn Tagen mit
dem Antrag, der Zuschlag an Bürgi sei als ungültig zu erklären, und es sei
zu erkennen, dass die Liegenschaft als ihr zugeschlagen zu gelten habe. Sie
brachte vor, Eduard Morscher sei für sie einzelunterschriftsberechtigt. Ein
dies bezeugender Auszug aus dem Handelsregister von Vaduz ("Kundmachung"),
datiert vom 26. Juli 1954, liege auf dem Grundbuchamt St. Gallen. Kolp habe
gegenüber den Vorhalten des Konkursbeamten an der Steigerungsverhandlung
erklärt, man könne sich auf dem erwähnten Grundbuchamte telephonisch
erkundigen, wofür er die Spesen vergüten wolle. Doch sei der Konkursbeamte
darauf nicht eingegangen. Die vorgewiesene General-Vollmacht hätte
übrigens genügen sollen. - Von den bar zu erlegenden Verwertungs- und
Verwaltungskosten bzw. einem Kostenvorschuss von Fr. 500.-- sei in diesem
Augenblicke nicht mehr gesprochen worden. Das sei vorher, in einer vom
Konkursbeamten eingeschalteten Pause, geschehen. In der Zwischenzeit habe
Kolp sich mit Erfolg nach einer Möglichkeit, diese Zahlung zu leisten,
umgetan; ein anderer Steigerungsteilnehmer habe sich bereit erklärt,
ihm den erforderlichen Betrag vorzustrecken. Kolp wäre also in der Lage
gewesen, den Vorschuss beim Zuschlag zu erlegen; er sei aber dazu gar
nicht aufgefordert worden, da der Beamte seine Vollmacht nicht habe
gelten lassen.

    D.- Von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 30. April
1956 abgewiesen, hält die Casana-Anstalt mit vorliegendem Rekurs an der
Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Es kann dahingestellt bleiben, ob der Zuschlag an die Rekurrentin
deshalb als hinfällig erklärt werden durfte, weil der in ihrem Namen
auftretende Albert Kolp die erforderlichen Barmittel zur Begleichung der
Verwertungs- und der Verwaltungskosten wirklich oder vermeintlich nicht
verfügbar hatte. Wie dem auch sei, hält jedenfalls die Bemängelung des
von ihm an der Steigerung vorgewiesenen Vertretungsausweises vor dem
Bundesrechte stand.

    Das Angebot an einer Steigerung ist eine Willenserklärung. Im
Namen eines Andern kann daher der Bieter nur dann gültig auftreten,
wenn er dessen gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter ist,
sei es infolge audrücklicher Bevollmächtigung oder auf Grund eines die
entsprechende Ermächtigung in sich schliessenden Rechtsverhältnisses oder,
bei juristischen Personen, kraft einer mit solcher Handlungsbefugnis
verbundenen Organeigenschaft. Jede Unsicherheit über das Vertretungsrecht
sollte grundsätzlich an einer Steigerung ausgeschaltet sein. Wird der
Zuschlag einem in fremdem Namen auftretenden Bieter, d.h. eben dem von
ihm Vertretenen, erteilt, ohne dass ein genügender Ausweis über das
Vertretungsrecht vorliegt, so geschieht es auf die Gefahr hin, dass der
Zuschlag auf (unbefristete) Beschwerde des Vertretenen aufgehoben werden
muss (vgl. BGE 58 III 9 ff.). Angesichts der damit verbundenen Nachteile
hat die Praxis von jeher angenommen, dass, wer als Vertreter eines andern
bietet, sich als dazu berechtigt durch eine unzweideutige Vollmacht
auszuweisen hat (JAEGER, N. 2 c zu Art. 125 SchKG). Auf die Zusicherung
des Bietenden, die Vollmacht erst nachher beizubringen oder ergänzen zu
lassen, braucht sich der Steigerungsbeamte nicht einzulassen. Lehnt er
die Berücksichtigung des Angebotes eines nicht genügend ausgewiesenen
Stellvertreters ab, so liegt darin keine Gesetzesverletzung, da diese
Strenge sich nach dem Gesagten mit dem Interesse an einer endgültigen,
nicht von später beizubringenden Ausweisen abhängigen Verwertung
rechtfertigen lässt. Art. 58 VZG stellt denn auch verschiedene Vorschriften
auf, die darauf abzielen, die Person des Bieters klarzustellen und bei
Angeboten in fremdem Namen das Vertretungsrecht vor dem Zuschlag belegen
zu lassen. Geschieht es nicht oder in ungenügender Weise, so darf das
betreffende Angebot unberücksichtigt bleiben. Nimmt hierauf die Steigerung
ihren Fortgang, und wird der Zuschlag einem andern Bieter in einwandfreier
Weise erteilt, so kann dem aus triftigem Grund abgewiesenen Bieter nicht
zugestanden werden, den Zuschlag durch das Betreibungs- oder Konkursamt
widerrufen oder auf dem Beschwerdeweg aufheben zu lassen und sein eigenes
Angebot nun doch zur Geltung zu bringen, indem er nachträglich einen
ausreichenden Vertretungsausweis vorlegt.

    Im vorliegenden Falle war nun die von Kolp vorgewiesene
Generalvollmacht mit den beiden vom Steigerungsbeamten gerügten Mängeln
behaftet. Vollmachtgeberin ist nach dem Ingress dieser Urkunde zwar die
Casana-Anstalt, es fehlt aber eine entsprechende Firmaunterschrift und
liegt nur der Namenszug "Morscher Eduard" vor. Gewiss sprach eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dafür, Morscher habe eben namens der Casana-Anstalt,
nicht in eigenem Namen unterzeichnen wollen. Es konnte aber doch
ein Zweifel darüber auftauchen, ob er etwa die Urkunde, ohne die den
Vollmachtgeber bezeichnende erste Linie auszufüllen, im eigenen Namen
unterzeichnet habe, und ob dann ohne seine Zustimmung von irgendwem
die Casana-Anstalt als Vollmachtgeberin eingesetzt worden sei. Ein
solches Bedenken liess sich an der Steigerung nicht beheben. Dazu kam
das Fehlen jedes Ausweises über die Befugnis Morschers, eine solche
Generalvollmacht namens der Casana-Anstalt auszustellen. Weder vermochte
sich Kolp auf eine von der Casana-Anstalt an Morscher erteilte Vollmacht
mit dem Recht zu solcher Substitution zu stützen, noch wies er eine mit
Einzelzeichnungsbefugnis verbundene Organeigenschaft des Genannten nach.

    Bei diesem Sachverhalt handelte der Konkursbeamte im Rahmen
seines Ermessens, wenn er das für die Rekurrentin erfolgte Angebot
mangels genügenden Vertretungsausweises des für sie handelnden Albert
Kolp ausschlug. Er war nicht gehalten, sich während der Steigerung
auf dem Grundbuchamt St. Gallen nach der Organeigenschaft und den
Handlungsbefugnissen des Eduard Morscher telephonisch zu erkundigen,
wie ihm dies Kolp nahelegte. Vielmehr durfte er einen vollständigen
schriftlichen Ausweis verlangen und, da sich ein solcher ohne erhebliche
Unterbrechung der Steigerung nicht beschaffen liess, über das namens der
Rekurrentin erfolgte Angebot hinweggehen, d.h. den ihr bereits voreilig
erteilten Zuschlag als nicht zu Recht bestehend erklären. Das war wegen des
in Frage stehenden Mangels der Vollmacht ebenso zulässig wie etwa wegen
Missachtung von Art. 60 Abs. 2 VZG (BGE 55 III 67). Somit erweist sich
der Rekurs jedenfalls unter dem nach Art. 19 SchKG einzig in Betracht
fallenden Gesichtspunkt einer Gesetzesverletzung, unter Ausschluss
blosser Angemessenheitsfragen, als unbegründet, ohne dass geprüft zu
werden braucht, ob nicht ein neuer statt des auf dem Grundbuchamt St.
Gallen liegenden, vom 26. Juli 1954 datierten Registerauszuges hätte
vorgelegt werden müssen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.