Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 33



82 III 33

12. Auszug aus dem Entscheid vom 2. Februar 1956 i. S. Scherrer und Brack.
Regeste

    Unter welchen Voraussetzungen kann ein Verwertungsaufschub nach
Art. 123 SchKG bewilligt werden?

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- In einer Grundpfandbetreibung gegen Brack wurde die Steigerung auf
Montag, den 21. November 1955, 15 Uhr, angesetzt und am 14. Oktober 1955
im Amtsblatt bekannt gemacht.

    B.- Am 19. November 1955 (Samstag) suchte Scherrer, nicht
betreibender Grundpfandgläubiger im 3. und 4. Rang, für den Schuldner
einen Verwertungsaufschub nach. Unter dem gleichen Datum (mit Postaufgabe
am folgenden Tag um 20 Uhr) führte er Beschwerde, um den nachgesuchten
Aufschub zu erwirken. Dabei stellte er die Bezahlung eines Achtels der
Betreibungssumme sowie Kostenersatz bis zum Mittag des Steigerungstages
in Aussicht.

    C.- Die untere Aufsichtsbehörde erhielt diese Beschwerde am Morgen des
21. November, konnte davon jedoch wegen auswärtiger Amtsverrichtungen
erst um 13 Uhr Kenntnis nehmen. Nach telephonischer Abklärung des
Sachverhaltes wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. Die Steigerung
wurde durchgeführt und das Grundstück dem Meistbietenden zugeschlagen.

    D.- Mit Rekurs vom 1. Dezember 1955 stellte Scherrer auch namens des
Schuldners das Begehren, die Beschwerde sei zu schützen und die Steigerung
zu annullieren.

    E.- Mit Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 4. Januar
1956 "im Sinne der Motive abgewiesen", hat Scherrer Rekurs an das
Bundesgericht eingelegt.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Der angefochtene Entscheid geht davon aus, eine Annullierung der
Versteigerung sei unmöglich, "da dem neuen Eigentümer der Liegenschaft
sein Eigentum nicht auf Grund eines Beschwerdeentscheides entzogen
werden kann". Diese Betrachtungsweise ist unrichtig. Art.136bis SchKG
sieht die Anfechtung des Zuschlages auf dem Wege der Beschwerdeführung
ausdrücklich vor. Der Vorinstanz ist aber darin beizustimmen, dass im
vorliegenden Falle als Grund zur Aufhebung der Steigerung einzig das von
Scherrer kurz vor der Steigerung namens des Schuldners gestellte Gesuch
um Verwertungsaufschub in Betracht fällt, und dass die Ablehnung dieses
Gesuches nicht als rechtswidrig bezeichnet zu werden verdient. Nach
Art. 123 SchKG kann der Betreibungsbeamte die Verwertung aufschieben,
"wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden in
finanzielle Bedrängnis geraten ist, und wenn er sich zu regelmässigen
Abschlagszahlungen an das Betreibungsamt verpflichtet und die erste
Zahlung geleistet hat". Hier fehlte es an jeglicher Glaubhaftmachung
schuldloser finanzieller Bedrängnis, was schon ohne weiteres die Ablehnung
des erst am Steigerungstage beim Betreibungsamt eingelangten Gesuches
rechtfertigte. Nach vorinstanzlicher Feststellung war nach den Akten nicht
einmal der Beweis geleistet, dass die Abschlagszahlung vor Beginn der
Steigerung in den Händen des Betreibungsamtes lag. Demgegenüber verweist
der Rekurs nun freilich auf eine Postquittung mit dem Datumstempel "Zürich
Sihlfeld 21.XI.55-10" für die telegraphische Anweisung von Fr. 400.--
an das Betreibungsamt. Allein diese Beweisurkunde lag der kantonalen
Aufsichtsbehörde noch nicht vor und kann daher nicht berücksichtigt
werden (Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG). Auch wenn übrigens angenommen wird,
die Zahlung sei dem Betreibungsamt vor Beginn der Steigerung zugegangen,
fehlte es, wie dargetan, an weitern Voraussetzungen zur Bewilligung des
Verwertungsaufschubes. Der angefochtene Entscheid lässt sich rechtlich
um so weniger beanstanden, als ein solcher Aufschub nach Art. 123 SchKG
erteilt werden kann, dem Betreibungsamt also ein gewisses Ermessen
eingeräumt ist. Es war zulässig, zu prüfen, ob die Gläubigerinteressen
bei Bewilligung des Aufschubes nicht gefährdet wären. Nun erschien als
zweifelhaft, ob der Schuldner zur Leistung regelmässiger Abschlagszahlungen
imstande sein werde; hatte doch das Betreibungsamt Kreuzlingen am
2. September 1955 in einer gegen ihn gerichteten Alimentenbetreibung
einen Verlustschein ausgestellt. Auch Scherrer, der erklärte, "für die
kommenden Achtel zu haften", konnte nicht als sicherer Zahler gelten;
denn er war es, der die nämliche Liegenschaft zu Eigentum besessen und
infolge Zwangsverwertung im Jahre 1954 verloren hatte. Sodann läuft,
wer erst am Steigerungstag einen Verwertungsaufschub nachsucht, ohnehin
Gefahr, abgewiesen zu werden, weil das Amt einfach nicht mehr in der
Lage ist, die Voraussetzungen und die Modalitäten eines Aufschubes, wie
sie gemäss dem amtlichen Formular Nr. 29 a oder 29 b festzusetzen wären,
umsichtig zu prüfen. Nach alldem lässt sich die Ablehnung des Gesuches
und die Abweisung der Beschwerde rechtlich nicht beanstanden.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.