Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 26



82 III 26

10. Entscheid vom 3. Mai 1956 i. S. Mühlethaler. Regeste

    Lohnpfändung.

    1.  Was für Verpflichtungen des Schuldners erhöhen seinen
Notbedarf? Wie verhält es sich insbesondere mit Abzahlungsquoten und
Mietzinsraten für unentbehrliche Sachen? (Erw. 1).

    2.  Beitragspflicht der Ehefrau nach ehelichem Güterrecht (Art. 192 und
246 ZGB) als zusätzliche Einkommensquelle. Bemessung der Beiträge (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 6932 für Alimente des Sohnes Gerhard laut
Scheidungsurteil pfändete das Betreibungsamt Zürich 11 am 17. Oktober 1955
vom Stundenlohn des Schuldners Mühlethaler je 43 Rappen. Der Schuldner ist
seit dem 29. April 1954 neu verheiratet und hat für keine Kinder ausser
jenem Sohn aus erster Ehe, geboren.am 6. Februar 1940, zu sorgen. Das
Betreibungsamt berechnete das Existenzminimum des Schuldners und seiner
gegenwärtigen Ehefrau nebst dem Unterhaltsbeitrag an Gerhard auf jährlich
Fr. 7525.80. Das Arbeitseinkommen des Schuldners bemass es auf netto
Fr. 5936.40 und fügte einen Haushaltsbeitrag der Ehefrau von Fr. 600.-- bei
(monatlich Fr. 50.- bei einem Monatslohn von Fr. 100.--, netto Fr. 98.-,
den sie als Spetterin verdient). So ergab sich für den Sohn eine pfändbare
Lohnquote von Fr. 1042.23 im Jahr oder 43 Rp. pro Arbeitsstunde.

    B.- Über diese Lohnpfändung beschwerte sich der Schuldner, weil kein
Grund bestehe, die Hälfte des Arbeitsverdienstes der Ehefrau heranzuziehen,
und weil die von ihm für unentbehrliche Haushaltungsgegenstände (zwei
Schlafcouches) laut Kaufvertrag zu leistenden monatlichen Abzahlungen von
Fr. 20.- bis Fr. 25.- in das Existenzminimum einzubeziehen seien. Infolge
dieser beiden Korrekturen ergebe sich eine für den betreibenden
Alimentengläubiger pfändbare Lohnquote von 38 Rp. pro Arbeitsstunde.

    C.- Die obere kantonale Aufsichtsbehörde ermässigte die Lohnpfändung
mit Entscheid vom 23. März 1956, zugestellt am 12. April 1956, auf 42
Rp. pro Arbeitsstunde, weil der bei Lohnpfändungen für die Berechnung
des Existenzminimums zu beachtende Teuerungszuschlag von bisher 65% auf
75% erhöht worden sei. Die vom Schuldner vorgebrachten Beschwerdegründe
bezeichnete der Entscheid dagegen als unzutreffend.

    D.- Mit vorliegendem Rekurs hält der Schuldner an der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Rekurrent will die ihm obliegenden Abzahlungen aus einem
Möbelkauf als eine zum Notbedarf gehörende Aufwendung betrachtet
wissen. Die gegenteilige Entscheidung der kantonalen Aufsichtsbehörde
würde ihn, wie er ausführt, daran hindern, diesen Verpflichtungen
nachzukommen. Dadurch wäre er gezwungen, einen gutgläubigen Verkäufer
zu schädigen.

    Anderweitige Verpflichtungen des Schuldners können indessen nach
ständiger Rechtsprechung bei der Lohnpfändung grundsätzlich nicht
berücksichtigt werden. Ausgenommen sind durch Lohnabtretung gedeckte
Schulden, ferner solche aus dem Kauf unpfändbarer Sachen, sofern sich
der Verkäufer das Eigentum vorbehalten hat, und endlich Schulden aus
dem Bezug von Lebensmitteln (BGE 69 III 17, 77 III 160, 79 III 156,
nicht veröffentlichte Entscheidungen vom 17. Dezember 1954 i.S. Sacchi
und vom 17. Januar 1955 i.S. Brenn). Dem Ankauf unpfändbarer Sachen mit
Eigentumsvorbehalt des Verkäufers ist die blosse Miete solcher Sachen
(mit oder ohne Klausel, wonach der Mieter nach Bezahlung einer bestimmten
Reihe von Mietzinsraten Eigentümer werde) gleichzuachten, so dass die
Mietaufwendungen für Kompetenzstücke ebenfalls in Betracht fallen (BGE
60 III 175 und Entscheid vom 7. März 1956 i.S. Gebr. Rosenzweig *, der
stillschweigend einen Eigentumsvorbehalt voraussetzt). Im vorliegenden
Fall geht jedoch aus der vom Rekurrenten vorgelegten Rechnung des
Verkäufers der beiden Schlafcouches kein Eigentumsvorbehalt hervor,
und es ist das Bestehen eines solchen gar nicht behauptet. Unter diesen
Umständen dürfen die Abzahlungsraten für diese Möbelstücke, wiewohl es
sich unstreitig um Kompetenzstücke im Sinne von Art. 92 Ziff. 1 SchKG
handelt, nicht zum Notbedarf des Schuldners gerechnet werden. Denn weder
läuft dieser Gefahr, bei Zahlungsverzug die Möbel wieder zu verlieren,
noch verdient der Verkäufer, der sich kein Privileg gesichert hat, vor
andern Gläubigern begünstigt zu werden.

Erwägung 2

    2.- Gegen die Annahme und Berücksichtigung eines Beitrages der Ehefrau
an die ehelichen Lasten in der Höhe ihres halben Arbeitsverdienstes wendet
der Rekurrent ebenfalls nichts Triftiges ein. Über Bestand und Umfang einer
solchen Beitragspflicht, sei es nach Art. 192, insbesondere Abs. 2, oder
Art. 246 ZGB haben die Betreibungsbehörden beim Vollzug einer Lohnpfändung
vorfrageweise zu entscheiden, falls, wie hier, nicht etwa schon die nach
Art. 246 Abs. 2 ZGB zuständige Behörde geurteilt hat (vgl. die in BGE 79
I 116 zu Erw. 3 angeführten Entscheidungen). Eine solche Beitragspflicht
besteht grundsätzlich ohne weiteres, sofern nicht die Arbeit der Ehefrau im
Haushalt und allenfalls im Geschäft des Ehemannes bereits als ausreichender
Beitrag erscheint. Im vorliegenden Fall ist die Ehefrau angesichts des zu
knappen Lohneinkommens des Ehemannes zweifellos verpflichtet, etwas von
ihrem Arbeitsverdienst an die ehelichen Lasten beizutragen, und dieser
von ihr geschuldete Beitrag ist bei der Lohnpfändung zu berücksichtigen,
gleichgültig welcher Art die in Betreibung stehende Forderung ist, also
nicht nur in der Betreibung für Haushaltschulden (BGE 63 III 108, 73 II 98,

    * Siehe Seite 25 hievor.

    79 III 152). Was die Bemessung des Beitrages anbelangt, so erscheint es
bei den nicht ausreichenden Einkünften des Ehemannes keineswegs übersetzt,
ihn auf die Hälfte zu bestimmen. Es bedarf hiefür gar keiner besonderen
Begründung, wie sie BGE 78 III 124 für die Verpflichtung der Ehefrau zu
"aussergewöhnlich hohen" Beiträgen verlangt. Denn ein Monatsbeitrag von Fr.
50.- = ungefähr der Hälfte des Arbeitsverdienstes der Ehefrau ist bei den
gegebenen beiderseitigen Einkommensquellen der Ehegatten durchaus normal
und nicht aussergewöhnlich hoch. Die Vorinstanz stellt übrigens fest, dass
sich auch ein zusätzlicher Beitrag mit Rücksicht auf die Rechtsnatur der
in Betreibung stehenden Forderung aus den im soeben erwähnten Entscheid
erörterten Gründen rechtfertigen liessen. Die betreffenden Erwägungen
sind nach dem Gesagten nicht notwendig, um den in Rechnung gestellten
Beitrag von monatlich Fr. 50.- als zutreffend erscheinen zu lassen. Auf
die vom Rekurrenten in dieser Hinsicht vorgebrachte Kritik braucht daher
gar nicht eingegangen zu werden. Sie scheitert übrigens an der Würdigung
der Tatsachen durch die Vorinstanz, woran das Bundesgericht gebunden ist
(Art. 81 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 OG). Der Rekurrent bringt
freilich noch vor, die Ehefrau sei leidend und habe ihre Stelle als
Spetterin deshalb angenommen, um die Arztkosten bezahlen zu können. Aber
diese neuen Vorbringen fallen nicht mehr in Betracht (Art. 79 SchKG),
ganz abgesehen davon, dass nichts ausgeführt wird, was darauf hindeuten
würde, dass sich die Arztkosten nicht aus dem der Ehefrau belassenen Teil
ihres Verdienstes decken liessen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.