Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 23



82 III 23

9. Entscheid vom 7. März 1956 i.S. Gebr. Rosenzweig. Regeste

    Das Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie, das nach Art. 93
SchKG bei einer Lohnpfändung vorbehalten bleibt, erhöht sich, wenn der
Schuldner unentbehrliches, nach Art. 92 Ziff. 1 SchKG unpfändbares Mobiliar
auf Abzahlung gekauft hat, um den Betrag der periodisch zu leistenden
Abzahlungsraten, sofern ihm dafür keine andern Mittel zur Verfügung stehen.
Massgebend ist die Höhe und Dauer der Abzahlungen, wie sie vereinbart sind.

Sachverhalt

    A.- Die Rekurrenten erhielten am 20. Januar 1956 in ihrer
Betreibung Nr. 2897 gegen Frau Mattmann eine leere Pfändungsurrkunde als
Verlustschein. Darin war das Ergebnis des Pfändungsvollzuges in folgender
Weise festgehalten:

    "Beim Schuldner konnte kein pfändbares Vermögen festgestellt und auch
kein künftiger Lohn gepfändet werden. Die Schuldnerin arbeitet seit Mitte
Dezember 1955 i/Fa. Landis & Gyr, Zug, und hat ihr Kind für Fr. 100.--
p.Mt. verkostgeldet. Das Einkommen beider Ehegatten beträgt Fr. 740.--
p.Mt., das Existenzminimum muss aber auf Fr. 760.-- festgesetzt werden.
(Möbelamortisation Fr. 170.-- p.Mt.). Die Ehefrau ist deshalb gezwungen,
ihren ganzen Verdienst für den Notbedarf aufzuwenden. 1 Kind geb. 1955."

    B.- Darüber beschwerten sich die Rekurrenten und verlangten die
Vornahme einer Lohnpfändung ohne Rücksicht auf die Möbelamortisation. Das
Betreibungsamt liess sich zur Beschwerde dahin vernehmen: Es handle sich
nicht um eine Lohnabtretung, sondern um Abzahlungen für notwendige
Haushaltgegenstände. Die Eheleute Mattmann hätten bisher nur ein
Schlafzimmer gehabt und nun, gleichfalls auf Abzahlung, ein Wohnzimmer
dazu gekauft, und zwar nur die allernotwendigsten Möbel.

    C.- Auf Grund dieses Berichtes wies die kantonale Aufsichtsbehörde
mit Entscheid vom 13. Februar 1956 die Beschwerde ab, mit der Begründung,
es sei kein pfändbarer Lohn vorhanden, da den auf Abzahlung gekauften
Möbeln Kompetenzqualität nach Art. 92 Ziff. 1 SchKG zukomme.

    D.- Mit vorliegendem Rekurs halten die Gläubiger an ihrer Beschwerde
fest. Sie beantragen:

    a) es sei bei der Fixierung des Existenzminimums die Möbelzahlung
von Fr. 170.-- nicht zu berücksichtigen, eventuell:

    b) es sei für die Berechnung des Existenzminimums nicht die volle
Abzahlungsquote von Fr. 170.-- pro Monat zu berücksichtigen, sondern
es sei bei der Bemessung der Amortisationsquote von einer Lebensdauer
der Möbel von 20 Jahren auszugehen und das Existenzminimum nur um den
Betrag zu erhöhen, der sich durch die Division der Möbelschuld durch 240
(Monate) ergibt.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrenten wollen die Abzahlungen für die Zimmereinrichtung
in erster Linie deshalb nicht berücksichtigt wissen, weil dies nach
ihrer Ansicht auf einen doppelten Abzug zugunsten der Schuldnerin
hinauslaufe. Denn der notwendige Aufwand für den Haushalt werde ohnehin
bei der Berechnung des Existenzminimums schon berücksichtigt. Diese
Betrachtungsweise ist jedoch irrtümlich. Bei Bemessung der unpfändbaren
Lohnquote nach Art. 93 SchKG wird vom normalen Mindestaufwand ausgegangen,
wie er sich bei Freigabe der nach Art. 92 SchKG unpfändbaren Gegenstände
ergibt. Dazu gehören freilich auch die Kosten des laufenden Ersatzbedarfs
für verbrauchte Haushaltgegenstände, wie Geschirr usw. (vgl. BGE 81
III 98 Erw. 3). Der eigentliche Anschaffungspreis für die Zimmer- und
Kücheneinrichtung usw. ist aber darin nicht inbegriffen. Ist dieses
Mobiliar noch abzuzahlen, so stellen die Abzahlungsquoten einen
zusätzlichen Aufwand dar, der erst nach völliger Tilgung des Preises
wegfällt. Wie in BGE 60 III 175 entschieden worden ist, muss dem Schuldner
zur Begleichung von Abzahlungsschulden für unentbehrliches, nach Art. 92
Ziff. 1 SchKG unpfändbares Mobiliar ein entsprechender Lohnbetrag über das
sonstige Existenzminimum hinaus frei gegeben werden. Diese Erweiterung
des durch Art. 93 SchKG geschützten Notbedarfs dient der Verwirklichung
der Kompetenzansprüche gemäss Art. 92 SchKG *.

    Dem steht nicht entgegen, dass ein Schuldner die Freigabe von Lohn
nicht für ungewisse zukünftige Aufwendungen verlangen kann. Hier handelt
es sich um bereits gekauftes und im Gebrauch stehendes Mobiliar, das
die Schuldnerin nach vorinstanzlicher Feststellung (die sich freilich
nicht auf ein bei den Akten befindliches genaues Verzeichnis stützt,
jedoch unbestritten ist) nicht entbehren kann. Um im Genuss dieser
Kompetenzstücke zu bleiben, muss die Schuldnerin ihrer Abzahlungspflicht
nachkommen, und beim Fehlen anderer Mittel (vgl. BGE 65 III 131, 77 III
154) steht ihr dafür eben nur der Arbeitslohn zur Verfügung.

    Wird bei Bemessung des zusätzlichen Notbedarfs der Rahmen von Art. 92
SchKG nicht überschritten, so ist die Befürchtung der Rekurrenten nicht
begründet, "es könnte jeder Schuldner dieses Existenzminimum beliebig
durch entsprechende Transaktionen in die Höhe treiben".

Erwägung 2

    2.- Nach dem Eventualantrag wären die Abzahlungsquoten auf die
ganze voraussichtliche Gebrauchsdauer des Mobiliars zu verlegen, die die
Rekurrenten auf zwanzig Jahre schätzen, und es wäre daher allmonatlich nur
1/240 des Kaufpreises zu berücksichtigen. Diese Rechnungsweise scheitert
jedoch an den Abzahlungsvereinbarungen, an die sich die Schuldnerin zu
halten hat.

    * Siehe auch Seite 28/29 hienach.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.