Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 155



82 III 155

39. Auszug aus dem Entscheid vom 5. Dezember 1956 i.S. Steinbrüchel.
Regeste

    Konkurskosten (Art. 262 Abs. 1 SchKG).

    1.  Was für Aufwendungen der Konkursverwaltung sind zu den
Konkurskosten zu rechnen? (Erw. 4).

    2.  Unter welchen Voraussetzungen ist ausnahmsweise die Konkursmasse
von einem zu den Konkurskosten gehörenden Aufwande zu entlasten und eine
andere Person damit zu belasten? (Erw. 5; im vorliegenden Falle wird dies
nicht zugelassen).

    3.  Pflicht der Konkursverwaltung, einem Zessionar des Gemeinschuldners
den ihm zustehenden Betrag auszuzahlen, den sie zu Unrecht zur Deckung
von Konkurskosten verwendet hat (Erw. 6).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- Alois Ludwig Vogel in Mammern, seit 28. November 1952 im
Konkurs, befasste sich mit dem Vertrieb von Handstrickmaschinen Trimac,
die er von der Firma A. Feuz & Co. in Bern bezog. Mit der Einkassierung
seiner Kundenguthaben betraute er die "Exel", Expansion électrique SA,
Neuchâtel. Um seinen Geschäftsbetrieb zu finanzieren, nahm Vogel Darlehen
beim Rekurrenten Dr. Steinbrüchel auf. Nach vertraglichen Bestimmungen
war der Rekurrent als Zahlstelle gegenüber der Lieferfirma A. Feuz &
Co. bezeichnet. "Zur Sicherung seiner Ansprüche und um ihm die Erfüllung
seiner Zahlungsfunktion gegenüber Feuz & Co. zu ermöglichen", trat Vogel
dem Rekurrenten sämtliche Kundenguthaben ab.

    B.- Im Konkurs über A. L. Vogel gaben sowohl die Firma A. Feuz &
Co. wie auch Dr. Steinbrüchel Forderungen ein. Jene Firma wünschte vom
Konkursamt eine Vollmacht zur Abklärung der Angelegenheit Vogel mit der
Bank Exel AG zu erhalten. Infolgedessen stellte das Konkursamt am 19.
September 1953 dem A. Feuz eine Ermächtigung aus.

    Die hierüber vom Konkursamte direkt unterrichtete "Exel" antwortete
dem Amt am 26. September 1953,

    sie werde die umfangreichen Arbeiten in den nächsten Tagen in Angriff
nehmen und

    werde sich erlauben, für die zeitraubenden Nachschlagungen zu gegebener
Zeit der Konkursmasse Rechmmg zu stellen.

    Am 14. November 1953 teilte die "Exel" dem Konkursamte die Ausführung
des Auftrages mit und liess ihm ein Doppel der seinem Bevollmächtigten,
A. Feuz, gemachten Angaben zukommen. Sie erklärte ferner:

    "Für unsere Bemühungen und Kosten haben wir Fr. 500.-- berechnet und
den betreffenden Betrag dem Kontokorrent A. L. Vogel, Trimac-Vertrieb,
belastet"

    und legte dem Briefe eine auf die Konkursmasse A. L. Vogel,
Trimac-Vertrieb, lautende Belastungsnota bei.

    Als die "Exel" am 5. Dezember 1953 einen Teilbetrag von Fr. 12'000.--
des aus dem Trimac-Incasso verfügbar gewordenen Saldos an die Konkursmasse
überwiesen hatte, erklärte sich das Konkursamt am 7. gl. M. "namens der
Konkursmasse Vogel" vorbehaltlos mit der Belastung von Fr. 500.-- für
"Nachschlagungskosten" einverstanden.

    C.- Noch vor Erstellung des Kollokationsplanes und Einberufung der
zweiten Gläubigerversammlung holte das Konkursamt ein Rechtsgutachten von
Dr. H. Becker ein. Danach gehört das bei der "Exel" aus dem Trimac-Inkasso
verfügbar gewordene Geld dem Dr. Steinbrüchel, dessen Rechte aus der
Zession als gültig anzuerkennen sind. Diese Gelder umfassen ausser
den erwähnten Fr. 12'000.-- weitere Überweisungen der "Exel" an die
Konkursmasse Vogel...

    D.- Am 22. Februar 1956 versandte das Konkursamt im Konkurse Vogel
die Auszüge aus der Verteilungsliste. Dr. Steinbrüchel kam danach mit
seiner kollozierten Forderung nach Anrechnung der ihm überwiesenen
"Exel-Gelder" von Fr. 14'693.60 zum grössten Teile zu Verlust. Hierüber
beschwerte er sich u.a. deshalb, weil die seinerzeit von der "Exel"
für Nachschlagungen und Aufstellungen zurückbehaltene Vergütung von
Fr. 500.-- nun zu seinen Lasten abgezogen blieb. Er verlangte, dass ihm
die "Exel-Gelder" ungekürzt ausbezahlt und die der "Exel" vom Konkursamte
zuerkannten Fr. 500.-- zu Lasten der Konkursmasse genommen werden. Während
die Vorinstanz auf die Beschwerde nicht eintrat, weil es sich um einen
vor den Gerichten auszutragenden Streit über eine Masseverbindlichkeit
handle, wies das Bundesgericht die Sache am 13. Juni 1956 zu näherer
Abklärung des Tatbestandes und zu materieller Entscheidung an die kantonale
Aufsichtsbehörde zurück. Deren neuer, nach Ergänzung der Akten ausgefällter
Entscheid vom 3. November 1956 lautet auf teilweise Gutheissung der
Beschwerde in dem Sinne, "dass von Fr. 500.-- Vergütung an die Firma Exel
SA die Hälfte, d.h. Fr. 250.--, der Konkursmasse zu belasten sind".

    E.- Gegen diesen Entscheid rekurriert Dr. Steinbrüchel mit dem Antrag,
"dass der streitige Betrag von Fr. 500.-- mir unverzüglich voll, nicht
nur zur Hälfte auszuzahlen ist".

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 4

    4.- In der Sache selbst hält der Rekurrent daran fest, dass
ihm als dem auch von der Konkursmasse anerkannten Zessionar der
Mehrbetrag von Fr. 500.-- der bei der Exel-Bank aus dem Trimac-Inkasso
verfügbar gewordenen Gelder auszuzahlen sei, und dass die von jener Bank
zurückbehaltene Vergütung von Fr. 500.-- ihm nicht durch entsprechende
Kürzung seines Betreffnisses belastet werden dürfe, sondern von der
Konkursmasse Vogel zu tragen sei. Das Konkursamt verficht dagegen nach
wie vor den Standpunkt, der Auftrag an die Exel-Bank unter Zubilligung der
von ihr dafür verlangten Vergütung von Fr. 500.-- sei im Interesse aller
zukünftigen Beteiligten erteilt worden. Die Konkursverwaltung habe dabei
treuhänderisch im Interesse der Partei, die es anging, gehandelt. Wen
es angehe, d.h. dass Steinbrüchel alleiniger Berechtigter sei, habe sich
dann erst aus dem Gutachten von Becker ergeben. Nach den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 und 420 OR) habe Steinbrüchel die
Aufwendung von Fr. 500.-- auf sich zu nehmen, sich also den Abzug dieses
von der Exel-Bank zu ihrer Deckung zurückbehaltenen Betrages gefallen
zu lassen. Übrigens könne die Masse zur Nachzahlung von Fr. 500.--
an Steinbrüchel schon deshalb nicht verpflichtet werden, weil die Masse
nur noch über einen Betrag von Fr. 121.30 verfüge, der den Gläubigern der
ersten Klasse zukomme. Müsste man den vorweg für Gebühren des Konkursamtes
ausgeschiedenen Betrag angreifen, so würde dadurch der Staat geschädigt,
und ausserdem ergäbe sich daraus eine Kürzung des Arbeitsentgeltes
des Beamten, da dieses nach einem Entscheid des Regierungsrates vom
15. November 1955 von der Höhe der Konkursgebühren abhange.

    Indessen ist dem Rekurrenten darin beizustimmen, dass man es bei
der Aufwendung von Fr. 500.-- für die durch die Exel-Bank besorgten
Aufschlüsse mit Konkurskosten zu tun hat, die grundsätzlich vor jeder
Zuweisung an die Konkursgläubiger aus den Konkursaktiven zu decken
sind (Art. 262 Abs. 1 SchKG). Freilich war die Konkursverwaltung
nicht von sich aus an die Exel-Bank gelangt, um die in Frage stehenden
Nachschlagungen und Aufstellungen zu verlangen. Die Veranlassung dazu
hatte die Konkursgläubigerin A. Feuz & Co. gegeben. Allein es war dann
die Konkursverwaltung, die den Auftrag an die Exel-Bank erteilte, während
A. Feuz nur als ihr Bevollmächtigter dabei mitwirkte. Die Exel-Bank
belastete demgemäss mit der Vergütung von Fr. 500.-- richtigerweise
die Konkursmasse Vogel, wie denn die Konkursverwaltung ausdrücklich
namens dieser Masse die Belastung übernahm. Wenn sie der beauftragten
Bank gestattete, die Vergütung einfach in die laufende Rechnung über die
Abwicklung der Inkassi einzustellen, also dem für die Interessenten frei
gewordenen Inkassobetrage zu entnehmen, so tat sie es auf die Gefahr hin,
später dafür in anderer Weise aufkommen zu müssen, falls sich ergeben
sollte, dass auf die Inkasso-Gelder nicht die Konkursmasse, sondern ein
oder mehrere Zessionare in vollem Masse berechtigt seien. Vorbehalten blieb
für diesen Fall, wie er nun anerkanntermassen vorliegt, nur die Frage,
ob diese Masseschuld aus einem zureichenden Grunde auf Drittpersonen - als
die wahren Interessenten - abgewälzt werden könne, was der vorinstanzliche
Entscheid für die Hälfte der Vergütung von Fr. 500.-- bejaht.

Erwägung 5

    5.- Die Konkursverwaltung versucht die Abwälzung der Vergütung
von Fr. 500.-- auf den Zessionar Steinbrüchel mit Hinweis auf die
Interessenlage zu rechtfertigen. Sie hat aber bei der Auftragserteilung
an die Exel-Bank nicht etwa nur der Form halber in eigenem Namen, und
zwar kraft ihrer gesetzlichen Befugnisse, gehandelt, in der Meinung,
damit die Geschäfte gewisser berechtigter Personen zu besorgen, deren
Ansprüche noch nicht genau feststanden. Eine solche durch Berufung auf
ihre konkursrechtliche Stellung verdeckte Rolle wäre ihr denn auch nicht
angestanden. Vielmehr hatte sie vornehmlich die Interessen der von ihr
vertretenen Konkursmasse im Auge. Das ergibt sich nicht nur aus dem
Inhalt ihrer "Ermächtigung" an A. Feuz und aus ihrem Briefwechsel mit
der Exel-Bank, sondern auch aus ihren Eingaben in dem von Steinbrüchel
angehobenen Beschwerdeverfahren... Der Bericht der Konkursverwaltung vom
17. Oktober 1956 hebt hervor, dass erst nach Eingang des Gutachtens von
Dr. H. Becker feststand, "dass das gesamte Exel-Guthaben als Fremdvermögen
zu verwalten war...". Und im Rekurs an das Bundesgericht vom 23.November
1956 erklärt die Konkursverwaltung: "Tatsächlich verhielt es sich so,
dass sich das Konkursamt durch das unverlässlich erscheinende Verhalten der
Expansion électrique SA zu seinem Handeln veranlasst sah. Es beabsichtigte,
eine vorläufige Abrechnung zu erwirken und das damit ausgewiesene Guthaben
in sichern Gewahrsam zu bringen". Danach ist kein Zweifel, dass der
obgleich von der Firma A. Feuz & Co. angeregte und gewünschte Auftrag an
die Exel-Bank im Sinne einer amtlichen Anordnung erteilt wurde, und zwar
in erster Linie um der anscheinend auf dem Spiele stehenden Interessen der
Konkursmasse willen. Somit gehört aber die mit dem Auftrag verbundene,
gegenüber der Exel-Bank eindeutig von der Masse übernommene Aufwendung
von Fr. 500.-- zu den Konkurskosten gemäss Art. 262 Abs. 1 SchKG.

    Die sich daraus ergebende Belastung der Masse gilt allerdings, auch
abgesehen von Abs. 2 daselbst, nicht ausnahmslos. Besondere Gründe können
es, wie mehrmals entschieden wurde, rechtfertigen, gewisse Konkurskosten
einem einzelnen Konkursgläubiger oder Drittansprecher aufzuerlegen
(vgl. BGE 52 III 191, 75 III 24, 80 III 82). Im vorliegenden Falle muss
es aber bei der Belastung der Konkursmasse bleiben. Eine Massnahme der
Konkursverwaltung zur Feststellung und Sicherung von Vermögensgütern, die
von einem Dritten beansprucht werden, geht grundsätzlich nicht zu Lasten
des Dritten (vgl. BGE 76 III Erw. 3). Davon abzuweichen, besteht hier kein
triftiger Grund. Auch bei rückblickender Beurteilung der Verhältnisse,
d.h. bei Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Inkasso-Gelder
als dem Zessionar Steinbrüchel zustehend erwiesen haben, lässt sich der
Auftrag an die Exel- Bank nicht nachträglich als Geschäftsbesorgung für
Steinbrüchel betrachten. Nicht nur hat dieser seinerzeit keine Veranlassung
dazu gegeben, ganz abgesehen von der Frage, ob er als Zessionar überhaupt
so umfassende Aufschlüsse hätte verlangen dürfen. Es ist auch nicht
erwiesen, dass ihm die Nachschlagungen und Aufstellungen, für welche die
Fr. 500.-- gefordert wurden, zugute gekommen sind. Weder handelt es sich
dabei um Besorgungen, die die Exel-Bank als Inkassomandatarin ohnehin hätte
vornehmen müssen, noch um solche, die Steinbrüchel aus eigenem Interesse
verlangt hätte, wenn die Konkursverwaltung in dieser Hinsicht untätig
geblieben wäre. Endlich fehlt jeder Nachweis, dass Steinbrüchel in anderer
Weise aus den in Frage stehenden Verrichtungen der Exel-Bank Nutzen gezogen
habe, namentlich etwa durch Einsparung eigener Aufwendungen irgendwelcher
Art. Unter diesen Umständen kann nicht von einer auch nur in eventuellem
Sinne erfolgten Geschäftsbesorgung für ihn gesprochen werden, für deren
Aufwand er aufzukommen hätte. Dass die Konkursmasse ihrerseits sich die
von ihr als nötig erachteten Feststellungen und Aufschlüsse der Exel-Bank
etwas kosten liess, ohne anscheinend selber andere Vorteile als die damit
gewonnene Abklärung zu ziehen, ist kein Grund, diese Konkurskosten auf den
Zessionar Steinbrüchel abzuwälzen, der jenem ausserhalb des Inkassomandates
erteilten Sonderauftrage der Konkursverwaltung fernstand.

Erwägung 6

    6.- Das führt zur Gutheissung des von Steinbrüchel eingelegten
Rekurses in dem Sinne, dass die Vergütung von Fr. 500.-- endgültig
unter die Konkurskosten einzureihen ist und nicht aus den ihm vom
Gemeinschuldner zedierten Inkassogeldern getilgt werden darf. Diese
Gelder sind ungekürzt an Steinbrüchel auszuzahlen, d.h. die Masse hat ihm
den ungerechtfertigterweise zu anderm Zwecke verwendeten Teilbetrag von
Fr. 500.-- zu ersetzen. Der Gebührenausfall, der sich dabei nach Angabe
des Konkursamtes ergeben wird, muss hingenommen werden. Denn Barauslagen
der Masse sowie Masseverbindlichkeiten haben vor den Gebühren Anspruch
auf Deckung (BGE 59 III 167). Das gilt vollends für die Pflicht zur
Auszahlung von Beträgen bzw. zur Freigabe von Guthaben, die, was hier
freilich nicht von vorneherein erkennbar war, gar nie zum Konkursvermögen
gehörten. Der Anspruch des Zessionars Steinbrüchel besteht selbst dann zu
Recht, wenn die Konkursaktiven auch bei Zurückstellung der Gebühren nicht
ausreichen sollten, um ihn zu erfüllen. In diesem (den Akten nicht mit
Sicherheit zu entnehmenden) Falle würde sich die Frage erheben, ob und
auf welche Weise Steinbrüchel gleichwohl zu dem Gelde kommen könne, über
das die Konkursverwaltung ohne hinreichende Rechtfertigung verfügt hat,
um Konkurskosten daraus zu decken. Die sich dabei allenfalls ergebenden
Schwierigkeiten vermöchten aber den Auszahlungsanspruch als solchen nicht
in Frage zu stellen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der Betrag von Fr. 500.--
unter die Konkurskosten einzureihen ist und nicht von den Zahlungen der
Exel abgezogen werden darf.