Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 137



82 III 137

36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1956 i.S. Konkursmasse
der Hotel Rigi-First AG gegen Dubs. Regeste

    Grundstückssteigerung; Zahlungsverzug; Haftung für die
Verwertungskosten. Haftet der erste Ersteigerer für die gesamten
Verwertungskosten, wenn die Steigerung wegen seines Verzugs wiederholt
werden muss? Hierüber hat in Anwendung von Art. 143 Abs. 2 SchKG der
Richter zu entscheiden; die Steigerungsbedingungen können darüber keine
Verfügung im Sinne von Art. 17 SchKG treffen. Die Haftung setzt voraus,
dass aus der Nichterfüllung des ersten Steigerungskaufs ein Schaden
entstanden ist.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der Hotel Rigi-First AG wurde die Hotelliegenschaft
samt Zugehör bei der öffentlichen Versteigerung vom 15. Juli 1948 zum
Preise von Fr. 500 000.-- Karl Dubs zugeschlagen, nachdem er unmittelbar
vorher eine Anzahlung von Fr. 10'000.-- geleistet hatte. Ziffer 7 der
Steigerungsbedingungen regelte die auf Abrechnung an der Kaufsumme zu
leistenden Barzahlungen und Ziffer 8 a) bestimmte, dass der Ersteigerer
ohne Abrechnung an der Kaufsumme "die Verwertungskosten, sowie die
Kosten der Eigentumsübertragung und der in bezug auf Grundpfandrechte,
Dienstbarkeiten usw. erforderlichen Löschungen und Änderungen im
Grundbuch und in den Pfandtiteln" zu übernehmen bezw. bar zu bezahlen
habe (vgl. Formular VZG Nr. 13 b). Nach Ziffer 10 hatte der Käufer
die Barzahlungen im Sinne von Ziffern 7 und 8 bis zum 5. August 1948
zu erbringen.

    B.- In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1948 brannte das Hotel
bis auf die Grundmauern nieder. Am 29. Juli 1948 wurde Dubs unter dem
Verdacht, am Brand irgendwie beteiligt zu sein, in Untersuchungshaft
gesetzt. Da er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam und mehrere
zu Verlust gekommene Grundpfandgläubiger sich der von ihm nachgesuchten
Erstreckung der Zahlungsfrist widersetzten, hob die Konkursverwaltung
am 19. August 1948 den Zuschlag auf. Die Beschwerde, die Dubs hiegegen
führte, wurde letztinstanzlich am 17. Januar 1949 abgewiesen.

    C.- Die Versicherungsgesellschaften, bei denen das Hotel gegen
Feuerschaden versichert war, zahlten dem Konkursamt für Gebäudeschaden
(Verkehrswert) und Zugehör insgesant Fr. 423'866.-- aus.

    D.- Am 24. Mai 1950 fand die zweite Steigerung statt.
Versteigert wurden die Hotelliegenschaft mit der Brandruine und der
im Falle des Wiederaufbaus des Hotels vor dem 1. April 1952 bestehende
Versicherungsanspruch auf Zahlung der "Differenz zwischen dem Ersatzwert
bei Wiederaufbau des Hotelgebäudes von Fr. 1193 000.-- und dem Verkehrswert
von Fr. 228'000.--" in Höhe von Fr. 965'000.--. Ziffer 1 der "Besondern
Steigerungsbedingungen" bestimmte:

    "Der frühere Ersteigerer haftet für den Ausfall und allen weitern
Schaden. Der Zinsverlust wird hiebei zu 5% berechnet. Insbesondere fallen
die Verwertungskosten dieses Verfahrens zu seinen Lasten." Dubs nahm
an dieser Steigerung teil. Den Zuschlag erhielt zu Fr. 180'000.-- ein
anderer Bieter.

    E.- Mit Schreiben vom 22. August 1950 verlangte Dubs von der
Konkursmasse auf den 26. August 1950 die Rückerstattung der am 15. Juli
1948 geleisteten Anzahlung von Fr. 10'000.-- und die Auszahlung des
Betrages von Fr. 22'591.65, auf den sich seine durch den Ganterlös
gedeckte Grundpfandforderung samt den Zinsen belief. Am 29. August 1950
hinterlegte er beim Konkursamt gegen Freigabe von zwei Schuldbriefen,
die er nach der ersten Steigerung bei diesem Amte hinterlegt hatte, den
Betrag von Fr. 10'000.--. Da die Konkursmasse seinen Anspruch auf diese
Beträge ablehnte, leitete er im Jahre 1954 gegen sie beim Vermittleramt
Arth Klage auf Zahlung von Fr. 42'591.65 nebst 5% Zins seit 26. August
1950 ein. Die Beklagte anerkannte bei der Sühnverhandlung vom 5. Juni
1954, dass er Fr. 21'380.94 zugut habe, und zahlte ihm diesen Betrag
aus. Die Restforderung des Klägers von Fr. 21'210.71 bestritt sie infolge
Verrechnung mit einer Schadenersatzforderung gegen den Kläger, die sich
wie folgt zusammensetzt:

    "1. Verwaltungskosten bis zur Aufhebung des

    Gantzuschlages durch Urteil des Schweiz.

    Bundesgerichtes vom 17. Januar 1949   Fr. 15'634.18

    2. Kosten der ersten Steigerung vom 15. Juli

    1948  " 1'666.48

    3. Kosten der zweiten Steigerung vom

    24. Mai 1950  "   740.85

    4. Gebühren- und Auslagenrechnung des

    Konkursamtes Arth     " 2'849.20

    5. Grundbuchgebühren Arth & Vitznau   "   320.--

    Total Fr. 21'210.71."

    Hierauf belangte der Kläger die Beklagte vor Bezirksgericht Schwyz
auf Zahlung von Fr. 21, 210.71 nebst Zins... Das Bezirks- und das
Kantonsgericht Schwyz haben die Klage für den Betrag von Fr. 19'544.23
nebst Zins ... geschützt und sie für die restlichen Fr. 1666.48
abgewiesen.

    F.- Gegen das kantonsgerichtliche Urteil vom 27. Februar 1956 hat
die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag
auf gänzliche Abweisung der Klage. Der Kläger hat die Anschlussberufung
erklärt mit dem Antrag, es sei ihm auch der abgewiesene Betrag von
Fr. 1666.48 zuzusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei durch eine in
Rechtskraft erwachsene Verfügung der Konkursverwaltung zur Zahlung der
gesamten Kosten des Verwertungsverfahrens verpflichtet worden; Ziff. 1
der für die zweite Gant aufgestellten "Besondern Steigerungsbedingungen",
gegen die Beschwerde zu führen der Kläger unterlassen habe, bestimme
nämlich unzweideutig, dass der erste Ersteigerer neben dem Ausfall, dem
weitern Schaden und dem Zinsverlust noch die Verwertungskosten zu ersetzen
habe. Diese Auslegung widerspricht jedoch dem Wortlaut der angerufenen
Steigerungsbedingung, wonach "insbesondere" die Verwertungskosten zulasten
des frühern Ersteigerers fallen sollen. Nach dem Sprachgebrauch pflegt das
Wort "insbesondere" dazu verwendet zu werden, einen "besondern" Tatbestand
unter eine allgemeine Regel zu stellen. Hier kam als solche Regel nur der
Grundsatz der Haftung des frühern Ersteigerers für den "weitern Schaden"
aus der Nichterfüllung des Gantkaufes in Betracht. Der Wortlaut der
Gantbedingungen liess daher die angebliche Absicht der Konkursverwaltung,
den Kläger unter allen Umständen für die Verwertungskosten haften zu
lassen, nicht erkennen.

    Die Beklagte weist freilich darauf hin, dass die Gantbedingungen
dem zweiten Ersteigerer keine Kosten auferlegten, woraus ersichtlich
gewesen sei, dass der frühere Ersteigerer sie tragen sollte, da
doch keine Rede davon habe sein können, dass sie der "unschuldigen"
Konkursmasse aufgebürdet würden. Daraus allein musste jedoch der Kläger
keineswegs den Schluss ziehen, die seine Haftung betreffende Ziffer 1 der
Gantbedingungen sei anders als wörtlich zu verstehen. Die Konkursverwaltung
konnte ja aus andern Gründen als im Hinblick auf die Haftung des frühern
Ersteigerers davon absehen, dem zweiten Ersteigerer Kosten aufzuerlegen,
z.B. aus der Überlegung heraus, dass ein dem Erwerber ohne Abrechnung
am Kaufpreis überbundener Kostenbetrag von über Fr. 20'000.-- eine
entsprechende Zurückhaltung der Bieter zur Folge haben müsste; es ist
doch wohl anzunehmen, dass der an der zweiten Gant erzielte Erlös von
Fr. 180'000.-- den Betrag darstellt, den der letzte Bieter insgesamt
auszulegen bereit war.

    Abgesehen hievon ist aber die Auffassung der Beklagten auch
deshalb unrichtig, weil es sich bei Ziffer 1 der Gantbedingungen nicht
um eine "Verfügung" im Sinne des Art. 17 SchKG handeln konnte. Die
Konkursverwaltung hatte keine rechtliche Möglichkeit, in einer für den
Kläger verbindlichen Weise zu verfügen, dass und in welchem Umfang er für
die Folgen der Nichterfüllung des Gantkaufs einzustehen habe. Über das
Bestehen einer Haftung aus Art. 143 Abs. 2 SchKG hat im Streitfall der
Richter zu befinden (vgl. JAEGER N. 2 zu Art. 143). Deshalb behandelt
Art. 131 VZG richtigerweise die Ausfallforderung im Konkurs als einen
Rechtsanspruch der Masse, in Ansehung dessen der Konkursverwaltung nur die
Befugnis zum Inkasso oder zur Abtretung an die Gläubiger zusteht. Unter
diesen Umständen konnte in Ziffer 1 der Gantbedingungen ohnehin nur ein
Hinweis auf die gegebenenfalls zur Anwendung kommenden gesetzlichen
Bestimmungen oder die Ankündigung eines Anspruchs der Masse liegen,
nicht aber eine Verfügung, die mangels Anfechtung durch Beschwerde
rechtskräftig geworden wäre. Hätte die Konkursmasse im vorliegenden Falle
nicht zufälligerweise die tatsächliche Möglichkeit der Verrechnung gehabt,
so wäre ihr bezw. den allfälligen Abtretungsgläubigern zur Durchsetzung
ihres angeblichen Anspruchs von vornherein kein anderer Weg offen gestanden
als die Anrufung des Richters.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 143 Abs. 2 SchKG hat der Ersteigerer, der den Gantkauf
nicht hält, den bei der zweiten Steigerung allfällig entstehenden Ausfall
und den weitern Schaden zu ersetzen. Einen Ausfall macht die Beklagte
nicht geltend. Dagegen will sie um den Betrag der Verwertungskosten von Fr.
21'210.71 geschädigt sein. Nach ihrer Meinung dürfen die der Konkursmasse
ausbezahlten Brandversicherungsbeträge bei der Schadensermittlung
nicht in Rechnung gestellt werden. Ob ihr aus der Nichterfüllung des
Gantkaufs durch den Kläger ein Schaden erwachsen sei, lässt sich aber
schlechterdings nicht anders feststellen als durch Vergleichung der Lage,
in der sie sich bei Erfüllung befunden hätte, mit derjenigen, die sich
aus der Nichterfüllung ergeben hat. Dabei kann selbstverständlich die
Tatsache nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie Brandversicherungsbeträge
empfangen hat, die bei Erfüllung des Gantkaufs nicht an sie ausbezahlt
worden wären. Ihr Hinweis auf Mühen und Kosten, die sie zur Einbringung
der Versicherungsleistungen habe aufwenden müssen, ist unbehelflich,
da sie diese Aufwendungen nicht näher bezeichnet und insbesondere nicht
angegeben hat, auf welchen Betrag sie zu beziffern seien. Es muss daher
bei der Feststellung der Vorinstanz bleiben, dass der Erlös aus der
zweiten Gant zusammen mit den Brandversicherungsleistungen nicht nur
den frühern Zuschlagspreis erreichte, sondern dass daraus auch noch
die sämtlichen Kosten im Betrag von Fr. 21'210.71, welche die Beklagte
als Schaden geltend macht, "mehr als gedeckt werden konnten". Durch die
Nichterfüllung des ersten Gantkaufs hat somit die Konkursmasse nicht einen
Schaden erlitten, sondern im Gegenteil einen bedeutenden Vorteil erlangt.

Erwägung 3

    3.- Auf S. 8 der Berufungsschrift versucht die Beklagte ihre
Schadenersatzforderung damit zu begründen, dass ihr der Kläger durch
Unterlassung einer Beschwerde gegen Ziffer 1 der Steigerungsbedingungen die
Möglichkeit genommen habe, die Verwertungskosten dem zweiten Ersteigerer
aufzulegen. Diese Ausführungen gehen schon deshalb fehl, weil es sich,
wie in Erwägung 1 ausgeführt, bei jener "Bedingung" nicht um eine der
Beschwerde zugängliche Verfügung handelte. Zudem ist auch in diesem
Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es keineswegs sicher, sondern im
Gegenteil durchaus unwahrscheinlich ist, dass die zweite Gant auch bei
Überbindung der Kosten einen Erlös von Fr. 180 000.-- ergeben hätte. Für
den Gantkäufer machte es ja keinen Unterschied, ob er diesen Betrag
als reinen Kaufpreis zahlte oder ob darin Verwertungskosten enthalten
waren. Bei Überbindung der Kosten wäre daher der Zuschlagspreis aller
Wahrscheinlichkeit nach entsprechend niedriger geblieben.

    Aus diesen Gründen ist die Hauptberufung abzuweisen.

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz hat dem Kläger die Kosten der ersten Gant im
Betrage von Fr. 1666.48 belastet mit der Begründung, diese Kosten habe
er gemäss den Gantbedingungen der ersten Steigerung ohne Abrechnung an
der Kaufsumme, also "unabhängig vom bezahlten Kaufpreis" zu tragen. Die
Bestimmung in den Gantbedingungen, auf welche die Vorinstanz abstellt,
wäre jedoch nur massgebend, wenn der Kaufpreis bezahlt, der Gantkauf also
erfüllt worden wäre. Die Folgen der Nichterfüllung ordnet abschliessend
der Art. 143 SchKG. Darnach hat der frühere Ersteigerer die Kosten
der ersten Versteigerung nur dann und nur insoweit zu bezahlen, als die
Konkursmasse sonst zu Schaden käme. Mit Recht erklärt die Beklagte auf
S. 11 der Berufungsschrift, entweder sei durch die Nichterfüllung des
ersten Gantkaufs ein Schaden entstanden, dann hafte der Kläger für alle
Kosten, oder es sei kein Schaden vorhanden, dann habe er auch nicht die
Kosten der ersten Steigerung zu übernehmen. Über diesen Punkt sind die
Parteien einig. Wie in Erwägung 2 dargetan, hat aber die Masse keinen
Schaden erlitten, sondern aus der Nichterfüllung des ersten Gantkaufs
einen beträchtlichen Nutzen bezogen, durch den, wie die Vorinstanz selber
festgestellt hat, "die sämtlichen Kosten im Betrage von Fr. 21'210.71
... mehr als gedeckt werden konnten". Die Anschlussberufung ist daher
begründet.

Erwägung 5

    5.- (Zinsberechnung.)

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Hauptberufung wird abgewiesen. In Gutheissung der Anschlussberufung
wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Beklagte
verpflichtet wird, dem Kläger Fr. 21'210.70 nebst Zins... zu bezahlen.