Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 I 332



81 I 332

53. Urteil vom 14. Dezember 1955 i.S. Bloch gegen Kanton Solothurn.
Regeste

    Willkürliche Annahme eines realisierten Kapitalgewinns.

    Die Annahme, durch die Umwandlung der ideellen Gesamteigentumsquoten
der Erben an einer Liegenschaft in Alleineigentum an entsprechenden
Parzellen bei der Erbteilung werde ein Kapitalgewinn realisiert, wenn die
Liegenschaft seit dem Erbanfall im Werte gestiegen sei, ist willkürlich.

Sachverhalt

    A.- Das solothurnische Gesetz betreffend die direkte Staats-
und Gemeindesteuer vom 24. September 1939 (StG) enthält u.a. folgende
Vorschriften:

    § 15 Abs. 1:

    "Als Einkommen wird angesehen der geldwerte Ertrag des eigenen und
des Nutzniessungsvermögens, der Unternehmung, der Berufs- und Lohnarbeit,
der Pensionen und Renten, sowie der Gewinn aus einer Spekulationstätigkeit,
Lotteriegewinne, der realisierte Kapitalgewinn und der aus irgendwelchen
andern Einnahmequellen fliessende Gewinn.

    § 17:

    "Erbschaften, Vermächtnisse, Schenkungen und ähnliche einmalige
Zuwendungen gelten für den Empfänger nicht als steuerbares Einkommen."

    Die vom Kantonsrat des Kantons Solothurn erlassene
Vollziehungsverordnung vom 25. Oktober 1939 zum StG (VV) enthält folgenden

    § 18:

    "Als Kapitalgewinne beziehungsweise -verluste im Sinne der §§ 15 und
16 des Gesetzes fallen nur die beim Vermögen des Steuerpflichtigen auf
Liegenschaften, Wertpapieren oder andern Vermögensobjekten und Rechten in
dem für die Steuerveranlagung massgebenden Jahre tatsächlich eingetretenen
Gewinne und Verluste in Betracht.

    Eine Kapitalgewinnsteuer kann nicht erhoben werden bei Handänderungen
auf Grund einer Erbfolge oder Erbteilung, sowie bei Handänderungen zufolge
Begründung, Anderung oder Aufhebung des ehelichen Güterstandes."

    B.- Die Beschwerdeführerin erwarb gemäss Inventar vom 27. Januar
1930 gemeinsam mit ihren acht Geschwistern durch Erbgang die Grundstücke
GB Nr. 88, 144, 165, 756, 1191 und 1203 in Trimbach. Die Erben besassen
diese Grundstücke während 23 Jahren zu gesamter Hand. Im Dezember 1952
teilten sie sie in neun ungefähr gleichwertige Parzellen. In der Folge
lösten sie das Gesamthandsverhältnis auf, und am 31. März 1953 übernahm
jeder Erbe eine der neun neu gebildeten Parzellen zu alleinigem Eigentum.

    C.- Die Steuerkommission Trimbach stellte fest, dass der wahre
Wert aller Grundstücke beim Erbanfall im Jahre 1930 Fr. 83'000.--
betragen habe. Bis zum Zeitpunkte der Erbteilung sei der Wert des ganzen
Grundeigentums auf Fr. 292'816.-- angestiegen. Die Erben hätten also einen
Kapitalgewinn von Fr. 209'816.-- realisiert. Frau Bloch sei daran mit
einem Neuntel = Fr. 23'312.-- beteiligt. Nach Abzug der Handänderungskosten
wurde sie mit einem reinen Kapitalgewinn von Fr. 23'000.-- veranlagt.

    Frau Bloch erhob Einsprache, jedoch ohne Erfolg. Die Steuerkommission
stellte im Einspracheentscheid fest, dass § 18 Abs. 2 VV gesetzwidrig sei.

    Die Kantonale Rekurskommission (KRK) bestätigte den
Einspracheentscheid. Sie stellte unter Hinweis auf einen früheren
Entscheid (RB 1949 Nr. 27) fest, dass "die Teilung des Gesamteigentums,
sofern nicht wieder ein Gesamteigentumsverhältnis begründet werde, einen
Realisationsakt im Sinne des Kapitalgewinnsteuerrechts darstelle". Wenn
mehr als ein Erbe vorhanden sei, vollziehe sich der Erbgang durch
zwei Handänderungen. Im Kapitalgewinnsteuerrecht müsse vom Erbanfall
ausgegangen werden. Durch die Auflösung des Gesamteigentums hätten die
bisherigen Gesamthänder Alleineigentum erworben und einen Gewinn im Sinne
von § 15 StG realisiert.

    D.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde ficht
Frau Bloch das Urteil der KRK wegen Verletzung des Art. 4 BV
an. Sie macht geltend, die Argumentation der KRK und namentlich ihre
Auslegung der §§ 15 und 17 StG und des § 18 VV seien schlechterdings
unhaltbar und daher willkürlich. Sie habe keinen steuerpflichtigen
Kapitalgewinn realisiert. Nur die "Verwertung oder Veräusserung" eines
Vermögensgegenstandes sei Entstehungsgrund eines Kapitalgewinns. Das
habe die KRK im Jahre 1946 selber entschieden (RB 1946 Nr. 20). Durch den
angefochtenen Entscheid stelle sie sich in Gegensatz zu ihrer bisherigen
Auffassung. Sie knüpfe zu Unrecht an die Überführung der ideellen
Eigentumsquote in Alleineigentum steuerrechtliche Folgen. Die blosse
Wertsteigerung eines Vermögensgegenstandes bilde kein versteuerbares
Einkommen. Eine Besteuerung komme erst in Betracht, wenn feststehe, dass
auf dem Objekt beim Ausscheiden aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen
ein Gewinn realisiert worden sei. Das der Beschwerdeführerin bei der
Erbteilung zugewiesene Grundstück sei aber aus ihrem Vermögen noch nicht
ausgeschieden. Es sei nicht sicher, ob sie für das übernommene Grundstück
je den angerechneten Wert lösen werde.

    Wenn beim Erwerb einer Erbschaft durch einen einzigen Erben keine
Kapitalgewinnbesteuerung der vorliegenden Art möglich sei, dürfe diese auch
in Fällen, in denen mehrere Erben eine Erbschaft antreten und Erbanfall
und Erbteilung zeitlich auseinanderfallen, nicht stattfinden. Daher
verbiete § 17 StG die Besteuerung realisierter Erbansprüche als Einkommen,
ebenso § 18 VV. Die KRK habe zwar im genannten Entscheid vom Jahre 1949
diese Bestimmung als gesetzwidrig befunden, soweit dabei der Begriff
der Erbteilung verwendet werde. Damals sei aber ein Kapitalgewinn
infolge Erbauskaufs in Frage gestanden. Der Erbe habe damals seinen
Gesamteigentumsanteil an seinen Bruder veräussert. Der Ausscheidende sei
auf Grund der damaligen Wertverhältnisse abgefunden, ausgekauft worden.
Er habe einen Kapitalgewinn realisieren können. Im vorliegenden Falle stehe
aber weder eine Veräusserung noch eine Verwertung in Frage, höchstens
eine Veräusserung durch einen Erben an sich selbst, die aber keine
steuerrechtlichen Wirkungen haben könne. § 18 VV sei nur in dem Umfange
gesetzwidrig, als mit der Erbteilung ein Erbauskauf, ein Veräusserungs-
oder Verwertungsakt verbunden sei.

    E.- Die KRK beantragt die Abweisung der staatsrechtlichen
Beschwerde. Sie macht geltend, die Beschwerdeführerin habe nichts an sich
selbst veräussert. Vielmehr habe sie ihre ideellen Gesamteigentumsanteile
an allen jenen Grundstücken, die sie nicht selbst übernommen habe,
veräussert und deren Wert realisiert, indem sie dafür ein Grundstück zu
alleinigem Eigentum erhalten habe. Der Wert dieses Grundstückes sei der
Gegenwert der aufgegebenen Gesamteigentumsanteile. Soweit dieser Wert
den Einstandspreis (Wert 1930) übersteige, habe die Beschwerdeführerin
einen Kapitalgewinn realisiert. Nach § 17 StG würden zwar "Erbschaften"
nicht als steuerbares Einkommen gelten. Daraus, dass § 15 "Erbschaften"
mit "einmaligen Zuwendungen" in Parallele setze, ergebe sich aber, dass
darunter nur der Erbanfall zu verstehen sei. Der Gewinn, der bei einer
weiteren Handänderung - anlässlich der Erbteilung - realisiert werde,
müsse versteuert werden.

    Durch diese Auslegung des Gesetzes werde eine ungleiche Behandlung des
vorliegenden Falles gegenüber demjenigen des Alleinerben vermieden. Wenn
die Beschwerdeführerin das jetzt zu Alleineigentum erworbene Grundstück
veräussere, werde sie bei der Kapitalgewinnberechnung vom Wert im Zeitpunkt
des Erwerbes des Alleineigentums (1953) ausgehen. Die Wertsteigerung in
der Zeit von 1930 (Erbanfall) bis 1953 bliebe also unversteuert. Beim
Alleinerben, der 1930 geerbt hätte, müsste aber vom Wert von 1930
ausgegangen werden. Gleichbehandlung sei nur möglich, wenn in beiden
Fällen der Wert beim Erbanfall als Einstandspreis angenommen werde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die KRK erachtet die Voraussetzungen eines Einkommens im Sinne
von § 15 Abs. 1 StG als erfüllt, indem sie annimmt, die Erben hätten durch
Umwandlung der ideellen Gesamteigentumsanteile an der ganzen Liegenschaft
in Alleineigentum an einzelnen Parzellen einen Kapitalgewinn realisiert.
Unbestritten ist, dass in der Zeit vom Erbanfall bis zur Erbteilung der
Wert der Liegenschaft um Fr. 209'816.-- gestiegen ist. Der Wertzuwachs auf
einem Vermögensobjekt wird aber erst realisiert, wenn dieses veräussert
und der sich damit als endgültig erweisende Mehrwert als Gewinn
liquidiert wird (BGE 78 I 421, 79 I 12), wenn sich eine Umwandlung der
Wertform, beispielsweise in einen Veräusserungspreis, vollzieht, wenn
die Wertvermehrung irgendwie äusserlich in Erscheinung tritt (Urteile der
staatsrechtlichen Kammer vom 14. September 1949 i.S. Brand, vom 4. Oktober
1950 i.S. Spahn und vom 28. Januar 1953 i.S. Oeri; auch die Urteile
vom 27. Mai 1953 i.S. Ritter und vom 10. März 1954 i.S. Salathé gehen von
diesen Voraussetzungen aus). Im vorliegenden Falle hat sich eine Umwandlung
der neun ideellen Gesamteigentumsquoten an der ganzen Liegenschaft in
Alleineigentum an je einem Neuntel derselben vollzogen. Das bedeutet aber
keine Umwandlung der Wertform, sondern lediglich der rechtlichen Form
der Eigentumsanteile der Erben, ohne dass die Wertvermehrung irgendwie
äusserlich in Erscheinung getreten wäre. Es hatte also nach wie vor bei
einem bloss latenten Wertzuwachs sein Bewenden. Ein solcher erfüllt aber
niemals die Voraussetzungen eines realisierten Kapitalgewinns im Sinne
von § 15 Abs. 1 StG. Seine Besteuerung erscheint daher als willkürlich,
weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist.

Erwägung 2

    2.- Unter diesen Umständen kann die Frage offen bleiben, ob die
Beschwerde auch auf Grund von § 17 StG und § 18 Abs. 2 VV gutzuheissen
wäre.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen.