Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 I 236



81 I 236

38. Auszug aus dem Urteil vom 15. Juli 1955 i.S. Eidg. Steuerverwaltung
gegen Bomonti und Rekurskommission des Kantons Bern. Regeste

    Wehrsteuer: Berechnung des steuerbaren Einkommens in Fällen, in denen
mit einer Nutzniessung belastetes Vermögen im Laufe der Berechnungsperiode
freies Vermögen des Steuerpflichtigen geworden ist.

Sachverhalt

    A.- Am 3. Oktober 1951 starb die Mutter der Beschwerdegegnerin. Dadurch
wurden gewisse Vermögenswerte, die bereits im Eigentum der
Beschwerdegegnerin gestanden hatten, aber mit einer Nutzniessung
zugunsten der Verstorbenen belastet gewesen waren, freies Vermögen der
Beschwerdegegnerin. Seit dem 3. Oktober 1951 fliessen die Erträgnisse
aus diesem Vermögen der Beschwerdegegnerin zu.

    B.- Bei der Einschätzung für die VII. Periode der eidg.
Wehrsteuer (1953/54, Berechnungszeitraum 1951/52) ergaben sich
Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob die Erträgnisse des früher mit
der Nutzniessung belasteten Vermögens dem steuerbaren Einkommen zuzurechnen
seien oder nicht. Die Veranlagungsbehörde hat im Einspracheverfahren
die Zurechnung abgelehnt, und die kantonale Rekurskommission hat - in
Abweisung einer von der eidg. Steuerverwaltung erhobenen Beschwerde
- diese Erledigung bestätigt. Sie hält dafür, dass der Wegfall einer
Nutzniessung infolge Ablebens des Nutzniessers nicht als "Vermögensanfall
von Todes wegen" im Sinne von Art. 42 WStB angesprochen werden könne.

    C.- Die eidg. Steuerverwaltung erhebt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie nimmt an, dass nach der
Entstehungsgeschichte von Art. 42 und 96 WStB, sowie nach Sinn und
Zweck der gesetzlichen Ordnung, der Ausdruck "Vermögensanfall von
Todes wegen" grundsätzlich weit auszulegen sei und dass darunter
jedenfalls der Fall einbezogen werden müsse, wo eine Veränderung in dem
steuerrechtlich anrechenbaren Vermögen eintritt, wie es bei dem Übergang
der Vermögens-Steuerpflicht vom Nutzniesser auf den Eigentümer der Fall
sei, beim Eigentümer ein Zuwachs vom steuerbaren Vermögen eintrete. Das
Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen

Auszug aus den Erwägungen:

                          in Erwägung:

    (1. - Verweis auf BGE 79 I 67).

Erwägung 2

    2.- Hier fragt es sich, ob der mit dem Tode der Mutter der
Steuerpflichtigen eingetretene Wegfall einer Nutzniessung an bestimmten,
der Steuerpflichtigen zu Eigentum zustehenden Vermögenswerten
als "Vermögensanfall von Todes wegen" im Sinne von Art. 42 WStB
anzusprechen ist. Die Rekurskommission hat angenommen, dass mit dem
Wegfall einer Nutzniessung kein Übergang von Vermögen verbunden sei,
weil die Vermögenssubstanz dem Steuerpflichtigen bereits gehöre. Dabei
wird jedoch verkannt, dass sich das Vermögen nicht im Eigentum an
Sachgütern erschöpft. Als Vermögen gilt die Gesamtheit der einer
Person privatrechtlich zustehenden Sachen und Rechte (BGE 80 I 370;
vgl. BLUMENSTEIN, Steuerrecht I S. 172/3). Es fallen darunter nicht nur
Sachgüter, sondern auch Berechtigungen. Vor allem bilden Nutzungsrechte
privatrechtlich Bestandteile des Vermögens des Nutzungsberechtigten. Ob die
Nutzung nach der positiven Besteuerungsordnung als Vermögen oder Einkommen
erfasst wird, berührt die Frage der privatrechtlichen Charakterisierung
der Berechtigung als Vermögensbestandteil nicht.

    Übrigens wird nach Art. 27, Abs. 2 WStB Vermögen, an dem eine
Nutzniessung bestellt ist, dem Nutzniesser zugerechnet. Steuerrechtlich
erscheint also solches Vermögen kraft einer ausdrücklichen gesetzlichen
Bestimmung nicht als Bestandteil des Vermögens des zivilrechtlichen
Eigentümers des Nutzniessungsgutes, sondern des Nutzniessers. Die nuda
proprietas ist, nach der Ordnung des WStB, kein steuerbares Vermögen. Dem
Eigentümer wird das Vermögen erst angerechnet, wenn er auch die Nutzung
erhalten hat. Wenn die Nutzniessung wegfällt, so bedeutet das für
ihn steuerrechtlich eine Vermehrung seines Vermögens, gleichwie ihm
wirtschaftlich Leistungsfähigkeit zuwächst; es fällt ihm steuerrechtlich
Vermögen an, das er bisher nicht gehabt hat. Dass steuerrechtlich
ein Vermögensanfall nicht nur vorliegt, wenn damit zivilrechtlich ein
Übergang der Vermögenssubstanz verbunden ist, ergibt sich daraus, dass
das Steuerrecht auch den infolge Scheidung entstehenden Wegfall einer
Nutzung als steuerrechtlich erheblichen Vermögensanfall betrachtet.

    Wenn bei dieser Rechtslage Art. 42 WStB Einkommensveränderungen infolge
von "Vermögensanfall von Todes wegen" einer Sonderbehandlung unterstellt,
so muss der Anfall eines dem Steuerpflichtigen bisher nicht zustehenden
Nutzungsrechtes zur Anwendung der Sonderbehandlung führen.