Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 I 202



81 I 202

33. Urteil vom 6. Juli 1955 i.S. Ackermann und Konsorten gegen
Regierungsrat des Kantons Luzern. Regeste

    Kantonale Abstimmungen.

    1.  Staatsrechtliche Beschwerde: Kann auch noch im Anschluss an die
Volksabstimmung Beschwerde geführt werden, wenn die vorgebrachte Rüge
schon durch Anfechtung der Abstimmungsanordnung hätte geltend gemacht
werden können? Frage in casu verneint.

    2.  Gesetzesinitiative, Feststellung des Abstimmungsergebnisses im
Falle, wo die Stimmberechtigten sich gleichzeitig über ein in der Form des
ausgearbeiteten Entwurfes gestelltes Volksbegehren und einen Gegenentwurf
des Grossen Rates auszusprechen haben: Zulässigkeit einer Bestimmung,
wonach die Nichtbeantwortung einer der beiden Fragen als Verwerfung des
betreffenden Entwurfes gilt.

Sachverhalt

    A.- Das luzernische Gesetz vom 29. Januar 1908 betreffend
die unmittelbare Ausübung des Gesetzgebungsrechtes durch das Volk
enthält unter anderm Vorschriften über die Volksabstimmung im Falle,
wo die Stimmberechtigten sich gleichzeitig über ein in der Form des
ausgearbeiteten Entwurfes gestelltes Volksbegehren (Initiative) und einen
Gegenentwurf des Grossen Rates auszusprechen

    haben. Es bestimmt hierüber:

    § 13.

    Im Falle der Aufstellung eines besonderen Gesetzesentwurfes durch
den Grossen Rat werden dem Volke auf dem gleichen Stimmzettel die zwei
Fragen zur Abstimmung vorgelegt:

    Wollt Ihr den Entwurf der Initianten annehmen?

    Wollt Ihr den Entwurf des Grossen Rates annehmen?

    § 14.

    Als angenommen gilt derjenige Entwurf, welcher die absolute Mehrheit
der gültig stimmenden Bürger auf sich vereinigt hat. Hat keiner der
beiden Entwürfe die absolute Mehrheit der gültig Stimmenden erhalten,
so sind beide Entwürfe verworfen.

    § 15.

    Stimmzettel, welche beide Fragen verneinen, sind als gültig, solche,
welche beide Fragen bejahen oder unbeantwortet lassen, sind als ungültig
zu erklären. Die Nichtbeantwortung einer der beiden Fragen gilt als
Verwerfung des betreffenden Entwurfes.

    B.- Ein in der Form des ausgearbeiteten Entwurfes gestelltes
Volksbegehren schlug eine Änderung des luzernischen Steuergesetzes vom
27. Mai 1946 vor, durch die gewisse Steuererleichterungen gewährt werden
sollten. Der Grosse Rat stellte einen Gegenentwurf auf.

    Der Regierungsrat setzte am 28. Februar 1955 die Volksabstimmung auf
den 27. März 1955 fest und veröffentlichte diese Anordnung, in der § 15
des Gesetzes betreffend die unmittelbare Ausübung des Gesetzgebungsrechtes
durch das Volk wiedergegeben war, im kantonalen Amtsblatt vom 5. März.

    Durch Beschluss vom 31. März 1955, der im Amtsblatt vom 2. April
veröffentlicht wurde, stellte der Regierungsrat fest, dass in der
Abstimmung vom 27. März weder das Volksbegehren (mit 13'624 Ja gegenüber
19'667 Nein) noch der Gegenentwurf des Grossen Rates (mit 16'291 Ja
gegenüber 17'000 Nein) die absolute Mehrheit (16'646) der gültig Stimmenden
erreicht habe, so dass beide Vorlagen verworfen seien.

    C.- Am 21. April 1955 haben Dr. Ackermann, Fürsprech in Luzern,
und drei Mitunterzeichner staatsrechtliche Beschwerde erhoben, als deren
Gegenstand "die Art der Durchführung der fraglichen Volksabstimmung (vom
27. März 1955), insbesondere die Ermittlung und offizielle Bekanntgabe des
Abstimmungsresultates im Luzerner Kantonsblatt vom 2. April" bezeichnet
wird. Es wird beantragt:

    1.  . Der zweite Satz von § 15 des luzernischen Gesetzes vom 29. Januar
1908 betr. die unmittelbare Ausübung des Gesetzgebungsrechtes durch das
Volk sei als verfassungswidrig zu erklären und aufzuheben.

    2.  Die auf Grund dieser Bestimmung erfolgte Auszählung des Resultates
der Volksabstimmung vom 27. März 1955 über die Abänderung des luzernischen
Steuergesetzes sei als verfassungswidrig zu erklären und zu kassieren.

    3.  Die Volksabstimmung über den Gegenentwurf des Grossen Rates
vom 1. Februar 1955 zum Volksbegehren auf Abänderung des luzernischen
Steuergesetzes sei zu kassieren und der Regierungsrat einzuladen, über
diesen Gegenentwurf eine nochmalige Volksabstimmung zu veranstalten.

    4.  Eventuell: Das Ergebnis der Volksabstimmung vom 27. März 1955 sei
vom Regierungsrat in der Weise neu zu ermitteln, dass nur die effektiv
für die beiden Gegenstände abgegebenen Neinstimmen berücksichtigt und
die auf Grund der sub Ziffer 1 angefochtenen Gesetzesbestimmungen von
den Urnenbureaus (hinzugezählten Neinstimmen?) eliminiert werden."

    Die Beschwerdeführer machen geltend, die beanstandete
Gesetzesbestimmung - die bei der Ermittlung des Ergebnisses der in
Frage stehenden Abstimmung tatsächlich angewendet worden sei, was
daraus hervorgehe, dass für beide Entwürfe gleich viel Stimmen (Ja
und Nein zusammengerechnet) gezählt worden seien - lasse sich durch
keinerlei haltbare Gründe rechtfertigen. Sie sei nicht vereinbar mit der
demokratischen Staatsform, die der Kanton Luzern sich gegeben habe (§
30 KV). Eine entsprechende Vorschrift bestehe in diesem Kanton für die
Verfassungsinitiative. Es sei zweifelhaft, ob die Bundesversammlung
eine von der kantonalen Behörde auf Grund dieser Bestimmung als
zugestandegekommen erklärte Verfassungsänderung genehmigen würde. Weder
das Bundesrecht noch andere kantonale Rechtsordnungen kennten eine solche
Vorschrift.

    Vor 1925 sei die luzernische Staatsverfassung (§§ 39 und 40) dahin
ausgelegt worden, dass sie vorschreibe, ein der Referendumsabstimmung
unterstellter Erlass sei nur dann verworfen, wenn die Mehrheit der
(gültig oder ungültig) Stimmenden sich in diesem Sinne ausgesprochen
habe. Ein Entscheid des Bundesgerichtes von 1923 habe diese Auslegung
durchgehen lassen. Im Jahre 1925 sei jedoch die Kantonsverfassung
revidiert worden; ihr neuer § 42 bestimme, dass bei allen kantonalen
Volksabstimmungen für die Berechnung der absoluten Mehrheit der Stimmenden
nur die gültigen Stimmzettel in Betracht fallen. Aus dieser Regel folge,
dass bei einer Alternativabstimmung derjenige, der hinsichtlich des einen
Abstimmungsgegenstandes sich der Stimme enthalte, nicht als Stimmender
und noch weniger als Neinsager gezählt werden dürfe. Die beanstandete
Gesetzesbestimmung sei also durch den neuen § 42 KV aufgehoben worden.

    Immerhin bestehe im vorliegenden Fall kein Grund, über die Initiative
nochmals abstimmen zu lassen; denn sie sei mit deutlicher Mehrheit
abgelehnt worden. Dagegen müsse die Abstimmung über den Gegenentwurf des
Grosses Rates wiederholt werden. Eine blosse Neufeststellung des Resultates
unter Weglassung der nach Massgabe der angefochtenen Besetzesbestimmung
"konstruierten" Neinstimmen wäre keine befriedigende Lösung. Eine solche
Berichtigung wäre schon deshalb schwierig, weil in manchen Abstimmungsbüros
auf Stimmzettel, in denen eine der beiden Fragen nicht beantwortet war,
einfach von Amtes wegen ein Nein geschrieben worden sei. Zudem seien bei
der an sich schon nicht ohne weiteres verständlichen Alternativabstimmung
viele Bürger durch die in Frage stehende Bestimmung verwirrt worden;
das Abstimmungsergebnis sei so in irreparabler Weise beeinflusst worden.

    D.- Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Antrag der Beschwerdeführer auf Aufhebung der beanstandeten
Gesetzesbestimmung ist nicht zulässig; die Frist zur staatsrechtlichen
Beschwerde gegen den in Frage stehenden allgemein verbindlichen
Erlass selbst ist längst abgelaufen. In Betracht kommt nur noch die
Aufhebung einer Verfügung oder Entscheidung, durch die jene angeblich
verfassungswidrige Bestimmung angewendet worden ist (BGE 68 I 27).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer fechten den Beschluss an, mit dem der
Begierungsrat festgestellt hat, das Ergebnis der Volksabstimmung vom
27. März 1955 sei, dass beide Vorlagen verworfen seien. Sie bestreiten so
die Gültigkeit einer kantonalen Abstimmung. Als stimmberechtigte Einwohner
des Kantons Luzern sind sie zu einer solchen Beschwerde legitimiert.

    Über die Gültigkeit einer kantonalen Abstimmung hat nach luzernischem
Recht in letzter Instanz der Regierungsrat zu entscheiden. Nach § 39 des
kantonalen Gesetzes vom 31. Dezember 1918 über Wahlen und Abstimmungen
befindet er über Einsprüche, mit denen geltend gemacht wird, bei einer
Abstimmungsverhandlung seien Rechtsverletzungen vorgekommen, die auf das
Ergebnis der Abstimmung von Einfluss waren. Gegen seinen Entscheid ist
ein Rekurs an den Grossen Rat nicht zulässig (vgl. die in BGE 49 I 319/20
wiedergegebene Auffassung des Grossen Rates).

    Immerhin kann man sich fragen, ob die Beschwerdeführer, statt gegen den
Beschluss vom 31. März 1955, mit dem der Regierungsrat von Amtes wegen das
Ergebnis der Volksabstimmung festgestellt hat, staatsrechtliche Beschwerde
zu erheben, nicht zunächst, gemäss § 38 Abs. 2 des Gesetzes über Wahlen
und Abstimmungen, innerhalb der Frist von 10 Tagen vom Abstimmungstage
(27. März 1955) an Einspruch beim Regierungsrat hätten einlegen sollen,
um ihn zu veranlassen, sich über die Rüge der Verfassungswidrigkeit des
2. Satzes des § 15 des Gesetzes betreffend die unmittelbare Ausübung
des Gesetzgebungsrechtes durch das Volk auszusprechen. Die Frage kann
indessen offen gelassen werden, da auf die Beschwerde aus einem anderen
Grunde nicht eingetreten werden kann.

Erwägung 3

    3.- Der Regierungsrat hatte in seiner Abstimmungsanordnung vom 28.
Februar 1955 ausdrücklich, unter Hinweis auf § 15 des Gesetzes betreffend
die unmittelbare Ausübung des Gesetzgebungsrechtes durch das Volk,
vorgeschrieben: "Die Nichtbeantwortung nur einer der beiden Fragen gilt als
Verwerfung der betreffenden Abstimmungsvorlage." Wenn die Beschwerdeführer
glaubten, jene Gesetzesbestimmung, deren Anwendung bei der Volksabstimmung
vom 27. März 1955 damit angeordnet war, sei verfassungswidrig, so hatten
sie die Möglichkeit, gegen den im kantonalen Amtsblatt vom 5. März 1955
veröffentlichten Beschluss vom 28. Februar 1955 zu rekurrieren. Sie konnten
die bezügliche Rüge nicht mehr erheben, nachdem einmal die Abstimmung
stattgefunden hatte.

    In der Tat ergibt sich das aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes. In BGE 74 I 22 wird ausgeführt: "Es wäre stossend, wenn
ein Stimmberechtigter, der sich durch die Formulierung der Abstimmungsfrage
oder andere, der Abstimmung vorausgehende und sie betreffende Anordnungen
in seinem Stimmrecht verletzt fühlt, mit der Geltendmachung des Mangels
bis nach der Volksabstimmung zuwarten könnte; vielmehr erscheint es
geboten, sofort gegen diese Anordnung Beschwerde zu führen, damit der
Mangel womöglich noch vor der Abstimmung behoben werden kann und diese
nicht wiederholt zu werden braucht (vgl. BGE 69 I 16, wo aus ähnlichen
Erwägungen entschieden wurde, der Entscheid über die Zusammensetzung des
Gerichtes - Abweisung eines Rekusationsbegehrens - müsse direkt und könne
nicht mehr mit dem Endurteil über die Sache angefochten werden)." Diese
Rechtsprechung wurde bestätigt in den nicht veröffentlichten Urteilen vom
27. Januar 1949 i.S. Weber und vom 17. März 1954 i.S. Gmür. Bereits in BGE
49 I 328 (zitiert in BGE 74 I 22) hatte das Bundesgericht festgestellt,
dass die Rüge, es seien entgegen dem Gesetz den Stimmberechtigten
keine Stimmcouverts zur Verfügung gestellt worden, durch Anfechtung der
Abstimmungsanordnung, worin der Regierungsrat diese Abweichung von der
gesetzlichen Regelung vorgesehen hatte, und nicht erst nach Durchführung
der Volksabstimmung hätte geltend gemacht werden sollen. Es besteht kein
Grund, anders zu entscheiden, wenn eine Vorschrift der Abstimmungsanordnung
zwar dem Gesetz nicht zuwiderläuft, aber sich auf eine gesetzliche
Bestimmung gründet, die als verfassungswidrig beanstandet wird.

    Eine andere Lösung käme allenfalls in Frage, wenn die Beschwerde
lediglich die Art und Weise der Auszählung der Stimmen und der Feststellung
des Abstimmungsergebnisses beträfe, so dass im Falle der Gutheissung
einfach eine neue Auszählung vorzunehmen wäre. Die Beschwerdeführer sind
aber der Meinung, dass mindestens die Abstimmung über eine der beiden
Vorlagen zu kassieren und neu durchzuführen sei, und sie behaupten, dass
die von ihnen angefochtene Vorschrift manchen Stimmenden nicht erlaubt
habe, ihren Willen genau zum Ausdruck zu bringen. Unter diesen Umständen
hätten die Beschwerdeführer, um die Verwirkung des Anfechtungsrechts
zu vermeiden, mit der Geltendmachung ihrer Einwendungen nicht bis nach
der Volksabstimmung zuwarten, sondern schon die Abstimmungsanordnung
anfechten sollen.

    Eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Anordnung vom 28. Februar
1955 wäre binnen 30 Tagen von der Veröffentlichung im Amtsblatt vom
5. März an einzureichen gewesen. Auf die vorliegende am 21. April gegen
den Beschluss des Regierungsrates vom 31. März 1955 erhobene Beschwerde
kann nicht eingetreten werden.

Erwägung 4

    4.- Übrigens müsste die Beschwerde, wenn sie zulässig wäre,
offensichtlich als unbegründet abgewiesen werden.

    Wenn das Volk gleichzeitig über ein in der Form des ausgearbeiteten
Entwurfes gestelltes Volksbegehren und einen Gegenentwurf des Grossen Rates
abzustimmen hat, so hat es sich über zweierlei auszusprechen. Einerseits
hat es zu bekunden, ob es den Status quo aufrechterhalten oder aber ändern
will; anderseits, im zweiten Fall, hat es zwischen den beiden Entwürfen
zu wählen, d.h. zum Ausdruck zu bringen, dass es den einen Entwurf annimmt
und den andern verwirft.

    In einem System, wie es in § 15 des luzernischen Gesetzes betreffend
die unmittelbare Ausübung des Gesetzgebungsrechtes durch das Volk
vorgesehen ist, wird die der Gesamtheit der Stimmenden aufgetragene
Wahl schon jedem Stimmenden einzeln auferlegt. Nach den meisten andern
gesetzlichen Ordnungen dagegen kann der einzelne Stimmende sich zugleich
für beide Vorlagen aussprechen oder auch die eine annehmen, ohne die andere
zu verwerfen; das Gesamtergebnis erlaubt dann, gewissen unbestimmten
Einzelstimmen Rechnung zu tragen. Allerdings kann es bei diesem System
vorkommen, dass beide Projekte die absolute Mehrheit erreichen; in diesem
Falle wird normalerweise dasjenige durchdringen, welches die meisten
Stimmen auf sich vereinigt.

    Beide Systeme sind mit sachlichen Gründen vertretbar und mit
den Grundsätzen der Demokratie im Einklang. Da die Gesamtheit der
Stimmenden die Wahl zwischen zwei Vorlagen treffen muss, ist es gewiss
nicht sachwidrig, von jedem einzelnen Stimmenden zu verlangen, dass er
sich in bestimmter Weise im einen oder andern Sinne ausspreche. Auch
in gewöhnlichen Abstimmungen, die einen einzigen Entwurf zum Gegenstand
haben, und bei Beamtenwahlen, besonders solchen, die einen einzigen Posten
betreffen, muss der Stimmende, der will, dass seine Stimme berücksichtigt
werde, zwischen der einen und der andern Möglichkeit wählen; er kann
nicht gültig sich in unbestimmter Weise äussern.

    Um die Revision der Verfassung oder die Verwerfung eines
Gesetzesentwurfes durch das Volk zu erschweren, wurde hie und da
angenommen, dass zur Ermittlung des für die Annahme der Verfassungsrevision
oder für die Verwerfung der Gesetzesvorlage erforderlichen absoluten
Mehrs der Stimmenden die leeren oder ungültigen Stimmzettel mitzuzählen
seien. Man könnte die Zulässigkeit solcher Lösungen - die mitunter bejaht
worden ist (nicht veröffentlichtes Urteil vom 22. Juni 1923 i.S. Hübscher
c. Luzern; BURCKHARDT, Komm. der BV, 2. Aufl., S. 823, anders 3. Aufl.,
S. 820) - wohl bezweifeln. Aber § 15 des in Frage stehenden luzernischen
Gesetzes beruht nicht auf Erwägungen, wie sie jenen Ordnungen zugrunde
liegen. Er stellt den Entwurf der Initianten und den Gegenentwurf des
Grossen Rates auf die gleiche Stufe. Er will nicht eine bestimmte Lösung
begünstigen, sondern den Stimmenden, der eine Änderung des Status quo
wünscht, zur Wahl zwischen den in Betracht kommenden Lösungen veranlassen.

    Die Beschwerdeführer nennen keine Verfassungsbestimmung, welche
das System der beanstandeten Gesetzesvorschrift ausschlösse. Zu Unrecht
berufen sie sich auf den neuen § 42 KV, lautend: "Bei allen kantonalen
Volksabstimmungen fallen für die Berechnung der absoluten Mehrheit
der Stimmenden nur die gültigen Stimmzettel in Betracht. Im übrigen
wird das Abstimmungsverfahren durch das Gesetz näher geregelt." Diese
Bestimmung stellt einen Grundsatz auf und behält der Gesetzgebung vor,
dessen Anwendung im einzelnen zu ordnen. Wo es um Abstimmungen geht,
die alternativ zwei Gesetzesentwürfe betreffen, rechtfertigt sich eine
besondere Regelung. Der Stimmzettel, mit welchem ein Stimmender sich über
einen der Entwürfe mit Ja oder Nein ausgesprochen und die den anderen
Entwurf beschlagende Frage unbeantwortet gelassen hat, wird als gültig
betrachtet und ist daher bei der Ermittlung der Mehrheit in Rechnung zu
stellen. Der im Gesetz niedergelegten Regel, dass der Stimmende, der die
Änderung des Status quo will, zwischen den beiden Projekten wählen muss,
entspricht es aber, wenn bestimmt wird, dass die Stellungnahme zu einem
der Entwürfe notwendig diejenige zum andern in sich schliesst, und wie
die Haltung eines Stimmenden auszulegen ist, der es unterlässt, sich zu
diesem andern Entwurf in bestimmter Weise auszusprechen. Es ist unter
dem Gesichtspunkte des § 42 KV zulässig, die derart durch Interpretation
ermittelte Stimme als gültig mitzuzählen.

    Es ist möglich, dass im Falle, wo gleichzeitig über einen Entwurf
und einen Gegenentwurf abgestimmt wird, ein doppelt negatives Ergebnis
nicht genau dem Willen der Stimmenden entspricht. Manche unter ihnen,
die den einen Entwurf angenommen und den andern verworfen haben, hätten
vielleicht dem Status quo das Projekt, gegen das sie sich ausgesprochen
haben, doch vorgezogen. Diese Unzukömmlichkeit ist indessen nicht
eine Besonderheit des Luzerner Systems. Sie kann überall vorkommen,
wo zwei sich ausschliessende Projekte gleichzeitig der Volksabstimmung
unterbreitet werden. Ist es der Wille des Volkes, den Status quo, bei
dem es nach der Verwerfung beider Entwürfe bleiben würde, zu ändern,
so kann ein neues Projekt aufgestellt werden, sei es von der Behörde,
sei es aus der Mitte des Volkes auf dem Wege der Initiative.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.