Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 IV 276



81 IV 276

60. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1955
i.S. X. gegen Firma Z. A.-G. und Staatsanwaltschaft des Kantons Y. Regeste

    Art. 159 StGB. Begriff der Geschäftsführung (Erw. 2 lit.  a) und des
Vermögens (Erw. 2 lit. b).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Z. A.-G. übertrug dem X. im Jahre 1944 die Leitung einer
Abteilung und 1946 - unter gleichzeitiger Ernennung zum Vizedirektor -
die Leitung einer weiteren Abteilung ihres Werkes I. Unter Leitung des
X. wurden in diesem Werk unter anderem gewisse Pressen hergestellt, deren
Verkauf die von A. geleitete Firma B. übernahm. X. hatte der Werkdirektion
vorgeschlagen, auch Zusatzmaschinen zu diesen Pressen herzustellen. Als
die Direktion dies ablehnte, entschloss er sich, die Konstruktion und
Fabrikation solcher Zusatzmaschinen auf eigene Rechnung zu betreiben. Zu
diesem Zwecke verband er sich mit obgenanntem A. von der Firma B. Für die
Konstruktion dieser Maschinen schuf er im Frühling /Sommer 1946 in der
ihm unterstellten Abteilung eine besondere Arbeitsgruppe, die sich aus
dem Konstrukteur M., zwei Zeichnern sowie einem Lehrling zusammensetzte.
Diese Arbeitsgruppe, für die ein besonderes Büro eingerichtet worden war,
arbeitete ungefähr während eines Jahres wenn nicht ausschliesslich so
jedenfalls sehr weitgehend an der Konstruktion solcher Zusatzmaschinen. Die
ausgearbeiteten Pläne gingen an die Firma B., welche die Fabrikation der
Maschinen verschiedenen Unternehmungen übertrug. Die Korrespondenz mit
den Fabrikanten sowie mit den Käufern der Maschinen wurden zum grössten
Teil vom Büro M. besorgt. Wenn sich bei der Fabrikation Schwierigkeiten
einstellten oder die verkauften Maschinen Mängel aufwiesen, sorgten X. und
seine Leute für deren Behebung. Dabei wirkte ausser der Gruppe M. auch
noch P. mit, der zuerst als Zeichner und später als Konstruktionschef
in der Abteilung des X. tätig war. P. fertigte unter anderem Skizzen
für die Firma B. an, behob Konstruktionsfehler an den Plänen der Gruppe
M. und war bei der Montage der Maschinen und der Behebung von Mängeln
behilflich. M. betrieb zudem eine ausgedehnte Werbetätigkeit für die
entwickelten Zusatzmaschinen.

    Die Tätigkeit der Gruppe M. dauerte im wesentlichen bis zum Austritt
des M. aus dem Werk I der Firma Z. A.-G. am 31. Juli 1947. Die Tätigkeit
namentlich des X. und des P. für das Geheimunternehmen dauerte jedoch
noch fort und fand erst am 30. November 1950 mit dem Wegzug des X. aus
dem Werk I. ein Ende.

    Die Werkleitung hatte von all diesen Vorgängen keine Kenntnis. Die
Firma Z. A.-G. erhielt auch nie eine Entschädigung irgendwelcher Art
für das von X. geleitete Zusatzmaschinengeschäft, obschon die Löhne
der damit beschäftigten Angestellten zu ihren Lasten gingen und für die
Konstruktionspläne ihr Zeichenmaterial verwendet wurde.

    B.- Am 15. Oktober 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons
Y. den X. unter anderem wegen fortgesetzter und aus Gewinnsucht begangener
ungetreuer Geschäftsführung zu neun Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben
mit einer Probezeit von fünf Jahren, sowie zu einer bei gleicher Probezeit
bedingt löschbaren Busse von Fr. 700.--.

    C.- Gegen dieses Urteil führt X. Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268
ff. BStP mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückweisung des Straffalles zu
neuer Entscheidung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- .....

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 159 StGB ist mit Gefängnis zu bestrafen, wer
jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen
oder einer vertraglich übernommenen Pflicht zu sorgen hat. Handelt der
Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren
und Busse. Die Vorinstanz nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer
der ungetreuen Geschäftsführung schuldig gemacht hat, indem er als
Abteilungsleiter eine Anzahl Angestellte der Firma Z. A.-G. zum Teil
während Jahren, vor allem vom Frühjahr 1946 bis Sommer 1947, für das
von ihm als Geheimunternehmen gemeinsam mit der Firma B. aufgezogene
Zusatzmaschinengeschäft arbeiten liess und dadurch die Firma Z. A.-G. um
die für die entsprechenden Arbeitszeiten ausbezahlten Löhne sowie den
Wert des verwendeten Zeichenmaterials schädigte.

    a) Der Kassationshof hat bis heute die Frage offen gelassen, ob
eine Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB nur innehat, wer für
einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen hat, oder ob auch derjenige
Geschäftsführer ist, welcher lediglich tatsächlich für ein fremdes
Vermögen, z.B. für dessen Verwahrung, Instandhaltung usf. zu sorgen hat
(BGE 80 IV 247). Teilweise in Anlehnung an die frühere, 1933 revidierte
Fassung des § 266 des Deutschen Strafgesetzbuches ist die Auffassung
vertreten worden, dass auch als Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB
nur die rechtsgeschäftliche Vertretung nach aussen anzusehen sei. Gegen
diese Auslegung spricht jedoch einmal der Wortlaut von Art. 159 StGB, wo
ganz allgemein von der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht,
für ein fremdes Vermögen zu sorgen, die Rede ist, womit man den Tatbestand
bewusst weiter fassen wollte als den ursprünglichen § 266 DStGB (Motive
zum Vorentwurf, 1894, S. 171). Aber auch Sinn und Zweck von Art. 159 StGB
sprechen gegen eine Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf
die rechtsgeschäftliche Geschäftsführung. Wie der Kassationshof in BGE 81
IV 232 entschieden hat, schützt Art. 159 StGB schlechthin das Vermögen,
für das jemand infolge gesetzlicher oder vertraglicher Pflicht als
Geschäftsführer zu sorgen hat. Unter diesem Gesichtspunkt kann es aber
keinen Unterschied ausmachen, ob die Fürsorge für ein fremdes Vermögen
tatsächlicher Natur ist oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften
erfolgt. Wer nur tatsächlich für ein fremdes Vermögen zu sorgen hat,
ist, wenn er den Eigentümer wissentlich und willentlich an diesem
schädigt, ebenso strafwürdig wie derjenige, der auch zum Abschluss von
Rechtsgeschäften befugt ist. Strafbar im Sinne von Art. 159 StGB kann
somit auch jemand sein, der für ein fremdes Vermögen nur tatsächlich
zu sorgen hat. Dem Beschwerdeführer stand übrigens als Prokurist und
spätern Vizedirektor des Werkes I auch eine gewisse Vertretungsbefugnis
nach aussen zu.

    Neben der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht,
für ein fremdes Vermögen zu sorgen, setzt Art. 159, wie sich aus dem
Randtitel "Ungetreue Geschäftsführung" ergibt, ferner voraus, dass dem
Täter die Stellung eines Geschäftsführers zukommt. Nicht jede beliebige
Fürsorgepflicht für ein fremdes Vermögen oder Bestandteile eines solchen
fällt unter Art. 159 StGB, sondern nur eine Fürsorge, die Geschäftsführung
ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Jemand, der
wie der Beschwerdeführer in leitender Stellung über die Betriebsmittel
und das Personal eines Unternehmens zu disponieren hat, ist bei deren
Einsatz Geschäftsführer im Sinne von Art. 159 StGB. Dies entspricht sowohl
dem Sprachgebrauch als auch Sinn und Zweck von Art. 159. Ein sachlicher
Grund, das Vorliegen einer Geschäftsführung in derartigen Fällen zu
verneinen, ist nicht ersichtlich. Wer in leitender Stellung über die
Betriebsmittel eines Unternehmens zu disponieren hat, erscheint, wenn er
den Geschäftsherrn wissentlich und willentlich an seinem Vermögen schädigt,
ebenso strafwürdig wie z.B. der Verwalter eines fremden Vermögens, welcher
den Eigentümer bewusst und gewollt an diesem schädigt, ein Fall der sowohl
in den Materialien als auch in der Literatur als typisches Beispiel der
ungetreuen Geschäftsführung genannt wird (vgl. Motive zum Vorentwurf,
1894, S. 171; HAFTER, Bes. Teil II, S. 319, THORMANN-OVERBECK, N. 2 zu
Art. 159). Dabei kann hier die Frage offen gelassen werden, ob und unter
welchen Voraussetzungen auch untergeordnete Angestellte als Geschäftsführer
gemäss Art. 159 StGB anzusehen sind.

    Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer
im Sinne von Art. 159 StGB für den ihm anvertrauten Vermögenskomplex, eben
die seiner Dispositionsbefugnis unterstellten sachlichen und persönlichen
Betriebsmittel des Werkes I, zu sorgen hatte.

    b) Indem der Beschwerdeführer ihm unterstellte Angestellte der
Firma Z. A.-G. zum Teil dauernd, zum Teil vorübergehend für das von ihm
aufgezogene Geheimunternehmen anstatt für das Werk I arbeiten liess,
wobei der Firma Z. A.-G. nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz allein durch die Tätigkeit des Büros M. an ausbezahlten Löhnen
ein Schaden von annähernd Fr. 26'800.-- erwachsen ist, hat er diese an
ihrem Vermögen geschädigt. Unter Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB sind
alle vermögenswerten Interessen des Geschäftsherrn zu verstehen (BGE 80 IV
248 E. 3, HAFTER, Bes. Teil II, S. 320). Dazu gehört auch die Arbeitskraft
der Arbeiter und Angestellten während der vertraglichen Arbeitszeit, über
welche der Beschwerdeführer als technischer Leiter des Werkes I zu verfügen
hatte. Die Auffassung des Beschwerdeführers, diese Arbeitskraft sei kein
Vermögensbestandteil, sondern hätte nur zur Vermögensbildung führen können,
geht fehl. Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass die Arbeitszeit der
von ihm entlöhnten Arbeiter und Angestellten zu seinem Nutzen verwendet
wird. Diesem Anspruch kommt bereits als solchem realer Vermögenswert
zu. Dies gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die zusammenhängende
Tätigkeit der sog. Gruppe M., sondern auch für die gelegentlichen
Arbeiten, welche andere Angestellte, vor allem P., nach Auflösung des
Büros M. für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers leisteten. Wie
die Vorinstanz verbindlich feststellt, war dem Beschwerdeführer selbst
jede Nebentätigkeit vertraglich untersagt. Unter diesen Umständen steht
ausser Zweifel, dass die Arbeitgeberin noch viel weniger die ausgedehnte
Tätigkeit der Gruppe M. oder diejenige der andern Angestellten für das
Geheimunternehmen des Beschwerdeführers geduldet hätte, wenn ihr diese
bekannt gewesen wäre.

    Dass die Firma Z. A.-G. auch durch die Verwendung ihres
Zeichenmaterials für das Geheimunternehmen des Beschwerdeführers an
ihrem Vermögen geschädigt worden ist, liegt auf der Hand. Ebenso dass
der Beschwerdeführer aus Gewinnsucht gehandelt hat, was dieser zu
Recht selbst nicht bestreitet. Angesichts der Zahlungen, die ihm aus
dem Geheimunternehmen zuflossen und um derentwillen er dieses nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aufzog, ist die Gewinnsucht
offenkundig.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.