Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 IV 197



81 IV 197

44. Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1955 i.S. Stierli und
Mitbeschuldigte gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. Regeste

    Art. 4, 6 BG über die Spielbanken.

    a)   Wann liegt eine Vereinigung von Spielern vor? Wann betreibt sie
die Glückspiele gewohnheitsmässig? Wann stellt sie die Teilnahme an diesen
jedermann frei? (Erw. 2).

    b)  Gegen Art. 6 SBG vergeht sich auch, wer, nachdem er die Spieler
erlaubterweise bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten
Zwecken übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und
die Geräte zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden.
Eventualvorsatz (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Alfons Grabherr, Christian Blättler und Albert Blaser fanden sich
während etwa drei Jahren, insbesondere in der Zeit vom 15. November 1952
bis im Sommer 1953, häufig im Gasthaus Falken in Baar ein, um sich
zu vergnügen, namentlich zu jassen und mit Einsätzen bis zu Fr. 6.-
die Glückspiele "Bethlen" und "Bänkeln" durchzuführen, zu denen sie
die ihnen vom Wirte zur Verfügung gestellten Jasskarten benützten. Die
beiden Glückspiele wurden im Verhältnis zum Jassen nur ausnahmsweise und
ohne vorherige Verabredung der Spieltage betrieben, oft erst in später
Stunde, nachdem die Spieler vorher gejasst hatten. Grabherr und Blättler
"bänkelten" jede Woche einmal, öfters aber fast täglich. Blaser gibt zu,
den Falken monatlich ein- bis zweimal besucht zu haben. Jedesmal, wenn
er dorthin ging, wurde "gebethlet" oder "gebänkelt". Ein Zeuge will ihn
wöchentlich zweimal, dann aber wieder monatelang nicht mehr im Falken
gesehen haben. Die drei Spieler liessen jedermann an den Glückspielen
teilnehmen. Gelegentlich fanden sich andere Gäste hiezu ein. Ganz Baar
wusste um den Betrieb. Nach den Zeugenaussagen einer Serviertochter
wurde manchmal fast jeden Tag gespielt, nach den Aussagen einer anderen
durchschnittlich einmal wöchentlich, und eine Hausangestellte erklärt, die
Spiele seien jeweilen am Sonntag, Donnerstag und Samstag betrieben worden.

    Der Wirt Isidor Stierli schritt wiederholt ein, wenn in seinem
Gasthaus Glückspiele durchgeführt wurden. Er löschte das Licht aus
oder nahm den Gästen die Karten weg, um die Fortsetzung der Spiele zu
verunmöglichen. Das "Bethlen" hielt er zwar für erlaubt, versuchte es aber
zu verhindern, weil die Spieler wegen der hohen Einsätze wenig tranken
und die Verlierenden missmutig wurden. Das "Bänkeln" verbot er, weil
ihn die Justiz- und Polizeidirektion des Kantons Zug am 21. Januar 1952
wegen Duldens verbotener Glückspiele schriftlich verwarnt hatte. Trotzdem
wurde im Falken immer wieder "gebethlet" und "gebänkelt". Das "Bänkeln"
wurde betrieben, wenn er abwesend war.

    B.- Am 1. Februar 1955 verurteilte das Strafobergericht des Kantons Zug
Grabherr, Blättler und Blaser wegen Übertretung des Art. 6 in Verbindung
mit Art. 4 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929
(SBG) zu je Fr. 300.-- Busse und Stierli wegen Übertretung der gleichen
Bestimmungen sowie wegen wiederholter Übertretung der Polizeistunde (§
5 kantonales Wirtschaftsgesetz und § 22 kantonales Polizeistrafgesetz)
zu Fr. 320.-- Busse.

    C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage
der Übertretung des Bundesgesetzes über die Spielbanken an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Sie machen geltend, Grabherr, Blättler und Blaser hätten keine
Vereinigung von Spielern im Sinne des Art. 4 SBG gebildet, da eine
solche eine Verabredung der Spieler, regelmässig zusammenzukommen und
unbestimmt vielen anderen Personen Gelegenheit zum Glückspiel zu geben,
voraussetze. Eine solche Vereinbarung habe hier gefehlt. Spiellustige,
die nur zufällig zusammenkämen und nicht beabsichtigten, andere Personen
zum Spielen zu animieren, seien keine Spielervereinigung. Im übrigen
würde es auch an der zu fordernden Regelmässigkeit fehlen. Stierli sei
auch deshalb nicht schuldig, weil die ihm vorgeworfene Unterlassung
(Nichtanweisung des Dienstpersonals, den Gästen auch in seiner
Abwesenheit die Karten wegzunehmen und die Fehlbaren zu verzeigen)
mit dem eingetretenen Erfolge nicht ursächlich zusammenhange; denn zum
Eintritt des Erfolges habe es eines vom Verhalten des Stierli gänzlich
unabhängigen vorsätzlichen Handelns der anderen Angeklagten bedurft. Auch
könne aus dem Verhalten Stierlis nicht, wie das Obergericht es mache,
auf Eventualvorsatz geschlossen werden. Solcher liege nur vor, wenn aus
dem Verhalten des Täters geschlossen werden müsse, dass er den Erfolg
gebilligt und ihn damit indirekt gewollt habe. Nun stehe aber fest, dass
Stierli die Spiele verboten und sie verunmöglicht habe; er habe also
dokumentiert, dass er sie nicht billige.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug beantragt, die Beschwerde
sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 6 SBG ist mit Busse von dreihundert bis zu zehntausend
Franken zu bestrafen, "wer eine Spielbank errichtet, betreibt, hierzu Platz
gibt oder Spielgeräte beschafft". Spielbank im Sinne dieser Bestimmung
ist jede Unternehmung, die Glückspiele betreibt (Art. 2 Abs. 1 SBG). Als
solche Unternehmung gilt auch "eine Vereinigung von Spielern, welche
Glückspiele gewohnheitsmässig betreibt, sofern die Teilnahme an diesen
tatsächlich jedermann freisteht" (Art. 4 SBG).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass die Spiele
"Bethlen" und "Bänkeln", so wie die Akten sie beschreiben, Glückspiele
sind.

    Die Beschwerdeführer Grabherr, Blättler und Blaser sodann waren eine
Vereinigung von Spielern. Das Obergericht stellt lediglich fest, dass sie
die Spieltage nicht verabredeten, nicht auch, dass sie überhaupt nicht
im gegenseitigen Einvernehmen gespielt hätten, was übrigens soweit sie
es zusammen und nicht ausschliesslich mit Dritten taten, auch gar nicht
möglich gewesen wäre. Dass die Spieltage zum voraus vereinbart seien,
setzt der Begriff der "Vereinigung von Spielern" nicht voraus, sowenig
er verlangt, dass die Spieler lediglich zum Zwecke der Veranstaltung von
Glückspielen zusammenkommen. Wer sich mit jemandem zu anderen Zwecken
zusammentut, die Zusammenkünfte nebenbei aber auch zur Veranstaltung von
Glückspielen benützt, bildet eine Vereinigung von Spielern. Daher genügt
es, dass Grabherr, Blättler und Blaser sich zum Jassen oder sonstigen
Zeitvertreib zusammenfanden und diese Gelegenheiten, wenn auch ohne
vorherige Verabredung, auch zum "Bethlen" und "Bänkeln" benutzten. Dass
eine Vereinigung von Spielern auch nicht eine Organisation, z.B. einen
Präsidenten, erfordert, ist schon in BGE 72 IV 187 ausgeführt worden.

    Grabherr, Blättler und Blaser haben die Glückspiele auch
gewohnheitsmässig betrieben. Das tut schon, wer das Spielen zur
Gewohnheit werden lässt, sich so daran gewöhnt, dass er einen Hang zur
häufigen Wiederholung empfindet, und die Spiele auch tatsächlich häufig
wiederholt. Dass sich diese in regelmässigen oder sogar nach einem Plane
festgesetzten Abständen folgen, ist nicht nötig. Daher genügt, dass
die Beschwerdeführer, wie verbindlich festgestellt und nicht bestritten
ist, so häufig Glückspiele veranstalteten, bis ihr Betrieb der ganzen
Bevölkerung von Baar auffiel. Dass der eine etwas fleissiger, der andere
etwas weniger oft dabei war und die Zusammenkünfte auch je nach Jahreszeit
und Laune sich einmal rascher und einmal weniger rasch folgten, tat der
Gewohnheitsmässigkeit des Betriebes nicht Eintrag.

    Endlich ist auch verbindlich festgestellt, dass Grabherr Blättler und
Blaser jedermann an ihren Glückspielen mitmachen liessen. Art. 4 SBG setzt
nicht voraus, dass sie die Leute zur Teilnahme geradezu animierten. Es
genügt, dass diese jedermann freistand. Wieviele Personen von der ihnen
gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, ist unerheblich. Das
Gesetz verlangt nicht einmal, dass jemand die Gelegenheit benutzt habe,
sondern nur, dass die Vereinigung von Spielern jedem beliebigen Dritten
die Teilnahme tatsächlich freigestellt habe.

    Da Grabherr, Blättler und Blaser nicht behaupten, sie hätten unbewusst
oder ungewollt gehandelt, sind sie zu Recht verurteilt worden.

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht wirft Stierli nicht vor, dass er in seiner
Anwesenheit die Glückspielunternehmung in seinem Gasthause geduldet,
sondern, dass er das Dienstpersonal nicht angewiesen habe, den Spielern
die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren zu verzeigen, damit er
schärfere Massnahmen gegen sie treffen könne. Mit dieser Würdigung des
Sachverhaltes hat das Obergericht Art. 6 SBG nicht verletzt. Nicht nur,
wer die Vereinigung der Spieler aufnimmt, damit sie Glückspiele betreiben
könne, und ihr Spielgeräte zu diesem Zwecke übergibt, vergeht sich gegen
die Bestimmung, sondern auch, wer, nachdem er die Spieler erlaubterweise
bei sich aufgenommen und ihnen die Spielgeräte zu erlaubten Zwecken
übergeben hat, nicht verhindert, dass der gebotene Platz und die Geräte
zum Betrieb einer Glückspielunternehmung verwendet werden. Als Wirt war
Stierli verpflichtet, zu verhindern, dass das Spielbankengesetz in seinen
Gastlokalen und mit seinen Spielkarten übertreten werde. Indem er das
nicht auch durch Weisungen an sein Dienstpersonal tat, gab er im Sinne
des Art. 6 SBG zum Betrieb der Spielbank Platz und beschaffte er hiezu
Spielgeräte. Es ist mutwillig, das mit der Rüge zu bestreiten, es fehle der
Kausalzusammenhang zwischen der Unterlassung Stierlis und dem Erfolge, weil
es zu dessen Eintritt des Vorsatzes der Spieler bedurft habe. Der Betrieb
der Glückspielunternehmung bedarf immer des Vorsatzes der Veranstalter. Das
hindert nicht, dass nach dem klaren Art. 6 SBG ebenfalls strafbar ist,
wer ihnen hiezu vorsätzlich Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.

    Indem das Obergericht Stierli vorwirft, er habe die ihm zur Last
gelegte Übertretung zum mindesten eventualvorsätzlich begangen, hat es den
Begriff des Eventualvorsatzes nicht verkannt. Solcher liegt vor, wenn der
Täter zwar nicht sicher ist, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale der
strafbaren Handlung durch sein Tun oder Unterlassen verwirklicht werden,
das aber für ernsthaft möglich hält und sich mit der Verwirklichung
innerlich abfindet (BGE 69 IV 79 f.). Ob Stierli für den Fall, dass in
seiner Abwesenheit in seinen Gastlokalen und mit seinen Spielkarten eine
Glückspielunternehmung betrieben werde, damit einverstanden gewesen sei,
ist eine Tatfrage. Das Obergericht hat sie implicite dadurch bejaht,
dass es ihm vorwirft, er hätte, weil der in seinem Gasthaus veranstaltete
Spielbetrieb allgemein bekannt gewesen sei, das Dienstpersonal anweisen
müssen, allfälligen Spielern die Karten wegzunehmen und ihm die Fehlbaren
zu verzeigen. Indem der Beschwerdeführer aus seiner Haltung, die er
einnahm, wenn in seiner Gegenwart gespielt wurde, einen gegenteiligen
Schluss auf seine innere Einstellung zu ziehen versucht, ficht er
unzulässigerweise eine tatsächliche Feststellung an (Art. 273 Abs. 1 lit.
b, 277 bis Abs. 1 BStP). Er verkennt übrigens, dass sich sein Widerspruch
gegen das Spielen in seiner Anwesenheit sehr wohl mit der Annahme verträgt,
gegen das Spielen in seiner Abwesenheit habe er nichts einzuwenden
gehabt. Hätte er es auch in diesem Falle missbilligt, so hätte er etwas
dagegen unternommen; denn nachdem trotz seines Widerspruchs in seiner
Anwesenheit immer wieder verbotenerweise gespielt wurde, drängte sich
ihm der Schluss, das gleiche werde umsomehr auch in seiner Abwesenheit
getan, derart gebieterisch auf, dass seine Untätigkeit ohne Verletzung
von Bundesrecht dahin ausgelegt werden kann, er habe gebilligt, dass das
Glückspielunternehmen in seiner Abwesenheit betrieben werde.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.