Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 IV 156



81 IV 156

34. Urteil des Kassationshofes vom 3. Juni 1955 i.S. Schmuki gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 144, 148 StGB. Das erfolglose Bemühen, auf Grund einer durch
Betrug seitens eines Dritten zustande gekommenen Gutschrift einer Bank die
Auszahlung eines Geldbetrages zu erwirken, ist kein Versuch der Hehlerei,
sondern allenfalls ein Betrugsversuch.

Sachverhalt

    A.- Anselm Schmuki hatte bei der Bank AG Leu & Co. in Zürich ein Konto,
über das ausser ihm auch Sergio Walter zu verfügen berechtigt war. Am
4. Juni 1954 teilte letzterer ihm mit, er, Walter, habe durch Betrug
etwa eine halbe Million Franken vom Postscheckkonto des schweizerischen
Fernsehdienstes an unberechtigte Dritte überwiesen und davon auch
Fr. 69'016.10 auf das erwähnte Bankkonto Schmukis gutschreiben lassen.
Schmuki entschloss sich, von diesem Konto, das vorher kein Guthaben
aufgewiesen hatte, Fr. 69'000.-- abzuheben und damit gemeinsam mit Walter
und dessen Bruder in das Ausland zu fliehen. Er sprach am gleichen Tage
im Auftrage Walters auf der Bank vor und verlangte die Auszahlung des
Betrages. Da der Bankbeamte Widmer seinem Begehren nicht entsprechen
wollte, gab Schmuki ihm wider besseres Wissen an, er sei Mitarbeiter des
Fernsehdienstes und habe für die bevorstehenden Fussballweltmeisterschaften
die Unterkunft der ausländischen Fernsehleute zu organisieren. Er wollte
damit die rechtmässige Herkunft und Zweckbestimmung des gutgeschriebenen
Betrages vorspiegeln, um die Auszahlung zu erwirken. Widmer vertröstete
ihn indessen auf den folgenden Tag. Schmuki begab sich daher am 5. Juni
1954 nochmals zur Bank und verlangte das Geld mit der Lüge, er müsse es
nun unbedingt haben, da der Wagen zur Abreise schon bereit stehe. Da auch
dieser Versuch scheiterte, wies Schmuki den Bankbeamten noch am gleichen
Tage telephonisch an, den Betrag an Walter auszuzahlen. Es kam indessen
nicht dazu, da Walter verhaftet wurde, als er bei der Bank vorsprach.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sah mit Urteil vom 7. Januar
1955 im erwähnten Verhalten Schmukis fortgesetzten vollendeten Versuch
der Hehlerei (Art. 144 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1 StGB). Es warf ihm vor,
er habe versucht, eine durch strafbare Handlung erlangte Sache, nämlich
das durch Walter ertrogene Bankguthaben, zu verheimlichen und absetzen
zu helfen. Es verurteilte ihn deswegen sowie wegen anderer strafbarer
Handlungen (wiederholten Diebstahls und wiederholter Veruntreuung)
zu achtzehn Monaten Gefängnis, auf die es ihm 230 Tage Untersuchungs-
und Sicherheitshaft anrechnete.

    C.- Schmuki führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von
der Anklage des Versuchs der Hehlerei an das Obergericht zurückzuweisen.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Hehler im Sinne des Art. 144 Abs. 1 StGB ist, wer eine Sache, von
der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung
erlangt worden ist, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfande nimmt,
verheimlicht oder absetzen hilft.

    Dem Beschwerdeführer kann schon deshalb nicht vorgeworfen werden,
er habe den Tatbestand dieser Bestimmung zu erfüllen versucht, weil
weder das Geld, dessen Auszahlung er verlangte, noch die Forderung,
die er an die Bank stellte, durch strafbare Handlung erlangte Sachen
waren. Niemand hatte sich durch strafbare Handlung in den Besitz
des Geldes gesetzt, insbesondere auch nicht Walter, der es ja eben
mit Hilfe des Beschwerdeführers und durch persönliche Vorsprache bei
der Bank erst zu erlangen versuchte. Der von Walter begangene Betrug
hatte erst zur Folge gehabt, dass das Postscheckamt Fr. 69'016.10
zulasten des Kontos des Fernsehdienstes und zugunsten der Bank AG Leu
& Co. verbucht und dass letztere ihrerseits den Betrag dem Konto des
Beschwerdeführers gutgeschrieben hatte. Damit konnte der Beschwerdeführer
lediglich eine Forderung erworben haben, der zudem die Einreden der Bank
entgegenstanden. Eine Forderung aber war keine Sache im Sinne des Art. 144
und kann ihr auch nicht gleichgestellt werden. Diese Bestimmung versteht
darunter nicht jeden Vermögenswert, sondern nur körperliche Sachen im
Sinne des Zivilgesetzbuches, inbegriffen die Wertpapiere, in denen ein
Recht derart verkörpert ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht
noch übertragen werden kann. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen
Sprachgebrauch, der in einem Recht nicht eine Sache (chose, cosa) sieht,
sondern auch aus dem Zusammenhang des Art. 144 mit den Art. 137-143, in
denen Verbrechen und Vergehen umschrieben sind, die ausschliesslich die
Aneignung von (beweglichen) "Sachen" betreffen. Unter solchen versteht
das Gesetz hier offensichtlich nur körperliche Gegenstände, nicht auch
Rechte. Folglich kann das Wort Sache auch in Art. 144 keinen anderen Sinn
haben. So wird diese Bestimmung übrigens auch in der Literatur ausgelegt
(z.B. von WAIBLINGER, ZStrR 61 263).

    Eine Ausnahme ist auch dann nicht zu machen, wenn die Forderung
gegen eine zahlungsfähige Bank gerichtet und fällig ist und daher
wirtschaftlich den gleichen Wert hat wie das bare Geld, auf das sie
geht. Indem das Obergericht die Anwendung des Art. 144 auf Forderungen,
die durch strafbare Handlungen erlangt wurden, mit der "wirtschaftlichen
Betrachtungsweise" rechtfertigt, wendet es die Bestimmung entsprechend an
auf einen Tatbestand, den sie nach Wortlaut und Sinn nicht erfasst. Art. 1
StGB verbietet das. Ob Hehlerei, wie das Obergericht annimmt, auch an
Geldstücken möglich ist, die durch Vermischung in das Eigentum eines
anderen übergegangen oder durch Wechseln an die Stelle auf strafbare Weise
erlangter Geldstücke getreten sind, ist unerheblich. Selbst wenn die Frage,
die entgegen WAIBLINGER, ZStrR 61 265, in BGE 69 IV 71 nicht entschieden
worden ist, zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass auch ein
Kontoguthaben, das an Stelle strafbarerweise erlangten Geldes tritt,
Gegenstand der Hehlerei sein könne. Die Analogie müsste daran scheitern,
dass ein Kontoguthaben eine Forderung, also ein nach dem Wortlaut und Sinn
des Art. 144 zur Hehlerei nicht geeigneter Vermögenswert ist, wogegen
ein Geldstück, sei es selbst oder seien nur die zu seiner Einwechselung
aufgewendeten Stücke durch strafbare Handlung erlangt worden, seiner
Beschaffenheit nach taugliches Objekt ist.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer hat dadurch, dass er Auszahlung des
gutgeschriebenen Betrages verlangte, auch nicht im Sinne des Art. 144
versucht, die Forderung zu erwerben, sich schenken zu lassen, zu Pfand
zu nehmen, zu verheimlichen oder absetzen zu helfen. Er hatte sie
ohne sein Zutun durch das betrügerische Vorgehen Walters erlangt und
versuchte lediglich, sie für sich nutzbringend zu verwenden. Das war
insbesondere auch kein Versuch des Verheimlichens der Forderung, wie das
Obergericht ihn bejaht. Dass der Beschwerdeführer dem Bankbeamten Widmer
falsche Angaben über die Zweckbestimmung des verlangten Geldes machte,
um damit eine rechtmässige Herkunft des Guthabens vorzuspiegeln, ändert
nichts. Damit verbarg er nur den Entstehungsgrund der Forderung, nicht
diese selbst, berief er sich doch dem Bankbeamten gegenüber gerade auf
sie. Die Auffassung des Obergerichts, er habe durch die falschen Angaben
die Forderung für Nachforschungen unerreichbar zu machen versucht, taugt
also nicht; die falschen Angaben dienten lediglich dazu, die Auszahlung
zu erwirken und den Beschwerdeführer sowie Walter bis zur Flucht ins
Ausland vor Strafverfolgung zu schützen. Ebensowenig versuchte der
Beschwerdeführer, die Forderung absetzen zu helfen, d.h. sie auf einen
anderen zu übertragen (abzutreten). Abgesetzt oder absetzen geholfen
hätte er das Geld, nach dem er trachtete; aber dieses war nicht Gegenstand
der Hehlerei.

Erwägung 3

    3.- Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das Obergericht
hat den Beschwerdeführer von der Anklage der Hehlerei freizusprechen. Der
Anhebung eines neuen Strafverfahrens wegen Betrugsversuches steht damit
bundesrechtlich nichts im Wege. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann der
Beschwerdeführer sich allenfalls strafbar gemacht haben, und zwar, weil
er durch arglistige Verschweigung des von Walter begangenen Betruges, ja
sogar durch arglistig falsche Angaben über die beabsichtigte Verwendung
des Geldes, eine Auszahlung zu erwirken versuchte, die ihm die Bank mit
Recht verweigerte.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II.
Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 1955
aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.