Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 IV 145



81 IV 145

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Mai 1955 i.S. Berger
gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 9, 24 Abs. 2 StGB. Falsches Zeugnis (Art. 307 StGB) ist auch
dann Verbrechen, wenn es von einem Jugendlichen abgelegt wird.

Sachverhalt

    Berger vollzog im September 1953 mit der am 15. März 1938 geborenen
M. S. den Beischlaf, und im Oktober 1953 wiederholte er die Tat. Im
Strafverfahren wegen Unzucht mit einem Kinde gab er seine Verbrechen
vor dem Untersuchungsrichter zu, und M. S. sagte in der Untersuchung
ihrerseits als Zeuge wahrheitsgemäss aus. In der Folge ersuchte Berger sie
erfolglos, alles abzuleugnen. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte
ihn daher am 30. November 1954 ausser wegen Unzucht mit einem Kinde
auch wegen Versuchs der Anstiftung zu falscher Zeugenaussage. Berger
führte Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung von der
Anschuldigung des Versuchs der Anstiftung zu falschem Zeugnis. Sie wurde
abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe gegenüber M. S. keinen
strafbaren Versuch der Anstiftung zu falschem Zeugnis begangen, weil das
Mädchen, wenn es als Zeuge falsch ausgesagt hätte, nicht zu Zuchthaus,
sondern lediglich zu einer Massnahme gemäss Art. 89 ff. StGB hätte
verurteilt werden können, also nicht ein Verbrechen im Sinne des Art. 9
StGB verübt hätte.

    Er verkennt, dass die Würdigung einer Tat als Verbrechen oder Vergehen
nicht von der Strafe abhängt, die gegen den konkreten Täter ausgesprochen
wird oder werden kann, sondern von der Strafe, die auf Handlungen dieser
Art ohne Rücksicht auf besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften
und Umstände, die die Strafbarkeit des konkreten Täters mindern, erhöhen
oder ausschliessen, angedroht ist (vgl. Art. 9 StGB; BGE 72 IV 51,
74 IV 16). Einzig von der für Erwachsene angedrohten Strafe hängt die
Würdigung der Tat als Verbrechen oder Vergehen insbesondere auch dann ab,
wenn sie von einem Jugendlichen begangen wird. Würde auf die gegenüber
Jugendlichen anwendbaren Massnahmen abgestellt, so wären die Handlungen
dieser Personen weder Verbrechen noch Vergehen, könnten also z.B. auch
Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 StGB nicht angewendet werden. Wer einen
Jugendlichen anstiftet oder ihm Hülfe leistet, wäre also straflos. Das
kann das Gesetz nicht wollen. Dass die von Jugendlichen begangenen
Handlungen Verbrechen oder Vergehen sein können, obschon der Täter nicht
zu Zuchthaus bezw. Gefängnis verurteilt werden kann, ergibt sich auch aus
Art. 95 Abs. 1 StGB, der die beiden Begriffe verwendet, ferner daraus,
dass Art. 9 in einem Titel steht, der überwiegend (Ausnahmen siehe BGE
76 IV 274) Bestimmungen enthält, die für Handlungen von Jugendlichen so
gut gelten wie für solche von Erwachsenen.

    Wären demnach falsche Aussagen des Mädchens Verbrechen gewesen,
so fällt der Versuch des Beschwerdeführers, es zu solchen zu bestimmen,
unter Art. 24 Abs. 2 StGB.