Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 79



81 II 79

12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. März 1955
i.S. Stransky gegen Zivnostenska Banka. Regeste

    Art. 43 OG.

    Staatsvertragliche Abreden über die Aufhebung der Klagbarkeit und
Vollstreckbarkeit von gewissen Forderungen sind nicht zivilrechtlicher,
sondern öffentlichrechtlicher Natur. Daher ist bezüglich ihrer Anwendung
das Rechtsmittel der Berufung nicht gegeben.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Prozess dreht sich um die Frage, ob das seit dem 1. Januar
1950 in Kraft befindliche Abkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Tschechoslowakischen Republik betreffend die
Entschädigung der schweizerischen Interessen in der Tschechoslowakei
vom 22. Dezember 1949 (AS 1950 I 21) auf die Ansprüche des Beklagten
Stransky anwendbar sei. Das Obergericht bejahte das. Es fand, inbezug
auf die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen, dass einerseits der
Beklagte zur massgeblichen Zeit die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit
noch besessen habe, anderseits seine Forderung aus Guthaben herrühre,
die laut Art. 5 Ziff. 2 lit. a blockiert seien, und sprach auf Grund
der Art. 6 und 2 Abs. 3 die Aberkennung der in Betreibung gesetzten
Zahlungsbegehren aus. Der genannte Art. 2 Abs. 3 sieht vor, dass "nach dem
Tage des Inkrafttretens des vorliegenden Abkommens die schweizerischen
natürlichen oder juristischen Personen und Handelsgesellschaften sowie
die natürlichen und juristischen Personen und Institutionen, die zu jenem
Zeitpunkt die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit oder ihren Sitz
in der Tschechoslowakei hatten, ihre Ansprüche und Interessen gleichen
Rechtscharakters wie die in Artikel 1 erwähnten (in der Schweiz) in keiner
Weise mehr geltend machen" können. Dasselbe gilt nach Art. 6 für die
in Art. 5 aufgezählten Forderungen und Guthaben. Diese Ordnung leuchtet
ein, soweit es um Interessen und Ansprüche schweizerischer Gläubiger
geht, welche mit der von der tschechoslowakischen Regierung nach Art. 7
zu bezahlenden Globalentschädigung von 43 Millionen Schweizerfranken
abgefunden und im Rahmen des von der schweizerischen Regierung nach
Art. 8 und 9 aufzustellenden Verteilungsplanes beachtet werden. Weniger
verständlich ist die Ausdehnung der umschriebenen Regelung auf die in
den schweizerischen Verteilungsplan nicht einbezogenen Ansprüche und
Interessen tschechslowakischer Staatsangehöriger, zumal dazu in der
bundesrätlichen Botschaft jede Erläuterung fehlt und entsprechende
Abreden in früheren Abkommen nicht getroffen wurden (vgl. Abkommen
mit Yugoslawien vom 27. September 1948 AS 1948 S. 1007 und Botschaft
BBl. 1948 III S. 658, 667 f.; Abkommen mit Polen vom 25. Juni 1949 AS
1949 I S. 817 und Botschaft BBl. 1949 II S. 617, 621 f.). Indessen
kann sich der Berufungsrichter in Zivilsachen auf eine nähere Prüfung
des Inhaltes und der Tragweite von Art. 2 Abs. 3 des Abkommens mit der
Tschechoslowakei nicht einlassen. Die Bestimmung verfügt eine Beschränkung
oder Verweigerung der Vollstreckbarkeit von gewissen Forderungen. Dessen
sind sich die Parteien bewusst. So ist in der Berufungsantwort
die Rede vom "Geltendmachungsverbot" für Abkommensansprüche oder
von "dem Verfolgungsverbot unterliegenden Ansprüchen", und einer
ähnlichen Ausdrucksweise bediente sich nach den Angaben im kantonalen
Revisionsurteil zur Darlegung ihrer Auffassung auch die Klägerin. Derartige
Klauseln in Staatsverträgen sind aber nicht zivilrechtlicher, sondern
öffentlichrechtlicher Natur, genau wie zwischenstaatliche Abmachungen über
Urteilsvollstreckung, Zwangsvollstreckung, Arrestlegung und dergleichen.
Wegen ihrer Verletzung kann daher nur staatsrechtliche Beschwerde geführt
und nicht zivilrechtliche Berufung erhoben werden.

    Hiegegen lässt sich nicht etwa einwenden, auch das Zivilrecht
schreibe mitunter die Unklagbarkeit von Ansprüchen (z.B. aus Spiel und
Wette, nach Verjährung) oder den Ausschluss bzw. die Beschränkung der
Betreibungsmöglichkeit (z.B. unter Ehegatten) vor. Dabei handelt es sich um
Ausnahmen von der allgemeinen Regel der Klagbarkeit aus Gründen, welche im
Wesen der Forderung - Verwerflichkeit, Schutzunwürdigkeit usw. - liegen,
sich also aus materiellen zivilrechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Ganz
anders bringt das Abkommen mit der Tschechoslowakei die nachträgliche
Aufhebung der Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit von an sich klagbar und
vollstreckbar gewesenen Forderungen. Erst im Wege der Vereinbarung unter
den beteiligten Staaten wurde festgelegt, dass für die Verfolgung jener
Forderungen die schweizerischen Gerichte, Vollstreckungsbehörden und
die von diesen betreuten Rechtsbehelfe nicht länger zur Verfügung stehen
sollen; dies aus Überlegungen und Rücksichten, die weder im Zivilrecht
wurzeln noch einen inneren Zusammenhang mit den ausgeschiedenen Ansprüchen
selber haben. Solche Anordnungen fallen in den Bereich des öffentlichen
Rechtes. Überhaupt haben Abkommen wie das jenige mit der Tschechoslowakei,
nach Sinn und Zweck wie in Hinsicht auf die eingesetzten Mittel, gesamthaft
öffentlichrechtlichen Charakter. Dementsprechend werden sie mit dem
Hinweis auf staatliche Notwendigkeiten und Interessen gerechtfertigt
(vgl. Botschaft zum Abkommen mit Yugoslawien BBl. 1948 III S. 668/9).