Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 467



81 II 467

72. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1955 i. S. Zürcher
gegen Epelbaum. Regeste

    Unlauterer Wettbewerb.

    Verwechselbarkeit von Geschäftsbezeichnungen (Ciné-Studio und
ITA-Studio für Kinos), UWG Art. 1 Abs. 2 lit. d.

    Studio ist keine gemeinfreie Sachbezeichnung (Erw. 1).

    Verwechslungsgefahr (Erw. 2, 3).

    Verstoss gegen Treu und Glauben setzt nicht Verschulden voraus
(Erw. 4).

    Urteilspublikation, Voraussetzungen (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Der Kläger Epelbaum ist Eigentümer eines in Luzern an der
Stadthofstrasse gelegenen Kinotheaters. Bis 1947 führte er es unter der
Bezeichnung "Studio Blau-Weiss"; seither benennt er es "Ciné-Studio".

    Dem Beklagten gehört das Haus Zürichstrasse 1 in Luzern. In diesem
befindet sich ebenfalls ein Kino. Es trug bis 1954 den Namen "Palace". Dann
wurde es renoviert, und seit dem 15. Januar 1955 lässt es der Beklagte
durch seinen Sohn unter der Bezeichnung "ITA-Studio" betreiben. Den
Namensbestandteil "ITA" wählte er, weil in der Liegenschaft seit vielen
Jahren die Büros des Immobilien- Treuhandinstituts "ITA" untergebracht
sind.

    B.- Mit Klage vom 11. Februar 1955 stellte Epelbaum beim Obergericht
des Kantons Luzern das Begehren, es sei dem Beklagten die Verwendung
der Geschäftsbezeichnung "Studio-ITA" oder "ITA-Studio" zu verbieten,
und es sei das Urteil auf Kosten des Beklagten in vier Luzerner Zeitungen
je einmal 1/4-seitig zu publizieren.

    Das Obergericht hiess die Klage am 5. Mai 1955 gut; es erlaubte aber
lediglich eine 1/8 -seitige Publikation des Dispositives.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte, es sei die
Klage abzuweisen. Eventuell sei die Urteilspublikation nicht zu erlauben.

    Der Kläger ersucht um Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wenn das Wort Studio - wie der Beklagte darlegt - ein Ausdruck
für bestimmte Kleinkinos mit besondern künstlerischen Qualitäten
wäre, dürfte es an sich als Sachbezeichnung ohne Rücksicht auf die
Gefahr von Verwechslungen verwendet werden (BGE 80 II 173). Ob
der Ausdruck als Beschaffenheitsangabe zu gelten habe, bestimmt
sich aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht nach rein
lokalen Gesichtspunkten. Entscheidend ist, ob das Wort Studio nach dem
Sprachgebrauch, speziell dem deutschschweizerischen, für die beteiligten
Kreise den behaupteten besondern Sinn hat (BGE 80 II 176 Erw. 3).

    Die vom Beklagten zitierten Lexika definieren den Begriff Studio
nicht einheitlich. Bald umschreiben sie ihn als Atelier von Künstlern und
Handwerkern, bald als Atelier für die Herstellung von Filmen, dann als
Arbeitsstätte und schliesslich als Wohnraum, der gleichzeitig als Salon,
Ess- und Schlafzimmer dient. In Zürich finden sich neben Kino-Studios
auch solche für Handdrucke, Kunstgewerbe, Beleuchtung, für Eheberatung,
Kräuterkosmetik, Schreibarbeiten, Haarpflege, Tanzunterricht usw.

    Der Ausdruck Studio wird im deutschschweizerischen Sprachgebrauch
planlos und widerspruchsvoll für alle möglichen Unternehmungen
verwendet. Seitdem das Wort infolge der allgemeinen Verbreitung von
Radio und Fernsehen ("Studio-Zürich" usw.) allgemein bekannt geworden
ist, wurde es häufig in Geschäftsbezeichnungen aufgenommen, um diesen
einen interessanten Anstrich zu verleihen. Dennoch haben weder die
Geschäftsinhaber noch das Publikum eine klare Vorstellung davon,
was dieses Fremdwort zu bedeuten hat. Vor allem trifft nicht zu,
dass sich ein Studio-Betrieb von andern, ähnlichen Unternehmungen
durch eine gewisse räumliche Beschränktheit und durch vorwiegend
künstlerisches Schaffen unterscheidet: Es kann keine Rede davon sein,
dass sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Coiffeur-Salon oder
das Kräuterkosmetikhaus mit dem Beiwort Studio von den übrigen Firmen
des Berufszweiges unterscheidet. Es ist bei der schillernden Bedeutung
des Ausdrucks Studio auch nicht zu erwarten, dass er sich in absehbarer
Zeit zu einer festen Sachbezeichnung entwickeln wird.

    Auch ausserhalb des allgemeinen Sprachgebrauchs hat sich ein
besonderer Begriff des Studio-Kinos nicht herausgebildet. Es fehlt an
einer präzisen Definition des sog. Studiofilmes. Die vom Beklagten aus
dem Filmlexikon von Reinert übernommene Beschreibung der Studiofilme als
Streifen, "deren künstlerische Höhe oder geistige Exclusivität nach der
Auswertung in ,intellektuelleren' Kleinkinos, sog. Studios, ruft", ist zu
verschwommen um bestimmte Lichtspieltheater zu charakterisieren. Selbst die
reichhaltige Kino-Literatur vermittelt keine befriedigende Kennzeichnung
des Studio-Kinos. Die vom Beklagten zitierten französischen Lexika Danzet
und Larousse bezeichnen übrigens als Studio Ateliers für Filmaufnahmen,
nicht dagegen Räume für Filmvorführungen.

    Selbst im engern Bereich des Filmgewerbes hat sich die Bezeichnung
Studio also keineswegs zu einem Begriff einer bestimmten Art Kinos
entwickelt. Der Beklagte kann deshalb das Wort Studio nicht als gemeinfreie
und unentbehrliche Sachbezeichnung für sein Theater beanspruchen.

Erwägung 2

    2.- Nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz besteht zwischen
den beiden Geschäftsbezeichnungen "Ciné-Studio" und "ITA-Studio"
unzweifelhaft Verwechslungsgefahr. Wie die Vorinstanz weiter für
das Bundesgericht verbindlich feststellt, sind denn auch tatsächlich
Verwechslungen vorgekommen. Der Einwand des Beklagten, die Ursache
dieser Verwechslungen liege in der Unaufmerksamkeit der Publikums,
kann nicht gehört werden. An die Aufmerksamkeit dürfen dort, wo als
beteiligte Verkehrskreise die breite Masse in Betracht fällt, keine hohen
Anforderungen gestellt werden.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz hat nicht ausdrücklich begründet, weshalb nicht
nur mit der Wortstellung "ITA-Studio", sondern auch durch "Studio-ITA"
der Tatbestand des unlautern Wettbewerbs gegeben sei. Die Begründung
dieser an sich richtigen Einstellung liegt in folgendem.

    Die Verwechslungsgefahr ist nicht geringer, wenn "ITA" hinter statt vor
das Wort Studio gesetzt wird. "ITA" ist ein nichtssagendes, beziehungsloses
Wortgebilde ohne Anlehnung an eine in der Schweiz gebräuchliche Sprache. Es
tritt daher gegenüber dem vor allem durch Radio und Fernsehen geläufig
gewordenen Ausdruck Studio zurück. Beide Kombinationen unterscheiden sich
ungefähr gleich schlecht von der Bezeichnung "Ciné-Studio".

    Ausserdem verwendet der Beklagte für seine Inserate und Billete ein
Cliché, in welchem Studio und ITA in der Weise kombiniert sind, dass die
Buchstaben ITA durch das Wort Studio zu einem beträchtlichen Teil überdeckt
werden und schwer lesbar sind, zum mindesten das Wort Studio in den
Vordergrund gerückt wird. Würde dem Beklagten die Wortbildung "Studio-ITA"
erlaubt, so könnte er dieses Cliché verwenden, obschon augenscheinlich
eine Verwechslungsgefahr mit dem Kino des Klägers geschaffen würde.

Erwägung 4

    4.- Der Beklagte glaubt, es könne nicht von unlauterem Wettbewerb
gesprochen werden, wenn die Verwechslungsgefahr nicht gewollt oder der
Ausbeutungswille des Schädigers nicht nachgewiesen seien. Diese Auffassung
ist irrig. Für den Tatbestand des unlautern Wettbewerbs bedarf es weder
des bösen Glaubens noch eines Verschuldens auf seiten des belangten
Wettbewerbers (BGE 72 II 398 /9). Die Einsicht des Handelnden in das
Unrecht seines Tuns ist nicht Voraussetzung des gesetzlichen Schutzes
gegen unlauteren Wettbewerb (Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. April
1952 i.S. Sais gegen Migros). Der Tatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. d
UWG ist gegeben, wenn eine Handlung, durch welche jemand Verwechslungen
mit dem Geschäftsbetrieb eines andern verursacht hat, die durch Treu und
Glauben dem wirtschaftlichen Wettbewerb gezogenen Schranken überschreitet.

    Die Vorinstanz spricht sich nicht darüber aus, ob ein Verstoss
gegen Treu und Glauben vorliege. Die Frage ist vom Bundesgericht nach
der allgemeinen Lebenserfahrung zu entscheiden, ohne dass die Sache an
den kantonalen Richter zurückgewiesen werden müsste.

    Die beiden Geschäftsbezeichnungen sind, wie oben dargelegt wurde,
miteinander verwechselbar und infolgedessen geeignet, zu Täuschungen des
Publikums Anlass zu geben. Der Gebrauch einer täuschenden Bezeichnung
verstösst aber objektiv gegen die Grundsätze von Treu und Glauben.

    Übrigens behauptet der Beklagte zu Unrecht, subjektiv gutgläubig
gewesen zu sein. Eine Notwendigkeit, sein Kino "ITA-Studio" oder
"Studio-ITA" zu nennen, bestand für den Beklagten nicht. Wenn er
diese Bezeichnung wählte, obgleich sie der Benennung des nahegelegenen
Konkurrenzunternehmens sehr nahe kommt, und obschon sich die Mehrheit
der Luzerner Kinobesucher durch das Wort Studio auf das Unternehmen des
Klägers hingewiesen fühlt (Urteil des Obergerichts S. 10), so drängt
sich der Schluss auf, es sei dem Beklagten von Anfang an darum gegangen,
Gedankenverbindungen mit dem "Ciné-Studio" auszulösen. Auf alle Fälle aber
hat der Beklagte die Gebote eines redlichen wirtschaftlichen Wettbewerbs
bewusst verletzt, seitdem er trotz Kenntnis zahlreicher Verwechslungen
an seiner Geschäftsbezeichnung festhielt und jede Änderung ablehnte.

    Der Beklagte hat deshalb gegen die Grundsätze von Treu und Glauben
verstossen. Damit soll nicht gesagt sein, dass dem Kläger der Gebrauch des
Wortes Studio allein zustehe. Der Beklagte darf jedoch diesen Ausdruck
nicht missbräuchlich zum Schaden eines Konkurrenten verwenden. Es wäre
übrigens leicht gewesen, dem Bestreben, künstlerisch und kulturell
wertvolle Filme aufzuführen, mit einer andern, sich von der des Klägers
unmissverständlich abhebenden Bezeichnung Ausdruck zu verleihen.

Erwägung 5

    5.- Die Vorinstanz hat dem Klagebegehren auf Publikation des Urteils
zu Recht entsprochen. Die Urteilspublikation ist anzuordnen, wenn ein
Bedürfnis dafür existiert, dass die durch die unlautere Wettbewerbshandlung
geschaffene Störung der Konkurrenzverhältnisse behoben und nachteiligen
Auswirkungen auf die Stellung des Betroffenen im wirtschaftlichen
Wettbewerb vorgebeugt wird (BGE 81 II 72 /3, 79 II 329). Nachdem der
Beklagte während rund 10 Monaten der unstatthaften Geschäftsbezeichnung
eine weitgehende Publizität verliehen und in den beteiligten Kreisen
beträchtliche Unsicherheit hervorgerufen hat, ist dieses Bedürfnis gegeben.

    Unerheblich ist, ob der Beklagte die unerlaubte Wettbewerbshandlung
schuldhaft oder gutgläubig begangen habe (BGE 81 II 72).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 5. Mai 1955 bestätigt.