Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 439



81 II 439

68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1955 i.S. Feld mühle
A.-G. gegen Pfister. Regeste

    1.  Übermässige Einwirkung auf Nachbargrundstücke (Immissionen)
durch Versickernlassen schädlicher Abwässer. Verantwortlichkeit des
Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB im Gegensatze zu den Art. 706 /7 ZGB
(Erw. 1).

    2.  Zur Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der
Überschreitung des Eigentumsrechtes und einem Schaden (Erw. 2).

    3.  Rechtliche Natur des aus Art. 679 ZGB fliessenden Anspruchs auf
Beseitigung der Schädigung und auf Schutz gegen drohenden Schaden. Anspruch
auf Ersatz der Kosten, die dem Nachbar für eigene Schutzvorkehren
entstanden sind. Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus
Art. 679 ZGB. Beginn der subsidiären zehnjährigen Verjährungsfrist
des Art. 60 OR hinsichtlich des Ersatzes von Schäden, die im Gefolge
andauernder Immissionen eintreten (Erw. 3 und 4).

Sachverhalt

    A.- Die Kunstseidefabrik Feldmühle A.-G. in Rorschach leitete ihre
Abwässer in den Jahren 1925 bis 1938 in zwei offene Klärbecken im östlichen
Teil des Fabrik Areals. Die Schlammrückstände wurden in regelmässigen
Zeitabständen abgeführt. Da aber der Boden der Klärbecken nicht abgedichtet
war, konnten im Laufe der Jahre grosse Mengen von Abwasser in den Erdboden
einsickern, der aus lehmhaltigen, aber durchlässigen Sandschichten
besteht. Infolge teilweiser Verdunstung des Abwassers reicherte sich der
Untergrund mit Sulfatsalzen an. Diese gelangten und gelangen heute noch
langsam in das dort etwa 5 bis 8 Meter unter der Erde durchfliessende
Grundwasser. Sie geben ihm einen abnormal hohen Sulfatgehalt und machen es
damit betongefährlich. Diese Verunreinigung des Grundwassers erstreckt sich
auf einen Geländestreifen von etwa 600 m Länge und 200 bis 300 m Breite.

    Er beginnt im östlichen Teil des Feldmühle-Areals, wo sich noch
die stärksten Sulfatkonzentrationen vorfinden, und verläuft talwärts in
nördlicher Richtung bis an den Bodensee.

    B.- Die beiden Klärbecken wurden Ende 1938 abge brochen.  Seither
leitet die Feldmühle A.-G. die Abwässer durch eine eigens dazu erstellte
Leitung in den See. Bei dem festgestellten guten Zustand des Abwassernetzes
können heute die Abwässer den Baugrund in der nähern und weitern Umgebung
der Feldmühle nicht mehr beeinflussen. Dagegen dauern die erwähnten
Nachwirkungen der frühern Einsickerungen an.

    C.- Am Hafenplatz, im nördlichsten Teil der von sulfathaltigem
Grundwasser durchflossenen Zone, erstellte Max Pfister als Bauherr
und zugleich Unternehmer im Jahre 1948 einen grossangelegten Neubau
("Spirigbau" genannt) mit Wohnungen und Geschäftsräumen. Nach Aushebung
der Baugrube im Februar 1948 zeigte es sich, dass ständig Bergdruckwasser
eindrang. Untersuchungen ergaben, dass dieses Wasser wegen erhöhter
Karbonathärte und hohen Gehaltes an Sulfaten den Beton gefährdete. Pfister
musste daher bauliche Vorkehren treffen, um den Neubau gegen die
Einwirkungen dieses Grundwassers zu schützen. Vor allem erstellte er eine
sogenannte Asphaltwanne. Aus diesen Massnahmen entstanden ihm Mehrkosten
von Fr. 18'457.55. Da schon nach dem ersten Untersuchungsbericht vom
8. März 1948 als Ursache der Grundwasserverunreinigung mit Sulfaten das
Abwasser der Feldmühle A.-G. vermutet wurde, machte Pfister sie sogleich
für den ihm daraus entstandenen Schaden verantwortlich.

    D.- Am 21. Februar 1949 erhob Pfister gegen die Feldmühle A.-G. Klage
auf Schadenersatz, anfänglich im Betrage von Fr. 23'000.--. Er erhielt
in beiden kantonalen Instanzen den Betrag des festgestellten Schadens
von Fr. 18'457.55 nebst Zins zugesprochen.

    E.- Mit vorliegender Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichtes
St. Gallen vom 1. März 1955 trägt die Beklagte auf gänzliche Abweisung
der Klage an. Sie macht geltend, jedenfalls seit dem Abbruch der
alten Klärbecken, Ende 1938, könne ihr keine Überschreitung ihres
Eigentumsrechtes mehr vorgeworfen werden. Der durch Gutachten festgestellte
tatsächliche Kausalzusammenhang zwischen der frühern Abwasserversickerung
und dem im Jahre 1948 entstandenen Schaden dürfe nicht als adäquat, somit
nicht als rechtserheblich gelten. Denn auch die Konzessionsbehörde, auf
deren Anordnung die Klärbecken angelegt und benutzt worden seien, habe
nicht mit derartigen Einwirkungen auf Nachbargrundstücke gerechnet. Es
handle sich um nicht voraussehbar gewesene Nachwirkungen, für welche kein
Anspruch aus Art. 679 ZGB bestehe. Übrigens fliesse das Abwasser nicht
unverändert den tiefer gelegenen Grundstücken zu, sondern habe sich durch
Reaktion mit Bodenbestandteilen in die Sulfate umgesetzt, die dann erst
nach und nach vom Grundwasser aufgenommen und abgeschwemmt worden seien
und noch würden. - Auf alle Fälle sei die vom Kläger erhobene Forderung
nach Art. 60 OR verjährt. Wenn er auch binnen Jahresfrist seit Entdeckung
des Zuflusses sulfathaltigen Grundwassers geklagt habe, so doch erst nach
Ablauf von zehn Jahren seit der schädigenden Handlung, als was nur die
im Jahre 1938 aufgegebene Art der Eigentumsausübung geltend könne. Dem
in Art. 60 OR ausgesprochenen Willen des Gesetzgebers widerspreche es,
den Beginn dieser Verjährung mit Rücksicht auf die Nachwirkungen der
schädigenden Handlung hinauszuschieben. Es sei denn auch anerkannt, dass
ein Schadenersatzanspruch schon verjähren könne, bevor er entstanden sei
(VON TUHR OR § 48 N. 36).

    F.- Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Kein Zweifel ist, dass die Zuleitung schädlicher Stoffe
durch den Grundwasserstrom nach dem Baugrund des Klägers als
eine nach dem Nachbarrecht (Art. 684 ZGB) unzulässige, übermässige
Einwirkung zu gelten hat. Man hat es nicht bloss mit einer Quellen- oder
Grundwasserverunreinigung im Sinne der Art. 706 /7 ZGB zu tun, wobei dem
Betroffenen nur ein bedingter Anspruch auf Wiederherstellung und Anspruch
auf vollen Schadenersatz nur bei Verschulden des Schädigers erwüchse.
Vielmehr bedeutet das Zuleiten solch schädlicher, Bauwerke angreifender
Stoffe eine eigentliche Immission, wofür die Verantwortlichkeit des
Eigentümers des Grundstückes, von dem sie ausgeht, nach Art. 679 ZGB
Platz greift (vgl. HAAB, N. 3 zu Art. 689 ZGB; BGE 61 II 329, 68 II 375,
75 II 118, 76 II 131). Der nachbarrechtliche Schutz kommt auch den in
weiterem Umkreis gelegenen Grundstücken zu (BGE 55 II 246). Es war schon
zur Zeit, als die Klärbecken im Gebrauche standen (1925-1938), unzulässig,
betongefährdende Stoffe mit dem Grundwasser abfliessen zu lassen. Denn
schon damals waren die in der gefährdeten Zone befindlichen Grundstücke
überbaut oder mindestens baureif, mochte auch vorerst keine Betonmauer
in Grundwassertiefe hinabreichen. Für die Folgen dieser Überschreitung
ihres Eigentums haftet die Beklagte gemäss Art. 679 kausal, also auch
ohne Verschulden. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob es ihr
zum Verschulden gereiche, dass sie die Weisung der Behörde, die Abwässer
in den Klärbecken zu neutralisieren und dann in den See abzuleiten,
nicht befolgte.

Erwägung 2

    2.- Es ist festgestellt, dass der Sulfatgehalt des Grundwassers,
gegen den der Kläger seinen Neubau schützen musste, aus dem Untergrund des
Feldmühle-Areals stammt und auf die Abwässer aus den Klärbecken zurückgeht.
Die Beklagte will aber diesen tatsächlichen Zusammenhang nicht als
adäquaten, rechtserheblichen anerkennen. Sie macht geltend, eine solche
Einwirkung auf Nachbargrundstücke, zumal eine so anhaltende, habe sich
nicht voraussehen lassen; ferner seien die Abwässer nicht unverändert
in das Grundwasser gelangt, sondern hätten im Untergrund chemische
Veränderungen erfahren. Diese Einwendung hält jedoch nicht stich, denn es
handelt sich um Vorgänge, die sich in naturnotwendiger Weise abspielten,
ohne Eingreifen ausserordentlicher Naturereignisse (höherer Gewalt) oder
des Verhaltens Dritter. Dass die Abwässer des Fabrikbetriebes der Beklagten
schädliche Stoffe enthielten, war von Anfang an bekannt, weshalb sie eben
nach behördlicher Weisung hätten neutralisiert und in den See abgeleitet
werden sollen. Die Schädlichkeit des Abwassers wurde auch durch eine
Expertise über die Vergiftungsfälle hervorgehoben, die sich im Jahre 1942
beim Bahnübergang vor der Fabrik der Beklagten ereigneten. Dem damaligen
Bericht (S. 9 Mitte) ist zu entnehmen, es sei freier Schwefelwasserstoff
und freie Kohlensäure in einer Menge festgestellt worden, "welche als
ausgesprochen schädlich für das normale Leben in einem Vorfluter und
sogar stark aggressiv in Bezug auf Bauwerke (Zement und Eisenteile)"
zu gelten habe. Diese letzte Eigenschaft haben auch die im Untergrunde
durch chemische Umsetzungen entstandenen neuen Sulfate. Die Vorgänge im
Untergrunde bilden nur ein Glied in der Ursachenkette; sie unterbrechen
keineswegs den ursächlichen Zusammenhang. Auf sie mag es zurückzuführen
sein, dass sich der Boden auf so lange hinaus mit Sulfaten angereichert
hat, die nun immer noch vom Grundwasser abgeschwemmt werden und nach
den Nachbargrundstücken abfliessen. Allein auch dies ist eben ein
natürliches, durch die Bodenbeschaffenheit mitbedingtes Geschehen. Auch
wenn eine so langdauernde Auswirkung der Abwasserversickerung nicht ohne
Untersuchung der geologischen und hydrologischen Verhältnisse vorausgesehen
wurde, bleibt der Kausalzusammenhang ein rechtserheblicher. Ob und
inwiefern Voraussehbarkeit des Erfolges zur Annahme eines adäquaten
Kausalzusammenhanges gehöre, ist umstritten. Nach der einen Ansicht (STARK,
Das Wesen der Haftpflicht des Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB, S. 201
/2) kommt es auf Voraussehbarkeit überhaupt nicht an. Andere (so BECKER,
N. 31 zu Art. 41 OR, mit Hinweisen) stellen auf den objektiven Zusammenhang
ab, wie er sich bei Kenntnis aller durch den Tatsachenverlauf aufgedeckten
Bedingungen des Erfolges hinterher darbietet (sog. objektive nachträgliche
Prognose). In ähnlichem Sinne sprechen von Voraussehbarkeit in objektivem
Sinne A. VON TUHR (OR, § 13 I 8 mit Note 51) und OSER-SCHÖNENBERGER (N. 82
und 83 zu Art. 41 OR). Dies ist auch der Standpunkt der Rechtsprechung,
wonach ein Ereignis dann als rechtserhebliche Ursache eines Erfolges zu
gelten hat, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung
des Lebens an sich geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen
herbeizuführen und daher der Eintritt dieses Erfolges durch jenes Ereignis
allgemein als begünstigt erscheint (BGE 64 II 204 mit Hinweisen). Hier
nun traf ein, was bei den bestehenden Verhältnissen mit dem einsickernden
Abwasser geschehen musste. Durch dieses Einsickern und die darauffolgenden
Umsetzungen ist für den Baugrund der Nachbargrundstücke ein Gefahrenherd
entstanden, von dem aus fortwährend unzulässige Immissionen ausgehen. Alle
diese in den örtlichen Gegebenheiten begründeten Vorgänge sind adäquate
Ursachen des dem Kläger entstandenen Schadens, und da sie wesentlich
durch die Art, wie die Beklagte ihr Grundstück benützt hat, bedingt sind,
kann sich die Beklagte ihrer Verantwortlichkeit nach Art. 679 ZGB nicht
deshalb entschlagen, weil sie mit so weitreichenden Auswirkungen der
Abwasserversickerung nicht gerechnet habe. Sie versucht sich damit auf
Schuldlosigkeit zu berufen, was aber für die Anwendung von Art. 679 ZGB
ohne Belang ist. Den Grund zur Klage bildet übrigens nicht allein die
Tatsache, dass die Beklagte es seinerzeit geschehen liess, dass jahrelang
schwefelhaltiges Abwasser einsickerte, sondern auch der Umstand, dass sie
auf diese Weise den erwähnten Immissionsherd entstehen und anwachsen liess,
dessen Auswirkungen den Schaden herbeigeführt haben. Diese fortwährenden
Immissionen sind der Beklagten als andauernde Überschreitung ihres
Eigentums zuzurechnen.

Erwägung 3

    3.- Bei dieser Sachlage ist die von der Beklagten in zweiter Linie
erhobene Verjährungseinrede gleichfalls nicht begründet. Allerdings
unterliegen Schadenersatzforderungen aus Art. 679 ZGB der Verjährung nach
Art. 60 OR (vgl. BGE 68 II 375 Erw. 6). Unbestritten ist indessen, dass
der Kläger die einjährige, von der Kenntnis des Schadens und der Person
des Ersatzpflichtigen an laufende ("relative") Verjährung mit der beim
Vermittleramt erhobenen Klage unterbrochen hat. Die Beklagte beruft sich
nur auf die subsidiäre zehnjährige Frist, die von der schädigenden Handlung
an läuft, gleichgültig, wann der Schaden eintritt und der Geschädigte von
den Anspruchselementen hinreichende Kenntnis erhält, um die Forderung
rechtlich geltend machen zu können. Es ist ihr zuzugeben, dass diese
"absolute" Verjährung an das Ereignis anknüpft, das die Haftung begründet
und dass, auch wenn daraus erst später Schaden entsteht, die Frist dennoch
von jenem früheren Datum an zu berechnen ist (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 14
zu Art. 60 OR). Zu Unrecht will die Beklagte aber die Benützung der
Klärbecken als abgeschlossene Tatsache betrachtet wissen, so dass die
absolute Verjährung Ende 1938 in Gang gekommen und Ende 1948 abgelaufen
wäre. Der Schaden, den der Kläger bei der Errichtung des Spirig-Neubaues
erlitten hat, ist nicht infolge früherer, zehn Jahre zurückliegender,
sondern neuer Immissionen aus dem Grundstück der Beklagten entstanden,
wie sie sich bei Aushebung der Baugrube des Spirigbaues ergaben und nach
dem Expertenbefund weiterhin stattfinden. Deshalb ist der Beklagten,
wie dargetan, eine noch andauernde (wenn auch allenfalls unverschuldete)
Überschreitung ihres Eigentums zur Last zu legen.

    Daraus ist dem Kläger nach Art. 679 ZGB in erster Linie ein Anspruch
auf "Beseitigung der Schädigung" oder auf "Schutz gegen drohenden Schaden"
erwachsen. Diese Ansprüche können nicht verjährt sein, denn sie fliessen
aus dem Eigentum und sind daher gar nicht der Verjährung unterworfen;
sie entstehen immer wieder, wenn in das Eigentum in unrechtmässiger Weise
eingegriffen wird, und bestehen zu Recht, solange diese Störung dauert (BGE
53 II 224; LEEMANN, 2. Aufl., N. 45 zu Art. 641 ZGB; HAAB N. 20 zu Art.
679 ZGB; STAUDINGER, 9. Aufl., II Schuldverhältnisse 3. Teil S. 2003;
Kommentar der Reichsgerichtsräte, 10. Aufl., Berlin 1953, II, N. 4 a zu §
852 BGB S. 881, wo gesagt wird, es gebe keine Rechtfertigung unzulässiger
Einwirkungen, z.B. eines schädigenden Betriebes auf das beeinträchtigte
Grundstück durch "Verschweigen"). Man hat es einfach mit einer speziellen
Ausgestaltung des in Art. 641 Abs. 2 ZGB dem Eigentümer zuerkannten Rechtes
auf Abwehr ungerechtfertigter Einwirkungen zu tun (BGE 73 II 156 Erw. 2).

    Was der Kläger geltend macht, ist nun im wesentlichen nichts anderes
als eine aus jenem unverjährbaren Anspruch abzuleitende Forderung. Er
hätte statt dessen verlangen können, dass die Beklagte selber die
gebotenen Schutzmassnahmen (Asphaltwanne usw.) vornehme, natürlich
auf ihre Kosten. Wenn er, um grössere Nachteile zu vermeiden, selber
ungesäumt das zum Schutze des in Errichtung begriffenen Neubaues Nötige
vorkehrte, um dann die Beklagte auf Ersatz der Aufwendungen zu belangen,
so kann diese Forderung nicht früher, als er die Aufwendungen machte, zu
verjähren begonnen haben, auf keinen Fall aber, bevor der Beseitigungs-
oder Abwehranspruch entstanden war, also bei Aushebung der Baugrube. Somit
wurde die zehnjährige Verjährung ebenso wie die einjährige mit der Klage
vom 21. Februar 1949 unterbrochen.

Erwägung 4

    4.- Zum gleichen Ergebnis gelangt man übrigens auch, wenn
man von einer nicht aus einem Beseitigungsanspruch abzuleitenden,
reinen Schadenersatzforderung ausgeht. Art. 60 OR lässt sich auf
Forderungen aus Art. 679 ZGB nicht wörtlich anwenden. Wenn das Gesetz
die "absolute" Verjährung von der "schädigenden Handlung" an laufen
lässt, hat es eine Haftung für unerlaubte Handlungen, insbesondere
nach Art. 41 OR, im Auge. Der Grundeigentümer ist aber nach Art. 679
ZGB nicht nur für Handlungen, sondern für jede Überschreitung seines
Eigentums verantwortlich, insbesondere für übermässige Einwirkungen auf
Nachbargrundstücke gemäss den Regeln des Nachbarrechts (Art. 684 ZGB). Hier
ist Haftungsgrund' wie bereits ausgeführt, die fortwährende Einwirkung
auf die Nachbargrundstücke infolge der von der Beklagten seinerzeit
durch die Art der Benutzung der Klärbecken verursachten und seither nicht
behobenen Sulfatablagerungen. An diesen Tatbestand hat auch der Beginn
der zehnjährigen Frist des Art. 60 OR anzuknüpfen. Die überwiegende
Lehrmeinung geht denn auch dahin, dass keine Verjährung läuft, "solange
die Schädigung andauert" (so KOLB, Die Haftung des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB, in ZSR 1952 S. 160 a; ähnlich LEEMANN, 2. Aufl., N. 25 zu
Art. 679 ZGB, und FRÖLICHER, Die Abgrenzung der Haftung des Werkeigentümers
nach Art. 58 OR von der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB S. 106). Dem steht allerdings ein Urteil der Genfer Cour de
justice gegenüber, das die zehnjährige Verjährung mit dem "acte initial",
der als erste Ursache erscheinenden Handlung des Eigentümers, beginnen
lässt (Semaine judiciaire 1945 S. 412). Dieser Ansicht, die L'HUILLIER, La
responsabilité du propriétaire foncier selon l'article 679 CCS (in ZSR 1952
S. 6 a mit Note 16) ohne eigene Stellungnahme erwähnt, ist jedenfalls für
die Fälle fortwährender Immissionen nicht beizutreten. Freilich bedarf
die herrschende Lehre, wonach während andauernder Schädigung keine
Verjährung läuft, einer Einschränkung. Nur dann kann die Verjährung
nicht beginnen, wenn und solange kein abgeschlossener Schaden vorliegt
(vgl. BGE 55 II 253 Erw. 2). Einer fortwährenden unrechtmässigen Einwirkung
auf Nachbargrundstücke können aber auch einzelne in sich abgeschlossene
Schadensereignisse entspringen. So bietet sich gerade der Schadensfall des
Klägers dar. Hätte sich, was 1948 geschah, zehn Jahre früher ereignet, der
Kläger aber bis zum Februar 1949 den in sich abgeschlossenen Schaden nicht
rechtlich geltend gemacht, so stünde ihm nun der Ablauf der zehnjährigen
Verjährung entgegen. Da aber die aktuelle Störung seines Grundeigentums
erst 1948, und zwar infolge der erst damals vor sich gehenden Einwirkungen,
eintrat, begann auch die zehnjährige Frist nun erst zu laufen, so dass
sie durch die vorliegende Klage rechtzeitig unterbrochen worden ist.

    Diese Betrachtungsweise findet eine Stütze in der Ordnung der
Werkeigentümerhaftung (Art. 58 und 59 OR). Es ist anerkannt, dass die
Rechte aus Art. 59 OR, entsprechend dem Recht auf "Schutz gegen drohenden
Schaden" nach Art. 679 ZGB, nicht verjähren oder, anders ausgedrückt,
dass sie stets aufs neue entstehen, solange der gefahrdrohende Zustand
dauert (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 9 zu Art. 60 OR). Und eine Forderung auf
Schadenersatz entsteht nach der klaren Vorschrift von Art. 58 OR für
jeden Schaden, der infolge eines Werkmangels eintritt, wie ihn das Gesetz
umschreibt. Gleichgültig ist, ob der schädigende Werkmangel, allenfalls
verborgen, schon jahrzehntelang vor dem Eintritt eines Schadens vorhanden
war. Demgemäss läuft auch für jeden Schadenfall eine gesonderte Verjährung,
Dauerschädigungen vorbehalten, die, solange sie nicht abgeschlossen
sind, gar nicht verjähren. Bei andauernden unzulässigen Immissionen auf
Nachbarsgrundstücke im Sinne von Art. 679 in Verbindung mit Art. 684 ZGB
besteht die gleiche Interessenlage. Deshalb beabsichtigte der Gesetzgeber
denn auch, die beiden Haftungsfälle in einer Bestimmung zu vereinigen
(worüber vgl. STARK, aaO S. 52 und 225). Es ist gerechtfertigt, in gleicher
Weise, wie es bei Schädigungen zufolge von Werkmängeln geschieht, auch bei
jedem im Gefolge von unzulässigen Immissionen, gleichgültig wie lange diese
schon stattfinden, eintretenden Schaden eine Ersatzforderung zu gewähren,
die frühestens im Zeitpunkt derjenigen Immission, durch die der Schaden
unmittelbar verursacht ist, zu verjähren beginnt.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes des
Kantons St. Gallen vom 1. März 1955 bestätigt.