Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 401



81 II 401

62. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. November 1955 i.S. Domenig
gegen Domenig. Regeste

    Namensänderung, Art. 30 ZGB.

    Die geschiedene Frau lässt sich gemäss Abs. 1 die Wiederannahme des
ehelichen Namens bewilligen; Anfechtung seitens des früheren Ehemannes
nach Abs. 3. Verhältnis von Art. 30 zu Art. 149 Abs. 1 ZGB. Kognition
des Richters im Anfechtungsprozess.

Sachverhalt

    A.- Thomas Ulrich Domenig war mit seiner Frau Frieda geb. Stricker
(1902) seit 1924 verheiratet und in Arosa wohnhaft, wo er die
Firma Th. Domenig A.-G., Comestibles-Geschäft und Fleischtrocknerei,
innehatte. Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor. Im Jahre 1950 wurde
die Ehe in Gutheissung der Widerklage der Frau wegen tiefer Zerrüttung
aus vorwiegendem Verschulden des Mannes geschieden, dem hauptsächlich
jahrelange ehewidrige Beziehungen zu zwei Frauen zur Last gelegt
wurden. Die damals noch nicht volljährige jüngste der drei Töchter wurde
der Mutter zugeteilt.

    Wenige Monate nach der Scheidung stellte die geschiedene Frau beim
Kleinen Rat des Kantons Graubünden gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB das Gesuch
um Bewillgung der Wiederannahme des Familiennamens Domenig. Der Kleine
Rat entsprach am 5. Januar 1951 dem Gesuch aus folgenden Erwägungen:
Da die Ehe 26 Jahre gedauert habe, die Frau in dieser Zeit durch ihre
Mitarbeit im Geschäft in Arosa und darüber hinaus unter dem Namen Domenig
bekannt geworden und die Scheidung überwiegend der Schuld des Mannes
zuzuschreiben sei, habe die Frau wenigstens einen moralischen Anspruch
auf Beibehaltung des ehelichen Namens, zumal sie sich weder vor noch seit
der Scheidung irgendwie seiner unwürdig erwiesen habe. Die drei Töchter
Domenig hielten die Beziehungen zu beiden Elternteilen in vorbildlicher
Weise aufrecht und befürworteten das Gesuch der Mutter. Zudem beabsichtige
diese, sich durch Zimmervermietung in Arosa ein zusätzliches Einkommen
(zum Unterhaltsbeitrag des Mannes von Fr. 450.-- pro Monat) zu verschaffen,
wofür sie unter dem Namen Frau Domenig, unter dem sie bekannt sei, bessere
Erfolgsaussichten habe. Die Beibehaltung des ehelichen Namens liege
mithin zweifelsohne im wohlverstandenen Interesse der Gesuchstellerin,
weshalb die Voraussetzungen von Art. 30 Abs. 1 ZGB erfüllt seien.

    B.- Diesen Beschluss focht Thomas Domenig im Februar 1952 gemäss
Art. 30 Abs. 3 ZGB gerichtlich an. Er machte geltend, die Motive der
langen Dauer der Ehe sowie des vorwiegenden Verschuldens des Klägers
an der Zerrüttung derselben seien unbeachtlich, da ja Art. 149 ZGB
ohne Rücksicht hierauf bei Scheidung generell den Namenswechsel der
Frau vorschreibe. Die Zuteilung einer Tochter an die Mutter und die
guten Beziehungen aller Töchter mit dieser seien das Normale und in
casu schon angesichts der Volljährigkeit derselben ohne Belang. Als
Zimmervermieterin sei die Beklagte in Arosa nie bekannt gewesen und
habe diesen Nebenerwerb, auf den sie nicht angewiesen sei, längst
aufgegeben. Alles zusammengenommen könne die Beklagte kein grösseres
Interesse an der Beibehaltung des ehelichen Namens geltend machen als
jede andere geschiedene Frau. Wohl aber habe der Kläger ein erhebliches
Interesse an der Verweigerung der Namensänderung. Sein Name würde von
zwei Frauen getragen, was zu Gedankenassoziationen und zu eigentlichen
Verwechslungen führen könne; letztere Gefahr wiege umso schwerer, als
die Beklagte schizophren sei. Das Geschlecht Domenig erfreue sich eines
angesehenen und relativ seltenen Namens.

    C.- Bezirks- und Kantonsgericht haben die Klage abgewiesen. Letzteres
geht davon aus, dass das Gericht im Anfechtungsverfahren die Frage
der Weiterführung des ehelichen Namens nicht ohne weiteres unter den
gleichen Gesichtspunkten zu prüfen habe wie die Regierung bei der
Bewilligung. Während hier öffentlichrechtliche Gesichtspunkte und die
Interessen der Gesuchstellerin im Vordergrund ständen, habe der Richter
in erster Linie die Frage einer erheblichen Verletzung der Rechte und
Interessen des Anfechtungsklägers zu prüfen, allenfalls sekundär diese
gegen jene abzuwägen.

    Im vorliegenden Falle könne von einer Verwechslungsgefahr nicht
die Rede sein; die zwei angeführten Beispiele seien ohne jeden Belang
gewesen. Auch mit Rücksicht auf angebliche geistige Störungen bestehe
eine daherige Benachteiligung des Klägers nicht; die Beklagte habe
zwar während der Ehe mehrmals nervenärztlicher Behandlung bedurft, was
angesichts der seelischen Belastung zufolge der ehewidrigen Beziehungen
des Klägers nicht verwundern könne. Es fehle jeder Beweis, dass die
Beklagte heute an geistigen Störungen leide; dass sie seit bald 4 Jahren
als Sekretärin auf einem bekannten Anwaltsbüro in Chur angestellt sei
und ein ausgezeichnetes Dienstzeugnis vorweise, spreche jedenfalls gegen
eine solche Annahme. Ebenso fehle jeder Anhaltspunkt, dass sie sich seit
der Bewilligung der Namensänderung des von ihr während 26jähriger Ehe
in Ehren getragenen Namens je unwürdig erwiesen hätte. Endlich handle
es sich bei diesem um einen gewiss im allgemeinen angesehenen, aber
keineswegs seltenen Namen. Es falle für den Kläger in keiner Weise ins
Gewicht, ob in der Schweiz in Zukunft statt 55 Träger des Namens Domenig
deren 56 vorhanden seien. Insbesondere aber erhebe hier, im Gegensatz zu
den bisher vom Bundesgericht beurteilten Fällen (i. S. Eynard, Segesser
uzw.) nicht eine den Namensträgern fernstehende Person Anspruch auf den
Namen, sondern die frühere Ehefrau des Klägers, welche ihn während nahezu
drei Jahrzehnten getragen und nur durch Umstände eingebüsst habe, für
die weniger sie selbst als der Kläger einzustehen habe. Könne somit der
Kläger keine auch nur einigermassen namhafte Verletzung seiner Interessen
nachweisen, so sei auf die Frage, ob auf Seite der Beklagten wichtige
Gründe für die Namensänderung bestanden hätten, gar nicht einzugehen.

    D.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seiner Anfechtung
fest. Die Beklagte trägt auf Bestätigung des Urteils an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Vorschrift des Art. 149 Abs. 1 ZGB, wonach bei der Scheidung
die Ehefrau den Namen wieder annimmt, den sie vor dem Abschluss der Ehe
getragen hat, ist nach Wortlaut und Werdegang der Bestimmung (vgl. BGE
59 II 92 ff.) insofern zwingenden Rechts, als im Scheidungsurteil eine
andere Lösung der Namensfrage weder zufolge Vereinbarung der Parteien noch
durch den Richter getroffen werden kann. Wie sich dann aber Art. 30 über
die Namensänderung zu Art. 149 ZGB verhalte, nämlich ob diese absolute
Vorschrift auch die nachträgliche Wiederannahme des ehelichen Namens im
Wege der Namensänderung nach Art. 30 ausschliesse oder nicht, ist von
den für diese zuständigen Administrativbehörden von Anfang an im Sinne
der Zulässigkeit der Wiederverleihung des Mannesnamens beantwortet worden
(Kreisschreiben des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes vom 26. Juli
1919 Nr. 1, BBl. 1919, 4, 31; KOLLBRUNNER, Namensänderung, Bern 1933,
S. 54 f.), und die Kantonsregierungen haben von dieser Möglichkeit seither,
jedenfalls in der deutschen Schweiz, weitgehend Gebrauch gemacht. Es kann
nicht gesagt werden, dass diese Praxis auf eine Umgehung des Art. 149 oder
eine Aushöhlung des hier aufgestellten Grundsatzes hinausliefe. Der von
der Frau zufolge der Scheidung wieder angenommene voreheliche Name steht
jedem andern Namen gleich, kann also unter den Voraussetzungen des Art. 30
Abs. 1 geändert werden, und die Änderung kann auch in der Verleihung des
Namens des früheren Ehemannes bestehen. Was für Gründe als für die Änderung
wichtig im Sinne des Art. 30 zu betrachten sind, steht im Ermessen der
Bewilligungsbehörde. So wenig allerdings der Grundsatz des Art. 149 der
Wiederverleihung des früheren ehelichen Namens entgegensteht, so wenig
vermag die blosse Tatsache an sich, dass die geschiedene Frau während der
Ehe jenen Namen trug, die Wiederannahme desselben zu rechtfertigen. Es
müssen besondere, in den speziellen Verhältnissen des konkreten Falles
liegende Gründe gegeben sein.

    Aus der gesetzlichen Ordnung - Bewilligung der Namensänderung durch
die Regierung, Anfechtbarkeit derselben vor dem Richter gemäss Art. 30
Abs. 3 - folgt, dass die Kognition des Richters bei der Anfechtung nicht in
einer Überprüfung der Gründe, welche die Regierung als für die Bewilligung
wichtig erachtete, bestehen kann. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt,
stehen für die Bewilligungsbehörde öffentlichrechtliche Gesichtspunkte
und die Interessen des Gesuchstellers im Vordergrunde, was allerdings
nicht ausschliesst, dass auch sie schon auf liquide entgegengesetzte
Interessen des Mannes, welche dieser im Wege der Anfechtung mit Erfolg
geltend machen könnte, Rücksicht nehmen kann. Im Anfechtungsprozess
dagegen muss der Kläger dartun, dass er in seinem Namensrecht und in den
durch dieses geschützten wesentlichen Interessen verletzt wird. Erst wenn
dies der Fall ist, kann sich für den Richter die Notwendigkeit ergeben,
eine Abwägung des Interesses des Anfechtungsklägers am Unterbleiben der
Namensänderung gegen dasjenige der Beklagten an deren Aufrechterhaltung
vorzunehmen, also u. U. auch zu untersuchen, ob die Gründe, die zur
Aufgabe des bisherigen und zur Annahme des neuen Namens geführt haben,
im Sinne des Art. 30 Abs. 1 wichtig gewesen seien (BGE 52 II 105, 72
II 151). Die Tatsache an sich, dass die angefochtene Namenszuweisung
von einer Behörde ausgesprochen worden ist, setzt der richterlichen
Überprüfungsbefugnis keine Schranke (BGE 52 II 105). Die Anfechtung
der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 3 ist nur ein Anwendungsfall des
allgemeinen Namensschutzes und wie gegenüber einer Namensanmassung gemäss
Art. 29 gegeben (aaO 106). Ein Unterschied zwischen der Unterlassungsklage
nach Art. 29 Abs. 2 und der Anfechtung nach Art. 30 Abs. 3 rechtfertigt
sich jedoch hinsichtlich der Anforderungen an die Schwere der zur Abwehr
berechtigenden Benachteiligung des Klägers. Während (nach dem deutschen
Text) zur Klage gegen die Namensanmassung eine blosse Beeinträchtigung
genügt, setzt die Anfechtung der behördlichen Namensänderung eine
Verletzung voraus. So führte im Falle Glitsch c. de Siebenthal, wo
es sich nicht um eine behördliche Wiederverleihung, sondern um eine
Anmassung des ehelichen Namens seitens der geschiedenen Frau handelte,
das Bundesgericht aus, der Mann könne sich - sc. nach dem (allerdings
nicht genannten) Art. 29 Abs. 2 - dem Gebrauch seines Namens durch die
Beklagte, gleichgültig welches Interesse diese daran hätte, widersetzen,
ohne dass man, wie die Beklagte möchte, von ihm verlangen könnte, dass
er einen besondern Nachteil (préjudice spécial) durch den Namensgebrauch
dartue; die zur Klage genügende Beeinträchtigung liege schon darin,
dass die Beklagte durch diesen Gebrauch noch als seine Frau erscheine,
obgleich sie es nicht mehr sei (BGE 59 II 94).

    Die blosse Tatsache jedoch, dass die Wahl des Namens von einer nicht
mehr bestehenden Beziehung zwischen den Parteien herrührt, und die rein
hypothetische Möglichkeit der Erweckung eines falschen Scheines allein
stellen keine zur Anfechtung nach Art. 30 Abs. 3 berechtigende Verletzung
des Mannes in seinem Namensrecht dar. Damit in casu das Vorhandensein
einer Frau des Namens Domenig ausser seiner zweiten Ehefrau den Kläger
in seinem Namensrecht erheblich verletzte, müssten andere Umstände hinzu
kommen, die hier fehlen.

    a) Dass eine wirkliche Gefahr der Verwechslung bestehe, kann der
Kläger selbst nicht ernstlich behaupten. Dass im Anfang zwei Irrtümer in
der Briefzustellung vorkamen, ist ohne jeden Belang. Die frühere und die
jetzige Ehefrau unterscheiden sich schon durch ihre Vornamen (Frieda,
Anna) hinlänglich. Zudem lebt die Beklagte seit mehreren Jahren nicht
mehr am Wohnort des Klägers Arosa, sondern in Chur. Anders läge die Sache
allenfalls, wenn sie unter dem wieder angenommenen ehelichen Namen ein
Geschäft gleicher Art wie der Kläger betriebe - falls dem nicht schon das
Firmenrecht entgegenstände. Die Beklagte arbeitet aber als Angestellte
auf einem Anwaltsbüro.

    b) Für die Beurteilung des zur Klage berechtigenden Masses der
Beeinträchtigung in concreto fällt nun aber entscheidend ins Gewicht,
weshalb die Beklagte diesen Namen erhalten, verloren und wieder angenommen
hat. Sie hat ihn nicht willkürlich gewählt, um etwas zu scheinen, was
sie weder ist noch war (vgl. BGE 72 II 152), sondern der Kläger selbst
hat ihn ihr durch die Heirat verliehen, ohne dass ein anderer seiner
Träger dagegen etwas hätte einwenden können. Sie trug ihn 26 Jahre lang
von Gesetzes wegen, also während des grösseren Teils ihres bisherigen
Lebens, und hat ihm in keiner Weise Unehre gemacht. Gewissen psychischen
Störungen konnte diese Wirkung schon gar nicht zukommen, zumal sie zum
guten Teil die Reaktion auf das eheliche Betragen des Klägers waren. Zur
Zerrüttung und zur Scheidung der Ehe kam es nach den Feststellungen der
Vorinstanz infolge der Untreue des Mannes, und den Scheidungsprozess
hat ungeachtet dieser Verschuldenslage nicht die Frau, sondern der Mann
angehoben. Unter diesen Umständen kann sich dieser nicht beklagen, wenn
die Beklagte neben allem andern nicht auch noch den Namen verlieren will,
unter dem sie in ihren Kreisen bekannt und geachtet war, den sie als einen
Bestandteil ihrer Identität empfindet und den auch ihre Kinder tragen,
und wenn die Administrativbehörde diese Gründe als wichtig genug erachtet
hat, jenes Bestreben zu schützen. Eine irgendwie erhebliche Verletzung
des Klägers in seiner persönlichen Rechtssphäre durch diese Bewilligung
der Wiederannahme des ehelichen Namens ist nicht ersichtlich.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgericht von
Graubünden vom 9. Mai 1955 bestätigt.