Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 309



81 II 309

51. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Oktober 1955 i. S. Schwegler
gegen Zollikofer und Streitgenossen. Regeste

    Berufung. Streitwertangabe (Art. 55 Abs. 1 lit. a OG).  Inwiefern
ist sie unentbehrlich? Elemente des Streitwertes einer Widerspruchs-
und Anfechtungsklage.

    "Unzulässige Berufung". Art. 60 Abs. 1 lit. a OG.

Sachverhalt

    A.- In der für eine Forderung von Fr. 17'850.-- gegen Frau
Zollikofer-Ruppert (die nun geschiedene Ehefrau von Dr. Zollikofer)
gerichteten Betreibung Nr. 41086 Luzern erwirkte der Gläubiger Schwegler
die Pfändung von neun im Gewahrsam des Dr. Zollikofer befindlichen
Gegenständen. Dieser beanspruchte die Sachen für sich und die Kinder zu
Eigentum. Schwegler bestritt den Anspruch, worauf ihm das Betreibungsamt
gemäss Art. 109 SchKG Frist zur Widerspruchsklage setzte. Im nachfolgenden
Prozess bezeichnete der Kläger die von der Schuldnerin vorgenommene
Schenkung als ungültig, weil die Vormundschaftsbehörde ihr nicht gemäss
Art. 177 Abs. 2 ZGB zugestimmt habe, und focht sie ferner im Sinne von
Art. 285 ff. SchKG an. Das Bezirksgericht See wies die Klage gänzlich ab,
das Kantonsgericht St. Gallen schützte sie inbezug auf das Pfändungsobjekt
Nr. 1; hinsichtlich der übrigen Pfändungsobjekte wies es die Klage ab,
soweit sie sich gegen die Kinder Zollikofer richtete, dagegen hiess es
sie gegenüber dem Beklagten Dr. Zollikofer gut.

    B.- Gegen dieses Urteil vom 20. November 1954 legte der Kläger (neben
einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde, die am 4. Juni 1955 abgewiesen
wurde) Berufung an das Bundesgericht ein, mit folgenden Anträgen:

    "1.  Das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 20. November 1954
sei aufzuheben.

    2.  Die von den Beklagten geltend gemachten Eigentumsansprüche in der
Betreibung Nr. 41 086 des Betreibungsamtes Luzern gegen Frau Julia Ruppert,
St. Gallen, an den gepfändeten Gegenständen 1 - 9 It. Pfändungsurkunde
vom 9.2.1954 (Schätzung Fr. 10'450.--) seien auf Grund der Art. 285
ff. SchKG, ev. 177 Abs. 2 und 646 ev. 652 ZGB in vollem Umfange und
gegenüber sämtlichen Beklagten gerichtlich abzuerkennen und die Beklagten
zu deren Aushingabe zwecks Verwertung zu verpflichten."

    C.- Die Beklagten trugen auf Abweisung der Berufung an und erklärten
ferner Anschlussberufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der
Klage. ....

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Berufung ermangelt der in Art. 55 Abs. 1 lit. a OG vorgeschriebenen
Streitwertangabe. Dieser Mangel macht die Berufung unwirksam (BGE 71 II
252). Allerdings könnte darüber hinweggesehen werden, wenn der übrige
Inhalt der Berufungsschrift eindeutig erkennen liesse, wie hoch der
Berufungskläger den Streitgegenstand wertet, oder das kantonale Urteil
eine genaue Streitwertschätzung enthielte, die beim Fehlen abweichender
Angaben als vom Berufungskläger anerkannt zu gelten hätte. Die erwähnte
Formvorschrift so milde zu handhaben, wäre gerechtfertigt, entsprechend
der neuern Rechtsprechung zu Art. 55 Abs. 1 lit. b OG, wonach es
genügt, wenn das Streitbegehren entweder aus der Berufungsbegründung
oder aus dem angefochtenen Urteil ohne weiteres ersichtlich ist (BGE
78 II 448 Erw. 1). Auch bei solcher Betrachtungsweise vermag aber die
vorliegende Berufung die gesetzlichen Erfordernisse nicht zu erfüllen. Es
handelt sich um eine Widerspruchs- und Anfechtungsklage, mit der ein
betreibender Gläubiger für die Verwertung Sachen in Anspruch nimmt,
indem er das von einem Dritten (dem Beklagten) behauptete Eigentum
bestreitet und dessen Erwerb eventuell im Sinne von Art. 285 ff. SchKG
anficht. Bei solchen Klagen ist das Streitinteresse nicht schlechthin
dem Werte der streitigen Sachen gleich (die laut dem Berufungsantrag
im vorliegenden Falle auf Fr. 10'450.-- geschätzt sind). Vielmehr ist
das Streitinteresse ferner durch den Betrag der in Betreibung gesetzten
Forderung des klagenden Gläubigers begrenzt (die sich allerdings laut
der Berufungsbegründung auf Fr. 17'850.-- beläuft), und es ist endlich zu
berücksichtigen, ob der Drittansprecher selbst mit einer Forderung an der
Pfändung teilnimmt und deshalb das vom Kläger zu erwartende Betreffnis
schmälert (BGE 38 II 742). Nun wird auf Seite 3 der Berufungsschrift
ausgeführt, der Beklagte Dr. Zollikofer habe sich mit einer Forderung
von Fr. 7550.-- der Pfändung angeschlossen. Man erfährt aber nicht,
ob dieser gemäss Art. 111 SchKG erklärte Anschluss endgültig ist und
daher im Sinne des angeführten Präjudizes in Betracht fällt. Wenn ja,
wäre der Streitwert (sofern beide Forderungen in der gleichen Klasse
zu kollozieren sein sollten) nur Fr. 7343.80, entsprechend dem nach dem
erwähnten Schätzungswert für den Kläger zu erwartenden Betreffnis (während
auf die Forderung des Beklagten Fr. 3106.20 entfielen). Unter Umständen,
sofern nämlich die Schuldnerin an die Forderung des Klägers Abzahlungen
geleistet haben sollte, wäre der Streitwert noch niedriger. Dafür liegt
nun freilich nach den Ausführungen der Berufungsschrift nichts vor. Die
blosse Ungewissheit darüber lässt jedoch den eben vom Berufungskläger
nicht angegebenen Streitwert als unbestimmt erscheinen. Selbst wenn dieser
übrigens nur entweder Fr. 10'450.-- oder aber Fr. 7343.80 betragen könnte,
müsste der Zweifel darüber, welcher dieser beiden Beträge zutreffe, die
vorliegende Berufung als formungültig erscheinen lassen, zumal im Hinblick
auf Art. 62 OG, wonach es für das Berufungsverfahren von Bedeutung ist,
ob der Streitwert den Betrag von Fr. 8000.-- erreicht oder nicht.

    Auf eine nicht in gültiger Form eingelegte Berufung kann nicht
eingetreten werden, sowenig wie auf eine von vornherein unzulässige. Sie
ist daher als "unzulässig" im Sinne von Art. 60 Abs. 1 lit. a OG zu
erachten (vgl. BIRCHMEIER, N. 2 hiezu), sodass bei der vorhandenen
Einstimmigkeit ohne öffentliche Beratung auf Nichteintreten zu erkennen
ist.

    Bei diesem Schicksal der Berufung fällt die Anschlussberufung dahin
(Art. 59 Abs. 4 OG).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten; die Anschlussberufung fällt
infolgedessen dahin.