Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 284



81 II 284

47. Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Jull 1955 i.S.
Compass-Verlagsgesellsehaft Rudolf Hanel & Sohn gegen Kompass Verlag A.-G.
Regeste

    Markenschutz.

    1.  Nichtgebrauch i.S. von Art. 9 MSchG liegt nicht vor, wenn der
Gebrauch bloss ein geringer war (Erw. 1).

    2.  Unterschied zwischen Buchtitel und Marke (Erw. 2 a).

    3.  Verwechslungsgefahr zwischen den auf Verlagswerken angebrachten
Wortmarken "Compass" und "Kompass", auch wenn sich der Inhalt der Bücher
mit der Wirtschaft verschiedener Länder befasst (Erw. 2 b).

    4.  Verwirkung des Klagerechts des Inhabers der verletzten Marke:
die Gutgläubigkeit des Verletzers beurteilt sich nach dem Zeitpunkt,
von dem an er das Zeichen markenmässig gebraucht (Erw. 2 c).

Sachverhalt

    A.- Die Klägerin ist seit ungefähr 80 Jahren Verlegerin eines
Nachschlagewerkes über die Wirtschaft Österreichs, das in drei einzeln
lieferbaren Bänden unter der Bezeichnung Industrie-, Handels- und
Finanz- "Compass" erscheint. Sie ist Inhaberin der am 25. März 1930
unter Nr. 68'399 im internationalen Markenregister eingetragenen Marke
"Compass" für "Produits d'imprimerie et livres de fonds". Diese Marke
wurde wegen Nichtbezahlung der Gebühren während des Krieges am 25. März
1940 gelöscht, auf Grund des Neuenburger Abkommens vom 8. Februar 1947
aber wieder eingetragen und am 24. Oktober 1949 unter Nr. 146'676
erneuert. Nach dem Kriege wurden der Handels- und Industrie- "Compass"
erstmals 1947 und der Finanz- "Compass" erstmals 1950 wieder herausgegeben.

    Die am 20. Januar 1944 gegründete Beklagte hinterlegte am 7. Mai 1947
beim Eidg. Amt für geistiges Eigentum unter Nr. 120'377 die Wortmarke
"Kompass" für Verlagswerke. Unter dieser Bezeichnung gibt sie seit 1947
das "Informationswerk der schweizerischen Wirtschaft" heraus, das 1953
in vierter Auflage erschien.

    B.- Mit Klage vom 9. April 1953 machte die Klägerin gegenüber der
Beklagten folgende Rechtsbegehren geltend:

    "1.  Es sei die Beklagte zu verpflichten, die weitere Benützung der
Marke "Kompass" für Verlagswerke, eingetragen im eidgenössischen Register
der Fabrik- und Handelsmarken unter Nr. 120'377, zu unterlassen und die
Bezeichnung "Kompass" in keinem Zusammenhang mehr weder als Marke noch
als Herkunftsbezeichnung zu gebrauchen.

    2.  Es sei die Beklagte zu verpfiichten, die Bezeichnung "Kompass"
aus ihrer Firma zu entfernen.

    3.  Es sei die Beklagte zu verpflichten, die Marke "Kompass" von
ihren Verlagswerken, soweit noch nicht verkauft, zu entfernen, ferner die
Marke "Kompass" von allen Drucksachen, wie Briefpapier, Reklamepapieren,
Verpackungen, Firmentafeln, und in jedem andern Zusammenhang zu tilgen
und, wenn Entfernung nicht möglich ist, die die Marke "Kompass" tragenden
Gegenstände zu vernichten.

    4.  Es sei die Publikation des obsiegenden Urteils nach Ermessen des
Gerichtes auf Kosten der Beklagten anzuordnen."

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage.

    C.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil
vom 5. Juli 1954 ab, und zwar einzig gestützt auf den Haupteinwand der
Beklagten, das Markenrecht der Klägerin sei gemäss Art. 9 Abs. 1 MSchG
untergegangen, da diese in der Zeit vom 1. Juli 1947 bis 30. Juni 1950
ihre Marke in der Schweiz nicht ernsthaft gebraucht habe.

    D.- Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung an das
Bundesgericht ein. Sie verlangt neuerdings Gutheissung der Klage, eventuell
Rückweisung der Sache zur Aktenergänzung und Neubeurteilung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im schweizerischen Markenschutzrecht gilt der Grundsatz
des Gebrauchszwanges. Die Marke kann, wenn sie während drei
aufeinanderfolgenden Jahren nicht benützt und der Nichtgebrauch nicht
hinreichend gerechtfertigt wird, gerichtlich gelöscht werden (Art. 9
Abs. 1 MSchG).

    Die Vorinstanz vertritt die Ansicht, die Aufrechterhaltung des
Schutzrechtes lasse sich vernünftigerweise nur solange rechtfertigen,
als ihm ein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse zugrunde liege, dessen
Gradmesser die Häufigkeit des Gebrauches sei; der Rechtsverlust sei deshalb
auch dann zu bejahen, wenn der Absatz der mit der Marke versehenen Ware
während der Frist von drei Jahren das übliche Mass nicht mehr erreiche.

    Diese Auffassung ist nicht haltbar. Das Gesetz lässt die Löschung
nur zu, wenn der Inhaber der Marke während der Karenzzeit keinen
Gebrauch von ihr gemacht hat. Dass das Erfordernis des Gebrauchs nur
erfüllt sei, wenn die Benützung in einem bestimmten Ausmass erfolgt,
sagt es nirgends. Art. 9 MSchG in diesem Sinne auszulegen, ist schon mit
Rücksicht auf den Ausnahmecharakter dieser Bestimmung nicht am Platze;
wie schon früher festgestellt wurde, darf der Verlust des eingetragenen
Markenrechts nicht leichthin ausgesprochen werden (BGE 60 II 163). Es
entstände die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit, wenn man den Bestand
der Markenrechte von der Einhaltung des üblichen Absatzes der mit der
Marke versehenen Ware abhängen liesse. Die Auffassung, dass ein geringer
Gebrauch der Marke dem Nichtgebrauch gleichzusetzen sei, findet denn
auch entgegen den Ausführungen der Vorinstanz in der von ihr erwähnten
Literatur keine Stütze. Es muss deshalb für den Fortbestand des Rechts
an der Marke genügen, dass diese tatsächlich, wenn auch nur in geringem
Umfange, gebraucht wird, vorausgesetzt, dass es sich nicht um einen
blossen Scheingebrauch handelt, um durch einen symbolischen Absatz den
Verlust des Markenrechts abzuwenden.

    Die Vorinstanz hat nun tatbeständlich und damit für das Bundesgericht
verbindlich festgestellt, dass während der drei Jahre 1948-1950 in der
Schweiz insgesamt 21 "Compass" - Bände der Klägerin verkauft worden sind,
nämlich 1948 drei Exemplare des "Industrie-Compass 1948", 1949 fünf
Exemplare des "Industrie-Compass 1949" und 1950 dreizehn Exemplare des
"Handels-bzw. Industrie- und Finanz-Compass 1950". Damit steht fest,
dass die Klägerin die Marke "Compass" innert der in Frage stehenden Frist
tatsächlich gebraucht hat. Dieser Gebrauch war auch ein ernsthafter,
denn die mit der Marke "Compass" versehenen Bücher wurden in Wien in der
für den Verkauf üblichen Art zur Verfügung gehalten und auf Nachfrage den
Interessenten in der Schweiz, deren Kreis der Natur des Buches entsprechend
nur ein kleiner sein kann, auch so geliefert.

    Ist somit ein Nichtgebrauch im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MSchG
nicht gegeben, weshalb die Frage einer allfälligen Rechtfertigung der
Gebrauchsunterlassung nicht zu prüfen ist, so durfte die Klage nicht
gestützt auf diese Gesetzesbestimmung abgewiesen werden.

Erwägung 2

    2.- Demnach sind die weitern, schon vor der Vorinstanz erhobenen und
im Berufungsverfahren wieder aufgenommenen Einwendungen der Beklagten
zu prüfen:

    a) Sie macht geltend, die Klägerm gebrauche das Wort "Compass" nicht
markenmässig, sondern als blossen Buchtitel, der immer in Verbindung
mit einem der vorgestellten Worte "Industrie", "Handel" oder "Finanz"
verwendet werde. Es liege aber auch kein markenmässiger Gebrauch des Wortes
"Kompass" durch die Beklagte vor.

    Demgegenüber ist vorerst festzuhalten, dass das von der Klägerin
gebrauchte Wort "Compass" im internationalen Markenregister eingetragen
und die von der Beklagten verwendete Bezeichnung "Kompass" im schweiz.
Markenregister hinterlegt ist. Beide Marken sind für Verlagswerke bestimmt
und jede Partei führt ihre Wortmarke auch in der Firma. Die von den
Parteien in ihrem Verlag herausgegebenen Bücher sind Waren im Sinne von
Art. 1 MSchG.

    Dass die Klägerin ihre Bücher mit der Bezeichnung "Compass" unter
Voranstellung des Wortes Industrie bzw. Handel oder Finanz in den
Verkehr gebracht hat, ist von der Vorinstanz festgestellt worden. Dieser
Gebrauch der Bezeichnung "Compass" auf den Büchern der Klägerin ist eine
markenmässige Verwendung. Denn sie weist auf die Herkunft des Buches und
unterscheidet es von den Werken anderer Verleger. Die auf den Büchern
ständig wiederkehrende Bezeichnung "Compass" ist also, im Gegensatz zu
den verschiedenen Beiwörtern Industrie, Handel und Finanz, nicht blosse
Angabe des Inhalts des betreffenden Buches, sondern ein Kennzeichen. Der
Markencharakter der Bezeichnung "Compass" ist daher zu bejahen.

    Dasselbe gilt auch für die Bezeichnung "Kompass" auf den Büchern der
Beklagten. Sie gibt selbst zu, sie sei auf Grund der Prüfung der Rechtslage
"zur Benützung der Marke Kompass übergegangen" und gutgläubig gewesen, "als
sie die Marke Kompass in Gebrauch nahm". An anderer Stelle bestreitet sie
zwar, das Wort Kompass als Marke verwendet zu haben; der Buchtitel der 3.
Auflage trage das Wort (nur) noch klein geschrieben am Fuss und auf der 4.
Auflage figuriere es überhaupt nicht mehr. Indessen erklärt die Beklagte
ausdrücklich, sie behalte sich immerhin vor, das Wort "Kompass" als Marke
zu verwenden.

    b) Die Beklagte wendet sodann zu Unrecht ein, zwischen ihrer
Marke "Kompass" und der klägerischen Marke "Compass" bestehe keine
Verwechslungsgefahr. Dass eine solche gegeben ist, da beide Marken mit
Ausnahme der Anfangsbuchstaben C und K, die aber gleich ausgesprochen
werden, identisch sind, bedarf keiner Erörterung. Wenn sich auch der
"Compass" der Klägerin mit der Wirtschaft Österreichs, der "Kompass"
der Beklagten mit den schweizerischen Verhältnissen auf demselben Gebiet
befasst, kann durch die im Wortklang genau gleiche Marke doch der Eindruck
erweckt werden, dass die beiden Buchwerke vom gleichen Verlag stammen. Das
genügt für die Bejahung der Verwechselbarkeit (BGE 61 II 56, 79 II 104).

    c) Die Beklagte stützt sich schliesslich auf die Einrede, die Ansprüche
der Klägerin seien verwirkt, ihre Geltendmachung verstosse gegen Treu
und Glauben. Sie behauptet unter Hinweis auf BGE 73 II 183 und 76 II 393,
sie habe den Gebrauch der Marke Kompass gutgläubig aufgenommen und in der
Folge einen wertvollen Besitzstand geschaffen, während die Klägerin mit
der Geltendmachung ihrer Ansprüche ohne Grund jahrelang zugewartet habe.

    Die Beklagte will sich die Marke "Kompass" im Jahre 1943
zugelegt und seit Juni 1943 Bestellungen für "Kompass" -Bücher
entgegengenommen haben. Dass damals die Marke der Klägerin gelöscht war,
ist unbestritten. Massgebend ist indessen, von welchem Zeitpunkt an die
Beklagte die Bezeichnung "Kompass" markenmässig gebraucht hat, d.h. wann
die Kompass-Bücher in den Verkehr gelangt sind. Nach der Darstellung der
Beklagten soll die erste Auflage im Februar 1947 erschienen sein, doch
fehlt hierüber eine tatbeständliche Feststellung der Vorinstanz. Der
Zeitpunkt der markenmässigen Verwendung der Marke "Kompass" kann also
mit dem Abschluss des Neuenburger Abkommen vom 8. Februar 1947 und dem
BRB vom 28. März 1947 zusammenfallen, möglicherweise aber auch später
liegen. Der gute Glaube der Beklagten steht daher auf Grund der heute
vorliegenden Tatsachen nicht ausser jedem Zweifel.

    Nach der erwähnten Praxis des Bundesgerichts kann sich freilich unter
Umständen auch der bösgläubige Verletzer auf die Verwirkung des Klagerechts
berufen. Dies trifft namentlich zu, wenn der Inhaber der verletzten
Marke gegen den Gebrauch eines unzulässigen Zeichens während langer
Zeit nicht einschreitet, ohne dass er für sein Untätigbleiben triftige
Gründe vorzubringen vermag, und der Verletzer unterdessen einen wertvollen
Besitzstand schaffen konnte, dessen er bei Gutheissung der Klage verlustig
ginge. Vorliegend ist den Akten zu entnehmen, dass die Klägerin mit Brief
vom 2. April 1947 erstmals gegen die Verwendung des Wortes "Kompass"
Einspruch erhob und dass dann die Parteien darüber und insbesondere über
eine allfällige Zusammenarbeit brieflich und mündlich verhandelten. In
dem ab Ende 1947 nur noch gelegentlich weitergeführten Briefwechsel
wird indessen zur Frage des Markengebrauchs durch die Beklagte nicht mehr
Stellung genommen, bis schliesslich die Klägerin mit Schreiben vom 12. Juli
und 10. August 1951 ihre Rechtsansprüche erneut geltend machte. Es ist nun
von Bedeutung, aus welchen Gründen die Klägerin während nahezu vier Jahren
gegen den Gebrauch der Marke "Kompass" nicht einschritt und welches der
Inhalt der mündlichen Besprechungen der Parteien war, worüber die Akten
keinen hinreichenden Aufschluss geben. Abzuklären bleibt ferner, ob sich
die Beklagte während dieser Zeit durch die Verwendung der Marke "Kompass"
einen wertvollen Besitzstand verschaffen konnte. Dabei ist ihre Behauptung
zu überprüfen, dass das Wort "Kompass" auf den Büchern der 3. Auflage
nur noch klein am Fusse des Buchtitels und auf denjenigen der 4. Auflage
gar nicht mehr angebracht sei. Stimmen diese Angaben, dann fragt es sich,
ob die Beklagte überhaupt noch einen Besitzstand geltend machen kann.

    Die Verwirkungseinrede lässt sich somit ohne Beweisergänzung nicht
beurteilen. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zur Vervollständigung
des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des
Handelsgerichts Zürich vom 5. Juli 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung im Sinne der Motive an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.