Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 II 101



81 II 101

19. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Februar 1955 i.S. Reuteler
gegen Frautschi. Regeste

    Bäuerliches Erbrecht. Art. 620 ZGB neue Fassung gemäss LEG:
Landwirtschaftliches Gewerbe, "das... eine ausreichende landwirtschaftliche
Existenz bietet". Auslegung dieses neuen Erfordernisses im Unterschied
zur Rechtsprechung zum frühern Art. 620. Massgebliche Einkommenselemente;
objektive Berechnungsmethode.

Sachverhalt

    A.- Die Eheleute Stamm-Frautschi hatten in einem Erbvertrag
u.a. bestimmt, dass die Erben der Ehefrau bei der einstigen Teilung sich
das "Matten"-Heimwesen der Eheleute in Turbach, Gstaad, für Fr. 28'000.--
anweisen lassen könnten. Das Heimwesen besteht aus

    175,71 a Wiese und Gebäudeplätzen,

    dem Wohnhaus (brandversichert für Fr. 17'500.--),

    der Scheune (brandversichert für  Fr.  5'700.--),

    einem Waldrecht an 18 a Wald;

    von den 175, 71 a sind nur 154 a Kulturland, wovon 27 a Streueland,
Grabenbord und Buschwerk.

    Nach dem Tode beider Eheleute bewarb sich eine Schwester der Ehefrau,
Martha Reuteler-Frautschi, um Zuweisung des Heimwesens gemäss bäuerlichem
Erbrecht, deren Ehemann seit 1932 Pächter dieses Landes und der Scheune
ist und in unmittelbarer Nähe ein eigenes Heimwesen und Pachtland
hat. Dem Anspruch der Frau Reuteler, unterstützt von einer ledigen
Schwester, widersetzten sich deren Bruder und drei weitere Miterben
mit der Begründung, das Erbheimwesen sei kein landwirtschaftliches
Gewerbe, da der Erblasser Stamm das Land verpachtet gehabt und im Hause
einen Pensionsbetrieb geführt habe; ausserdem biete das Heimwesen keine
ausreichende landwirtschaftliche Existenz. Event. erhob Walter Frautschi
selber Anspruch auf Zuweisung.

    B.- In Bestätigung des Entscheides des Amtsgerichts Saanen hat
der Appellationshof des Kantons Bern die Klage der Frau Reuteler
abgewiesen. Er stellt fest, das Heimwesen sei ein landwirtschaftliches
Gewerbe und bilde eine wirtschaftliche Einheit, obwohl das Waldgrundstück
mit dem übrigen Land nicht zusammenhänge. Über die weitere, gemäss
dem rev. Art. 620 ZGB sich stellende Frage, ob dieses Gewerbe eine
ausreichende landwirtschaftliche Existenz biete, holte die Vorinstanz
von dipl. Ing. agr. A. Rubin, Direktor der Kantonalen Bergbauernschule
Hondrich, ein Gutachten ein. Dessen Betrachtungs- und Berechnungsweise
erachtete die Vorinstanz als zutreffend und schlüssig und gelangte gestützt
darauf zur Verneinung der Frage und damit zur Ablehnung der Anwendbarkeit
des bäuerlichen Erbrechts und zur Abweisung der Klage.

    Gutachter und Vorinstanz gehen davon aus, dass für die Beurteilung
der Frage nur auf objektive Kriterien, nicht auf Zufälligkeiten und die
persönlichen Verhältnisse des Ansprechers (Eigenbesitz, Möglichkeit der
Zupacht, Verschuldung usw.) abzustellen sei, weil sonst in Grenzfällen
für das gleiche landwirtschaftliche Gewerbe die Frage der ausreichenden
Existenz einmal bejaht, ein andermal verneint werden müsste und die
Mitberücksichtigung von Eigenbesitz und Pachtmöglichkeiten die Vorschrift
des Art. 620 ZGB überhaupt illusorisch machen würde. Deshalb sei für das
Einkommen auf einen mehrjährigen Durchschnitt abzustellen und eine mittlere
Verschuldung des Heimwesens zugrunde zu legen, auch wenn eine solche in
concreto nicht eintrete. Ebenso sei als Bedarf das Existenzminimum einer
Durchschnittsfamilie, als welche im Berner Oberland ein Ehepaar mit zwei
Kindern zu gelten habe, anzunehmen. Der Ertrag sei nicht etwa nach der
Landgutsrente (Art. 10 des eidg. Schätzungsreglements vom 28. Dezember
1951 oder § 14 des bern. Schätzungsdekretes vom 21. November 1945)
zu beurteilen, sondern ausgehend vom effektiven landwirtschaftlichen
Einkommen (Rohertrag abzüglich sachlicher Aufwand und Schuldzinse,
oder Arbeitsverdienst zuzüglich Vermögensrente). Demgemäss berechne
sich in casu das landwirtschaftliche Einkommen wie folgt: Rohertrag samt
Wohnungsmiete (Wohnwert) Fr. 4320.--; im Mittel erzielter Arbeitsverdienst
51,1% des Rohertrags = Fr. 2208.--; bei einem Aktivwert der Liegenschaft
von Fr. 23'080.-- und einer (hypothetischen) Verschuldung von 45% betrage
die Vermögensrente Fr. 198.--, das landwirtschaftliche Einkommen demnach
Fr. 2406.--, also 46% des Existenzminimums von Fr. 5200.--.

    Ein ähnliches Verhältnis ergebe der Vergleich der vom Eigentümer
einerseits für die Bewirtschaftung des Heimwesens aufzuwendenden
Arbeitszeit (115 Tage = 34% der jährlichen 330 Arbeitstage) mit der ihm
anderseits für die Ausübung eines Nebengewerbes zur Verfügung stehenden. Da
jedoch die Nebenerwerbsmöglichkeit nicht voll ausgenützt werden könne
(nur 150 Tage zu 8 Std.), der landwirtschaftliche Arbeitstag dagegen 12
Std. betrage, nehme die landwirtschaftliche Beschäftigungszeit knapp 54%
der Gesamtarbeitszeit in Anspruch.

    Ein landwirtschaftlicher Betrieb, der nur 46% des Existenzminimums
einer 4-köpfigen Familie abwerfe und nur gut die Hälfte der Arbeitskraft
eines Mannes beanspruche, stelle keine ausreichende landwirtschaftliche
Existenz im Sinne von Art. 620 ZGB dar. Daran ändere sich auch nichts,
wenn der Ertrag aus der Vermietung der Ferienwohnung, laut Gutachten
Fr. 480.--, hinzugerechnet werde, womit sich das Gesamteinkommen auf
Fr. 2886.-- = 56% des Existenzminimums erhöhen würde.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Klägerinnen
Zuweisung des Heimwesens zum Ertragswerte, unter Festsetzung desselben
gleich dem amtlichen Werte, event. auf Fr. 23'080.--, der Gerätschaften
und Vorräte zum Nutzwerte, event. zu einem richterlich zu bestimmenden
Anrechnungswerte. Sie machen geltend, bei der Prüfung der Existenzfrage sei
vorhandener Eigenbesitz und zusätzliches Pachtland mitzuberücksichtigen,
ebenso die im Saanenland allgemein übliche Vermietung von Ferienwohnungen,
ferner sei nicht auf eine hypothetische durchschnittliche, sondern
auf die effektive Verschuldung bzw. Schuldenfreiheit und auf den
tatsächlichen Familienbestand der Ansprecherin abzustellen. Auch sei
das Existenzminimum mit Fr. 5200.-- zu hoch angesetzt, verglichen etwa
mit den Einkommensgrenzen gemäss Bundesgesetz betr. Familienzulagen an
Bergbauern (Fr. 3500.-- + 350.-- pro Kind). Unter Berücksichtigung aller
dieser individuellen Momente ergebe sich für das Ehepaar Reuteler ein
landwirtschaftliches Einkommen, das auch für eine 4-köpfige Familie das
Existenzminimum gänzlich oder doch nahezu decke.

    D.- Die Beklagten tragen auf Abweisung der Berufung an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Indem die Neufassung des Art. 620 ZGB gemäss Bundesgesetz über
die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen (vom 12. Dezember 1940)
zu den bisherigen Voraussetzungen der Zuweisung die neue einführte,
dass das Heimwesen "eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz
biete", bewirkte sie zweifellos eine Einschränkung der Anwendbarkeit des
bäuerlichen Erbrechts. Dass dies auch die Absicht der Gesetzesrevision war,
geht aus der Botschaft des Bundesrates hervor, wonach mit der Aufstellung
dieses zusätzlichen Erfordernisses gewissen Aussetzungen an der bisherigen
Regelung entgegengekommen und die Anwendung des Sonderrechts auf sehr
kleine Heimwesen, namentlich in Berggegenden, ausgeschlossen werden sollte
(BBl 1936 II 301 f.; so auch ESCHER, Erbrecht, 2. Aufl., Anhang zum
II. Halbband, S. 440). Nach dem der Revision des bäuerlichen Erbrechts
zugrunde liegenden Gedanken scheint allerdings diese Einschränkung der
Anwendbarkeit des Art. 620 das Korrelat zu einer Ausdehnung derselben
durch die Einführung des sog. "Obligatoriums" gebildet zu haben,
das darin bestehen sollte, dass die ungeteilte Zuweisung, falls die
Voraussetzungen gegeben sind, von Gesetzes wegen in allen Fällen Platz
zu greifen hat, ohne dass die Erben durch Vereinbarung und insbesondere
der Erblasser testamentarisch sie ausschliessen könnten. Die Einführung
dieses Obligatoriums ist nun aber, wie das Bundesgericht in einem
kürzlich beurteilten Falle feststellen musste, mangels entsprechender
Änderung des Wortlautes bzw. der Systematik des Gesetzes nicht zustande
gekommen (BGE 80 II 208). Gesetz geworden aber ist die Einschränkung durch
Einfügung der neuen Voraussetzung der "ausreichenden landwirtschaftlichen
Existenz". Bei der Auslegung des neuen Textes ist daher einerseits die
der Revision als ganzem zugrunde liegende Idee des Obligatoriums beiseite
zu lassen und anderseits nicht mehr von dem ursprünglichen Zweckgedanken
des Art. 620 auszugehen, der, wie die Berufungsklägerinnen ausführen,
"die Zerstückelung des in einer wirtschaftlichen Einheit liegenden Wertes
(schlechthin) verhindern wollte", sondern es muss die unbestreitbare und
im rev. Gesetzestext klar zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers
bei der Revision berücksichtigt werden, die Integralzuweisung auf Gewerbe
mit ausreichender landwirtschaftlicher Existenz zu beschränken, also
ausgesprochene Kleinstbetriebe auszuschliessen. Es ist daher hinsichtlich
der sachlichen Voraussetzungen auch von der zum früheren Gesetzestext
ergangenen Rechtsprechung abzusehen, da der neue eben ein wesentliches
neues Element gebracht hat.

    a) Erforderlich ist nach demselben, dass das landwirtschaftliche
Gewerbe eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz biete. Damit ist
gesagt, dass das Einkommen aus einem nichtlandwirtschaftlichen Nebengewerbe
oder überhaupt Einkünfte, die nicht aus landwirtschaftlicher Tätigkeit
stammen, nicht zu berücksichtigen sind. Der Übernehmer muss aus den
Erträgnissen der landwirtschaftlichen Nutzung des Heimwesens leben
können. Dieser Sinn des Textes entspricht auch der in der Botschaft
zum Ausdruck gelangten Auffassung. Ebenso äusserte sich im Nationalrat
der Vertreter des Bundesrates, die fragliche Ergänzung bedeute "eine
Milderung des ganzen Prinzips. Denn mit diesem Satze ist gesagt, dass
Kleinbetriebe und Zwergbetriebe, die für sich allein den Mann und seine
Familie nicht ernähren können, nicht unter diese Bestimmung fallen,
sondern nur diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe, die eine selbständige
Existenz bilden, wo die Familie also aus dem landwirtschaftlichen Betriebe
ohne Nebenerwerb leben kann... Auch im Bergland muss für die Anwendung
eine Liegenschaft so gross sein, dass sie für sich allein eine Existenz
bietet, nicht nur in Verbindung mit einem Nebengewerbe" (Sten.Bull. 1937,
S. 770). Dieser Auslegung hat sich auch die Literatur angeschlossen
(O. K. KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz, S. 118 f.;
LIVER, Die Änderungen am bäuerlichen Erbrecht des ZGB, in Festschrift
für Tuor S. 65; ESCHER, 1. c.; TUOR, Zivilgesetzbuch, 6. Aufl., 396;
AMBERG, Die Reform des bäuerlichen Erbrechts in der Schweiz, Diss. 1940,
S. 60 ff.).

    In einem der ersten nach dem rev. Gesetzestext beurteilten Fälle
hat allerdings das Bundesgericht ausgeführt, Art. 620 ZGB setze nicht
zahlenmässig einen Mindestumfang oder -ertrag des landwirtschaftlichen
Bodens fest und gebe damit der Berücksichtigung regionaler Verhältnisse
und Auffassungen Raum. Im Fricktal gebe es zahlreiche Kleinheimwesen
von ca. 3 ha; ein solcher Landbesitz verschaffe manchem wenigstens eine
zusätzliche Erwerbsquelle und wirke so dem Zug in die Stadt entgegen. Zur
Anwendung von Art. 620 müsse allerdings gefordert werden, dass das Gewerbe
dem Übernehmer als Hauptexistenzgrundlage zu dienen vermöge. Übrigens
liege es im Interesse der Landwirtschaft, dass Kleinbauern zu gewissen
Zeiten in grösseren Landwirtschaftsbetrieben aushelfen könnten; aber auch
wenn die Nebenbetätigung eines Kleinbauern anderer Art sei, verdiene
sein landwirtschaftliches Gewerbe nicht ohne weiteres vom bäuerlichen
Erbrecht ausgenommen zu werden (BGE 76 II 127). Diese Umschreibung
der Voraussetzung der "ausreichenden landwirtschaftlichen Existenz"
stellt indessen allzusehr eine Zusammenfassung der bisherigen, unter
dem alten Art. 620 ergangenen und von der ursprünglichen ratio legis
dieser Bestimmung inspirierten Rechtsprechung dar und übersieht, dass
die Revision nicht eine Anpassung des Gesetzestextes an die entstandene
Praxis bezweckte, sondern eine Erweiterung und Ergänzung desselben durch
Hinzufügung eines neuen Anwendbarkeitserfordernisses brachte. Ob die
Revision in diesem Punkte eine glückliche und ihre Auswirkungen - zumal
ohne das "Obligatorium" - erwünscht seien, sind gesetzgebungspolitische
Fragen. Der Richter hat nur das Gesetz anzuwenden. Dieses aber spricht
von ausreichender landwirtschaftlicher Existenz schlechthin, also einer
ganzen, nicht aber von einer blossen Hauptgrundlage einer solchen.

    b) Die ausreichende Existenz muss aus dem in der Erbschaft befindlichen
Heimwesen fliessen; daher können Einkünfte aus bisherigem Eigenbesitz
des Ansprechers (oder seines Ehegatten) oder aus vom einen oder andern
hinzugepachtetem oder noch zu pachtendem Lande nicht berücksichtigt
werden, ebensowenig ein Nebenverdienst des Übernehmers aus Taglohnarbeit
oder Hilfsanstellung auf einem fremden Bauerngewerbe. Anderseits muss es
eine landwirtschaftliche Existenz sein. Unter diesem Gesichtspunkt stellt
sich daher die Frage, ob Einkünfte aus Vermietung von Ferienwohnungen oder
Zimmern und aus Bedienung der Gäste bei Ermittlung des landwirtschaftlichen
Einkommens in Anschlag zu bringen sind. Soweit dieser Verdienst aus der
Lieferung der Produkte des eigenen landwirtschaftlichen Gewerbes (Milch,
Eier, Gemüse usw.) stammt, ist die Frage zu bejahen; denn der Verkauf der
eigenen Bodenerzeugnisse stellt neben dem Selbstverbrauch die normale Art
der Verwertung derselben dar. Zweifel erheben sich dagegen hinsichtlich
des eigentlichen Mietpreises. Einerseits hat die Vermietung von Wohnungen
oder Zimmern mit der Landwirtschaft nichts zu tun, anderseits aber stellt
sie, wenn das Bauernhaus, so wie es nun einmal dasteht, sie gestattet,
doch auch einen Ausfluss der Bodenrente aus demselben dar. Die Frage
kann indessen hier dahingestellt bleiben, da auch mit Einschluss der
Ferieneinnahmen die "ausreichende Existenz" nicht erreicht wird.

    c) Beizupflichten ist der Vorinstanz darin, dass bei Berechnung des
landwirtschaftlichen Einkommens auf den aus mehreren Jahren ermittelten
Durchschnitt abzustellen ist, den ein Eigentümer bei landesüblicher
und sorgfältiger Wirtschaftsführung erzielen kann, da es nicht auf
mit der Person des Bewerbers zusammenhängende oder witterungsbedingte
Zufälligkeiten ankommen darf.

    d) Bei ihrer Ertragsberechnung nimmt die Vorinstanz weiter an,
es müsse grundsätzlich in allen Fällen eine mittlere Verschuldung des
Gewerbes zugrunde gelegt werden, die der Experte für Wiesen-Alp-Betriebe
jener Gegend mit 45% angibt. Letzteres ist eine für das Bundesgericht
verbindliche Feststellung. Weniger einleuchtend erscheint auf den ersten
Blick, dass mit einer im konkreten Falle gar nicht vorhandenen Verschuldung
des Heimwesens gerechnet werden müsse. Für die objektive Berechnungsmethode
spricht indessen, dass die Höhe der auszuzahlenden Erbteile und das
Vorhandensein oder Fehlen von Eigenkapital zweifellos Faktoren sind, die
in der Person des Ansprechers und nicht im Heimwesen liegen und daher
bei einer allgemeingültigen Beurteilung der Tragfähigkeit des letztern
ausser Betracht bleiben sollten. Auch diese Frage kann jedoch hier offen
bleiben, weil die bei Schuldenfreiheit sich ergebende Verbesserung der
Ertragsrechnung um 5% (bzw. nach der Behauptung der Berufungsklägerinnen
um 7%) für das Resultat keine Rolle spielt.

    e) Weiter stellt sich die Frage, wem das Gewerbe eine ausreichende
landwirtschaftliche Existenz bieten muss, ob dem Übernehmer allein
oder seiner ganzen Familie in ihrem konkreten Bestande, oder aber einer
ortsüblichen Normalfamilie. Die Vorinstanz hat letzteres angenommen und,
obwohl die Eheleute Reuteler kinderlos sind, den Bedarf einer Familie
mit zwei schulpflichtigen Kindern als massgebend erklärt. Der Wortlaut
des Gesetzes spricht in der Tat eher für diese Auffassung; denn indem
es bestimmt, dass das Gewerbe eine ausreichende landwirtschaftliche
Existenz bieten muss, ohne aber zu sagen, für wen, scheint es einen
objektiven Massstab im Auge zu haben. Das Gewerbe muss schlechthin eine
genügende Existenz bieten, also doch wohl nicht nur einem zufälligerweise
alleinstehenden Bewerber oder einem kinderlosen Ehepaar. Da in der
Landwirtschaft ganz überwiegend eine Familie mit Kindern auf einem
Heimwesen zu sitzen pflegt und dies aus Betriebsgründen sogar fast
unerlässlich ist, verdient die objektive Betrachtungsweise den Vorzug. Auch
die Botschaft (S. 301) scheint auf diesem Standpunkt zu stehen, ebenso
KAUFMANN (1. c. S. 119) mit der Auffassung, das Gewerbe müsse "gestatten,
eine Familie von mittlerer Grösse zu unterhalten, wobei darauf Rücksicht
zu nehmen ist, dass zwischen den verschiedenen Landesgegenden der Schweiz
die mittlere Kinderzahl sehr schwankt". Vom allgemeinen Zweckgedanken
des bäuerlichen Erbrechts aus ist dieser Auffassung beizupflichten; denn
es will nicht dem einzelnen Bewerber ein Heimwesen sichern, das gerade
für ihn bei seinen zufälligen Verhältnissen noch ausreicht, sondern will
Heimwesen erhalten, welche die normale Existenz eines erwachsenen Mannes,
d.h. mit einer Familie mittlerer Grösse, ermöglichen. Die Annahme der
Vorinstanz, dass für das Berner Oberland mindestens mit einem Ehepaar
und zwei schulpflichtigen Kindern zu rechnen sei, ist eine gemäss Art. 63
Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindliche tatsächliche Feststellung.

    f) Für die Bemessung des Lebensbedarfs einer vierköpfigen Familie
stellt die Vorinstanz mit Recht nicht auf standesgemässe ortsübliche
Bedürfnisse, sondern auf das Existenzminimum ab, da dies schon in dem
gesetzlichen Ausdruck "ausreichende Existenz" angedeutet ist und es im
Sinne des Gesetzes liegt, dass auch Betriebe, die nur eine kärgliche
Existenz ermöglichen, ungeteilt vererbt werden können. Die Bezifferung
des Existenzminimums für ein Ehepaar mit zwei schulpflichtigen Kindern
im Turbachtal auf Fr. 5200.-- im Jahr ist wiederum tatsächlicher bzw.
ermessensmässiger Natur und daher verbindlich.

Erwägung 2

    2.- Deckt mithin das nach vorstehenden Gesichtspunkten zutreffend
auf Fr. 2406.-- errechnete landwirtschaftliche Einkommen dieses
Existenzminimum von Fr. 5200.-- nur zu 46%, so bietet das Heimwesen keine
ausreichende landwirtschaftliche Existenz im Sinne des Art. 620 ZGB. Dies
wäre, wie bereits bemerkt, auch dann nicht der Fall, wenn die Deckung 50%
überstiege; denn das landwirtschaftliche Gewerbe soll nach dem neuen Text
nicht nur die "Hauptexistenzgrundlage" bieten, sondern schlechthin eine
ausreichende Existenz.

    Wenn demgegenüber in der Literatur gegen diese Auslegung des neuen Art.
620 schwere Bedenken geäussert und insbesondere damit begründet werden,
sie müsste die Auflösung der meisten der rund 88 000 nur über 2-5 ha
Kulturland verfügenden, zusammen ca. 37% aller landwirtschaftlichen
Heimwesen ausmachenden Betriebe gesetzlich sanktionieren (BOREL/NEUKOMM,
Das bäuerliche Erbrecht des ZGB, 4. Aufl. 1954, S. 36 ff.), so handelt
es sich beim streitigen Heimwesen um ein noch kleineres von nur 1,5 ha
Kulturland (gegenüber 7,17 ha mittlerer Betriebsgrösse im Amt Saanen)
und im übrigen um eine gesetzgebungspolitische Frage.

Erwägung 3

    3.- Ist demnach die Berufung abzuweisen, weil die Vorinstanz mit der
Verneinung der Voraussetzung einer ausreichenden landwirtschaftlichen
Existenz nicht Bundesrecht verletzt hat, so braucht auf die weiteren
Voraussetzungen ungeteilter Zuweisung nach Art. 620 ff. nicht eingegangen
zu werden. Dahingestellt bleiben können aber auch die bisher im Prozess
nicht diskutierten Fragen: ob nicht durch die erwähnte Bestimmung in Art. 5
des Erbvertrages der Übernahmepreis entgegen Art. 620 (Ertragswert) auch
für den Übernehmer verbindlich auf Fr. 28'000.-- festgesetzt wäre (BGE 80
II 211), und wie sich das Verhältnis desselben zu den zahlreichen Erben
des Ehemannes Stamm-Frautschi, die im Prozess nicht zu Worte gekommen sind,
gestalten würde.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofs des
Kantons Bern, I. Zivilkammer, vom 14. Oktober 1954 bestätigt.