Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 III 54



81 III 54

16. Entscheid vom 28. April 1955 i.S. Gut. Regeste

    Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG). Meldepflicht des
Dritten. Anmeldung eines Pfandanspruchs nach gerichtlicher Abweisung des
zunächst angemeldeten Eigentumsanspruchs. Verwirkung des Widerspruchsrechts
wegen arglistiger Verzögerung der Anmeldung.

Sachverhalt

    In der Betreibung, die Alfred Gut gegen Hans Glaus führt, pfändete
das Betreibungsamt Hergiswil am See am 27. August 1954 mehrere
Einrichtungsgegenstände. Diese wurden von der Ehefrau des Schuldners
"gemäss Faustpfandvertrag und eingebrachtem Frauengut als Eigentum
angesprochen." Da der Gläubiger diese Ansprache bestritt, klagte Frau
Glaus auf Feststellung ihres Eigentums. Mit Urteil vom 2. Februar 1955,
zugestellt am 14. Februar 1955, wies das Kantonsgericht Nidwalden ihre
Klage ab. Hierauf machte Frau Glaus am 26. Februar 1955 an den gepfändeten
Gegenständen ein Faustpfandrecht geltend. Am gleichen Tag setzte das
Betreibungsamt dem Gläubiger gemäss Art. 106 SchKG Frist zur Bestreitung
dieses Anspruchs. Gegen diese Verfügung führte der Gläubiger Beschwerde,
weil Frau Glaus die Anmeldung ihres Pfandanspruchs arglistig verzögert
und damit ihr Widerspruchsrecht verwirkt habe. Am 4. April 1955 hat
die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen. Gegen diesen
Entscheid rekurriert der Gläubiger an das Bundesgericht mit dem Antrag,
das Widerspruchsrecht der Frau Glaus sei als verwirkt zu erklären und
das vom Betreibungsamt eingeleitete Widerspruchsverfahren einzustellen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Im Gegensatz zur frühern Praxis, die den Grundsatz aufgestellt hatte,
dass Drittansprachen bei Gefahr der Verwirkung des Widerspruchsrechts
binnen zehn Tagen seit sicherer Kenntnisnahme von der Pfändung
der betreffenden Gegenstände anzumelden seien, nimmt die neuere
Rechtsprechung des Bundesgerichts an, der Dritte verwirke jenes Recht
nur, wenn er die Anmeldung arglistig verzögere. Diese Voraussetzung ist,
wie in BGE 78 III 71 ff. ausgeführt, nicht bloss dann gegeben, wenn
sich der Dritte wesentlich und hauptsächlich gerade von der Absicht, das
Betreibungsverfahren in die Länge zu ziehen, hat leiten lassen. Vielmehr
verdient eine Verzögerung der Anmeldung immer dann mit Verwirkungsfolge
bedacht zu werden, wenn der Dritte sich der mit seinem Zuwarten verbundenen
Hemmung des Betreibungsverfahrens bewusst war und für sein Verhalten
keinen oder doch keinen ernsthaften Grund hatte (aaO S. 74).

    Im vorliegenden Falle kann entgegen der Ansicht des Betreibungsamtes
und der Vorinstanz keine Rede davon sein, dass die Ehefrau des Schuldners
ihr Faustpfandrecht schon bei der Pfändung geltend gemacht habe, was die
Annahme einer arglistigen Verzögerung von vornherein ausschlösse. Sie
hat damals zwar von einem Faustpfandvertrag gesprochen, aber gestützt
auf diesen Vertrag und die Behauptung, dass man es mit eingebrachtem
Frauengut zu tun habe, nicht ein Faustpfandrecht, sondern das Eigentum
an den gepfändeten Gegenständen beansprucht. Nachdem der Gläubiger
ihr Eigentum bestritten hatte, hat sie auf Feststellung ihres Eigentums
geklagt und im Prozess die Auffassung vertreten lassen, der "Schuldschein
mit Faustpfandabtretung" vom 1. Dezember 1953, der offenbar mit dem in
der Pfändungsurkunde erwähnten Faustpfandvertrag identisch ist, sei
"im Widerspruchsverfahren wirkungslos, also rechtlich für die Frage
eines dinglichen Anspruchs der Klägerin auf die Möbel unerheblich". Die
Faustpfandansprache hat sie erst am 26. Februar 1955, also ein halbes
Jahr nach der Pfändung angemeldet.

    Man kann sich ernstlich fragen, ob nicht Frau Glaus damit, dass
sie auf Grund des Faustpfandvertrags zunächst nicht ein Pfandrecht,
sondern das Eigentum beanspruchte und im Eigentumsprozess die erwähnte
Erklärung abgeben liess, implicite darauf verzichtet habe, in der hängigen
Betreibung ein Pfandrecht zu beanspruchen. Auf jeden Fall aber muss sie
sich bei der gegebenen Sachlage den Vorwurf gefallen lassen, die Anmeldung
dieses Anspruchs im Sinne der herrschenden Praxis arglistig verzögert
zu haben. Sie wurde nicht etwa erst durch das ihr am 14. Februar 1955
zugestellte Urteil über die Klage auf Feststellung des Eigentums darüber
belehrt, dass sie anstelle des Eigentums allenfalls ein Pfandrecht
an den streitigen Gegenständen beanspruchen könnte. Dass vielleicht
ein solches Recht in Frage kommen könnte, muss ihr vielmehr schon bei
der Pfändung bewusst gewesen sein, da sie sich ja schon damals auf das
Bestehen eines Faustpfandvertrags berief. Sie hatte deshalb allen Anlass,
neben dem Eigentum als Eventualanspruch auch das Pfandrecht geltend zu
machen. Wenn sie das getan hätte, so hätte das Widerspruchsverfahren über
beide Ansprachen zugleich durchgeführt werden können (BGE 69 III 39). Einen
ernsthaften Grund dafür, zunächst nur die Eigentumsansprache anzumelden
und mit der Pfandansprache erst nach der Abweisung der Eigentumsklage
aufzutreten, hatte sie nicht. Es konnte ihr auch nicht entgehen, dass ein
solches Vorgehen dazu angetan war, das Betreibungsverfahren zu hemmen. Nach
der erwähnten Rechtsprechung muss deshalb die Befugnis zur Geltendmachung
des Faustpfandrechts in der vorliegenden Betreibung als verwirkt gelten.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und
die vom Betreibungsamt Hergiswil a/See am 26. Februar 1955 erlassene
Fristansetzung aufgehoben.