Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 III 37



81 III 37

13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. März 1955 i. S. Konkursmasse
S. Heimann gegen N. Heimann. Regeste

    Frauengutsprivileg gemäss Art. 211 ZGB /219 IV. Kl.  SchKG.

    Bei Berechnung des privilegierten Teils der Ersatzforderung ist das
von der Ehefrau in natura zurückgenommene Eigentum nicht mit seinem Wert
zur Zeit der Einbringung, sondern mit demjenigen zur Zeit der Rücknahme
einzustellen.

Sachverhalt

    A.- Bei Eheschluss im Jahre 1926 hatte die Klägerin als Frauengut
Wertschriften und Barschaft im Betrage von Fr. 71'160.-- sowie
Mobiliar im damaligen Anschaffungswerte von Fr. 30'000.-- in die Ehe
gebracht. Im heutigen Konkurse des Ehemannes meldete die Klägerin eine
Frauengutsersatzforderung von Fr. 71'160.-- an und vindizierte das von ihr
eingebrachte Mobiliar, dessen heutiger Wert unbestrittenermassen noch Fr.
8000.-- beträgt. Die Konkursverwaltung anerkannte die Ersatzforderung
von Fr. 71'160.-- und berechnete das Frauengutsprivileg wie folgt:

    Ersatzforderung: Fr. 71'160.--

    Zurückgenommenes Mobiliar, Anschaffungswert: 30'000.--

    Eingebrachtes Frauengut zusammen: Fr. 101'160.--

    Privilegiert die Hälfte davon = 50'580.--

    abzüglich zurückgenommenes Mobiliar: 30'000.--

    In IV. Klasse privilegiert Differenz: Fr. 20'580.--

    (Rest in V. Klasse: 50'580.--)

    Gegen diese Kollokation erhob die Klägerin die vorliegende Klage
mit dem Begehren, bei der Berechnung des privilegierten Teils der
Frauengutsforderung sei das zurückgenommene Mobiliar mit seinem heutigen
Wert einzustellen und demgemäss seien von der Ersatzforderung Fr. 31'580.--
als privilegiert zu erklären gemäss folgender Rechnung:>

    Ersatzforderung: Fr. 71'160.--

    Zurückgenommenes Mobiliar, heutiger Wert: 8'000.--

    Eingebrachtes Frauengut zusammen: Fr. 79'160.--

    Privilegiert die Hälfte davon = 39'580.--

    abzüglich zurückgenommenes Mobiliar: 8'000.--

    In IV. Klasse privilegiert: Fr. 31'580.--

    (Rest in V. Klasse: Fr. 39'580.--)

    Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab unter Hinweis auf den
in BGE 52 II 423 ausgesprochenen Grundsatz, dass bei Ermittlung des
privilegierten Teils der Ersatzforderung die in natura zurückgenommenen
Gegenstände regelmässig zu dem Wert einzustellen seien, die sie zur Zeit
der Einbringung in die Ehe gehabt hätten.

    Auf Berufung der Klägerin hat dagegen das Obergericht die Klage
gutgeheissen und die Kollokation gemäss vorstehender Berechnung angeordnet.
Es führt aus, das Bundesgericht in dem zitierten Präjudiz und ihm folgend
das Bezirksgericht begründeten ihre Auffassung, die zurückgenommenen
Gegenstände seien nicht mit ihrem heutigen Werte, sondern mit demjenigen
zur Zeit ihrer Einbringung einzustellen, mit der Argumentation, wenn man
auf den heutigen, verminderten Wert abstellte, so würde das tatsächlich
dazu führen, dass die Konkursmasse des Ehemannes, also dieser selber,
für die Wertverminderung infolge Abnützung aufzukommen hätte. Es verhalte
sich aber, sagt das Obergericht, doch gerade umgekehrt: setze man für das
abgenützte Mobiliar den seinerzeitigen Anschaffungswert ein, so laufe das
darauf hinaus, dass der Ehemann für diesen höheren Wert verantwortlich
erklärt werde, m.a.W. Mobiliar im ursprünglichen Werte herauszugeben habe,
während er doch nach Gesetz für die normale Entwertung nicht aufzukommen
habe. Mit Recht habe daher das Zürcher Obergericht in einem Entscheide
(BlZR 31 [1932] Nr. 20), leider ohne Auseinandersetzung mit dem zit.
bundesgerichtlichen, der Berechnungsweise der Klägerin den Vorzug gegeben.

    B.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Konkursmasse Abweisung
der Klage. Die Klägerin trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Streitwert).

Erwägung 2

    2.- Zu entscheiden ist einzig die grundsätzliche Frage, ob bei
Berechnung des Frauengutsprivilegs die in natura zurückgenommenen
Gegenstände mit dem Wert, den sie bei der Einbringung hatten, oder mit
ihrem Wert zur Zeit der Rücknahme einzustellen seien. Das Bezirksgericht
hat - im Anschluss an das Bundesgericht in dem zitierten Entscheide von
1926 - das erstere, das Obergericht das letztere angenommen, beide mit der
Erwägung, mit der gegenteiligen Berechnungsart werde der Ehemann für die
im Laufe der Ehe eingetretene Wertverminderung der Möbel verantwortlich
gemacht, was dem Gesetz widerspreche.

    Diese Erwägungen gehen von der an sich richtigen Überlegung aus, dass
die Bewertung der zurückgenommenen Gegenstände nicht darauf hinauslaufen
dürfe, dem Ehemann eine nach Gesetz nicht bestehende Haftung für
Wertverminderung infolge ordnungsgemässer Abnützung aufzubürden. Dabei
wird aber auf beiden Seiten übersehen, dass weder die eine noch die
andere Berechnungsart zu diesem Ergebnis führt. Sowohl nach der Rechnung
des Bezirks- als nach der des Obergerichts bleibt der Gesamtbetrag der
Frauengutsersatzforderung, die teilweise Anspruch auf das Privileg
hat, unverändert, nämlich immer nur Fr. 71'160.-- und nicht mehr.
Verschieden ist je nach dem als massgebend angenommenen Wert der
zurückgenommenen Gegenstände einzig der Betrag des privilegierten
Teils dieser Ersatzforderung. Das ist aber lediglich eine Frage der
Aufteilung der vorhandenen Konkursaktiven unter einerseits die Ehefrau,
anderseits die übrigen Gläubiger; die Gesamtschuld des Ehemannes und,
falls die Aktiven nicht zur Deckung aller Konkursforderungen reichen,
der Gesamtbetrag der auszustellenden Verlustscheine wird dadurch nicht
berührt. Was nach der einen Berechnungsart die Ehefrau weniger an Dividende
und mehr an Verlustscheinen erhält, das erhalten die übrigen Gläubiger
mehr bzw. weniger. Der Totalbetrag der Schuld, der Auszahlung und der
Verlustscheine bleibt gleich. Daher kann keine der beiden Berechnungsarten
damit gerechtfertigt werden, dass die andere eine nach Gesetz nicht
bestehende Haftung des Ehemannes voraussetze. Ein anderer Grund für die
Einsetzung des Einbringungswertes der zurückgenommenen Gegenstände aber
wird in dem angezogenen Urteil des Bundesgerichts nicht angeführt; ein
solcher lässt sich auch nicht finden, und es kann an jener Auffassung
nicht festgehalten werden.

    Die von der Vorinstanz angewandte Berechnungsart dagegen ergibt sich
als natürliche Folge aus dem Begriff des "eingebrachten Frauengutes"
und dem bezüglichen System des Gesetzes.

    Unter der "Zurücknahme ihres Eigentums" (Art. 211 ZGB)
bzw. "Zurücknahme der noch vorhandenen Vermögenswerte" (Art. 219 SchKG)
versteht das Gesetz die Vindikation der von der Frau eingebrachten Sachen,
die während der Ehe sachenrechtlich ihr Eigentum geblieben sind. Für die
in das Eigentum des Mannes übergangenen Frauengutssachen gibt es nur eine
Ersatzforderung (Art. 201 Abs. 3 ZGB), keine "Zurücknahme".

    Das in natura noch vorhandene Frauengut nun besteht nicht in einem
unveränderlichen Wert, sondern in den Gegenständen selbst. Demgemäss
hat die Frau auch nicht Anspruch auf Vergütung eines allfälligen -
nicht vom Ehemann verschuldeten - Minderwertes oder die Pflicht zur
Vergütung eines - nicht vom Ehemann herbeigeführten - Mehrwertes, sondern
schlechthin auf Herausgabe der Sachen. Da nun aber nach Vorschrift der
genannten Bestimmungen für die Bemessung des privilegierten Teils der
Frauengutsersatzforderung das Verhältnis des zurückgenommenen Eigentums
zum Gesamtanspruch aus dem ganzen ehemaligen Einbringen, Vindikation
plus Ersatzforderung, massgebend ist, man aber nicht Franken und Möbel
addieren und subtrahieren kann, muss zu diesem Zwecke das zurückgenommene
Eigentum in einem Werte ausgedrückt werden. Dies aber kann nur der
gegenwärtige Wert der Sachen sein. Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt,
folgt dies schon aus dem der Vorschrift zu Grunde liegenden Prinzip der
Deckung: die Ehefrau geniesst für die Hälfte ihrer Ersatzforderung das
Konkursprivileg nur insoweit nicht, als sie durch die Zurücknahme ihres
noch vorhandenen Eigentums (und allfällige Sicherheiten) dafür gedeckt
ist; gedeckt wird sie aber nur mit den Werten, die sie wirklich erhält,
also mit dem gegenwärtigen - in casu durch den Gebrauch auf Fr. 8000.--
verminderten - Werte des Mobiliars.

    Das zurückgenommene Mobiliar nur gerade für diese Ermittlung des
privilegierten Teils der Ersatzforderung mit dem früheren Einbringungswerte
von in casu Fr. 30'000.-- einzusetzen, entbehrt jedes Sinnes, da doch
ausser Zweifel steht, dass dieser Wert für die Frauengutsforderung
selbst ohne jede Bedeutung ist, weil die Frau einfach die Sachen selbst
zurücknimmt, aber weder für eine Wertverminderung vom Manne Vergütung zu
fordern noch für eine Wertvermehrung ihm solche zu leisten hat.

    Dies hat freilich zur Folge, dass die Höhe des privilegierten
Teils einer neben dem Rücknahmeanspruch bestehenden Ersatzforderung
durch den Umfang der allfälligen Entwertung der zurückgenommenen
Gegenstände beeinflusst wird: je stärker die Entwertung, desto
höher das Privileg. Dieser Zusammenhang erweckt bei oberflächlicher
Betrachtung den Anschein, als ob im Ergebnis - zwar nicht der Ehemann,
aber - die Konkursmasse mit der Hälfte einer Ersatzforderung für die
Entwertung belastet werde. In casu beträgt die Differenz zwischen dem
vom Bezirksgericht und dem vom Obergericht angenommenen Privileg in
der Tat (Fr. 31'580.-- ./. Fr. 20'580.-- =) Fr. 11'000.--, also die
Hälfte der (Fr. 30'000.-- ./. Fr. 8000.-- =) Fr. 22'000.-- betragenden
Entwertung. Dass damit aber nicht die Masse mit einer Ersatzforderung
belastet wird, erhellt aus der Vergleichung des von der Vorinstanz
errechneten Privilegs (Fr. 31'580.--) mit demjenigen, das sich bei Annahme
einer Ersatzforderung für die Wertverminderung (Fr. 22'000.--) ergäbe; in
diesem Falle betrüge das Privileg Fr. 42'580.--, also Fr. 11'000.-- mehr
als nach der Rechnung der Vorinstanz. Dieser Mehrbetrag von Fr. 11'000.--
würde eine Belastung der Masse mit der Hälfte einer Ersatzforderung für die
Entwertung darstellen; er kann also unmöglich in dem um eben diesen Betrag
geringern Betrage von Fr. 31'580.-- enthalten sein; noch viel weniger
freilich - entgegen der Meinung der Vorinstanz - in dem nach der Methode
des bundesgerichtlichen Präjudizes sich ergebenden privilegierten Betrage
von Fr. 20'580.--. Nach der letztern Berechnungsart wird vielmehr die
Ehefrau mit dem von ihr zu tragenden Minderwert doppelt belastet, indem
man ihr einerseits - gemäss Gesetz - eine Ersatzforderung dafür versagt
und anderseits trotzdem die zurückgenommenen, auf Fr. 8000.-- entwerteten
Möbel mit Fr. 30'000.-- anrechnet, mit der Wirkung, dass sich ihr Privileg
um die Hälfte der Entwertung = Fr. 11'000.-- reduziert. In Wahrheit
verhält es sich mithin so, dass gerade deshalb, weil die Ehefrau keine
Ersatzforderung für den Minderwert hat, die zurückgenommenen Gegenstände
ihr nur mit dem Wert zur Zeit des Konkurses angerechnet werden dürfen.

    Dass die vom Bundesgericht seinerzeit angenommene Berechnungsart
nicht stimmen kann, erhellt übrigens auch aus der Vergleichung des
daraus folgenden Ergebnisses mit dem Privileg, das sich ergäbe, wenn der
Ehemann das Mobiliar kurz vor Konkursausbruch veräussert hätte. Da die
Ersatzforderung dem Wert zur Zeit der Veräusserung entspricht (vgl. EGGER
N. 3 und GMÜR N. 12 zu Art. 210 ZGB), ergäbe sich (beidemal bei voller
Deckung in IV. Kl. und Ausfall der V) folgende Rechnung:

    Ersatzforderung für Kapitaleinbringen: Fr. 71'160.--

    Ersatzforderung für veräussertes Mobiliar: 8'000.--

    zusammen = Fr. 79'160.--

    Privilegierte Hälfte = Totalempfang: 39'580.--

    Nach der erstinstanzlichen Berechnungsweise dagegen

    erhielte die Frau das Privileg von: Fr. 20'580.--

    und das Mobiliar im Werte von: 8'000.--

    somit zusammen nur Fr. 28'580.--,

    also effektiv Fr. 11'000.-- weniger, als wenn die Möbel kurz vorher
veräussert worden wären. Da nun kein Grund ersichtlich ist, weshalb die
Ehefrau bei Veräusserung der Möbel unmittelbar vor Konkurs besser fahren
sollte als bei deren Rücknahme in natura, folgt auch daraus, dass sie
nach der früheren Berechnungsweise Fr. 11'000.-- zu wenig erhält, also
diejenige der Vorinstanz richtig ist.

    Bei Werterhöhung des noch vorhandenen Einbringens ist aus der analogen
Überlegung, dass die Ehefrau den ohne Zutun des Mannes eingetretenen
Mehrwert für sich behalten darf, bei der Berechnung des Privilegs nicht
der ursprüngliche geringere Wert der zurückgenommenen Sachen, sondern
der zur Zeit des Konkurses gegebene höhere Wert einzustellen; andernfalls
würde die Frau doppelt begünstigt: man überliesse ihr - mit Recht - den
Mehrwert und würde - zu Unrecht - erst noch ihr Privileg um die Hälfte
dieses Mehrwertes erhöhen.

    Die Regelung des Frauengutsprivilegs kann allerdings für den
gleichen Gesamtwert des Einbringens zu sehr verschiedenen Resultaten
führen, je nach dem Verhältnis, in dem sich dieses aus Barkapital und
dergl. (Art. 201 Abs. 3) und aus Sachwerten zusammensetzte. Die Ordnung
des Art. 211 will den unterschiedlichen Risiken Rechnung tragen, denen
einerseits eine Ersatzforderung, anderseits Sachwerte im Laufe der Ehe
ausgesetzt sind. Während erstere zwar nominell auf einen festen Geldbetrag
lautet, ihre Bonität aber von der Zahlungsfähigkeit des Mannes abhängt,
sind die Sachwerte im allgemeinen der Entwertung durch den Gebrauch
unterworfen, einzelne Arten aber auch der Aufwertung fähig. Zwischen
diesen Gegebenheiten und Möglichkeiten will das System der Anrechnung
gemäss Art. 211 einen gewissen Ausgleich herbeiführen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 16. November 1954 bestätigt.