Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 III 24



81 III 24

8. Entscheid vom 4. Februar 1955 i.S. Fischer-Süffert AG Regeste

    Aussonderung im Konkurs. Pflicht der Konkursverwaltung, über einen
auf Grund eines Kaufvertrags mit Eigentumsvorbehalt nach Ablauf der
Eingabefrist angemeldeten Eigentumsanspruch eine Verfügung im Sinne von
Art. 242 SchKG zu treffen, auch wenn vorher auf Grund des gleichen Vertrags
eine pfandgesicherte Forderung eingegeben und kolloziert worden war.

Sachverhalt

    Im Konkurs über Ernst Schiess meldete die Rekurrentin am 24. Mai
1954 unter Vorlegung eines Kaufvertrags mit Eigentumsvorbehalt eine
pfandgesicherte Forderung von Fr. 4100.20 an. Das Konkursamt Werdenberg
(Konkursverwaltung) liess diese Forderung wie angemeldet zu. Zwei Gläubiger
erhoben jedoch Klage mit dem Begehren, die Kollokation als pfandgesicherte
Forderung sei aufzuheben. Der Prozess ist noch hängig.

    Am 9. November 1954 schrieb die Rekurrentin dem Konkursamt, sie habe
irrtümlich eine pfandgesicherte Forderung angemeldet; in Wirklichkeit
stehe ihr kraft Eigentumsvorbehalts das Eigentum an der dem Gemeinschuldner
verkauften Sache zu; die Konkursverwaltung habe ihr diese herauszugeben und
dabei gemäss Art. 242 SchKG zu verfahren. Am 16. November 1954 antwortete
das Konkursamt, es könne diesem Begehren (jedenfalls vorläufig) nicht
entsprechen.

    Gegen diese Verfügung führte die Rekurrentin am 17. November 1954
Beschwerde mit dem Antrag, sie sei aufzuheben und das Konkursamt sei
anzuweisen, gemäss Art. 242 SchKG vorzugehen und ihr die vindizierte
Sache herauszugeben oder eine Klagefrist anzusetzen. Am 15. Januar
1955 ist die kantonale Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nicht
eingetreten mit der Begründung, die Rekurrentin hätte dagegen, dass die
Konkursverwaltung eine pfandgesicherte Forderung kollozierte, statt das
Verfahren nach Art. 242 SchKG einzuleiten, binnen 10 Tagen seit Auflage
des Kollokationsplans Beschwerde führen sollen, wenn sie in Wirklichkeit
nicht eine Pfandforderung, sondern einen Eigentumsanspruch habe geltend
machen wollen.

    Vor Bundesgericht erneuert die Rekurrentin ihren Beschwerdeantrag.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Kollokationsverfügung des Konkursamtes entsprach genau der
Konkurseingabe der Rekurrentin. Diese wurde also durch jene Verfügung nicht
beschwert und konnte folglich dagegen nicht Beschwerde führen. Anlass zu
einer Beschwerde erhielt sie erst, als das Konkursamt am 16. November
1954 das von ihr am 9. November 195 gestellte Begehren ablehnte, über
ihren Eigentumsanspruch eine Verfügung im Sinne von Art. 242 SchKG zu
treffen. Die Beschwerde vom 17. November 1954 ist demnach rechtzeitig.

Erwägung 2

    2.- Eine Drittansprache ist auch dann zu berücksichtigen, wenn sie
erst nach Ablauf der Eingabefrist von Art. 232 Ziff. 2 SchKG angemeldet
wird (BGE 31 I 513 ff., 39 I 132 = Separatausgabe 8 S. 221 ff., 16 S. 14).
Der Umstand, dass die Rekurrentin zunächst eine pfandgesicherte Forderung
eingegeben hatte und diese im Kollokationsplan zugelassen worden war,
hinderte das Konkursamt keineswegs, über den am 9. November 1954 auf
Grund des gleichen Vertrags angemeldeten Eigentumsanspruch einen Entscheid
gemäss Art. 242 SchKG herbeizuführen. Mit der Anmeldung dieses Anspruchs
zog die Rekurrentin ihre Forderungseingabe, die sie als irrtümlich erfolgt
bezeichnete, zurück, womit die Kollokation der pfandgesicherten Forderung
hinfällig und der Kollokationsprozess gegenstandslos wurde. Ob die
Rekurrentin damit, dass sie zunächst eine pfandgesicherte Forderung eingab,
den Eigentumsvorbehalt verwirkt habe, wie das Konkursamt gemäss Ziffer 6
seiner Vernehmlassung vom 26. November 1954 annimmt, ist eine Frage des
materiellen Rechts, über die das Konkursamt im Rahmen von Art. 242 SchKG
entscheiden muss. Die Annahme, dass ein Aussonderungsanspruch unbegründet
sei, kann die Verweigerung der Anwendung von Art. 242 SchKG keinesfalls
rechtfertigen, sondern nur ein Motiv für die Abweisung des Anspruchs und
die Ansetzung einer Klagefrist an den Ansprecher bilden.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und
das Konkursamt Werdenberg angewiesen, über den von der Rekurrentin am 9.
November 1954 angemeldeten Eigentumsanspruch gemäss Art. 242 SchKG eine
Verfügung zu treffen.