Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 81 III 17



81 III 17

6. Entscheid vom 25. März 1955 i.S. Schüpbach. Regeste

    Pfändung von Forderungen. Art. 95 SchKG. Grundsätzlich ist eine
Forderung zu pfänden, sobald der betreibende Gläubiger deren Existenz
behauptet. Ist aber einem Begehren zu entsprechen, das sich auf ein
vom bevormundeten und als urteilsunfähig zu betrachtenden Schuldner
aufgestelltes Bordereau mit teilweise unsinnigen Angaben stützt?

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 9836 der Rekurrentin gegen den bevormundeten
Hans Schüpbach stellte das Betreibungsamt Nidau eine leere Pfändungsurkunde
als Verlustschein gemäss Art. 115 Abs. 1 SchKG aus. Zwar hatte der
Schuldner persönlich ein Verzeichnis von 14 Forderungen, betitelt
"Bordereau, Aktiva - Bestand per 1.12.1954", eingereicht und ausdrücklich
deren Pfändung und die Einleitung des Widerspruchsverfahrens über die
darin erwähnten Drittansprachen verlangt. Auch die Gläubigerin hatte,
unter Hinweis auf die Eingabe des Schuldners, ein gleiches Begehren
gestellt. Das Betreibungsamt hielt jedoch die Stellungnahme des Vormundes
des Schuldners für massgebend, der erklärte, pfändbare Vermögenswerte
des Schuldners seien ihm keine bekannt, und die von diesem angegebenen
Forderungen existierten seines Erachtens nicht, weshalb er "Nichtpfändung
der angeblichen Forderungen" beantrage.

    B.- Die kantonale Aufsichtsbehörde wies mit Entscheid vom 8. März
1955 eine Beschwerde der Gläubigerin "im Sinne der Erwägungen" ab, mit
der Begründung, grundsätzlich sei zwar dem Begehren eines betreibenden
Gläubigers, der die Pfändung einer bestimmten Forderung des Schuldners
gegen einen Dritten verlangt, ohne weiteres zu entsprechen, auch wenn
der rechtliche Bestand der betreffenden Forderung bestritten sei; der
blosse Hinweis auf das "Bordereau" des wegen krankhafter Prozessucht
bevormundeten, in bezug auf ihn betreffende Prozesse und Rechtssachen nicht
urteilsfähigen Schuldners könne jedoch nicht genügen; die Gläubigerin
möge selber die Forderungen, die nach ihrer Ansicht gepfändet werden
sollten, genau bezeichnen, worauf das Betreibungsamt ihrem Begehren werde
stattgeben müssen.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs beharrt die Gläubigerin auf ihrem Begehren
um Pfändung der im "Bordereau" des Schuldners verzeichneten Forderungen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Der angefochtene Entscheid verkennt nicht, dass Forderungen des
betriebenen Schuldners gepfändet werden müssen, sobald der betreibende
Gläubiger deren Existenz auch nur behauptet (BGE 54 III 240). Dem
Betreibungsamte steht darüber keine Entscheidung zu, sowenig wie über
das Eigentum an körperlichen Sachen (BGE 59 III 91). Nur ausnahmsweise
ist die Behauptung des betreibenden Gläubigers nicht massgebend: wenn
er selber nachträglich zur Überzeugung gelangt ist, dass die von ihm
als Pfändungsobjekt verzeigte Forderung nicht zu Recht besteht, und die
andern Beteiligten ihm darin beistimmen (BGE 74 III 80), und ferner,
wenn die Nichtexistenz behaupteter pfändbarer Rechte sich unzweifelhaft
aus dem Ausgang eines darüber ergangenen amtlichen Verfahrens ergibt
(BGE 80 III 77 Erw. 3). Hier liegt nun zwar nichts derartiges vor. Doch
ist der Vorinstanz darin Recht zu geben, dass die Rekurrentin es an
einer genügenden Bezeichnung der zu pfändenden Forderungen hat fehlen
lassen. Das vom bevormundeten Schuldner aufgestellte "Bordereau" ist
an und für sich unmassgeblich. Es muss vollends ausser Betracht fallen,
nachdem sein gesetzlicher Vertreter die darin verzeichneten Forderungen
für nicht existent hält. Unter diesen Umständen ist dem Betreibungsamte
nicht zuzumuten, eine Eingabe der Rekurrentin zu berücksichtigen, die sich
darauf beschränkt, auf dieses "Bordereau" hinzuweisen. Um so weniger,
als der Schuldner nach vorinstanzlicher Feststellung in Rechtssachen,
die ihn selbst betreffen, nicht urteilsfähig ist. Das von ihm verfasste
Bordereau lässt denn auch nicht nur bei einzelnen Forderungen die Angabe
eines Rechtsgrundes vermissen, wie sie zur genauen Bezeichnung unerlässlich
wäre. Es erscheint zum Teil als unsinnig, indem zu jeder der 14 angeblichen
Forderungen eine "Drittansprache" erwähnt wird, die der Schuldner dann in
ergänzenden Briefen an das Betreibungsamt bestreiten zu wollen erklärt,
und die in manchen Fällen darin bestehen soll, dass der Drittschuldner
selbst ein Pfand- oder Retentionsrecht an der betreffenden Verpflichtung
geltend mache. Angesichts derart widersinniger Angaben erscheint es
als ausgeschlossen, dass die Rekurrentin und ihr Anwalt den Inhalt des
"Bordereau" ernstlich zu eigenen Vorbringen machen wollen. Sollten sie bei
selbständiger, vom Schuldner unabhängiger Erkundigung zur Ansicht gelangen,
es seien tatsächlich bestimmte pfändbare Forderungen des Schuldners
vorhanden, so bleibt ihnen - auch nach dem angefochtenen Entscheid -
eine neue Eingabe an das Betreibungsamt unbenommen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.