Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 I 375



80 I 375

61. Urteil vom 22. Oktober 1954 i.S. Meierhans gegen
Eidg. Steuerverwaltung. Regeste

    Warenumsatzsteuer: Steuerpflicht eines Geleisebauunternehmens.

Sachverhalt

    A.- Der Beschwerdeführer Emil Meierhans betreibt ein Unternehmen für
Geleisebau. Er führt für die SBB Arbeiten an Bahngeleisen aus. Am 17. Juli
1952 trug ihn die eidg. Steuerverwaltung mit Wirkung vom 1. Juli 1952 an
als Grossisten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b WUStB in das Register
der Steuerpflichtigen ein. Mit Einspracheentscheid vom 5. November 1953
bestätigte sie ihren Standpunkt und verhielt den Beschwerdeführer, die
seit 1. Juli 1952 erzielten Umsätze und die darauf geschuldete Steuer zu
deklarieren. Sie nahm an, Meierhans führe dadurch Warenlieferungen aus,
dass er bei der gewerbsmässigen Herstellung von Bauwerken für fremde
Rechnung Werkstoffe mit dem Grund und Boden verbinde (Art. 10 Abs. 2,
Art. 15 Abs. 2 WUStB); denn seine Arbeit bei Geleiseerneuerungen und
-regulierungen bestehe in erster Linie in der Verbindung des Unterbau-
und Oberbaumaterials mit dem Bahntrasse. Ohne Bedeutung sei, dass die bei
der Herstellung verwendeten Werkstoffe von den SBB zur Verfügung gestellt
werden. Nach Abzug der steuerfreien "Verbindungslöhne" (Art. 22 Abs.
1 WUStB) ergebe sich auf jeden Fall, dass der Beschwerdeführer im Jahre
1951 für mehr als Fr. 35'000.-- Waren geliefert habe.

    B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den
Einspracheentscheid aufzuheben und den Beschwerdeführer von der
Warenumsatzsteuerpflicht zu befreien.

    Es wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe bis heute noch
nie Geleiseneubauten, sondern ausschliesslich Arbeiten an bestehenden
Geleiseanlagen ausgeführt. Wenn mit der eidg. Steuerverwaltung davon
auszugehen wäre, dass die Geleiseanlage Bestandteil des Bodens der
SBB werde, sobald sie vollständig erstellt sei, so wäre jedenfalls die
Geleiseregulierung in der Hauptsache steuerfrei; höchstens gewisse damit
verbundene unbedeutende Leistungen (Ersatz abgeschlagener Bolzen oder
Verteilung und Krampen geringer Mengen neuen Schotters) wären steuerbar,
nicht aber alle übrigen Verrichtungen (Anziehen der Befestigungsmittel,
Verschieben, Heben, Regulieren des Geleises nach abgesteckter Richtung
und Höhe, Umschaffen und Krampen des alten Schotters, Spurregulierung),
weil dabei einfach der Boden bearbeitet, nicht neues Material mit ihm
verbunden werde.

    Aber auch bei der Geleiseerneuerung beschränke sich die Aufgabe des
Beschwerdeführers im wesentlichen auf eine Bearbeitung des Bodens. Der
Sand und Schotter werde entgegen der Annahme der eidg. Steuerverwaltung
nicht erst durch das Feststampfen bzw. das Krampen Bestandteil des
Grundstücks. Bei anderer Betrachtung müsste man sich fragen, mit dem
wievielten Pickelschlag denn der Schotter die Bestandteilseigenschaft
erlange, und sie eventuell verneinen, wenn das Krampen schlecht ausgeführt
wurde. Der Schotter dürfe nicht einmal in den Boden gestampft werden. Er
werde nur ausgeebnet und unter den Schwellen verdichtet, so dass Schienen,
Schwellen und Schotter jederzeit ohne die geringste Zerstörung oder
Beschädigung der Hauptsache wieder losgetrennt werden könnten. Die
äussere Verbindung von Schienen, Schwellen und Schotter mit dem Boden
bleibe vom Ablad bis zur Fertigstellung der Baute stets gleich, da sie
immer nur durch die Schwerkraft und die Adhäsion bewirkt werde, weshalb es
willkürlich sei, eine "Verbindung" oder einen "Einbau" irgendwo zwischen
dem Ablad und der Abnahme der fertigen Baute zu konstruieren. Massgebend
sei der innere Zusammenhang. So werde die Bestandteilseigenschaft des
Materials schon durch den Ablad begründet, wenn daraus die Absicht,
es für eine Dauerbaute zu verwenden, erkennbar sei; umgekehrt werde
sie durch eine als bloss vorübergehend gedachte Trennung vom Bahnkörper
nicht aufgehoben. Daher seien von den Arbeiten, die der Beschwerdeführer
besorge, höchstens steuerbar der Ablad von Schotter und Sand - die neuen
Schienen und Schwellen lade der Bahndienst selbst ab - und der Verlad der
alten Schienen und Schwellen. Das Entgelt für diese Leistungen mache aber
niemals mehr als Fr. 35'000.-- im Jahr aus.

    C.- Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Warenumsatzsteuerbeschluss unterwirft der Abgabe unter anderm
die Lieferung von Waren (Art. 13 Abs. 1 lit. a). Als Warenlieferung
gilt nach Art. 15 Abs. 2 auch die Ablieferung der auf Grund eines
Werkvertrages oder Auftrages hergestellten Ware sowie die Verbindung von
Werkstoffen mit dem Grund und Boden bei der gewerbsmässigen Herstellung
(Art. 10 Abs. 2) von Bauwerken für fremde Rechnung. Unter Bauwerken im
Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses sind Bauten zu verstehen, die
Bestandteil des Bodens werden, auf den sie zu stehen kommen. Das trifft
nur zu für Dauerbauten, nicht auch für Fahrnisbauten, die sich von jenen
darin unterscheiden, dass sie ohne Absicht dauernder Verbindung auf dem
Boden aufgerichtet werden (Art. 677 ZGB). Art. 667 Abs. 2 ZGB, wonach
Bauten Bestandteil des Bodens sind - auch wenn infolge ihrer Wegnahme das
Grundstück nicht zerstört, beschädigt oder verändert wird (vgl. Art. 642
Abs. 2 ZGB) -, betrifft nur Dauerbauten (HAAB, N. 5 zu Art. 642, N. 13
ff. zu Art. 667 ZGB). Fahrnisbauten sind Ware im Sinne des Art. 17
WUStB, da sie Gegenstand eines Fahrniskaufes sein können. Werden solche
Bauten auf Grund eines Werkvertrages oder Auftrages errichtet so gilt
daher als Warenlieferung ihre Ablieferung nach der Herstellung, während
bei der gewerbsmässigen Herstellung von Dauerbauten für fremde Rechnung
bereits die Verbindung der Werkstoffe mit dem Boden als Warenlieferung
zu betrachten ist (Art. 15 Abs. 2 WUStB). Geleiseanlagen, wie sie die
SBB für ihr Bahnnetz erstellen lassen, sind Dauerbauten, da sie mit der
Absicht bleibender Verbindung errichtet werden.

Erwägung 2

    2.- Die bei der Herstellung einer solchen Geleiseanlage verwendeten
Werkstoffe werden Bestandteil dieses Bauwerks und damit des Bodens, sobald
sie derart zu einem Sachganzen, eben dem Bauwerk, verbunden sind, dass sie
nicht mehr als selbständige Sache, als Fahrnis betrachtet werden können.
Erforderlich ist einmal eine äussere, physische Verbindung, die nicht ohne
Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Sachganzen wieder gelöst
werden kann (Art. 642 Abs. 2 ZGB). Dazu muss kommen eine gewisse innere
Verbindung, eine Beziehung der Hauptsache zum Bestandteil; der Teil muss
"zum Bestande der Sache gehören", d.h. mit der Hauptsache bestimmungsgemäss
eine Einheit bilden (BGE 76 II 30 f.). Es liegt auf der Hand, dass eine
solche äussere und innere Verbindung nicht schon durch den Ablad des vom
Beschwerdeführer verwendeten Baumaterials auf dem Bahntrasse hergestellt
wird. Das Material bleibt Fahrnis, solange es auf dem Bauplatz lediglich
deponiert ist. Die blosse Absicht, es für die Baute zu verwenden, ändert
daran noch nichts. Erst der Einbau in die Geleiseanlage macht es zu deren
Bestandteil. Er wird bewerkstelligt durch die Verbindung des aus Schienen
und Schwellen zusammengesetzten Geleises mit dem Schotter und des Schotters
mit dem Bahntrasse. Der Schotter wird durch das Unterkrampen und Verdichten
unter den Schwellen eingebaut. Erst dadurch werden Geleise und Schotter
mit dem Boden der SBB bestimmungsgemäss und dauernd verbunden. Es ist
klar, dass die Schwerkraft und die Adhäsion allein diese Verbindung nicht
bewirken,wenn sie auch wesentlich dazu beitragen. Müssig sind die Fragen,
mit dem wievielten Pickelschlag die Bestandteilseigenschaft des Schotters
entstehe und ob sie nicht verneint werden müsse, wenn das Krampen schlecht
ausgeführt worden ist. Das Krampen und die übrigen Arbeiten müssen so
besorgt werden, dass die feste und dauernde Verbindung, ohne die eine
bestimmungsgemäss verwendbare Geleiseanlage nicht entsteht, tatsächlich
erreicht wird. Die Bestandteilseigenschaft des derart eingebauten Materials
ist daran erkennbar, dass es ohne Beschädigung oder Veränderung des
Bauwerks, der Geleiseanlage, nicht mehr losgetrennt werden kann.

    Nach der Rechtslehre hebt freilich eine bloss vorübergehende Trennung
die Bestandteilseigenschaft nicht auf (HAAB, N. 29 zu Art. 642 ZGB). Daher
hätte man es im Falle, wo der Beschwerdeführer bei der Geleiseregulierung
lediglich altes Material lostrennt und alsbald wieder an Ort und Stelle
besser einbaut, nicht mit einer unter Art. 15 Abs. 2 WUStB fallenden
Verbindung von Werkstoffen mit dem Boden bei der Herstellung von
Bauwerken zu tun, sondern mit blosser Bearbeitung des Bodens, dessen
Bestandteil das bereits vorhandene Bauwerk ist. Auf jeden Fall aber ist
diese Bestimmung überall dort anwendbar, wo der Beschwerdeführer neues
Material einbaut: Dadurch werden bei der Herstellung (Neuerstellung
oder Instandstellung, Art. 10 Abs. 2 WUStB) eines Bauwerks Werkstoffe
erstmals derart mit dem Boden verbunden, dass sie zu Bestandteilen des
Bauwerks und damit des Bodens werden. Das gilt für Regulierungsarbeiten
wie für Gesamterneuerungsarbeiten (Erneuerung des Ober- und des Unterbaus
oder nur der Schwellen oder nur des Schotters). Dabei ist grundsätzlich
gleichgültig, ob das neue Material vom Beschwerdeführer selbst geliefert
oder ihm von den SBB zur Verfügung gestellt wird (BGE 80 I 47).

Erwägung 3

    3.- Wird eine Ware, wie hier, zur Herstellung von Bauwerken
verwendet, so bemisst sich das steuerbare Entgelt nach dem Wert der
Ware im Zeitpunkt ihrer Verbindung mit dem Grund und Boden (Art. 22
Abs. 1, Satz 3 WUStB). Daher kommen die Löhne und übrigen Kosten,
die auf die nach dieser Verbindung vorgenommenen Arbeiten entfallen
(sog. Verbindungslöhne), für die Berechnung des steuerbaren Umsatzes
nicht in Betracht. Die Verwaltungspraxis lässt gestützt auf Art. 34 Abs
2 WUStB eine annäherungsweise Ermittlung des steuerbaren Betreffnisses
in der Weise zu, dass vom Gesamtbetrag der Kosten der betreffenden
baugewerblichen Leistung jeweilen ein bestimmter einheitlicher Prozentsatz
für steuerfreie Verbindungslöhne abgezogen wird. Auf Grund vorläufiger
Schätzungen, die insbesondere die Höhe der Verbindungslöhne betreffen,
ist die eidg. Steuerverwaltung zur Annahme gelangt, dass die Summe der
steuerbaren Entgelte, die der Beschwerdeführer in den Jahren 1951 - 1953
für im Auftrage der SBB vorgenommene Geleisebauarbeiten vereinnahmt hat,
weit mehr als Fr. 35'000.-- jährlich beträgt. Es besteht kein Grund,
diese Berechnung zu beanstanden. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer
zu Recht als Grossist im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b WUStB eingetragen
und der Deklarationspflicht unterworfen wurde. Eine genauere Ausscheidung
und Berechnung der steuerbaren und der steuerfreien Arbeiten und Entgelte
ist im gegenwärtigen Verfahren nicht erforderlich. So kann offen gelassen
werden, ob auch solche Regulierungsarbeiten, bei denen kein neues Material
eingebaut wird, der Besteuerung unterliegen. Es steht auf jeden Fall fest,
dass der Beschwerdeführer jährlich für mehr als Fr. 35'000.-- steuerbare
Warenlieferungen ausgeführt hat.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.