Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 I 370



80 I 370

60. Auszug aus dem Urteil vom 3. Dezember 1954 i.S. Muggli gegen
Webrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Regeste

    Wehrsteuer: Die Kundschaft des Milchhändlers stellt kein Vermögensrecht
dar und unterliegt der Wehrsteuer auf dem Vermögen nicht.

Sachverhalt

    A.- A. Muggli, Milchhändler in Zürich, wurde für die Wehrsteuer
VI beim Vermögen abweichend von seiner Steuererklärung eingeschätzt,
indem zusätzlich die Milchkundschaft erfasst wurde. Die am massgebenden
Stichtag, dem 1. Januar 1951, gültige Ordnung über den Milchhandel in
der Stadt Zürich ist nicht umstritten. Hervorzuheben ist folgendes:

    Für die Milchlieferung ins Haus (Strassenkundschaft) gilt die
Quartiereinteilung mit Einerbezirken, d.h. jedem Milchhändler ist
ein Lieferbezirk zugewiesen, worin ausschliesslich er und ausserhalb
dessen er nicht ins Haus liefern darf. (Eine Ausnahmebestimmung,
wonach einem Kunden auf begründete Beschwerde hin die Belieferung durch
einen andern Milchhändler bewilligt werden kann, ist ohne praktische
Bedeutung geblieben, ebenso eine andere, wonach Milchproduzenten
ihre eigene Milch ohne Rücksicht auf die Quartiereinteilung ins Haus
liefern dürfen.) Die Quartiereinteilung gilt nicht für Lieferungen an
Gewerbekundschaft (Restaurants und andere kollektive Haushaltungen,
denen die Milch in grösseren Mengen ins Haus geliefert wird) und für
den Ladenverkauf. Praktisch rekrutiert sich die Ladenkundschaft aus der
Nachbarschaft, d.h. aus dem eigenen Lieferbezirk des Milchhändlers. Die
Bedeutung der Kundschaft wird in Tageslitern gemessen und beim Verkauf
von Milchgeschäften entsprechend entschädigt. Übersetzte Entschädigungen
sind verboten. In Zürich werden bei Freihandverkauf Entschädigungen von
Fr. 45.- je Tagesliter erzielt und genehmigt. Bei Stillegung von Geschäften
werden aus einem Sanierungsfonds für die Strassen- und Ladenkundschaft
Fr. 30.- und für die Gewerbekundschaft Fr. 20.- je Tagesliter vergütet;
die so aufgekauften Umsätze werden sanierungsbedürftigen Milchhändlern
zugeteilt gegen Bezahlung der halben Ansätze. - Die Veranlagungsbehörde
betrachtete die Strassen- und die Ladenkundschaft als steuerpflichtiges
Vermögen im Werte von Fr. 30.- je Tagesliter.

    B.- Eine Beschwerde Mugglis hiegegen wurde von der
Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (WStRK) teilweise
gutgeheissen und die Einschätzung des Vermögens herabgesetzt.

    Zur Begründung wird ausgeführt, die Frage der Besteuerung der
Milchkundschaft sei für die kantonalen Steuern von der Oberrekurskommission
in mehreren Entscheiden vom 10. Dezember 1953 (darunter ein Entscheid
Hinnen) eingehend geprüft worden. Sie habe unterschieden zwischen
Strassen-, Laden- und Gewerbekundschaft. Soweit durch behördliche
Vorschriften subjektive Rechte begründet würden, seien diese als
Vermögensrechte steuerlich zu erfassen. Das treffe beim Milchhandel
insofern zu, als dem einzelnen Händler die ausschliessliche Befugnis
eingeräumt sei, innerhalb eines bestimmten Bezirks Milch ins Haus zu
liefern; sie verschaffe ihm ein öffentlich-rechtliches Alleinvertriebsrecht
mit Bezug auf die ihm zugeteilte Strassenkundschaft, das ihm nur gegen
Entschädigung wieder beschränkt oder entzogen werden könne. Es handle sich
um ein geldwertes Recht, dem alle für die Vermögensbesteuerung wesentlichen
Merkmale anhafteten. Dagegen bestehe für die Gewerbe- und Ladenkundschaft
kein rechtliches Lieferungsmonopol. Die Oberrekurskommission habe
deshalb für die Staatssteuer erkannt, dass die Strassenkundschaft als
Vermögensrecht zu erfassen, die Gewerbe- und die Ladenkundschaft dagegen
ausser acht zu lassen sei. Die gleichen Erwägungen seien auch gültig
für das Wehrsteuerrecht, da die massgebenden Vorschriften des WStB über
die Vermögensbesteuerung mit denjenigen des kantonalen Steuergesetzes
übereinstimmten.

    C.- Hiegegen führt A. Muggli Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, die Strassenkundschaft sei als nicht wehrsteuerpflichtig zu
erklären und die Vermögenseinschätzung Mugglis herabzusetzen.

    Er führt u.a. aus, wirtschaftlich sei die Ladenkundschaft die
wertvollste und die Strassenkundschaft die am wenigsten rentable, weil
bei gleichen Verkaufspreisen die Vertriebsspesen im Laden am kleinsten
und bei der Strassenkundschaft wegen der Vielzahl der auswärts zu
beliefernden Kunden am grössten seien. Indem der angefochtene Entscheid
die Strassenkundschaft als Vermögensrecht behandle, setze er sich in
Widerspruch zu Art. 27 Abs. 1 WStB, der keinerlei Geschäftskundschaft
der Vermögenssteuer unterwerfe, zur bisherigen Doktrin und zur Praxis
der andern Kantone und des Bundesgerichts (BGE 73 I 252) sowie zu dem
staats- und verwaltungsrechtlichen Grundsatz, wonach Rechtsnormen,
die in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen, nicht ausdehnend zu
interpretieren seien.

    Er habe sein Geschäft im Jahre 1927 übernommen und dabei lediglich
eine Ladenkundschaft von 10-12 Tageslitern angetreten. Die ganze
übrige Kundschaft habe er sich selbst durch seine Arbeit erworben. Die
schweizerische Praxis betrachte es geradezu als selbstverständlich, dass
ein durch Arbeit erworbener Geschäftswert bei Feststellung des steuerbaren
Vermögens nicht angerechnet werde (BGE 73 I 256).

    Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen

Auszug aus den Erwägungen:

                          in Erwägung:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 27 Abs. 1 WStB unterliegt der Wehrsteuer das gesamte
um die nachgewiesenen Schulden gekürzte bewegliche und unbewegliche
Vermögen. Eine eigentliche De finition des Vermögensbegriffes stellt
das Gesetz nicht auf. Lehre und Rechtsprechung verstehen darunter
den Inbegriff der einer Person privatrechtlich zustehenden Sachen und
geldwerten Rechte (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, S. 107; BGE 75
I 253). Darüber besteht - abgesehen von einer Differenz über die in dem
Merkmal "privatrechtlich" enthaltene Beschränkung - auch im vorliegenden
Falle Einstimmigkeit. Der Streit dreht sich zur Hauptsache darum,
ob die Strassen- und Ladenkundschaft ein dem Milchhändler zustehendes
geldwertes Recht ist oder nicht. Geldwerte Rechte sind solche, die einen
rechtlich realisierbaren Anspruch begründen. Der sog. Geschäftswert
eines Unternehmens (Goodwill), gleichgültig ob er selbst geschaffen oder
gegen Entgelt erworben wurde, gehört nicht zum steuerbaren Vermögen,
ausser wenn er sich auf den Wert von Gegenständen des Anlagevermögens
(Sachgüter und Rechte) im Sinne einer Werterhöhung auswirkt (BGE 73 I
256). Das gilt insbesondere für den Kundschaftswert, der den wichtigsten
Fall von Goodwill bildet.

    Nach der Auffassung der Oberrekurskommission und der
Wehrsteuer-Rekurskommission bildet aber im Milchhandel die
Strassenkundschaft - und nach der Meinung des kantonalen Steueramtes
auch die Ladenkundschaft - nicht nur einen Vermögenswert, sondern ein
Vermögensrecht, weil auf Grund der öffentlich-rechtlichen Ordnung der
Milchhändler diesbezüglich ein rechtlich geschütztes Monopol besitzt. In
der Tat darf nach den einschlägigen Vorschriften - und durfte in gleicher
Weise schon nach den am 1. Januar 1951 gültigen - in dem ihm zugewiesenen
Lieferbezirk ausschliesslich er Milch ins Haus liefern (ausser den
praktisch bedeutungslosen Fällen begründeter Reklamation gegen ihn und der
Lieferung eigener Milch durch Produzenten); bezüglich der Hauslieferung
in diesem Bezirk hat er also eine rechtlich geschützte Monopolstellung.
Immerhin obliegt der Kundschaft keine positive Verpflichtung, Milch
von ihm zu beziehen; die Bewohner des Bezirks dürfen sich zwar die
Milch nicht von andern Händlern ins Haus liefern lassen, können aber
auf den Bezug von Milch überhaupt verzichten oder sie in Läden anderer
Lieferbezirke holen. Praktisch spielen freilich diese beiden Möglichkeiten
keine Rolle, weil die Milch ein allgemein notwendiger Bedarfsartikel
ist und in der Regel von denjenigen Kunden, die sie sich nicht ins Haus
liefern lassen, im nächsten Milchladen bezogen wird. Doch begründet das
daraus resultierende Monopol keinen realisierbaren Anspruch gegenüber den
Einwohnern des Lieferbezirks - und zwar weder bezüglich der Ladenbedienung,
wo es nur tatsächlicher Natur ist, noch bezüglich der Milchlieferung ins
Haus, wo die Konkurrenz auch rechtlich ausgeschlossen ist. Die Laden-
wie die Strassenkundschaft stellt wohl einen Vermögenswert, nicht aber
ein Vermögensrecht dar. Wie die bestehende Kundschaft eines Unternehmens
überhaupt, sei es mit oder ohne tatsächliches Monopol, so lässt sich
auch diejenige des Milchhändlers als eine blosse Gewinnchance auffassen,
der freilich dank der bestehenden öffentlich-rechtlichen Ordnung eine
fast vollständige Sicherheit innewohnt. Das kommt aber auch bei andern
Geschäftsarten vor, z.B. bei Elektroinstallateuren, Kaminfegern usw., ohne
dass deshalb die Kundschaft als steuerbares Vermögen betrachtet würde. Die
besonderen Vorschriften für den Milchhandel verleihen der Kundschaft keinen
grundsätzlich anderen Charakter als in anderen Gewerben und vermögen
keine abweichende steuerliche Behandlung derselben zu rechtfertigen;
insbesondere wird dadurch weder die Strassen- noch die Ladenkundschaft
zu einem Vermögensrecht.

    Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass bei Verkauf oder
Stillegung eines Milchgeschäftes für die Kundschaft eine Vergütung
geleistet wird. Das erklärt sich daraus, dass sie tatsächlich einen
Vermögenswert oder wenigstens eine Gewinnchance darstellt. Jene Vergütung
ist denn auch nicht auf die Strassenkundschaft beschränkt, sondern wird
auch für die Ladenkundschaft ausgerichtet, bei der kein rechtliches Monopol
besteht, ja sogar für die Gewerbekundschaft, von der unbestritten ist,
dass sie kein steuerbares Vermögen ist.

Erwägung 4

    4.- Da die Kundschaft des Milchhändlers somit kein Vermögensrecht
darstellt, unterliegt sie der Wehrsteuer auf dem Vermögen nicht. Damit
entfällt die Prüfung der in der Beschwerde und den Vernehmlassungen dazu
diskutierten weiteren Fragen, ob der Besteuerung nur auf Privatrecht oder
auch auf öffentlichrechtlichen Vorschriften beruhendes Vermögen unterliege
und ob für die Bewertung die bei Stillegung geleistete Vergütung oder
der bei Freihandverkauf erzielbare Preis massgebend sei.