Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 I 272



80 I 272

45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1954
i.S. Spiesshofer gegen Firma Spiesshofer & Braun und Justizdirektion des
Kantons Aargau. Regeste

    Art. 554 und 937 OR, 59 Abs. 1 HRegV.

    Schrittweise Bereinigung des Handelsregister-Eintrages einer
Kollektivgesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod
und Streit über die Nachfolgerechte.

Sachverhalt

    Seit 1935 besteht mit Sitz in Zurzach die Kollektivgesellschaft
Spiesshofer & Braun. Im Handelsregister sind nachstehende Gesellschafter
verzeichnet: Paul Spiesshofer, Kurt Braun, Herbert Braun und Fritz
Spiesshofer jun., alle deutsche Staatsangehörige und wohnhaft in Heubach
(Württemberg). Fritz Spiesshofer fiel am 25. August 1944 an der Ostfront.
Sein testamentarischer Alleinerbe ist der Sohn Wolfgang Georg Spiesshofer,
gesetzlich vertreten durch die Mutter Hedi Spiesshofer-Grimminger in
Heubach. Am 12. Dezember 1952 starb auch Paul Spiesshofer, der neben Kurt
Braun die Befugnis zur Einzelunterschrift für die Gesellschaft besass. Er
hinterliess als Alleinerbin seine Witwe Frieda Spiesshofer-Wagner,
in Heubach.

    Nach vorausgegangenen Vorkehren und Korrespondenzen wurden
am 22. Juli 1953 dem Handelsregisteramt des Kantons Aargau zwei
Anmeldungen für Änderungen des Registereintrages der Kollektivgesellschaft
unterbreitet, die eine betreffend Tod und Ausscheiden der Gesellschafter
Fritz und Paul Spiesshofer, die zweite betreffend den Eintritt des
minderjährigen Wolfgang Georg Spiesshofer als neuer Gesellschafter ohne
Vertretungsermächtigung. Sie waren unterzeichnet von den verbliebenen
Gesellschaftern Kurt und Herbert Braun sowie von Frau Hedi Spiesshofer.

    Die Witwe und Erbin Paul Spiesshofers, Frau Frieda Spiesshofer-Wagner,
wurde am 16. Oktober 1953 vom Handelsregisteramt vorschriftsgemäss
eingeladen, bei der Löschung der Eintragung ihres Ehemannes als
Kollektivgesellschafter mitzuwirken. Sie lehnte es ab, die Anmeldung
zu unterschreiben und verlangte, es sei zur Zeit von der Eintragung des
Ausscheidens von Paul Spiesshofer Umgang zu nehmen. Daraufhin wies das
Handelsregisteramt die Akten zum Entscheid an die Aufsichtsbehörde.

    Mit Verfügung vom 4. Februar 1954 erliess die Justizdirektion des
Kantons Aargau an Frau Frieda Spiesshofer-Wagner die Aufforderung,
binnen 10 Tagen die Anmeldung über das Ausscheiden ihres Gatten
als Kollektivgesellschafter zu unterzeichnen, und ermächtigte das
Handelsregisteramt für den Weigerungsfall zur selbständigen Vornahme
einer formulierten Eintragung.

    Die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren,
"es sei ... die Eintragung des Ausscheidens von Paul Spiesshofer aus
der Kollektivgesellschaft Spiesshofer & Braun so lange aufzuschieben,
bis die Frage des Nachfolgerechtes der Beschwerdeführerin als
Kollektivgesellschafterin, event. als Kommanditistin geklärt ist und
ihr Eintritt in die Gesellschaft gleichzeitig eingetragen werden kann",
wird vom Bundesgericht abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Laut Art. 20 HRegV in Verbindung mit Art. 554 OR hat die Eintragung
einer Kollektivgesellschaft im Handelsregister u.a. den Namen, den Wohnort
und die Staatszugehörigkeit jedes Gesellschafters zu enthalten. Das
ist schon darum geboten, weil das Handelsregister die Klarlegung der
Haftungsverhältnisse zumindest mitbezweckt (vgl. Art. 110-112 HRegV
über die Vormerkung des ehelichen Güterstandes). Ist aber eine Tatsache
im Register eingetragen, so muss auch jede Änderung dieser Tatsache
eingetragen werden. So bestimmt ausdrücklich Art. 937 OR. Die HRegV
wiederholt den Grundsatz in Art. 59 Abs. 1 und ordnet anschliessend das
zu seiner Durchsetzung dienende Verfahren. Die Eintragung des Ausscheidens
eines gestorbenen Gesellschafters ist somit, auch abgesehen von dem durch
das Eidg. Justizdepartement herangezogenen Art. 38 HRegV, von Gesetzes
wegen unumgänglich.

Erwägung 2

    2.- Eine bezügliche und ihr als Erbin obliegende Meldepflicht
(vgl. Art. 24 HRegV und 938 OR) bestreitet die Beschwerdeführerin an sich
nicht. Was sie erreichen will, ist die Rückstellung der Registeränderung
bis zur Klärung ihrer Nachfolgerechte.

    Nun trifft zwar zu, dass das Handelsregister unvollständigen
Aufschluss über die wirklichen Verhältnisse vermittelt, wenn beim Tode
eines Gesellschafters zunächst lediglich sein Ausscheiden und nicht auch
der Eintritt eines ihn ersetzenden Erben eingetragen wird. Solange die
Rechtsstellung eines Erben in der Kollektivgesellschaft und überhaupt
dessen Beziehung zu ihr ungewiss sind, ergibt sich ein Schwebezustand. Im
Hinblick darauf schlägt gegenüber den Beschwerdevorbringen die Berufung
auf das in Art. 38 HRegV niedergelegte sogenannte Wahrheitsprinzip nicht
schlechtweg durch. Indessen fragt sich, ob das Gesetz jenen Schwebezustand
besonders berücksichtige. Das ist nach dem vorstehend Dargelegten
zu verneinen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod und der
Eintritt des Erben für ihn hängen wohl unter sich als Ursache und Wirkung
zusammen, sind jedoch nichtsdestoweniger Tatsachen eigener Art und als
solche getrennter Eintragung fähig. Ein gesetzlicher Zwang zu gemeinsamer
Aufnahme ins Register besteht nicht. Entgegen der Beschwerdebehauptung
wird durch die Eintragung des Ausscheidens eines Gesellschafters wegen
Ablebens über die künftige Gestaltung der Gesellschaft und die Stellung
des Erben nichts ausgesagt noch diese präjudiziert. Die Tatsachenänderung,
welche der Tod eines Gesellschafters in Hinsicht auf die persönliche
Zusammensetzung der Gesellschaft mit sich bringt, muss jedenfalls
eingetragen werden. Insoweit droht keine Notwendigkeit zu nachträglicher
Berichtigung. Bliebe aber der verstorbene Gesellschafter bis zur Erledigung
einer hängigen Auseinandersetzung über die Erbnachfolge eingetragen, so
gäbe das Register nicht bloss ein unvollständiges, sondern ein falsches
Bild der Verhältnisse, und das in einem Belange, der jeglicher Unsicherheit
entrückt ist. Die schrittweise Bereinigung des Registers in der Weise,
dass das Ausscheiden eines verstorbenen Gesellschafters vorweg und der
Eintritt des Erben - die von ihm gesuchte Zubilligung des Nachfolgerechts
vorausgesetzt - später eingetragen werden, ist nach Massgabe der
anwendbaren Vorschriften zulässig und deckt sich übrigens mit der alten
Praxis (vgl. SJZ 14 S. 159 Nr. 123 und HARTMANN, Kommentar zu Art. 556
OR N. 3). Eine im Wege der Rechtsprechung auszufüllende Gesetzeslücke ist
nicht vorhanden. Die Übergangslösung, welche § 139 des deutschen HGB durch
kurzfristige Beibehaltung des unveränderten Registereintrages gestattet
(vgl. COHN, Handelsregister und Genossenschaftsregister, 3. Aufl., S. 212;
STAUB-PINNER, 12. und 13. Aufl., Kommentar zu § 139 HGB N. 25 und 26),
kennt das schweizerische Recht nicht.