Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 I 155



80 I 155

26. Urteil vom 12. Mai 1954 i.S. Schweizer und Schärer gegen Grosser Rat
des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Volksinitiativrecht. Handels- und Gewerbefreiheit.

    Die zur Anordnung einer Volksabstimmung über eine Initiative berufene
Behörde ist befugt, die Vorlegung einer Initiative an das Volk zu
verweigern, wenn die Initiative verfassungs- oder bundesrechtswidrig ist
(Erw. 3).

    Eine kantonale Volksinitiative auf Erlass eines Gesetzes, das die
Arbeitgeber zur Ausrichtung eines Mindeststundenlohnes von zwei Franken an
alle Arbeitnehmer ohne Unterschied von Alter, Familienstand, Ausbildung
und Leistung verpflichtet, ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit
(Art. 31 BV) unvereinbar (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- § 28 der Kantonsverfassung von Basel-Stadt lautet:

    "Eine Anzahl von tausend Stimmberechtigten ist befugt, jederzeit
beim Grossen Rat das Begehren um Revision der Verfassung oder einzelner
Bestimmungen derselben, sowie um Erlass, Aufhebung oder Abänderung eines
Gesetzes oder Grossratsbeschlusses zu stellen (Initiative).

    Tritt der Grosse Rat nicht darauf ein, so ist der Entscheid darüber,
ob dem Begehren Folge zu geben sei, der Gesamtheit der Stimmberechtigten
anheimzustellen.

    Wird vom Grossen Rate sofort oder infolge einer Volksabstimmung darauf
eingetreten und ein Gesetzes- oder Beschlussesentwurf ausgearbeitet und vom
Grossen Rat genehmigt, so ist derselbe der Gesamtheit der Stimmberechtigten
zum Entscheid vorzulegen."

    Am 18. September 1953 wurde eine "Initiative für ein Gesetz zum Schutze
der Arbeiter und Angestellten durch Sicherung existenzminimaler Lohn- und
Gehaltsansätze" mit der erforderlichen Anzahl Unterschriften eingereicht.

    Der Vorschlag enthielt u.a. folgende Bestimmung:

    "Art. 1. Sicherung der Wirksamkeit der Arbeiterschutzbestimmungen.

    Zum Zwecke, allen Arbeitnehmern wenigstens jene Einkommensbedingungen
zu sichern, die für die Wirksamkeit der übrigen Arbeiterschutzvorschriften
unerlässliche Voraussetzung sind, gelten im Kanton Basel-Stadt für die
Löhne und Gehälter die nachfolgenden Bestimmungen.

    Art. 2. Mindest-Entlöhnung.

    Pro Stunde Dienstleistung müssen mindestens zwei Franken Lohn oder
Gehalt ausgerichtet werden. Dieser Mindestansatz gilt unabhängig von der
Art der Entlöhnung und von den Zahlungsterminen (z.B. Stunden-, Wochen-,
Monatslohn, Akkordlohn usw.).

    Alle drei Jahre ist der Mindestansatz dahin zu überprüfen, ob eine
eingetretene Steigerung der Arbeitsintensität seine Erhöhung rechtfertigt.
Bejahendenfalls ist er entsprechend höher festzusetzen.

    Art. 3. Geltungsbereich.

    Soweit nicht Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, unterstehen diesem
Gesetz alle öffentlichen und privaten Dienstverhältnisse ohne Unterschied
des Alters oder des Geschlechts."

    Art. 4 schreibt vor, dass der auf dem Stand der Lebenskosten am 31.
Dezember 1950 beruhende Mindestansatz gemäss Art. 2 auf Grund eines
aufzustellenden kantonalen Lebenskostenindex der Teuerung in vollem
Ausmass anzupassen ist, sobald diese um 2% vorangeschritten ist. Art. 5
sieht den Erlass von Ausführungsvorschriften auf dem Verordnungswege
und die Kontrolle durch "die Aufsichtsbehörde" vor. Art. 6 droht auf
die Unterschreitung des Mindestansatzes den Arbeitgebern Busse bis zu
Fr. 500.--, in schweren Fällen oder bei Rückfall bis zu Fr. 2000.--
oder Haft an.

    Am 15. Oktober 1953 beschloss der Grosse Rat, diese Initiative
"unerheblich zu erklären", d.h. im Sinne von § 28 Abs. 2 KV auf sie nicht
einzutreten und sie der Volksabstimmung zu unterbreiten.

    Auf Grund einer Kleinen Anfrage erstattete der Regierungsrat am 18.
Dezember 1953 dem Grossen Rate einen Bericht mit dem Antrag, jenen
Beschluss in Wiedererwägung zu ziehen und auf die Initiative wegen
Unzulässigkeit nicht einzutreten, sie also der Volksabstimmung nicht zu
unterbreiten. Er stützte sich hiefür auf ein Gutachten von Professor
Imboden, das er in seinem Bericht im Wortlaut wiedergab. Darin wird
ausgeführt, die Kantone könnten Mindestlohnvorschriften nur im Rahmen der
Handels- und Gewerbefreiheit erlassen, d.h. soweit sie gewerbepolizeilichen
Charakter haben. Der Gesichtspunkt der Angemessenheit sei kein solcher
des polizeilichen Schutzes, sondern der Herbeiführung einer gerechten
Güterverteilung. Kantonale Minimallohnvorschriften dürften nicht
weiter gehen, als zur Vermeidung einer eigentlichen Ausnützung und
gesundheitlichen Gefährdung der Arbeitnehmer nötig sei. Damit vertrage
sich die Festsetzung eines einheitlichen Minimallohnes - zumal in der
Höhe von zwei Franken - für alle Arbeitnehmer ohne Unterschied von Alter,
Geschlecht, Kenntnissen und Funktionen nicht. Die Annahme verbiete sich,
dass eine Unterschreitung dieses Ansatzes den Arbeitnehmer generell
in einem Rechtsgut - Gesundheit, menschliche Würde - beeinträchtigen
würde, zu dessen Schutz der Kanton öffentlich-rechtliche Vorschriften
über Arbeitslöhne aufstellen könne. Aus der Verfassungswidrigkeit des
Gesetzesvorschlages ergebe sich Recht und Pflicht des Grossen Rates, das
Begehren der Volksabstimmung zu entziehen, um die Entstehung nichtigen
Gesetzesrechts zu verhindern.

    Am 14. Januar 1954 beschloss der Grosse Rat, auf die Initiative für
ein Gesetz zum Schutze der Arbeiter und Angestellten durch Sicherung
existenzminimaler Lohn- und Gehaltsansätze wegen Unzulässigkeit nicht
einzutreten.

    B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragen zwei Mitglieder
des Initiativkomitees und Mitunterzeichner der Initiative, den Beschluss
vom 14. Januar 1954 aufzuheben.

    Sie machen geltend, durch den angefochtenen Beschluss werde ihnen
in rechtswidriger Weise die Ausübung des durch § 28 KV garantierten
Initiativrechtes verunmöglicht. Sie bestreiten die Verfassungswidrigkeit
und damit die Unzulässigkeit der Initiative mit folgender Begründung:

    Die vorgeschlagenen Mindestlohnvorschriften seien gewerbepolizeilicher
Natur und würden durch Art. 31 Abs. 2 BV gedeckt; weder ihre
Notwendigkeit noch ihre Verhältnismässigkeit könne bestritten werden. Das
öffentliche Interesse am Schutze der Gesundheit und Persönlichkeit des
Arbeitnehmers stehe ausser Zweifel, ebenso die grundsätzliche Kompetenz
der Kantone, im Interesse der öffentlichen Ordnung und Gesundheit
Arbeiterschutzvorschriften zu erlassen. Die Praxis habe aber bewiesen, dass
die Wirksamkeit dieser Vorschriften von materiellen Voraussetzungen abhänge
und dass sie ihren Zweck nicht erfüllten, solange die Löhne und Gehälter
nicht einmal zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitskraft, geschweige
denn zur Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen für die Arbeitnehmer
ausreichten. Nach den Feststellungen der Lohnbegutachtungskommission des
EVD in der Zeitschrift "Die Volkswirtschaft" 1943, Sonderheft 44, habe vor
dem Krieg ein Jahreseinkommen von Fr. 4000.-- nur knapp ausgereicht, um die
wichtigsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen; nach dem heutigen Stande der
Lebenskosten entspreche das einem Jahreseinkommen von Fr. 6800.--. Löhne
und Gehälter, die das Existenzminimum nicht deckten, beeinträchtigten
und schädigten den Arbeitnehmer zwangsläufig in seiner Gesundheit und
menschlichen Würde: Entweder könne er nicht genügend essen noch gesund
wohnen und sich richtig kleiden, oder er müsse die Ruhe- und Erholungszeit
für zusätzliche Arbeit verwenden und so Raubbau an seiner Leistungskraft
und Gesundheit treiben, da bei der heutigen Arbeitsintensität der
Achtstundentag nicht ohne Schädigung überschritten werden könne. Werde
der Ausweg in Erwerbsarbeit der Ehefrau gesucht, zu der die volle Last
der Haushaltsarbeit hinzukomme, so erwüchsen insbesondere für Mütter und
Kinder schwerste gesundheitliche und andere Gefahren. In allen diesen
Fällen leide auch die Persönlichkeit des Schaffenden, indem er zum blossen
Arbeitstier erniedrigt werde. Auch würden durch ungenügende Entlöhnung
Zustände gefördert, die der öffentlichen Sittlichkeit Abbruch täten.

    Der Mindestansatz von zwei Franken, der vom Sprecher des
Regierungsrates als bescheiden bezeichnet worden sei, beschränke
sich auf eine Höhe, die nach den Lebens- und Arbeitsbedingungen im
Kanton Basel-Stadt unumgänglich sei, um einen minimalen Schutz des
Arbeitnehmers vor gesundheitlichen und anderen Schäden zu garantieren. In
Lohnverhandlungen der Berufsverbände würden Löhne unter Fr. 2.60 überhaupt
nicht diskutiert. Die Beschränkung auf gewerbepolizeiliche Zwecke zeige
sich auch darin, dass eine Heraufsetzung des Mindestansatzes nur bei
Steigerung der Arbeitsintensität vorgesehen sei, nicht aber bei Erhöhung
der Arbeitsergiebigkeit oder des allgemeinen Lohnniveaus, obwohl sie
wirtschaftspolitisch auch dann angemessen wäre. In manchen Fällen, z.B. bei
Familien mit Kindern, würde der geforderte Mindestansatz nicht ausreichen,
weshalb eine Staffelung aufwärts zweckentsprechend wäre; die Initianten
hätten indessen nicht alle diese Fälle zum voraus normieren wollen,
bevor Erfahrungen dafür vorlägen, und sich auf die dringlichste Aufgabe
des notwendigen Mindestansatzes beschränkt. Eine Differenzierung nach den
Kenntnissen liesse sich gerade nicht gewerbepolizeilich rechtfertigen,
sondern entspränge wirtschaftspolitischen Überlegungen; zudem sei sie nicht
durch Gesetz, sondern durch freie Vereinbarung oder Gesamtarbeitsverträge
zu regeln. Dass die Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit durch
die geforderten Mindestlöhne nicht unverhältnismässig sei, ergebe sich
auch daraus, dass keine anderen Mittel genannt werden könnten, um denselben
Zweck mit geringeren Einschränkungen zu erfüllen.

    Im Verhältnis zum Bundeszivilrecht seien die Mindestlohnvorschriften
der Initiative durch Art. 6 ZGB gedeckt; denn sie widersprächen seinem
Sinn und Geist nicht, schränkten sein Anwendungsgebiet nur aus haltbaren
Gründen des öffentlichen Rechtes ein und sähen zur Durchsetzung keine
zivilrechtlichen Mittel, sondern ausschliesslich Aufsicht, Zwang und
Strafe vor. Die Vertragsfreiheit gelte auch bezüglich der Lohnfestsetzung
nur in den Schranken des Gesetzes und falle dahin, wo nicht mehr bloss
private, sondern darüber hinaus öffentliche Interessen berührt würden;
ihre Einschränkung durch kantonale Vorschriften in Berücksichtigung
öffentlicher Interessen widerspreche dem Bundeszivilrecht nicht...

    C.- Der Regierungsrat von Basel-Stadt - der vom Grossen Rat eigens zu
seiner Vertretung vor Bundesgericht ermächtigt wurde - beantragt Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1./2. - (Prozessuales).

Erwägung 3

    3.- § 28 Abs. 2 KV sieht ein Nichteintreten des Grossen Rates auf
eine Initiative vor mit der Wirkung, dass der Entscheid darüber, ob dem
Begehren Folge zu geben sei, den Stimmberechtigten anheimzustellen ist. Das
war der Sinn des Grossratsbeschlusses vom 15. Oktober 1953, wodurch
die Initiative für ein Gesetz über Mindestlöhne "unerheblich erklärt"
wurde. Anders verhält es sich mit dem angefochtenen Beschlusse des Grossen
Rates vom 14. Januar 1954, auf diese Initiative "wegen Unzulässigkeit
nicht einzutreten". Die Parteien stimmen dahin überein, dass hierin kein
Nichteintreten im Sinne von § 28 Abs. 2 KV liegt, sondern eine formelle
Zurückweisung der Initiative mit der Folge, dass sie der Volksabstimmung
nicht zu unterbreiten ist. Gerade hiegegen richtet sich die Beschwerde.

    Das Bundesgericht hat schon wiederholt entschieden, dass die zur
Anordnung der Volksabstimmung über eine Initiative berufene Behörde
befugt ist, neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen für das
Zustandekommen der Initiative auch deren inhaltliche Verfassungsmässigkeit
zu prüfen und die Vorlegung an das Volk zu verweigern, wenn die
Rechtssätze, deren Erlass angestrebt wird, der Verfassung widersprechen
(BGE 61 I 173 und 336, mit Bezug auf Basel-Stadt nicht publ. Urteil vom
13. September 1950 i.S. Scherrer, Erw. 3). Das Gleiche gilt auch bezüglich
des Widerspruchs zwischen einem vorgeschlagenen kantonalen Gesetz und dem
Bundesrecht, da er ebenso die Ungültigkeit des kantonalen Gesetzes bewirkt
wie seine Verfassungswidrigkeit (BGE 63 I 172). Die Beschwerdeführer
anerkennen diese Befugnis des Grossen Rates; sie bestreiten lediglich,
dass die Initiative für ein Gesetz über Mindestlöhne der Verfassung oder
dem Bundeszivilrecht widerspreche.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass die
Arbeitgeber durch die von der Initiative vorgesehene Verpflichtung zur
Ausrichtung von Mindestlöhnen von zwei Franken je Stunde Dienstleistung in
der Handels- und Gewerbefreiheit beschränkt werden. Diese Verpflichtung
trifft zwar nicht nur Handel- und Gewerbetreibende, sondern auch andere
Personen, welche Arbeitnehmer beschäftigen, und das Bundesgericht hat
wiederholt erklärt, dass die Garantie des Art. 31 BV nur vor solchen
staatlichen Einschränkungen schütze, die sich ausschliesslich gegen die
Handel- und Gewerbetreibenden richten, nicht auch vor solchen, die gewisse
Geschäfte und Handlungen ganz allgemein treffen, selbst wenn sie nicht
gewerbsmässig vorgenommen werden (BGE 46 I 291, 69 I 178 Erw. 3). Das kann
aber nicht gelten für Einschränkungen wie die hier in Frage stehenden,
welche sämtliche Arbeitgeber, also die überwiegende Mehrheit aller
Handel- und Gewerbetreibenden und damit sozusagen den gesamten Handel
und das gesamte Gewerbe treffen. Die Initiative ist daher mit Art. 31 BV
unvereinbar, wenn der Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit, den sie
zur Folge hat, den Rahmen einer nach Abs. 2 dieser Verfassungsbestimmung
zulässigen gewerbepolizeilichen Massnahme überschreitet.

    Die Beschwerdeführer bestreiten das und machen geltend, der
polizeiliche Charakter des Eingriffs ergebe sich daraus'dass ohne ihn
die im Interesse der öffentlichen Ordnung und Gesundheit erlassenen
Arbeiterschutzbestimmungen wirkungslos bleiben müssten. Bestimmte derartige
Vorschriften, die ohne gesetzlichen Mindestlohn toter Buchstabe bleiben -
wie etwa solche über Ferien ohne Lohnvergütung während derselben -, nennen
die Beschwerdeführer nicht. Ihre Argumentation besteht in der allgemeinen
Behauptung, mit einem Stundenlohn von weniger als zwei Franken könnte
sich ein Arbeitnehmer nicht genügend ernähren und kleiden und nicht gesund
wohnen, oder dann wäre er gezwungen, auf Kosten seiner Gesundheit in der
Freizeit zusätzlicher Erwerbsarbeit nachzugehen; sie betrachten also die
Garantie eines Existenzminimums an sich als eine gewerbepolizeiliche
Massnahme. Es erscheint als zweifelhaft, ob das angeht und ob eine
solche Garantie nicht vielmehr wirtschaftspolitischen Charakter hat,
die angemessene Verteilung des Wirtschaftsproduktes betrifft. Diese Frage
braucht indessen nicht entschieden zu werden; denn auch gewerbepolizeiliche
Massnahmen sind mit Art. 31 BV nur insoweit vereinbar, als sie für die
Wahrung der dadurch geschützten öffentlichen Interessen notwendig sind;
der Eingriff des Staates muss im Verhältnis zum angestrebten Ziel bleiben
(BGE 71 I 87 und 256 und dort zitierte frühere Urteile).

    Die Behauptung der Beschwerdeführer, ein Stundenlohn von zwei
Franken stelle das Existenzminimum dar, bei dessen Unterschreitung die
Arbeitnehmer in Gesundheit und menschlicher Würde beeinträchtigt würden,
ist durch nichts belegt. Sie stützen sich dafür einzig auf einen Bericht
der Lohnbegutachtungskommission des EVD von 1943 (im Sonderheft 44 zu
der Zeitschrift "Die Volkswirtschaft"), wonach schon vor dem zweiten
Weltkrieg ein Jahreseinkommen von Fr. 4000.-- nur knapp zur Befriedigung
der wichtigsten Bedürfnisse ausgereicht haben soll. Diesem Bericht lässt
sich jedoch keine solche Feststellung entnehmen; er verzichtet bewusst
auf die ziffermässige Berechnung von Existenzminima und beschränkt
sich auf die Aufstellung von Richtsätzen für die Lohnanpassung an die
Teuerung (S. 10), insbesondere für Familien mit niedrigem Einkommen
und kinderreiche Familien; dabei geht er nie vom Lohn des Einzelnen,
sondern stets vom Familieneinkommen aus. Die Initiative dagegen setzt
einen einheitlichen Mindestlohn für jeden einzelnen Arbeiter fest,
ohne Unterschied von Alter, Geschlecht und Familienstand, Funktion,
Ausbildung und Leistung. Praktisch wird dieser Mindestlohn vor allem
für Jugendliche mit Anfängerlöhnen und Ledige ohne Familienzulagen
in Frage kommen. Gerade bei diesen kann aber keine Rede davon sein,
dass ein Stundenlohn von zwei Franken - der bei 48 Stunden einem
Wochenlohn von Fr. 96.- und bei 50 Arbeitswochen einem Jahreslohn von
Fr. 4800.-- entspricht - das Existenzminimum darstelle. Selbst wenn der
Zusammenhang zwischen ausreichender Entlöhnung und der Verwirklichung
der Arbeiterschutzbestimmungen im Sinne der Beschwerdeführer bejaht
und gestützt darauf die "Sicherung existenzminimaler Lohnansätze" als
gewerbepolizeiliche Massnahme anerkannt würde, so würde das vorgeschlagene
Gesetz gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen
verstossen; denn ein ohne nähere Voraussetzungen allgemein vorgeschriebener
Mindestlohn von zwei Franken je Stunde Dienstleistung geht weit über das
hinaus, was zur Erreichung jenes Zieles notwendig wäre. Die Initiative
ist daher mit Art. 31 BV nicht vereinbar, weil ihr Inhalt die Handels-
und Gewerbefreiheit verletzt.

Erwägung 5

    5.- Da die Initiative mit Recht wegen Verfassungswidrigkeit als
unzulässig erklärt wurde, braucht nicht untersucht zu werden, ob sie auch
das Bundeszivilrecht verletze.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.