Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 53



80 IV 53

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Mai 1954 i.S. Saner
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Wann ist das Gut "anvertraut"?

Sachverhalt

    A.- Dr. Marcel Saner, Direktor der Anker-Treuhand AG, wurde am
12. Januar 1951 von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich gemäss
Art. 393 Ziff. 4 ZGB als Beistand der Immo-Hyp Propria AG ernannt, die
infolge Todes ihres einzigen Verwaltungsrates kein Vertretungsorgan mehr
besass. Am 7. März 1951 bewilligte das Bezirksgericht Zürich dieser
Gesellschaft die Nachlassstundung und bestellte zwei Sachwalter. Am
29. März 1952 genehmigte es den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
und ernannte die Sachwalter zu Liquidatoren. Saner blieb Beistand der
Gesellschaft.

    Im Einvernehmen mit der Vormundschaftsbehörde und den Sachwaltern
bemühte sich Saner schon während der Nachlassstundung um den Verkauf von
Liegenschaften der Immo-Hyp Propria AG

    Im Frühjahr 1952 vermittelte Dr. H. Kressebuch der Immo-Hyp Propria
AG den Verkauf der Liegenschaft Rebgasse 5 in Zürich zum Preise von Fr.
447'000.-- und der Liegenschaft Dohlenweg zum Preise von Fr. 651'000.--,
bezog dafür Provisionen von je 2% des Verkaufspreises und bezahlte Saner
seinerseits als Provision Fr. 10'000.--. Durch Bemühungen des Samuel
Steinmann kam es dazu, dass die Immo-Hyp Propria AG die Liegenschaft
Schaffhauserstrasse 456 zum Preise von Fr. 278'000.-- an Julius Schär
verkaufte. Saner veranlasste Steinmann, gegenüber der Gesellschaft eine
Provision von 1 1/2% des Kaufpreises geltend zu machen, und liess der
Anker-Treuhand AG durch ihn als Provision Fr. 2000.-- überweisen.

    Am 26. Juni 1952 liess sich Saner von Henri Seilaz, der den Verkauf
der der Immo-Hyp Propria AG gehörenden Aktien der Vaudaire SA in Lausanne
zum Preise von Fr. 148'450.21 vermittelt und dafür eine Provision von Fr.
15'000.-- bezogen hatte, eine Provision von Fr. 3000.-- überweisen.

    B.- Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte Saner am
17. November 1953 unter anderem wegen wiederholter Veruntreuung. Es
erblickte sie darin, dass Saner die ihm bzw. der Anker-Treuhand AG von Dr.
Kressebuch, Samuel Steinmann und Henri Seilaz übermittelten Beträge nicht
an die Immo-Hyp Propria AG abgeliefert hatte.

    C.- Saner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
sei aufzuheben und er sei freizusprechen.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Eine Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht,
wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines
anderen Nutzen verwendet.

    Anvertraut im Sinne dieser Bestimmung ist nur, was jemand mit der
Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines andern
zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder abzuliefern.

    Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Dr. Kressebuch, Samuel Steinmann
und Henri Seilaz haben dem Beschwerdeführer die Provisionen zur Verwendung
für sich selber zugewiesen, nicht in seiner Eigenschaft als Beistand der
Immo-Hyp Propria AG zur Verwendung für diese, insbesondere zur Ablieferung
an die im Nachlassverfahren eingesetzten Liquidatoren. Auch von Seiten
der Immo-Hyp Propria AG sind die Provisionen dem Beschwerdeführer
nicht anvertraut worden, und zwar selbst dann nicht, wenn richtig sein
sollte, dass er, wie das Schwurgericht annimmt, gemäss Art. 400 OR
verpflichtet war, sie der Gesellschaft zu erstatten. Eine gesetzliche
oder vertragliche Herausgabepflicht allein macht einen Vermögenswert
nicht zu anvertrautem Gute. Solches liegt trotz Herausgabepflicht nicht
vor, wenn der Empfänger das Gut für sich selber, nicht für den andern,
empfangen hat. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Erlös
aus Kommissions- oder Trödelware dem Empfänger im Sinne von Art. 140
Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut ist (BGE 70 IV 73, 75 IV 14), ändert
nichts. Bei der Verkaufskommission und beim Trödelvertrag ist zunächst
die zu verkaufende Sache anvertraut, und der vom Kommissionär oder Trödler
im eigenen Namen eingenommene Erlös tritt an ihre Stelle. Das Geld aber,
das der Beschwerdeführer erhielt, war nicht Verkaufserlös, sondern eine
für ihn selbst bestimmte Vergütung.

    Deren Annahme war übrigens wegen seiner Stellung als Beistand der
Immo-Hyp Propria AG geradezu pflichtwidrig. Wenn er dadurch, dass er das
Geld nicht der Gesellschaft oder den Liquidatoren ablieferte, eine weitere
Pflicht verletzt haben sollte, so nicht deswegen, weil es ihm anvertraut
gewesen wäre, sondern weil anzunehmen wäre, der Empfänger dürfe nach der
gesetzlichen Ordnung das so Erworbene nicht für sich behalten.

    Das Schwurgericht hat daher den Beschwerdeführer vom Vorwurf der
Veruntreuung freizusprechen.