Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 267



80 IV 267

54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Dezember 1954
i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen Gasser. Regeste

    Art. 20, 56 MFV. Die auf dem Motorrad mitgeführte Person hat rittlings
und mit Blick in der Fahrrichtung zu sitzen.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Art. 20 MFV schreibt vor: "Motorräder, auf denen eine zweite
Person mitgeführt wird, müssen genügend stark gebaut und mit einem zweiten
Sitz sowie mit einem Handgriff und zwei Fussrastern für die zweite Person
versehen sein." Schon der Wortlaut dieser Bestimmung spricht dafür, dass
auf einem Motorrad keine zweite Person mitgeführt werden darf, wenn es
nicht in der erwähnten Weise gebaut und ausgerüstet ist. In Art. 56 Abs. 1
MFV wird denn auch "das Mitführen einer zweiten Person auf einem nicht
dazu eingerichteten und geprüften Motorrad" ausdrücklich verboten. Diese
Bestimmung dient wie das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und
Fahrradverkehr, zu dessen Ausführung sie erlassen worden ist, der
Verkehrssicherheit, nicht der blossen Förderung der Bequemlichkeit der
mitgeführten Person. Es liegt daher nicht schlechthin im Gutfinden dieser
Person, von den vorgeschriebenen Einrichtungen Gebrauch zu machen oder
nicht. Sie darf nur mitgeführt werden, wenn sie den Sitz, den Handgriff
und die beiden Fussraster bestimmungsgemäss benützt oder auf dem Motorrad
zum mindesten eine Haltung einnimmt, die ihr bei drohender Gefahr erlaubt,
sich ihrer sofort und ohne Gefährdung der Verkehrs bestimmungsgemäss zu
bedienen. Das ist der sich aufdrängende vernünftige Sinn der Art. 20 und 56
MFV. Um ihn diesen Bestimmungen zu entnehmen, bedarf es keiner ausdehnenden
Auslegung, die übrigens entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners
durchaus zulässig wäre (vgl. BGE 71 IV 148, 72 IV 103, 77 IV 167).

Erwägung 2

    2.- Der Sitz der Begleitperson ist dazu bestimmt, dass der Benützer
sich rittlings in der Fahrrichtung auf das Motorrad setze. Das ergibt
sich aus seiner üblichen Form und aus der Weise, in der er angebracht zu
werden pflegt. Wer sich quer zur Fahrrichtung setzt, beide Beine auf die
gleiche Seite des Motorrades haltend, benützt den Sitz und die auf beiden
Seiten angebrachten Fussraster nicht bestimmungsgemäss. Er nimmt auch nicht
eine Haltung ein, die ihm im Augenblick der Gefahr erlauben würde, Sitz,
Handgriff und Fussraster unverzüglich und ohne Gefährdung des Verkehrs
so zu gebrauchen, wie es ihrer Bestimmung entspricht. Ob er im einzelnen
Falle in Querstellung (Damensitz) ebenso sicher sei und den Führer in der
Beherrschung des Fahrzeuges ebensowenig behindere wie im Grätschsitz,
z.B. weil der Führer besonders geschickt, aufmerksam oder vorsichtig
fahre, ist unerheblich. Alle Führer haben die Verkehrsvorschriften zu
befolgen, gleichgültig ob sie sicher seien, auch ohne ihre Einhaltung
den Verkehr nicht zu gefährden. Solange Motorräder, wie Art. 56 MFV
durch das Erfordernis von zwei Fussrastern es haben will, nur mit einer
Ausrüstung, die auf Grätschsitz hinweist, zum Verkehr zugelassen werden,
gibt es von der Regel, dass die mitgeführte Person rittlings und mit
Blick in der Fahrrichtung zu sitzen hat, keine Ausnahmen. Indem der
Beschwerdegegner eine quer sitzende Person mitführte, übertrat er objektiv
die Verordnung. Insoweit ist daher die Voraussetzung zur Bestrafung nach
Art. 58 MFG, der die Übertretung der Verkehrsvorschriften dieses Gesetzes
und der Vollziehungsverordnung mit Strafe bedroht, erfüllt; Art. 56 MFV
ist Verkehrsvorschrift (vgl. Überschrift zu Art. 37 ff. MFV).