Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 252



80 IV 252

52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. November 1954
i. S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Kuder. Regeste

    1.  Art. 244 StGB. Erwerben falschen Geldes (Erw. 2).

    2.  Art. 242, 244 StGB. Wer falsches Geld erwirbt und es in Umlauf
setzt, ist nach beiden Bestimmungen zu bestrafen (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich erhob am 25. Januar 1954 folgende
Anklage:

    "Der Angeklagte, Eduard Kuder, hat wiederholt falsche Banknoten in
grosser Menge erworben, um diese als echt in Umlauf zu setzen,

    und falsche Banknoten als echt in Umlauf gesetzt, indem er

    am Montag, den 18. August 1952 in Zürich gefälschte Noten zu 50
Dollars im Gesamtbetrage von 10'000.-- eventuell 20'000.-- Dollars,

    sowie Ende August, eventuell anfangs September 1952 in Zürich
gleichartige, gefälschte Banknoten im Gesamtbetrage von 30'000.-- eventuell
20'000.-- Dollars von Karl Koch entgegennahm - insgesamt 40'000.-- Dollars,

    und sie jeweilen sofort dem Wolf Oppen übergab - und zwar den ersten
Betrag in der Woche zwischen dem 17. und 23. August 1952 im Zimmer des
Wolf Oppen im..., den zweiten Betrag am Freitag, den 5. September 1952,
in ..., wodurch Wolf Oppen in die Lage versetzt werden sollte, diese
falschen Banknoten nach Deutschland zu verkaufen, wo sie als echt hätten
weitergegeben werden sollen.

    Dadurch hat er sich schuldig gemacht: 1. des wiederholten Erwerbens
falschen Geldes im Sinne von Art. 244 Abs. 1 und 2 StGB; 2. des
wiederholten Inumlaufsetzens falschen Geldes im Sinne von Art. 242
Abs. 1 StGB."

    B.- Das Bezirksgericht Zürich erklärte Kuder am 3. März 1954 des
wiederholten Erwerbens falschen Geldes im Sinne von Art. 244 Abs. 1 und
2 StGB und des wiederholten Inumlaufsetzens falschen Geldes im Sinne von
Art. 242 Abs. 1 StGB schuldig.

    Das Gericht führte aus, Kuder sei geständig, die ihm in der Anklage
zur Last gelegten Handlungen begangen zu haben. Sein Geständnis decke sich
mit dem Ergebnis der Untersuchung. Er habe sich auch im Sinne der Anklage
schuldig erklärt. Dagegen habe der Verteidiger die rechtliche Würdigung
angefochten. Den Einwand des Verteidigers, der Angeklagte habe als blosser
Bote gehandelt, widerlegte das Bezirksgericht mit der Feststellung, Kuder
sei vielmehr als Mittelsmann ein wichtiges Glied in einer Kette gewesen,
wie sie in solchen Fällen üblich sei. In den Erwägungen zum Strafmass
stellte es fest, er sei Gläubiger Kochs und habe gehofft, sein Guthaben
hereinzubringen.

    C.- Auf Appellation der Anklägerin und Anschlussappellation des
Verurteilten erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Kuder am 15. Juni
1954 lediglich des wiederholten Inumlaufsetzens falschen Geldes im Sinne
von Art. 242 StGB schuldig, verurteilte ihn zu zwölf Monaten Gefängnis,
abzüglich 47 Tage Untersuchungshaft, und zu Fr. 2000.-- Busse. Den Vollzug
der Freiheitsstrafe schob es unter Ansetzung einer fünfjährigen Probezeit
bedingt auf.

    Das Obergericht verwies auf die tatsächlichen Ergebnisse des Urteils
des Bezirksgerichts und stellte fest, der in der Anklage wiedergegebene
Sachverhalt werde vom Angeklagten anerkannt. Sodann führte es aus,
die Verteidigung halte dafür, dass lediglich Gehülfenschaft zum Erwerben
falschen Geldes im Sinne der Art. 25 und 244 StGB vorliege. In der Anklage
werde Kuder indessen vorgeworfen, er habe die von Koch empfangenen falschen
Dollarnoten jeweilen sofort dem Wolf Oppen übergeben. Daraus ergebe sich,
dass es ihm nicht in erster Linie um den Erwerb des Geldes, sondern um
dessen Inumlaufsetzen zu tun gewesen sei. Nach dem Erwerbe habe es beim
Angeklagten keines besonderen Willensentschlusses mehr bedurft, um das
Geld an Oppen zu übergeben. Die Handlungen Kuders seien vielmehr als eine
Einheit aufzufassen, wobei der Gedanke des Inumlaufsetzens des falschen
Geldes ganz deutlich im Vordergrund gestanden habe. Der Erwerb des Geldes
von Koch sei notwendige Voraussetzung für die Übergabe an Oppen gewesen;
seine Bedeutung sei aber für den Angeklagten von so untergeordneter
Natur gewesen, dass er füglich als Bestandteil des Inumlaufsetzens
betrachtet werden dürfe. Der vorliegende Sachverhalt erfülle demnach
nur den Tatbestand von Art. 242 StGB, wobei die Frage der Konsumtion von
Art. 244 StGB durch Art. 242 offengelassen werden könne.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt
Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei
aufzuheben und die Sache zur Bestrafung wegen Inumlaufsetzens falschen
Geldes im Sinne von Art. 242 Abs. 1 StGB sowie wegen Erwerbens falschen
Geldes im Sinne von Art. 244 Abs. 2 StGB zurückzuweisen, eventuell sei
das Strafdispositiv aufzuheben und die Sache zur Ausfällung einer auf
jeden Fall vollziehbaren Gefängnisstrafe von mindestens zehn Monaten
zurückzuweisen.

    Die Beschwerdeführerin verweist auf BGE 77 IV 15 und macht geltend,
die Auslegung des Gesetzes durch das Obergericht führe zu einer
ungerechtfertigten Bevorzugung dessen, der falsches Geld in grosser Menge
erwerbe und in Umlauf setze, gegenüber dem, der nur ersteres tue und
daher unter die schärfere Strafandrohung des Art. 244 Abs. 2 StGB falle.

    E.- Kuder beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    ...

Erwägung 2

    2.- Das Vergehen des Art. 244 Abs. 1 StGB begeht unter anderem, wer
falsche Banknoten erwirbt, um sie als echt in Umlauf zu bringen. Erworben
im Sinne dieser Bestimmung sind die Banknoten nicht schon dadurch, dass
der Täter sie in die Hand bekommt, an ihnen Gewahrsam hat. Wer nur im
Auftrag eines andern annimmt, erwirbt nicht, denn sein Vermögen ist weder
rechtlich noch wirtschaftlich vermehrt. Seine Stellung als Mittelsmann
kann dagegen Gehülfenschaft zum Erwerb durch einen anderen sein.

    Aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich
lediglich, dass Kuder die Banknoten von Koch erhielt und sofort an Oppen
weitergab. Dass er nur Bote gewesen sei, lehnt das Bezirksgericht ab,
doch sagt es nicht, was es unter dem "Mittelsmann", dem "wichtigen Glied
in einer Kette" versteht, als das es ihn bezeichnet. Auch die in anderem
Zusammenhang getroffene Feststellung, Kuder sei Gläubiger Kochs gewesen
und habe gehofft, sein Guthaben hereinzubringen, klärt den Sachverhalt
nicht. Sollte Kuder als Zwischenhändler, Pfandgläubiger, Gesellschafter
oder dergleichen juristisch oder wirtschaftlich ein eigenes Recht an den
Banknoten erworben haben, so wäre der Tatbestand des Art. 244 Abs. 1 StGB
erfüllt, als blosser Übermittler hätte Kuder dagegen höchstens Gehilfe
zum Erwerben oder Lagern falschen Geldes durch Oppen sein können, eine
Stellung, die ihm indessen in der Anklage nicht vorgeworfen worden ist.

Erwägung 3

    3.- Da die Feststellungen der kantonalen Urteile die Nachprüfung
der Gesetzesanwendung nicht möglich machen, ist das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen (Art. 277 BStP).

    Denn die Auffassung der Vorinstanz, Art. 244 StGB sei nicht anwendbar,
weil Art. 242 Abs. 1 zutreffe, hält nicht stand. Sollte Kuder im Sinne
der ersteren Bestimmung "erworben" haben, so ginge er für diese Tat
nicht schon deshalb straflos aus, weil er sie mit dem Willen beging, die
Banknoten in Umlauf zu setzen, sein weiteres Verhalten also zum vornherein
beschlossen war. Wer das Vergehen oder Verbrechen des Art. 244 StGB
begeht, muss den Entschluss, "in Umlauf zu bringen" immer schon gefasst
haben, sonst macht er sich durch das Erwerben - wie durch das Einführen
oder Lagern - gar nicht strafbar. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der
Bestimmung deutlich. Aber auch wenn dem nicht so wäre, könnte nichts darauf
ankommen, dass Kuder zum vornherein entschlossen war, die Banknoten in
Umlauf zu bringen. Die Einheit des Willensentschlusses allein macht, wie
der Kassationshof schon oft entschieden hat, einen Komplex strafbarer
Handlungen nicht zu einem einzigen Verbrechen, gleichgültig, welche
Teilhandlung für den Täter "deutlich im Vordergrund gestanden" hat, ob
die Vor- oder die Nachtat. Wer eine Urkunde fälscht, um damit jemanden
zu betrügen, entgeht der Strafe wegen Urkundenfälschung nicht deshalb,
weil er zum vornherein zum Betrug entschlossen und dieser die Triebfeder
des Ganzen war (BGE 71 IV 207). Ebensowenig gilt die Strafe des Diebstahls
die durch das vorausgegangene Einbrechen verursachte Sachbeschädigung mit
ab (BGE 72 IV 115). Desgleichen verwirkt Strafe sowohl für den Versuch als
auch für das vollendete Verbrechen, wer nach dem Fehlschlagen eines ersten
Versuches einen zweiten unternimmt und zu Ende führt, mag er diesen für den
Fall des Misslingens des ersten auch schon zum vornherein beschlossen haben
(BGE 79 IV 62). Diese ständige Rechtsprechung, auf die z.B. auch in BGE
78 IV 198 hingewiesen worden ist, gilt gemäss BGE 77 IV 16 auch für den
Fall des Einführens und Inumlaufsetzens falscher Banknoten. Es besteht
kein Grund, sie nicht auch anzuwenden, wenn der Täter falsche Banknoten
erwirbt und, wie zum vornherein beabsichtigt, als echt in Umlauf setzt.

    Hier wie in anderen Fällen objektiv und subjektiv zusammenhängender
Vor- und Nachtaten kann sich lediglich fragen, ob dem Gesetze deutlich
zu entnehmen sei, dass die auf die eine zutreffende Bestimmung den
Tatbestand der anderen mitumfassen wolle, also ein Fall sogenannter
unechter Gesetzeskonkurrenz vorliege, wie das z.B. für die Bestimmung
über Raub (Gewaltverübung in Diebstahlsabsicht) im Verhältnis zur
Bestimmung über Diebstahl (Wegnahme) zutrifft (BGE 71 IV 209). Von
unechter Gesetzeskonkurrenz zwischen Art. 242 und Art. 244 StGB kann
indessen, wie in BGE 77 IV 16 als selbstverständlich vorausgesetzt
wurde, keine Rede sein. Weder lässt sich dem Art. 244 entnehmen, dass
er ausser dem Erwerben auch das nachfolgende Inumlaufbringen umfassen
wolle, noch dem Art. 242, dass er mit diesem zugleich jenes verpöne. Man
kann falsches Geld erwerben in der Absicht, es als echt in Umlauf zu
bringen, ohne diese Absicht dann auch notwendigerweise auszuführen, und
anderseits kann falsches Geld auch in Umlauf setzen, wer es vorher nicht
im Sinne des Art. 244 eingeführt, erworben oder gelagert hat; wer es nur
z.B. als Bote übernimmt und weitergibt, es also nicht "erwirbt", kann es
nichtsdestoweniger unmittelbar oder unter Einschaltung weiterer Personen
als echt in Umlauf setzen. Die Verneinung der unechten Gesetzeskonkurrenz
führt also keineswegs dazu, dass beide Bestimmungen immer nur gleichzeitig
zuträfen, nie die eine ohne die andere, insbesondere nie Art. 242 ohne
Art. 244 (oder ohne Art. 240 oder 241) angewendet werden könnte. Dazu kommt
die Verschiedenheit der Strafandrohungen. Dass die mildere Bestimmung des
Art. 244 Abs. 1 (Höchststrafe Gefängnis) den Tatbestand der schwereren
des Art. 242 Abs. 1 (Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Gefängnis)
nicht kann mitumfassen wollen, liegt auf der Hand. Dass aber auch nicht
umgekehrt Art. 242 den Tatbestand des Art. 244 mitergreift, erhellt aus
der verschärften Strafandrohung des Art. 244 Abs. 2 (Zuchthaus bis zu
fünf Jahren), die eine über Art. 242 hinausgehende Strafe ermöglicht,
wenn das falsche Geld in grosser Menge eingeführt, erworben oder gelagert
wird. Es ist schlechterdings undenkbar, dass nur mit Zuchthaus bis zu
drei Jahren (Art. 242 Abs. 1) soll bestraft werden können, wer das von
ihm in grosser Menge erworbene falsche Geld auch in Umlauf setzt, während
der Erwerb für sich allein Zuchthaus bis zu fünf Jahren (Art. 244 Abs. 2)
hätte nach sich ziehen können. Wer nur das eine tut, ist nach der einen,
wer das andere tut, nach der anderen, und wer beides tut, nach beiden
Bestimmungen, unter Anwendung von Art. 68 StGB, zu bestrafen.

    Härtefälle sind dabei ausgeschlossen, weil das Mass der Erhöhung wegen
Zusammentreffens beider Bestimmungen gemäss Art. 68 StGB im Ermessen des
Richters liegt.

    ...

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich
vom 15. Juni 1954 wird aufgehoben und die Sache an die kantonale Behörde
zurückgewiesen.