Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 170



80 IV 170

34. Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1954 i. S. Faehndrich gegen
Rätz. Regeste

    Art. 186 StGB. Ist der Vormund des Wohnungsinhabers "Berechtigter"?

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Art. 186 StGB macht sich des Hausfriedensbruches schuldig, wer
gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus unrechtmässig eindringt oder,
trotz der Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.

    Streitig ist im vorliegenden Falle einzig, ob der Vormund der Frau
Marie Faehndrich befugt war, deren Sohn Hermann Faehndrich das Betreten
des Hauses zu verbieten. Trifft das zu, so ist der Beschwerdeführer
gegen den Willen des Berechtigten in das Haus eingedrungen und trotz
Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Dass
beides unrechtmässig geschah, wenn dem Vormund das Verbot zustand, wird
mit Recht nicht bestritten.

    Das Hausrecht ist Bestandteil der persönlichen Freiheiten
(HAFTER; Lehrbuch, bes. Teil I S. 108 f.) und gehört zweifellos zu den
höchstpersönlichen Rechten im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB, die der
urteilsfähige Entmündigte ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters
ausüben kann. Diese Freiheit erleidet jedoch eine Einschränkung durch
die Fürsorgepflicht des Vormundes. Nach Art. 406 ZGB hat der Vormund
dem Bevormundeten in allen persönlichen Angelegenheiten Schutz und
Beistand zu gewähren, was nötigenfalls die Unterbringung in einer
Anstalt einschliesst. Um die gelähmte alte Mutter vor den Beschimpfungen,
Skandalszenen und Tätlichkeiten des Beschwerdeführers zu schützen, wäre
demnach der Vormund nötigenfalls befugt gewesen, sie in einer Anstalt
unterzubringen. A fortiori durfte er vom näherliegenden und weniger
weit gehenden Mittel Gebrauch machen, dem Beschwerdeführer das Haus
zu verbieten.

    Der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedurfte es zu dieser
Massnahme nicht (vgl. Art. 421 ZGB). Übrigens hat der Vormund der
Vormundschaftsbehörde vom Verbot sofort Kenntnis gegeben und diese hat
es jedenfalls stillschweigend genehmigt.