Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 159



80 IV 159

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. September 1954
i.S. Bratschi gegen Eibel. Regeste

    1.  Art. 340 Ziff. 2 StGB, Art. 8 BG vom 26. März 1934
über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der
Eidgenossenschaft. Umfang der Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen
die Ehre von Mitgliedern der Bundesversammlung.

    2.  Art. 173 ff. StGB. Liegt in der Beanstandung der politischen
Haltung, insbesondere in den Vorwürfen an ein Mitglied der
Bundesversammlung, es habe die Verfassung zu brechen versucht und in
einer bestimmten Sache eine volksdemokratische Methode verfochten, ein
Angriff auf die Ehre?

Sachverhalt

    A.- Am 2. November 1951 erschien im St. Galler Tagblatt folgendes von
Dr. Robert Eibel verfasstes Inserat der Aktion für freie Meinungsbildung
"Trumpf Buur":

    "Es fehlt an freien Männern.

    Kurz vor den Wahlen erlebte man im Nationalrat ein Trauerspiel. Nur
einer von 73 Teilnehmern einer Sitzung hatte den Mut, gegen den Versuch
eines schweren Verfassungsbruches aufzutreten. Es ging um ein Postulat,
welches forderte, die Teurungszulagen an das Bundespersonal seien
auszuzahlen, ohne den Ablauf der Referendumsfrist abzuwarten.

    Der mutige Volksvertreter, der es wagte, diesem Manöver die Stirne zu
bieten, ist unbekannt geblieben. Schade, denn es wäre interessant gewesen
zu erfahren, ob er nicht zum vorneherein auf eine Wiederwahl verzichtet
hatte!! Neben den 73, die sich bereit fanden, im höheren Interesse ihrer
glücklichen Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken, sollen
aber auch die 120 Ratsherren erwähnt werden, die überall zu finden waren,
nur nicht dort, wo sie ihre Pflicht als Volksvertreter eigentlich hinwies,
nämlich in den Ratssaal.

    Die letzten Sonntag frisch gewählten Herren Nationalräte täten
gut, sich zu diesem Trauerspiel ihre Gedanken zu machen. Sie legen
schliesslich ein feierliches Gelübde auf die Verfassung ab. Wenn trotz
diesem feierlichen Versprechen Dinge wie die erwähnten möglich sind,
so liegt es daran, dass sich die Volksvertreter nicht mehr als freie
Verfechter des allgemeinen Wohls vorkommen, sondern als Gefangene von
Verbänden, mächtigen Gruppen und Interessenten, in deren offenen oder
geheimen Auftrag sie (gern oder ungern) handeln.

    Von der historischen Aufgabe des Parlamentes, das Volk vor den
Übergriffen des Fiskus und der Bürokratie zu schützen, ist leider nicht
mehr viel übrig geblieben.

    Nach dem Willen von über 40 Nationalräten wären die Teurungszulagen für
das Bundespersonal (sie kosten die Bagatelle von 27 Millionen Franken) in
völlig rechtswidriger Weise überhaupt dem Referendum entzogen worden. Ein
Hauptverfechter dieser volksdemokratischen Methode war wieder einmal mehr
Herr Robert Bratschi, wahrhaftig ein Demokrat von beängstigenden Ausmassen.

    Es geht nicht darum, dem Personal diese Zulagen zu missgönnen,
es geht darum, ob Recht noch Recht ist, und ob der Bürger sich auf ein
Wort des Bundesrates, auf die Worte seiner National- und Ständeräte noch
verlassen kann.

    Vor und während der Abstimmungskampagne um das neue Beamtengesetz,
Ende 1949, hat man dem Volk versichert, dass es bei den geschätzten
Mehrkosten in der Höhe von schliesslich 44 Millionen Franken jährlich
bleiben werde. Präzis und deutlich wurde im Bundesrat und im Parlament
erklärt, dass die bevorstehende Anpassung der Ämtereinreihung keine
namhaften zusätzlichen Kosten verursachen werde.

    Die Druckerschwärze der Abstimmungskommentare war kaum trocken
und die 44 Millionen Franken Lohnaufbesserungen für das Bundespersonal
vom Volke beschlossen, als der Demokrat Bratschi seine Forderungen auf
Änderung der Ämtereinreihung bekannt gab. Diese bedingen für das gesamte
Bundespersonal weitere Mehrausgaben von mindestens 40 Millionen Franken
jährlich, zu den bereits bewilligten 44 Millionen hinzu.

    Nimmt es einen da noch wunder, dass immer lauter von notwendigen
Erhöhungen der Eisenbahn- und Posttarife die Rede ist? Vor der Abstimmung
über das Beamtengesetz versicherten Bundesrat, SBB und PTT hoch und heilig,
es würden keine Taxerhöhungen notwendig werden. Kaum war die Abstimmung
vorbei, wurden die Projekte für Taxerhöhungen aus der Schublade gezogen.
Begründung: Vermehrte Personalkosten!

    So wird das Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die
Treue der Behörden langsam aber sicher untergraben. Wo sind in der neuen
Bundesversammlung die freien Männer, welche Recht, Verfassung und pegebenes
Wort konsequent über die Wünsche und Befehle der mächtigen Verbände und
Interessengruppen stellen?"

    B.- Nationalrat Robert Bratschi fühlt sich durch dieses Inserat in
seiner Ehre verletzt. Er reichte am 31. Januar 1952 beim Bezirksgericht
St. Gallen gegen Eibel Strafklage wegen Verleumdung, eventuell übler
Nachrede, eventuell Beschimpfung ein, verband damit das Begehren um
Verurteilung des Beklagten zu Fr. 1000.-- Entschädigung und Genugtuung
und verlangte Veröffentlichung des Urteils im St. Galler Tagblatt, in
der Volksstimme, in der Ostschweiz, im Mitteilungsblatt der Aktion für
freie Meinungsbildung, im Tagblatt der Stadt Zürich und im Anzeiger der
Stadt Bern.

    Das Bezirksgericht sprach den Beklagten am 27. Februar 1953 wegen der
Anschuldigung, ein Hauptverfechter volksdemokratischer Methoden zu sein
und durch sein Verhalten zur Untergrabung des Vertrauens in die Demokratie
und in die Treue der Behörden beizutragen, der üblen Nachrede schuldig,
verurteilte ihn zu Fr. 400.-- Busse und gegenüber dem Kläger zu Fr. 100.--
Genugtuung und verfügte, dass das Urteil auf Kosten des Beklagten im
St. Galler Tagblatt zu veröffentlichen sei.

    Der Beklagte erklärte die Berufung an das Kantonsgericht von St. Gallen
mit dem Antrag auf Freisprechung in allen Punkten. Der Kläger schloss sich
der Berufung an und beantragte Gutheissung der Klage in vollem Umfange,
mit der Ausnahme, dass er die Veröffentlichung des Urteils im Tagblatt
der Stadt Zürich und im Anzeiger der Stadt Bern nicht mehr verlangte.

    Das Kantonsgericht wies die Klage am 5. Januar 1954 ab. Es
führte aus, dass sie sich auf den ganzen Inhalt des Inserates,
nicht nur, wie das Bezirksgericht angenommen habe, auf zwei besonders
hervorgehobene Stellen beziehe. Es kam zum Schluss, dass das Inserat am
Kläger ausschliesslich Kritik politischer Art übe und nirgends seine
persönliche Ehre berühre, somit weder als Ganzes noch zum Teil einen
strafbaren Ehrverletzungstatbestand erfülle, und dass eine Genugtuung nicht
zuzusprechen sei, weil eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
im Sinne des Art. 49 Abs. 2 OR fehle.

    C.- Bratschi führt gegen das oberinstanzliche Urteil
Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei im Straf- und im Zivilpunkt
aufzuheben und die vor Kantonsgericht gestellten Begehren des Klägers seien
zu schützen, eventuell sei die Sache zu diesem Zwecke an das Kantonsgericht
zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend,
das angefochtene Urteil beschränke den strafrechtlichen Ehrenschutz in
unzulässiger Weise und berücksichtige die persönliche Stellung und den
Lebenskreis des Klägers nicht; das Inserat verunglimpfe ihn nicht nur
politisch, sondern auch persönlich schwer.

    D.- Eibel beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kosten-
und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 4 des BG vom 23. Dezember 1851 über die politischen und
polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft waren strafbare
Handlungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung vom Bundesgericht
zu beurteilen, wenn sie begangen wurden, während diese Personen sich
"im wirklichen Dienste des Bundes" befanden. Das BG vom 4. Februar 1853
über das Bundesstrafrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BStrR)
erweiterte die Bundesgerichtsbarkeit, da sein Art. 59 die "öffentliche
Beschimpfung oder Verleumdung" eines Mitgliedes der Bundesversammlung mit
Strafe bedrohte, wenn "die beleidigende Äusserung bei Gelegenheit der
Ausübung der amtlichen Verrichtungen oder mit Beziehung auf dieselben"
stattgefunden hatte, und da sein Art. 74 den Bundesrat ermächtigte,
alle in diesem Gesetze mit Strafe bedrohten Handlungen, soweit sie
nicht gemäss Art. 73 schon von Gesetzes wegen in die Zuständigkeit der
Bundesassisen fielen, nach eidgenössischem Prozessverfahren untersuchen
und durch dieses Gericht beurteilen zu lassen. Das BG vom 22. März 1893
über die Organisation der Bundesrechtspflege, das den Art. 74 BStrR aufhob,
brachte keine Änderung, da sein Art. 146 die kantonale Gerichtsbarkeit in
den nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheidenden Strafsachen nur vorsah
für den Fall, dass die Sache durch ein Bundesgesetz oder durch Beschluss
des Bundesrates den kantonalen Gerichten zur Beurteilung zugewiesen
werde. Das BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege, das
diese Bestimmung aufhob, änderte im Ergebnis nichts, da auch es die
Zuständigkeit der kantonalen Behörden in Bundesstrafsachen nur kennt,
wenn sie kraft eines Bundesgesetzes oder eines Delegationsbeschlusses
des Bundesrates besteht (Art. 247). Auch Art. 8 des BG vom 26. März
1934 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der
Eidgenossenschaft schränkte die Bundesgerichtsbarkeit zur Ahndung der in
Art. 59 BStrR umschriebenen Ehrverletzungen nicht ein. Indessen hat die
Lage sich durch das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches
geändert. Weil es Art. 59 BStrR aufgehoben hat und Ehrverletzungen gegen
Mitglieder der Bundesversammlung wie alle Vergehen gegen die Ehre den
Art. 173 ff. StGB unterstellt, sind sie nunmehr gemäss Art. 343 StGB
von den kantonalen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen, soweit
sie nicht kraft einer anderen Bestimmung der Bundesgerichtsbarkeit
unterstehen. Da das Strafgesetzbuch selber (vgl. Art. 340) sie dieser
Gerichtsbarkeit in keinem Falle unterstellt, werden sie von ihr nur noch
in dem in Art. 8 des Garantiegesetzes umschriebenen Umfange erfasst. Diese
Bestimmung sieht die Bundesgerichtsbarkeit für Vergehen gegen die Ehre
von Mitgliedern der Bundesversammlung nur vor, wenn sie verübt werden,
während diese Personen "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden";
denn unter den Straftaten, auf die Abs. 2 verweist, sind nicht nur die
in Abs. 1 erwähnten Verbrechen gegen Leib, Leben und Freiheit, sondern
auch die daselbst genannten Vergehen gegen die Ehre zu verstehen, wobei
für heute dahingestellt bleiben kann, ob alle oder wie im Falle des Abs.
1 nur jene, die sich auf die Amtsführung beziehen. Diese Ordnung entspricht
der Absicht der gesetzgebenden Behörden; denn sie waren sich bewusst, dass
Art. 8 des Garantiegesetzes nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches
die einzige Bestimmung sein werde, aus der die Bundesgerichtsbarkeit zur
Verfolgung von Ehrverletzungen gegen Mitglieder der Bundesversammlung werde
abgeleitet werden können (Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1933,
BBl 1933 II 506).

    Das Inserat, das Gegenstand der Klage bildet, ist nicht während einer
Session der Bundesversammlung erschienen. Auch wird von keiner Seite
behauptet, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1951 an der Tagung
einer Kommission der Bundesversammlung teilgenommen. Ob die Mitglieder der
Bundesversammlung während einer solchen Tagung im Sinne des Art. 8 Abs. 2
des Garantiegesetzes "sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden",
kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Beschwerdegegner untersteht
für das Vergehen, das der Beschwerdeführer ihm vorwirft, der kantonalen
Gerichtsbarkeit.

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes schützen die Art. 173
ff. StGB nur den Ruf und das Gefühl des Betroffenen, ein ehrbarer Mensch
zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein
charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen,
die sich eignen, jemanden in anderer Hinsicht in der gesellschaftlichen
Geltung herabzusetzen oder in seinem Selbstbewusstsein zu verletzen, sind
nicht ehrverletzend im Sinne der erwähnten Bestimmungen. Das wurde z.B.
entschieden in bezug auf Worte, die jemanden als Künstler, Berufs- oder
Geschäftsmann heruntermachten oder ihn als nervenkrank hinstellten (BGE
71 IV 230, 72 IV 172, 76 IV 28, 77 IV 98), muss aber auch gelten für
Vorwürfe, welche die politische Anschauung und Haltung eines Menschen
beanstanden. Voraussetzung ist aber hier wie immer, dass die Kritik an
den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens und Empfindens
des Betroffenen keine Schatten auf seine Geltung als ehrbarer Mensch werfe
und sein Gefühl, ein solcher zu sein, vollständig unberührt lasse. Durch
Beanstandung der politischen Haltung eines Menschen darf nicht der
Eindruck oder auch bloss der Verdacht erweckt werden, es fehlten ihm
von jenen Charaktereigenschaften, die nach allgemeiner Anschauung ein
ehrbarer Mensch haben muss. Das gilt auch für Äusserungen in der Presse,
sogar wenn sie der Bildung einer politischen Meinung dienen; die Aufgabe,
welche die Presse auf diesem Gebiete hat, gibt ihr nicht das Recht, die
Grenzen, die das Strafgesetzbuch zum Schutze der persönlichen Ehre zieht,
zu überschreiten (BGE 70 IV 24, 151, 73 IV 16, 77 IV 99).

Erwägung 3

    3.- In den ersten fünf Absätzen des Inserates hat der Beschwerdegegner
vom Versuch eines Verfassungs- und Rechtsbruches geschrieben. Dieser
Vorwurf an sich setzt die Personen, die er angeht, in ihrem Ehrgefühl
und ihrer Geltung als ehrbare Menschen nicht herab. Wie sehr auch ein in
einer Behörde verfochtener Antrag gegen Gesetz oder Verfassung verstossen
mag, ist der, der ihn im guten Glauben der Rechtmässigkeit stellt oder
unterstützt, nicht ein ehrloser Mensch; denn die gutgläubig unrichtige
Beantwortung einer Rechtsfrage verrät keinen Charakterfehler. Anders
ist es sogar dann nicht, wenn der Vorwurf mit scharfen Worten erhoben
wird. Immerhin dürfen sie nicht beschimpfend sein. Das sind jedoch die
vom Beschwerdegegner gebrauchten Wendungen "schwerer Verfassungsbruch"
und "in völlig rechtswidriger Weise" nicht.

Erwägung 4

    4.- Der Vorwurf, das Mitglied einer gesetzgebenden Behörde habe
einen gesetz- oder verfassungswidrigen Antrag gestellt oder unterstützt,
eignet sich dagegen dann, seinen Ruf als Mensch zu schädigen, wenn damit
die Beschuldigung oder Verdächtigung verbunden wird, es habe mit dem
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt. Ein Volksvertreter, der
das tut, erniedrigt sich nicht nur politisch, sondern auch allgemein
menschlich, jedenfalls dann, wenn er nicht aus sittlich achtenswerten
Beweggründen handelt.

    Ehrverletzend ist demgemäss die Stelle im zweiten Absatz des
Inserates, wo der Beschwerdegegner von 73 Mitgliedern des Nationalrates,
welche die sofortige Auszahlung der Teurungszulage befürworteten, gesagt
hat, sie hätten sich bereit gefunden, im Interesse ihrer glücklichen
Wiederwahl Gesetz und Recht in die Ecke zu drücken. Diese Behauptung
kann nicht anders verstanden werden, als dass die 73 Ratsmitglieder die
Referendumsvorschrift bewusst missachtet hätten, um für die bevorstehende
Erneuerung ihres Mandates sich die Gunst der Wähler zu sichern. Gesetz und
Recht zu einem persönlichen, eigennützigen Zwecke in die Ecke drücken,
heisst, sie absichtlich und gewaltsam verdrängen, ausschalten. Dass dem
Satze der Vorwurf bewusst rechtswidrigen Verhaltens entnommen werden muss,
bestätigt auch der Hinweis des nächsten Absatzes auf das von den neuen
Ratsmitgliedern abzulegende feierliche Gelübde.

    Vom Vorwurf betroffen wird der Beschwerdeführer indessen nicht schon
wegen seiner Zugehörigkeit zum Nationalrat. Das ehrenrührige Verhalten wird
nur jenen Ratsmitgliedern vorgehalten, die für die sofortige Auszahlung der
Teurungszulage stimmten. Die Ehre dieser 73 aber wird damit verletzt. Dass
das Inserat sie nicht mit Namen nennt, ändert nichts; denn jedenfalls die
Mitglieder des Nationalrates, die es zu Gesicht bekamen, konnten wissen,
welche ihrer Kollegen gemeint waren. Wenn der Beschwerdeführer zu den 73
gehört, ist er daher in seiner Ehre verletzt und damit auch berechtigt,
Strafantrag zu stellen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Das
Kantonsgericht hat festzustellen, ob der Beschwerdeführer für die sofortige
Auszahlung der Teurungszulagen gestimmt hat. Wenn er bei der Abstimmung
im Rate anwesend war, mag angesichts seiner Einstellung und der Haltung,
die er in der ganzen Sache eingenommen hat, der Schluss nahe liegen,
dass es der Fall gewesen sei. Allein ob er überhaupt anwesend war,
kann dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnommen werden. Ob der
Beschwerdegegner die Teilnahme des Beschwerdeführers an der betreffenden
Sitzung im Prozesse nicht bestritten hat, wie der Beschwerdeführer geltend
macht, ist vom Kassationshof nicht selber nachzuprüfen, abgesehen davon,
dass der Beschwerdeführer in der Klage seine Anwesenheit nicht behauptet
hatte und daher für den Beschwerdegegner zunächst auch gar kein Anlass
bestand, sie zu bestreiten.

Erwägung 5

    5.- .........

Erwägung 6

    6.- Nicht zu teilen ist die Auffassung des Bezirksgerichts, auch
der erste Satz des fünften Absatzes des Inserates enthalte den Vorwurf
bewusst rechtswidrigen Verhaltens. Die Worte: "Nach dem Willen von über 40
Nationalräten wären die Teurungszulagen... in völlig rechtswidriger Weise
überhaupt dem Referendum entzogen worden", haben bloss den Sinn, dass, wenn
es nach dem Willen dieser Nationalräte gegangen wäre, die Teurungszulagen
dem Referendum in völlig rechtswidriger Weise entzogen worden wären, d.h.,
was die vierzig gewollt hätten, sei völlig rechtswidrig gewesen. Dass
ihr Wille sich auch auf die "völlige Rechtswidrigkeit" bezogen habe,
kann der unbefangene Leser dem Satze nicht entnehmen.

Erwägung 7

    7.- Durch den zweiten Satz des fünften Absatzes des Inserates sieht
der Beschwerdeführer sich in seiner Ehre verletzt, weil der Ausdruck
"volksdemokratische Methode" den Leser unwillkürlich an Diktatur,
Terror, Aufhebung aller persönlichen Rechte, Unterdrückung der Freiheit,
Aufhebung des normalen Rechtsverfahrens usw. denken lasse, und weil
die ironische Bemerkung, der Beschwerdeführer sei ein "Demokrat von
beängstigenden Ausmassen", den Beschwerdeführer als undemokratischen,
unter dem Deckmantel der Demokratie auftretenden Menschen hinstelle.

    Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Inserat ihn nicht allgemein
volksdemokratischer Methoden zeiht, sondern nur den Versuch, die
Teurungszulagen dem Referendum zu entziehen, als solche Methode hinstellt.
Volksdemokratisch steht hier für undemokratisch, autoritär, diktatorisch.
Damit bleibt die Kritik im politischen Bereich. Auch im demokratischen
Staat kann ein Politiker autoritäre Anschauungen und Methoden vertreten,
ohne an seiner persönlichen Ehre Schaden zu leiden. Wenn seine Haltung
dann in der politischen Diskussion als diktatorisch, faszistisch
oder volksdemokratisch kritisiert wird, ist das eine jener üblichen
Übertreibungen, die vom Leser entsprechend abgewertet werden und daher
nicht den Eindruck hinterlassen, der Betroffene sei kein achtbarer
Mensch. An die persönliche Ehre gehen solche Angriffe erst, wenn sie - was
hier nicht zutrifft - den Vorwurf bewusster Verletzung der in Verfassung
und Gesetz verankerten Volksrechte enthalten.

    Auch die bloss ironische Bezeichnung des Beschwerdeführers als
"Demokrat von beängstigenden Ausmassen" setzt ihn nur als Politiker, nicht
als Mensch herab. Sie prangert ihn lediglich als schlechten Demokraten
an. Auch nach schweizerischer Auffassung aber kann ein lauer Demokrat,
ja sogar ein Gegner der Demokratie, ein charakterlich einwandfreier,
achtbarer Mensch sein. 8. - In den Absätzen 6-10 behauptet das Inserat
einen Widerspruch zwischen den im Bundesrat und in der Bundesversammlung
vor der Abstimmung über das Beamtengesetz abgegebenen Erklärungen und
den vom Beschwerdeführer nach der Abstimmung begehrten Änderungen der
Ämtereinreihung sowie den Projekten betreffend Erhöhung der Eisenbahn-
und Posttaxen. Es rügt diesen Widerspruch als eine Erscheinung, die das
Vertrauen des Volkes in die Demokratie und in die Treue der Behörden
langsam untergrabe.

    Auch diese Ausführungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in
seiner Ehre. Der Vorwurf widerspruchsvollen Verhaltens berührt ihn
nicht. Der Beschwerdeführer betont selber, dass er nie behauptet habe,
die Besoldungsvorlage werde ohne Mehrbelastung auskommen, sondern
dass er und seine Gesinnungsfreunde ausdrücklich auf die Notwendigkeit
der neuen Ämtereinreihung hingewiesen hätten und die von ihm bei der
Ämtereinreihung angemeldeten Forderungen zu einer Mehrbelastung von
jährlich 16 Millionen Franken geführt hätten. Ein gegenteiliger Eindruck
wird vom Inserat nicht zu erwecken versucht. An Erklärungen aber, die
vor der Abstimmung über das Beamtengesetz vom Bundesrate oder von anderer
Seite in der Bundesversammlung abgegeben wurden, war der Beschwerdeführer
nicht gebunden. Er konnte die von ihm und seinen Gesinnungsfreunden
begehrten Änderun- gen in der Ämtereinreihung beantragen, ohne
dadurch einen Wortbruch zu begehen und sich unehrenhaft zu verhalten.
Der Bundesversammlung und ihrer Mehrheit blieb es überlassen, ob sie
trotz der genannten Erklärungen den Anträgen folgen wollten oder nicht.

Erwägung 9

    9.- Die Beschwerde im Strafpunkt ist demnach nur insoweit gutzuheissen,
als sie sich auf die Behauptung des Inserates bezieht, der Versuch von
73 Ratsmitgliedern, die Teurungszulagen sofort auszahlen zu lassen, habe
bewusst gegen die Referendumsvorschriften verstossen. In diesem Punkte hat
das Kantonsgericht, wie oben unter Ziffer 4 ausgeführt ist, festzustellen,
ob der Beschwerdeführer überhaupt unter den erwähnten 73 Ratsmitgliedern
war. Trifft das zu, so hat es zu prüfen, ob der Beschwerdegegner bewiesen
hat, dass der Vorwurf begründet war oder dass er ernsthafte Gründe hatte,
ihn für begründet zu halten (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Falls beides verneint
wird, stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdegegner den Vorwurf
wider besseres Wissen erhoben hat (Art. 174 StGB).

    ...

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil
des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 5. Januar 1954 aufgehoben und
die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.