Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 13



80 IV 13

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. April 1954 i.S. Kägi
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 41 Ziff. 1 StGB. Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges
bei Führen in angetrunkenem Zustande.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB setzt der bedingte
Aufschub des Strafvollzuges voraus, dass die Umstände des Falles und
die persönlichen Verhältnisse des Täters, insbesondere sein Vorleben und
Charakter, erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weiteren
Verbrechen oder Vergehen abgehalten (BGE 73 IV 77, 84; 74 IV 137; 76 IV
72; 77 IV 68). Diese Erwartung rechtfertigt sich nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung gewöhnlich nicht, wenn der Täter in angetrunkenem Zustande
ein Motorfahrzeug führt; denn dadurch bekundet er in der Regel, dass er
Leib und Leben anderer gering achtet und ein besonders hemmungsloser
Mensch ist. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist in solchen Fällen nur
aufzuschieben, wenn bestimmte besondere Umstände den Schluss auf Hemmungs-
und Gewissenlosigkeit des Verurteilten als unbegründet erscheinen lassen,
so etwa, wenn er sich erst unter dem enthemmenden Einfluss des Alkohols zum
Führen eines Motorfahrzeuges entschlossen hat oder durch starkes Drängen
anderer zur Tat bewogen worden ist (BGE 74 IV 138, 196; 74 IV 196; 76 IV
170; 79 IV 68).

    Was der Beschwerdeführer gegen diese Rechtsprechung einwendet,
hält nicht stand. Gewiss bedarf nicht jeder einer gleich grossen
Alkoholkonzentration, um Zeichen der Angetrunkenheit zu äussern, und
wirkt sich ein und derselbe Alkoholgehalt des Blutes bei einem bestimmten
Menschen auch nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen gleich
aus. Solchen Unterschieden ist aber beim Entscheid der Beweisfrage, ob
der Angeklagte angetrunken war, Rechnung zu tragen. Hat der Sachrichter
auf Angetrunkenheit geschlossen, was übrigens nicht notwendigerweise
eine Blutuntersuchung voraussetzt, sondern auch in freier Würdigung
anderer Beweise geschehen kann (Art. 249 BStP), so ist dem Angeklagten,
der in diesem Zustande ein Motorfahrzeug geführt hat, Hemmungs- und
Gewissenlosigkeit vorzuwerfen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen.
Daran ändert die Tatsache, dass die Angetrunkenheit sich nicht bei jedem
Menschen gleich auswirkt, grundsätzlich nichts. Obwohl der Alkohol
den einen vorwiegend bloss euphorisch stimmt, den andern ausserdem
zu rücksichtslosem Verhalten treibt, ist doch allen Angetrunkenen die
Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung erschwert und leidet bei ihnen auch
die Fähigkeit, auf Gefahren rasch und zweckmässig zu reagieren. Wer sich
antrinkt, obschon er weiss, dass er in diesem Zustande ein Motorfahrzeug
führen wird, legt daher Charaktereigenschaften an den Tag, die ihn
des bedingten Strafaufschubes grundsätzlich unwürdig machen. Ob er
weiss, wieviele Promill Alkohol er in diesem Zustande im Blute hat,
ist unerheblich; es genügt, dass grundsätzlich jedem klar ist, wieviel
er trinken darf, ohne in seiner Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung
und Reaktionsfähigkeit beeinflusst zu werden. Zu einer Änderung
der Rechtsprechung besteht umsoweniger Anlass, als der Richter beim
Entscheid über den bedingten Strafaufschub nebenbei auch dem Bedürfnis
nach Generalprävention Rechnung tragen darf (BGE 73 IV 80, 87; 74 IV 138;
79 IV 69).