Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 IV 112



80 IV 112

21. Urteil des Kassationshofes vom 8. Juli 1954 i.S. Brunner gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. Regeste

    Art. 253 Abs. 1 StGB. Erschleicht der, der durch unwahre Angaben eine
Jagdbewilligung erwirkt, eine falsche Beurkundung?

Sachverhalt

    A.- Brunner war am 14. November 1949 vom Obergericht des Kantons
Zürich wegen Gehülfenschaft zu Abtreibung zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die
Probe gestellt worden. Er erfüllte daher weder nach den Vorschriften
seines Wohnsitzkantons Zürich, noch nach denen des Kantons Graubünden
die Voraussetzungen für die Erteilung der Jagdberechtigung. Trotzdem
bewarb er sich am 8. September 1952 auf dem Pass- und Patentbüro
des Kantons Graubünden um eine Bewilligung für die am folgenden Tage
beginnende Hochjagd. Da er erklärte, er sei in den vergangenen fünf
Jahren zu keiner Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt worden und
erfülle in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung,
und da er sich verpflichtete, die schriftliche Bestätigung über den
Besitz der Jagdberechtigung im Wohnkanton sowie ein Leumundszeugnis bis
15. Oktober beizubringen, stellte ihm das Pass- und Patentbüro am Tage
des Ansuchens ein "Hochjagd-Patent für nicht im Kanton niedergelassene
Schweizer für das Jahr 1952" aus. Es enthält die Erklärung: "Herrn
Brunner Willy, von Bassersdorf, geb. 1922, wohnhaft in Bassersdorf, wird
die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den
Jagdbetrieb erteilt." Ausserdem trägt es eine Nummer, Ort und Datum, die
Unterschrift Brunners, die Gebühren-Rechnung und die mit dem Aufdruck einer
Registrierkasse versehene Gebühren-Quittung über Fr. 253.90. Brunner begab
sich mit diesem Patent im Safiental während vierzehn Tagen auf die Jagd.

    B.- Am 22. Oktober 1953 erklärte das Kantonsgericht von Graubünden
Brunner der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne des Art. 253
Abs. 1 StGB und der fortgesetzten vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen
Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig,
verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von
vierzehn Tagen und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 250.--,
schloss ihn für fünf Jahre bedingt von der Jagdberechtigung aus und
verfügte die Einziehung der verwendeten Jagdwaffe.

    Es sah das Verbrechen des Art. 253 Abs. 1 StGB in der Erschleichung
des Jagdpatentes. Es führte aus, das Patent sei bestimmt und geeignet, die
Tatsache der Berechtigung zur Jagd abschliessend zu beweisen. Darin werde
festgehalten, dass sein Inhaber alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen
erfülle und daher das Recht zur Jagd besitze. Wer bewusst die Erfüllung
der gesetzlichen Voraussetzungen vortäusche, obschon er sie nicht erfülle,
bewirke die unrichtige Beurkundung einer rechtserheblichen Tatsache. Der
Beamte, der das Patent ausstelle, halte darin nicht nur einzelne für die
Jagdberechtigung massgebliche Daten, wie z.B. das Alter, fest, sondern
bescheinige darüber hinaus die Jagdberechtigung. Wenn man auch nicht sagen
könne, das Jagdpatent habe hinsichtlich dieser einzelnen Daten (Alter,
Vorstrafenlosigkeit usw.) Urkundencharakter, so habe es solchen doch ohne
Zweifel hinsichtlich der Jagdberechtigung. Wer bei der Ausstellung des
Patentes falsche Angaben über Alter und Vorstrafen mache, bewirke eben
nicht nur die unrichtige,Beurkundung'dieser Tatsachen an sich, sondern
die Beurkundung eines Rechts, das ihm in Wahrheit nicht zukomme.

    C.- Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei
aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der
Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung an das Kantonsgericht
zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend,
das Jagdpatent sei nicht eine Urkunde über die Jagdberechtigung, da der
Beamte, der es ausstellte, nicht zuständig gewesen sei, zu beurkunden,
dass der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Jagd
erfülle und damit jagdberechtigt sei. Beurkundet sei bloss die Tatsache,
dass der Beschwerdeführer die Patentgebühr bezahlt habe.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 253 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer durch Täuschung
bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine
rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche
Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Diese Bestimmung
trifft nicht schon dann zu, wenn jemand einen Beamten durch Täuschung
veranlasst, eine Urkunde zu erstellen, die er sonst nicht erstellen
dürfte, sondern die Täuschung muss dazu führen, dass der Beamte etwas
"unrichtig beurkundet". Beurkunden aber heisst eine Urkunde, d.h. eine
zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmte oder geeignete
Schrift herstellen (Art. 110 Ziff. 5 StGB). Beurkundet sind nur Tatsachen,
die die Schrift zu beweisen bestimmt oder geeignet ist (BGE 72 IV 72,
139, 73 IV 50, 74 IV 162, 78 IV 110). Das setzt zum mindesten voraus,
dass die Tatsache durch den gedanklichen Inhalt der Schrift festgehalten
sei, sich aus ihm unmittelbar ergebe. Tatsachen, auf die bloss mittelbar
aus beurkundeten Tatsachen geschlossen werden kann, sind selber nicht
beurkundet. So ist z.B. die Ehefähigkeit der Gatten im Eheregister nicht
beurkundet, obschon die daselbst beurkundete Eheschliessung (vgl. Art. 92,
94 Zivilstandsverordnung) Anzeichen dafür ist, dass deren Voraussetzungen
erfüllt, insbesondere die Gatten ehefähig gewesen seien.

Erwägung 2

    2.- Das Kantonsgericht ist der Auffassung, in der als Hochjagd-Patent
bezeichneten Karte, die dem Beschwerdeführer am 8. September 1953
ausgestellt wurde, habe das Pass- und Patentbüro beurkundet, dass der
Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen der Jagdberechtigung
erfülle. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen versteht es nicht die
formelle (und zutreffende) Tatsache, dass der zuständige Beamte dem
Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung der Jagd erteilt habe,
sondern die materiellen Voraussetzungen, ohne die ein Jagdpatent nicht
ausgestellt werden darf, insbesondere die (unzutreffende) Tatsache, dass
der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung weder
zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei.

    Die einzige materielle Voraussetzung der Jagdberechtigung, über
die die erwähnte Karte etwas sagt, ist indessen die an ihrem Fusse
angebrachte Gebühren-Quittung, die nach ihrem gedanklichen Inhalt wahr
ist, da der Beschwerdeführer die Gebühren tatsächlich bezahlt hat. Über
die übrigen materiellen Voraussetzungen, insbesondere darüber, dass der
Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor dem 8. September 1952
weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei und dass er
in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle,
sagt die Karte weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne etwas. Sie
bildet höchstens ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt
seien. Ihr unmittelbarer gedanklicher Inhalt erschöpft sich darin,
dass das Pass- und Patentbüro der in der Karte bezeichneten Person
"die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den
Jagdbetrieb erteile". Das ist eine auf das kantonale Jagdregal gestützte
Erlaubnis, nicht eine Feststellung (Bescheinigung), dass die tatsächlichen
Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wird, erfüllt seien. Es ist
nicht etwa so, dass jeder, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt,
ohne weiteres berechtigt wäre, zu jagen, und die Karte lediglich den Sinn
eines Ausweises über diese Voraussetzungen hätte, die der ohne Patent
Jagende im Streitfall auch auf andere Weise dartun dürfte. Nach Art. 1
Abs. 2 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz ordnen die Kantone
die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen
das Jagdsystem (Pachtjagd, Patentjagd). Das bündnerische Jagdgesetz vom
25. Juli 1926/25. Juli 1943 sieht die "Erteilung der Jagdbewilligung durch
Ausgabe von Patenten" vor (Art. 3). Ohne die Jagdbewilligung darf überhaupt
nicht gejagt werden. Diese Bewilligung aber ist dem Beschwerdeführer
tatsächlich erteilt worden, die Karte also inhaltlich wahr, obwohl sie auf
Grund unwahrer Angaben des Beschwerdeführers über gewisse Voraussetzungen
ausgestellt worden ist. Der Beschwerdeführer ist daher von der Anklage der
Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen. Erschlichen hat
er die Jagdbewilligung als staatlichen Hoheitsakt, nicht eine inhaltlich
unwahre Urkunde über dessen Voraussetzungen.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Kantonsgerichts von Graubünden vom 22. Oktober 1953 insoweit aufgehoben,
als es den Beschwerdeführer der Erschleichung einer falschen Beurkundung
schuldig erklärt und ihn deswegen bestraft hat, und die Sache wird zur
Freisprechung in diesem Punkte an das Kantonsgericht zurückgewiesen.