Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 71



80 II 71

10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. April 1954 i. S.
Schweiz. Krankenkasse Helvetia gegen Strahm. Regeste

    Genossenschaft, Ausschluss von Mitgliedern.

    Zulässigkeit der Berufung; Rechtsnatur des Streits um die
Mitgliedschaft bei einer Genossenschaft; Art. 44, 46 OG. Zulässigkeit
neuer Vorbringen zum Streitwert; Art. 36 Abs. 2 OG (Erw. 1).

    Tragweite von Art. 30 KUVG in Bezug auf Streitigkeiten über den
Ausschluss von Krankenkassenmitgliedern (Erw. 2, 3).

    Unzulässigkeit der Übertragung der Ausschlusskompetenz an das
geschäftsführende Organ einer Genossenschaft; Art. 846 Abs. 3 OR (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Gustav Strahm ist seit Jahren Mitglied der Schweiz.  Krankenkasse
Helvetia. Diese ist eine vom Bundesrat gemäss Art. 1 Abs. 3 KUVG anerkannte
Krankenkasse. Nach Art. 5 VO I über die Krankenversicherung betr. die
Anerkennung von Krankenkassen usw. vom 7. Juli 1913 (BGS 8 S. 323) müssen
die Kassen entweder die Rechtsform der Genossenschaft nach Art. 828 OR, des
Vereins gemäss Art. 60 ZGB oder der Stiftung gemäss Art. 80 ZGB aufweisen.
Kassen, welche die Rechtsform der Genossenschaft wählen, bedürfen nach der
erwähnten Vorschrift des Eintrags im Handelsregister nicht; sie besitzen
die Rechtspersönlichkeit schon gemäss Art. 29 Abs. 1 KUVG.

    Die Helvetia ist gemäss § 1 ihrer Statuten eine
Genossenschaft. Oberstes Organ im Sinne der Art. 879/892 OR ist
nach § 53 der Statuten die Generalversammlung der schweizerischen
Delegierten. Verwaltung im Sinne von Art. 894 OR ist der Zentralvorstand
(§ 59); ein Ausschuss desselben, der "engere Zentralvorstand" (§ 59
Abs. 4) ist nach § 61 Abs. 2 Ziff. 5 für den Ausschluss von Mitgliedern
zuständig. § 62 sieht als geschäftsführendes Organ eine Zentralverwaltung
vor, welcher der Zentralvorstand einen Teil seiner Geschäfte übertragen
kann. In die Zuständigkeit der Zentralverwaltung fällt gemäss Beschluss des
Zentralvorstandes vom 19. Januar/5. Februar 1949 u.a. auch der Ausschluss
von Mitgliedern. § 94 der Statuten sodann bestimmt unter dem Marginale
"Gerichtsstand und Instanzenweg":

    "Privatrechtliche Streitigkeiten zwischen der Kasse und ihren
Mitgliedern werden durch die ordentlichen Gerichte endgültig entschieden...

    Vor der gerichtlichen Anhängigmachung eines Rechtsstreites hat der
Kläger den nachstehend vorgeschriebenen Instanzenweg zu betreten, ansonst
die Beklagte nicht verpflichtet ist, auf die Klage einzutreten."

    Der Instanzenweg wird in § 94 Abs. 3 und 4 dahin geregelt, dass nach
erfolglos verlaufenem Vermittlungsverfahren vor dem Sektionsvorstand die
Zentralverwaltung entscheidet, gegen deren Entscheid binnen 14 Tagen beim
Zentralvorstand Rekurs erhoben werden kann.

    B.- Mit Schreiben vom 21. März 1950 wurde Strahm wegen grober
Statutenverletzungen von der Sektion Basel 3 aus der Genossenschaft
ausgeschlossen. Hiegegen rekurrierte er am 2. Mai 1950 an die
Zentralverwaltung. Diese erklärte mit Schreiben vom 17. Mai 1950 den
Entscheid der Sektion als berechtigt. Den Entscheid der Zentralverwaltung
zog Strahm nicht an den Zentralvorstand weiter.

    C.- Am 17. Mai 1951 erhob Strahm gegen die Kasse Klage mit dem Begehren
um Feststellung, dass er immer noch Kassenmitglied sei.

    Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, der
Ausschlussentscheid der Sektion sei mangels Zuständigkeit nichtig
gewesen und habe durch die Bestätigung seitens der Zentralverwaltung keine
Gültigkeit erlangen können. Übrigens sei auch die Zentralverwaltung nicht
zuständig gewesen; denn die Befugnis zum Ausschluss von Mitgliedern, die
nach Art. 846 Abs. 3 OR grundsätzlich der Generalversammlung zustehe,
könne zwar durch die Statuten an die Verwaltung im Sinne des Gesetzes,
also bei der Beklagten an den Zentralvorstand, delegiert werden. Eine
Weiterdelegation an die Zentralverwaltung als lediglich geschäftsführendes
Organ sei dagegen unstatthaft. Die Zentralverwaltung wäre ferner auch
deswegen zum Ausschluss nicht zuständig, weil ihr diese Befugnis in den
Statuten nicht ausdrücklich übertragen werde.

    Die Beklagte bestritt ihre Pflicht zur Einlassung auf die Klage wegen
Nichteinhaltung des Instanzenweges gemäss § 94 der Statuten. Die dort
vorgesehene Regelung sei zulässig, da nach Art. 30 KUVG die Anrufung des
ordentlichen Richters überhaupt ausgeschlossen werden könne. Eventuell
beantragte sie Abweisung der Klage. Sie anerkennt, dass die Sektion zum
Ausschluss nicht zuständig gewesen sei. Das sei aber unbeachtlich, da
die Zentralverwaltung in Bestätigung des Sektionsentscheides ihrerseits
den Ausschluss vorgenommen habe. Die Zentralverwaltung sei zwar nicht
Verwaltung im Sinne von Art. 846 OR, sondern geschäftsführendes Organ
nach Art. 898 OR. Der Ausschluss eines Mitgliedes stelle aber bei einer
Krankenkasse, bei der die Aufhebung der Versicherung durch Aufhebung
der Mitgliedschaft erfolgen müsse, einen Akt der Geschäftsführung
dar, weshalb es ohne Verstoss gegen Art. 846 OR zulässig sei, die
Kompetenz hiezu gemäss Art. 898 der Zentralverwaltung zu übertragen,
zumal wenn dem Ausgeschlossenen ein Rekursrecht an den Zentralvorstand
eingeräumt werde. Eine andere Lösung sei für die Beklagte mit ihrem
Bestand von 450'000 Mitgliedern unmöglich. Nach den Statuten sei die
Zentralverwaltung zum Ausschluss von Mitgliedern befugt, da nach § 62
Abs. 1 der Zentralvorstand einen Teil der Geschäftsführung und somit auch
das nach § 61 Abs. 2, Ziff. 5 dem engern Vorstand zustehende Recht zum
Ausschluss dem Verwalter übertragen könne, wie es durch den Beschluss
des Zentralvorstandes von 1949 geschehen sei.

    D.- Das Zivilgericht von Basel-Stadt wies die Klage ab.
Das Appellationsgericht schützte sie mit Urteil vom 30. Oktober 1953.

    E.- Mit der vorliegenden Berufung hält die Beklagte am Antrag auf
Klageabweisung fest.

    Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Zulässigkeit der Berufung, die in erster Linie zu prüfen
ist, ergibt sich nach der Auffassung der Beklagten daraus, dass die
vorliegende Streitsache eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im
Sinne von Art. 44 OG darstellt.

    Während die Rechtsprechung des Bundesgerichts den Streit um die
Mitgliedschaft bei der A.-G. als vermögensrechtlichen betrachtet, die
Berufungsfähigkeit also von einem Streitwert von mindestens Fr. 4000.--
abhängig macht (BGE 66 II 46), gilt ihr in der Tat der Streit um
die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft gleich wie beim Verein als
nichtvermögensrechtlicher Natur (BGE 56 II 297). Diese Unterscheidung
mag sich je nach der Art der Genossenschaft rechtfertigen. Es
gibt Genossenschaften, bei denen die Mitgliedschaft sich nicht im
wirtschaftlichen Interesse erschöpft, sondern daneben einen ideellen
Gehalt einschliesst, wie denn Art. 828 OR als Zweck der Genossenschaft
"in der Hauptsache" die Förderung bestimmter wirtschaftlicher Interessen
ihrer Mitglieder bezeichnet. Bei den Versicherungsgenossenschaften
und insbesondere bei den anerkannten Krankenkassen ist indessen die
Mitgliedschaft völlig gleichbedeutend mit Versicherungsinteresse, mit der
Versicherung nach Massgabe der statutarischen Versicherungsleistungen
der Kasse. Dieses Interesse ist aber ein rein vermögensrechtliches,
das sogar dem Betrage - jedenfalls dem Höchstbetrage - nach genau
festgestellt werden kann. Einem solchen Streit über die Mitgliedschaft
nichtvermögensrechtlichen Charakter beizulegen, ist nicht am Platze
(vgl. hiezu BGE 39 II 413). Für die Zulässigkeit der Berufung ist daher
ein Streitwert von mindestens Fr. 4000.-- erforderlich.

    In der Klagebeantwortung hat die Beklagte ausgeführt, dass der Kläger
infolge seiner lange dauernden Krankheit in den Jahren 1948/50 seine
Genussberechtigung in der ordentlichen Krankenversicherung gemäss
§ 39 Abs. 1 lit. a der Statuten mit dem 21. März 1950 erschöpft
habe; infolgedessen wäre er für die Dauer von 12 Monaten in der
Genussberechtigung eingestellt gewesen und hätte hernach nochmals während
180 Tagen Anspruch auf die vollen Leistungen gehabt. Hiegegen hat der
Kläger in der Replik keine Einwendungen erhoben, und dementsprechend hat
die Vorinstanz (Urteil S. 2) festgestellt, dass der Appellationsstreitwert
gegeben sei, da dem Kläger, sofern seine Mitgliedschaft nicht erloschen
sei, noch Anspruch auf ein Taggeld von Fr. 16.- während 180 Tagen zustehe,
was Fr. 2880.-- ausmacht.

    In der Berufung trägt die Beklagte nun unter Hinweis auf die
Ergänzungsversicherung für Tuberkulose eine neue Berechnung der
Bezugsberechtigung vor, die, wenn sie richtig ist, ein Interesse von
über Fr. 8000.-- ergibt. Diese Änderung in der Streitwertberechnung
ist, obwohl sie sich auf neue tatsächliche Vorbringen stützt, nicht zu
beanstanden. Denn Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, der neue Tatsachenvorbringen
ausschliesst, gilt in Bezug auf den Streitwert nicht. Dieser ist
gemäss Art. 36 Abs. 2 OG durch das Bundesgericht von Amteswegen zu
ermitteln. Parteierklärungen zum Streitwert binden den Richter (im
Gegensatz zum früheren OG) nicht. Infolgedessen muss auch die Partei auf
ihre vor den kantonalen Instanzen vorgenommene Streitwertberechnung im
Berufungsverfahren zurückkommen können.

    Nach der Darstellung der Berufung stünden dem Kläger bei weiterer
Dauer seiner Mitgliedschaft - neben dem Anspruch aus der ordentlichen
Krankenversicherung während weiteren 180 Tagen - noch Ansprüche zu
aus der Tuberkuloseversicherung, wo er seine Genussberechtigung noch
nicht erschöpft habe. Diese Versicherung gibt dem Versicherten während
1080 Tagen, eventuell während 1800 Tagen, Anspruch auf das volle
Taggeld (§ 39 A Abs. 1 und 3 der Statuten). Ein solcher Anspruch setzt
allerdings Aufenthalt in einer Heilanstalt voraus, und auch sonst ist
die Berechnung der Berufungsklägerin nicht über jeden Zweifel erhaben,
zumal bei Mitberücksichtigung der vom Versicherten zu erbringenden
Prämienleistungen. Da aber ihre Unrichtigkeit nicht dargetan ist, mag
der Berufungsstreitwert als gegeben betrachtet werden.

Erwägung 2

    2.- In der Sache selbst ist der Berufungsklägerin zuzugeben, dass der
Ausschluss durch die höchsten Organe, wie Art. 846 Abs. 3 OR ihn für die
Genossenschaft vorschreibt, äusserst unpraktisch ist für eine Krankenkasse
mit annähernd einer halben Million Mitgliedern. Bei ihr ist Mitgliedschaft
gleichbedeutend mit Krankenversicherung und der Ausschluss aus der Kasse
bedeutet also nichts weiteres als die Auflösung der Versicherung. Allein
nachdem schon der Gesetzgeber vorgeschrieben hat (Art. 5 VO I KV), dass
sich die anerkannten Krankenkassen privatrechtlich, als Genossenschaft,
Verein oder Stiftung, zu organisieren haben, muss das Gesetz, unter
das sie demgemäss gestellt sind, für die Beklagte also das Recht der
Genossenschaft, auf sie angewendet werden, soweit nicht Sondervorschriften
eingreifen. Daran ändert nichts, dass ihre Statuten durch die Behörde -
Bundesamt für Sozialversicherung, EVD, Bundesrat (Art. 13-15, 21 VO I
KV) - genehmigt sind. Die Genehmigung ist nur Voraussetzung für die
Anerkennung der Krankenkasse und deren Anspruch auf den Bundesbeitrag,
verschafft aber den Statuten nicht Rechtskraft, soweit sie mit dem Gesetz
im Widerspruch stehen. Als solche Sondervorschriften sind zu erwähnen
der Erwerb der Rechtspersönlichkeit ohne Eintrag im Handelsregister schon
auf Grund der behördlichen Anerkennung (Art. 29 Abs. 1 KUVG) und die aus
der Ordnung der Freizügigkeit sich ergebenden Austrittsgründe einerseits
und der Anspruch auf Aufnahme in eine andere Kasse anderseits (VO III
betr. gesetzliche Freizügigkeit... vom 30. Juli 1935, BGS 8 S. 341),
die das OR nicht kennt. Hinsichtlich des Ausschlusses dagegen bestehen
keine solchen von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Vorschriften.

Erwägung 3

    3.- Nach der Ansicht der Beklagten wäre eine solche Sondervorschrift
in Art. 30 Abs. 1 KUVG zu erblicken. Dieser bestimmt unter dem Randtitel
"Gerichtsstand":

    "Privatrechtliche Streitigkeiten der Kassen unter sich oder mit
ihren Mitgliedern oder Drittpersonen werden vom ordentlichen Richter
entschieden, wenn die kantonale Gesetzgebung oder, soweit es sich um
Streitigkeiten der Kassen mit ihren Mitgliedern handelt, die Statuten
nichts anderes bestimmen."

    Die Berufungsklägerin legt unter Hinweis auf die Ausführungen des
Berichterstatters Usteri im Ständerat anlässlich der Gesetzesberatung
(Sten. Bull. 1909, StR S. 388 zu Art. 15 des Entwurfs) dieser Bestimmung
die Bedeutung bei, dass die Kasse in Streitigkeiten mit ihren Mitgliedern
den Entscheid unter Ausschluss des Rechtsweges ihren Organen vorbehalten
könne; dann sei aber auch die in ihren Statuten vorgesehene, weniger
weit gehende Regelung zulässig, wonach vor der Anrufung des Richters der
kasseneigene Instanzenzug durchlaufen werden muss. Ersteres vorausgesetzt,
wäre letzteres unbestreitbar.

    Nach diesen Gesetzesmaterialien hat Usteri die streitige
Gesetzesvorschrift unmissverständlich im Sinne der Berufungsklägerin
ausgelegt, und es besteht kein Zweifel, dass wenigstens der Ständerat
(im Nationalrat wurde darüber nicht gesprochen) dieser Auffassung
beipflichtete (auf die Auslegung Usteris stellen ebenfalls ab GUTKNECHT,
Kommentar zum KUVG, Art. 30; HÜNERWADEL, Krankenversicherung S. 29;
HUBER, Der Rechtsschutz in der Krankenversicherung S. 91; FLEINER,
Bundesstaatsrecht S. 546 Anm. 52; auch kantonale Gerichte haben sich ihr
angeschlossen). Ein solches Privileg des Richtens in eigener Sache, das
mit einem grundlegenden Prinzip des Rechtsstaates im Widerspruch stünde,
könnte indessen nur anerkannt werden, wenn es im Gesetz selbst eindeutig
zum Ausdruck käme, zumal das Bundesgericht, wie Usteri selbst erwähnte,
3 Jahre vorher, mit Urteil vom 20. Juni 1906 i.S. Braillard c. Société des
secours mutuels de la Glâne, eine Statutenbestimmung, die im Sinne Usteris
der Generalversammlung richterliche Funktionen einräumte, als rechtlich
unhaltbar erklärt hatte. An solch eindeutigem Ausdruck fehlt es aber. Die
Bestimmung handelt, wie ihr Marginale sagt, vom Gerichtsstand. Sie
bezeichnet als zuständig den ordentlichen Richter, wenn die kantonale
Gesetzgebung oder die Statuten nichts anderes vorsehen. Bezüglich
der kantonalen Gesetzgebung kann das selbstverständlich nur bedeuten:
Wenn sie keinen andern Richter bestimmt. Dann ist es aber unerfindlich,
wieso es für die im gleichen Zusammenhang erwähnten Statuten eine andere
Bedeutung haben sollte. Aus diesem Gesetzeswortlaut - und dieser, nicht
was der Gesetzgeber sich bei Erlass einer Bestimmung vorgestellt hat,
ist massgebend (BGE 78 I 29 f.) - kann schlechterdings nichts anderes
herausgelesen werden, als die Prorogationsbefugnis der Statuten und
allenfalls noch die Zulässigkeit schiedsgerichtlicher Erledigung. Auch
der Bundesrat hat der Vorschrift keinen weitergehenden Sinn beigelegt,
wie aus seiner Botschaft zu Art. 15 des Entwurfes (BBl 1906 VI S. 360)
erhellt, wo ausgeführt wird:

    "Dieser Artikel bezweckt nur, in privatrechtlichen Sachen jede
Rechtsprechung seitens der Bundesaufsichtsbehörde auszuschliessen. Er
entspricht dem Art. 13 des Aufsichtsgesetzes von 1885 betreffend
die privaten Versicherungsunternehmungen... Nichts wird übrigens die
kantonale Gesetzgebung und, hinsichtlich der Streitfälle mit ihren eigenen
Mitgliedern, die Kassen selbst hindern, eine andere als die gewöhnliche
Gerichtsbarkeit einzuführen." Die eigenmächtige Entscheidungsbefugnis
der Kasse selbst stellt aber, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt,
überhaupt keine Gerichtsbarkeit dar.

    So im Sinne des klaren Wortlautes verstanden, deckt die Bestimmung
auch den kasseninternen Instanzenzug vor Anrufung des Richters und als
Bedingung derselben nicht.

Erwägung 4

    4.- Demnach gilt für die beklagte Kasse die in Art. 846 Abs. 3 OR
vorgesehene Ordnung. Diese erklärt in erster Linie die Generalversammlung
zur Ausschliessung eines Mitgliedes zuständig. Die Statuten können jedoch
die Verwaltung damit beauftragen. Die Berufungsklägerin will unter der
Verwaltung nicht nur das der Generalversammlung nächstfolgende Organ
im Sinne von Art. 894 f. OR, das bei ihr der Zentralvorstand ist,
verstanden wissen, sondern auch die Verwaltung im Sinne von Art. 898
OR, d.h. die mit der Geschäftsführung betraute Stelle, die nicht der
Verwaltung gemäss Art. 894 anzugehören braucht und bei der Beklagten
der Verwalter (die Zentralverwaltung) ist, der dem Zentralvorstand
tatsächlich nicht angehört, sondern von ihm gewählter Angestellter ist
(§ 62 der Statuten). Diese Auffassung ist unhaltbar. In Art. 898 OR
spricht das Gesetz gerade nicht von Verwaltung, wie in Art. 894, oder von
Verwaltungsausschüssen, wie in Art. 897, sondern von Geschäftsführung
und Vertretung. Wenn aber von Gesetzeswegen für den Ausschluss in erster
Linie das höchste Organ berufen ist, dann verbietet sich die Annahme,
dass bei der Erlaubnis zur statutarischen Übertragung dieser Befugnis an
die Verwaltung unter dieser nicht bloss das auf die Generalversammlung
folgende Genossenschaftsorgan, sondern auch eine demselben untergeordnete
Stelle im blossen Anstellungsverhältnis mit Geschäftsführungsbefugnis
verstanden sei. Dem Geschäftsführer, der nicht einmal Genossenschafter zu
sein braucht, kann das Gesetz nicht eine Befugnis einräumen wollen, die
in das persönliche Verhältnis zur Genossenschaft eingreift, nämlich die
Befugnis, das persönliche Band zu lösen. Die Begründung der Beklagten, bei
ihr sei der Ausschluss von Mitgliedern bloss ein Akt der Geschäftsführung,
ist rechtlich irrig. Die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft ist eine
Frage der körperschaftlichen Organisation, die als solche ausser dem
Bereich der Geschäftsführung für die Körperschaft steht.

    Der Vergleich, den die Berufungsklägerin mit der durch Art. 848
OR für die Genossenschaft in der Privatversicherung vorgesehenen
Regelung macht, ist unbehelflich. Die genànnte Bestimmung sieht vor,
dass die Mitgliedschaft in der Genossenschaft, die mit Abschluss des
Versicherungsvertrages erworben wird, auch mit Auflösung des Vertrages
verloren geht; da die Vertragsauflösung zweifellos der Geschäftsführung
zusteht, nimmt also praktisch diese den Ausschluss des Mitgliedes vor. Aber
diese Spezialvorschrift kann für die Auslegung des Art. 846 Abs. 3 OR nicht
herangezogen werden, und ihre direkte oder auch nur analoge Anwendung auf
das vorliegende Versicherungsverhältnis, wo kein Vertrag abgeschlossen
wird, der die Mitgliedschaft nach sich zieht, sondern die Versicherung
sich an den Erwerb der Mitgliedschaft knüpft, ist ausgeschlossen. Dass
der Unterschied theoretisch ist, indem in beiden Fällen Mitgliedschaft
und Versicherung zusammenfallen, ändert nichts.

    Die zwingende Ordnung des Gesetzes lässt der Berufungsklägerin
somit nur die Möglichkeit, den Ausschluss durch den Zentralvorstand
vorzunehmen. Dass der von der Ausschlussverfügung Betroffene an
den Zentralvorstand rekurrieren kann, genügt nicht, weil er eben von
Gesetzeswegen diese Verfügung überhaupt nicht zu beachten braucht. Anders
verhielte es sich nur, wenn der kasseneigene Instanzenzug der Statuten
gesetzlich zugelassen wäre, wie es bei einer in die Rechtsform des Vereins
gekleideten Kasse gemäss Art. 72 Abs. 3 ZGB zuträfe.

Erwägung 5

    5.- Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die
Zentralverwaltung durch die Statuten überhaupt mit dem Ausschluss betraut
sei und ob das Gesetz eine ausdrückliche Statutenvorschrift verlange oder
eine zwar nicht ausdrückliche, aber immerhin deutliche Regelung in diesem
Sinne genüge.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 30. Oktober 1953 bestätigt.