Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 49



80 II 49

8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1954 i.S. Atlas
Transatlantic Trading Co. gegen Winterstein & Co. Regeste

    Devisenkauf; anwendbares Recht.

    Ermittlung des anwendbaren Rechts (Erw. 1).

    Unsittlichkeit eines Geschäftes liegt nicht vor bei Verletzung
ausländischer Devisenvorschriften (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Atlas Transatlantic Trading Co. Ltd. in Basel vereinbarte am
18. Juni 1951 mit der Bank Winterstein in Zürich, einem von dieser zu
bezeichnenden Mittelsmann in Frankfurt am Main 50'000 USA-$ in kleinen
Noten zu übergeben, wogegen die Bank einige Stunden nachher diesen Betrag
abzüglich eines Disagios von 2 3/4% = 1375 $ wiederum in kleinen Noten
der Atlas in Zürich zur Verfügung zu stellen habe.

    Wie vereinbart, gab die Bank am folgenden Tage den Mittelsmann
bekannt, dem die Noten in Frankfurt zu übergeben waren. Da es sich um
ein in Deutschland verbotenes Devisengeschäft handelte, nannte sie aber
nicht dessen wahren Namen Chaim. Mehl, sondern den Decknamen Vogel.

    Nachdem die Bank wiederholt ohne Erfolg die Atlas ersucht hatte,
den genauen Zeitpunkt der Übergabe des Geldes bekanntzugeben, eröffnete
ihr die Atlas mit Schreiben vom 29. Juni 1951, das Geschäft könne nicht
zustande kommen, da die Integrität des Vogel von ihren Gewährsleuten
ernstlich in Frage gestellt werde. Die Bank antwortete unverzüglich, eine
einseitige Aufhebung des vorbehaltlos abgeschlossenen Geschäftes komme
nicht in Frage und sie beharre auf der Auszahlung des ihr zustehenden
Betrages von 1375 $. Die Atlas bestritt jede Zahlungspflicht. Im weiteren
Briefwechsel hielten beide Parteien an ihrem Standpunkt fest.

    B.- Mit Klage vom 13. Oktober 1951 belangte die Bank die Atlas auf
Bezahlung von Fr. 5960.65 (1375 $ zum Kurs vom 18. Juni 1951) nebst 5%
Zins seit 1. August 1951.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage.

    C.- Das Zivilgericht und das Appellationsgericht von Basel-Stadt,
dieses mit Urteil vom 30. Oktober 1953, schützten die Klage im vollen
Umfang.

    D.- Mit der vorliegenden Berufung hält die Beklagte am Antrag auf
Klageabweisung fest.

    Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es ist zunächst von Amteswegen die Frage des anwendbaren Rechts
zu prüfen, da von ihr die Zulässigkeit der Berufung abhängt.

    Eine Vereinbarung über das massgebliche Recht haben die Parteien beim
Vertragsschluss nicht getroffen, und auch in den Prozessschriften haben
sie sich nicht auf eine bestimmte Rechtsordnung berufen, was nach der
neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 79 II 302) eine gültige
Rechtswahl darstellen würde. Die erste kantonale Instanz hat, ohne zur
Frage des anwendbaren Rechtes Stellung zu nehmen, den Streit auf Grund
schweizerischen Rechtes entschieden. Das Appellationsgericht hat das
schweizerische Recht als anwendbar erklärt, weil das streitige Geschäft
mit ihm den engsten räumlichen Zusammenhang aufweise.

    Es kann dahingestellt bleiben, ob dort, wo nach kantonalem
Prozessrecht mangels Berufung der Parteien auf ausländisches Recht das
schweizerische Recht massgeblich ist, das Schweigen der Parteien über die
Frage des anwendbaren Rechtes als Unterstellung unter das schweizerische
Recht angesehen werden könnte. Selbst wenn man nämlich nicht so weit
gehen wollte, ergäbe sich für das hier streitige Rechtsverhältnis
die Massgeblichkeit des schweizerischen Rechtes auf jeden Fall aus dem
Grundsatz, dass beim Fehlen einer Rechtswahl das Recht desjenigen Landes
anwendbar ist, mit dem der engste räumliche Zusammenhang besteht. Denn
beide Parteien sind Schweizerfirmen, das streitige Geschäft wurde in der
Schweiz abgeschlossen und die Schlussoperation, die Zahlung von 50'000 $
abzüglich des Agios von 2 3/4%, hatte in Zürich zu erfolgen. Ein Teil
der Vertragsausführung, nämlich die Übergabe der 50'000 $ durch den
Mittelsmann der Beklagten an den Vertreter der Klägerin, war freilich im
Ausland, in Frankfurt am Main, zu vollziehen. Aber dem kommt im Rahmen
des ganzen Geschäftes nur untergeordnete Bedeutung zu. Auf die Berufung
ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- (Ausführungen darüber, dass es sich beim Vertragsverhältnis der
Parteien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um einen Auftrag,
sondern um einen Vertrag über Sachleistungen - Kauf oder Tausch - handle.)

Erwägung 3

    3.- Gemäss Feststellung der Vorinstanz sind die Parteien darüber einig,
dass das von ihnen geplante Devisengeschäft nach deutschem Recht verboten
war. Es fragt sich daher, ob der vom schweizerischen Recht beherrschte
Vertrag, der gegen deutsches Devisenrecht verstiess, deswegen auch nach
schweizerischem Recht nichtig war, nämlich wegen widerrechtlichen oder
gegen die guten Sitten verstossenden Inhalts (Art. 20 OR).

    Der Nichtigkeitsgrund der Widerrechtlichkeit scheidet jedoch zum
vornherein aus; denn eine schweizerische Rechtsvorschrift, die allein unter
diesem Gesichtspunkt in Betracht fällt, ist nicht verletzt (vgl. BGE 76
II 40).

    Die Verletzung der in Frage stehenden (nicht näher dargelegten)
deutschen Devisenvorschriften durch die Parteien eines dem schweizerischen
Recht unterstehenden Vertrages sodann bedeutet keinen Verstoss gegen die
guten Sitten im Sinne von Art. 20 OR. Es handelte sich beim vorliegenden
Geschäft weder um einen gewöhnlichen (Waren-) Schmuggel noch um einen
Devisenschmuggel, da ja nichts geschmuggelt werden sollte; die Dollars
sollten in Deutschland bleiben und lediglich dort die Hand wechseln. Die
deutsche Wirtschaft, die deutsche Währungs- und Devisenordnung wurden
dadurch nicht geschädigt. Es ist deshalb belanglos, ob und inwieweit
Schmuggelgeschäfte als solche nach schweizerischem Recht als nichtig zu
betrachten sind. Der Verstoss gegen die deutschen Devisenvorschriften
als solche aber bewirkt aus den in BGE 76 II 41 angestellten, auf den
vorliegenden Fall ebenfalls zutreffenden Erwägungen nicht, dass das
streitige Geschäft nach schweizerischer Auffassung als sittenwidrig
zu empfinden wäre und eine Preisgabe des grundlegenden Satzes des
schweizerischen Rechts, wonach Verträge zu halten sind, zu rechtfertigen
vermöchte.

Erwägung 4

    4.- Der Vertrag der Parteien war somit gültig. Da nach verbindlicher
Feststellung der Vorinstanz die von der Beklagten gegen den von der
Klägerin bezeichneten Mittelsmann Chaim Mehl alias Vogel vorgebrachten
Beanstandungen nicht bewiesen sind, hat die Beklagte sich unberechtigt
geweigert, den Vertrag zu halten. Sie hat daher der Klägerin das von
dieser geforderte Erfüllungsinteresse, dessen Höhe nicht bestritten ist,
zu ersetzen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 30. Oktober 1953 bestätigt.