Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 378



80 II 378

59. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Oktober 1954 i. S. von Grünigen
gegen Imobersteg und Mitbeteiligte. Regeste

    Ermittlung der Grundstücksgrenzen beim Fehlen von Grundbuchplänen
(Art. 668 ZGB).

    Grundstück in mehreren Grundbuchkreisen (Art. 952 ZGB).  Bedeutung des
Fehlens eines Blattes im Grundbuch des Kreises, wo der kleinere Teil des
Grundstücks liegt.

    Abgraben von Quellen. Voraussetzungen des Schadenersatzes (Art. 706
ZGB) und der Wiederherstellung des frühern Zustandes (Art. 707 Abs.
1 und 2 ZGB). Umfang des Schadenersatzanspruchs bei absichtlichem Abgraben
einer erheblich benutzten Quelle (Art. 706 ZGB).

Sachverhalt

    A.- Südöstlich der Bahnstation Saanenmöser liegen am Abhang der
Saanerslochfluh in einer Höhe von 1500 bis 1600 m die Alpen Hasenloch und
Kübeli. Die erste ist im Grundbuch von Saanen als Eigentum des Theodor von
Grünigen eingetragen, die zweite, die im Osten an die erste angrenzt, im
Grundbuch von Zweisimmen als Miteigentum von Rosette Imobersteg-Zeller,
Alfred Zeller und Elise Zeller. Die Schranke der beidseitigen
Bewirtschaftung bildet ein Zaun, der westlich der Gemeindegrenze
zwischen Saanen und Zweisimmen, also auf Saanerboden, ungefähr in der
Fallrichtung des Abhangs von Süden nach Norden verläuft. Einem vertieften
Wiesengrunde auf der Westseite dieses Zauns entsprang in zwei Aufstössen
die sog. Hasenlochquelle, deren Wasser wenig unterhalb des Austritts
durch einen quergelegten Baumstamm zu einem Teichlein gestaut wurde,
bevor es in einem natürlichen Graben auf der Westseite des Zauns zu
Tal floss. Vereinzelte Messungen der Wassermenge ergaben 80 bis über
190 Minutenliter.

    B.- Im Jahre 1948 zeigten die Gemeindebehörden von Saanen Interesse
für den Erwerb der Hasenlochquelle. Sowohl bei Theodor von Grünigen als
auch bei Hans Imobersteg, dem Ehemann von Frau Rosette Imobersteg-Zeller,
erfolgten Sondierungen, die aber einstweilen nicht zum Ziel führten.

    Anfangs November 1948 hob Imobersteg, von einem Brunnengraber und
mehreren Arbeitern unterstützt, in der Nähe der Quelle wenig östlich des
Zauns einen Graben aus und erstellte eine Quellfassung. Aus dem nicht
wieder zugedeckten untern Teil des Grabens leitete er das Wasser unter
dem Zaun hindurch in den alten Abflussgraben. Infolge dieser Arbeiten
ging die Wasserführung der Hasenlochquelle stark zurück.

    C.- Am 15. September 1949 reichte Theodor von Grünigen beim
Appellationshof des Kantons Bern gegen die drei Miteigentümer der
Kübelialp Klage ein, mit der er u.a. geltend machte, dass die Beklagten auf
Saanerboden kein Eigentum besitzen und dass die streitige Quelle auf seinem
Lande entspringe, und die Verurteilung der Beklagten zur Wiederherstellung
des frühern Zustandes, eventuell zu Schadenersatz verlangte.

    Der Appellationshof nahm einen Augenschein, verhörte zahlreiche Zeugen
und holte mehrere Gutachten ein (bei Ing. Peter ein quellentechnisches
Gutachten, bei Viehzüchter Küng und hernach bei Landwirt Abbühl und
Ing. agr. Luterbacher betriebswirtschaftliche Gutachten). Am 23. Februar
1954 hat der Appellationshof erkannt:

Erwägung 1

    1.- Es wird davon Akt genommen und dem Kläger Akt gegeben,
dass Fürsprecher Maurer in der heutigen Hauptverhandlung namens der
Beklagtschaft erklärt hat, "die Beklagten seien ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht bereit, von der streitigen Quelle ein Quantum von 15
Minutenlitern Wasser der Klägerschaft zuzuleiten und auf Kosten der
Beklagtschaft eine entsprechende Anlage zu errichten, nämlich einen
Teilstock, von welchem 15 Minutenliter abgetrennt und dem Kläger zugeführt
werden. Die Beklagten seien ferner bereit, der Gegenpartei ein dingliches
Quellenrecht in dem Sinne einzuräumen, dass sie berechtigt sein soll,
aus der streitigen Quelle diese 15 Minutenliter zu beziehen. Diese 15
Minutenliter stellen die Gesamtmenge dar, die abgegeben wird, inclusive
das bereits fliessende Wasser."

Erwägung 2

    2.- Sofern weitergehend, wird die Klage abgewiesen.

    D.- Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das
Bundesgericht erklärt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    (1.-3. Vorfragen).

Erwägung 4

    4.- Die Beklagten sind unbestrittenermassen Eigentümer der Liegenschaft
Kübeliberg, Blatt 1351 des Grundbuchs von Zweisimmen, während dem
Kläger die Liegenschaft Hasenlochberg, Blatt 762 des Grundbuchs
von Saanen, gehört. Es steht auch fest, dass diese Liegenschaften
aneinander grenzen (vgl. die bezüglichen Angaben in den vorliegenden
Grundbuchauszügen). Streitig ist dagegen, wo die Grenze verläuft.

    Nach Art. 668 Abs. 1 ZGB werden die Grenzen durch die Grundbuchpläne
und die Abgrenzungen auf dem Grundstück selbst angegeben. Widersprechen
sich die bestehenden Grundbuchpläne und die Abgrenzungen, so wird nach
Abs. 2 von Art. 668 die Richtigkeit der Pläne vermutet.

    Grundbuchpläne stehen im vorliegenden Falle nicht zur Verfügung,
weil im fraglichen Gebiet die Grundbuchvermessung noch nicht durchgeführt
ist. Von den in Art. 668 genannten Grenzbezeichnungen kommen also nur
die Abgrenzungen auf dem Grundstück selbst in Betracht. Daneben sind,
wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, die im Grundbuch und in
Erwerbsurkunden enthaltenen Liegenschaftsbeschreibungen und das Wissen
der Ortsbevölkerung zu berücksichtigen.

    In Kaufbriefen über den "Kübeliberg" aus den Jahren 1813, 1845,
1852 und 1855 findet sich neben der Angabe, dass dieser an den
Hasenlochberg grenze, auch die Angabe, dass er teils (zum grössern
Teil) im Amt Obersimmental (oder im Untergerichtsbezirk Zweisimmen,
in der Gemeinde Zweisimmen), teils (zum kleinern Teil) im Amte (oder
Untergerichtsbezirk) Saanen liege. Er reichte also seinerzeit sicher auf
Saanergebiet hinüber. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich
an diesem Zustande (der übrigens, wie ein Blick auf die Karte zeigt, der
natürlichen Geländegestaltung entspricht) seither etwas geändert habe. Da
die Liegenschaften Kübeliberg und Hasenlochberg heute noch aneinander
stossen, könnten die Beklagten oder ihre Rechtsvorgänger das Eigentum
am streitigen Boden westlich der Gemeindegrenze nur dadurch verloren
haben, dass der Kläger oder einer seiner Rechtsvorgänger dieses Land
erworben hätte. Dass dies geschehen sei, wagt der Kläger selber nicht
positiv zu behaupten. Im Gegenteil hat er noch am 15. März 1948 bei
Gelegenheit einer Auseinandersetzung, die dadurch entstanden war, dass
er an der östlichen Böschung des Grabens unterhalb der Hasenlochquelle
Tannen gefällt hatte, dem Beklagten Alfred Zeller geschrieben, zwischen
Hasenloch und Kübelialp bilde entgegen der Ansicht Zellers nicht der
Graben, sondern nach wie vor der Zaun die Grenze, und diese dem Ostrand des
Grabens folgende Abschrankung steht eben nicht auf der Gemeindegrenze,
sondern westlich davon. Im Prozess suchte er dann allerdings diese
ihm unbequem gewordene Erklärung mit der Behauptung zu entkräften, er
habe von seinem Vater gehört, dass die Liegenschaftsgrenze der Amts-
(und Gemeinde-) Grenze entlang verlaufe, und irrtümlich angenommen,
der Zaun stehe auf der Amtsgrenze. Dies ändert aber nichts daran,
dass er das Land östlich des ihm bekannten Zauns vor dem Prozess
immer als Bestandteil der Liegenschaft Kübeliberg betrachtete. Dieser
Auffassung war auch sein Vater; denn nach den Aussagen des Zeugen Müller,
auf welche die Vorinstanz abstellt, sagte Vater von Grünigen immer,
der Zaun bilde die March zwischen Hasenloch und Kübelialp. Auf Grund
einlässlicher Beweiswürdigung hat die Vorinstanz ausserdem die für das
Bundesgericht verbindliche Feststellung getroffen, dass der Zaun "seit
Menschengedenken und soweit die unmittelbare Überlieferung zurückreicht,
stets die Grenze der Bewirtschaftung der beiden Grundstücke gebildet"
hat und dass ein anderer Verlauf der Grenze nicht nachgewiesen sei.
Aus alledem konnte sie ohne Bundesrechtsverletzung schliessen, dass
jedenfalls im Bereich der Quelle der im Plan B (Situationsplan 1:100
der Hasenlochquelle) eingezeichnete, dem Zaun folgende Grenzverlauf der
wirkliche sei, m.a.W. dass hier der Zaun Grenzzaun sei. Wenn die nach dem
Jahre 1855 erstellten Urkunden und das Grundbuch das Hinübergreifen der
Liegenschaft Kübeliberg auf Saanerboden nicht mehr erwähnen, so muss dies
bei der gegebenen Sachlage auf ein blosses Versehen zurückgeführt werden.

    Vergeblich beruft sich der Kläger darauf, dass beim Grundbuchamt
Saanen für die Liegenschaft Kübeliberg kein Grundblatt vorhanden ist,
auf dem die Beklagten als Eigentümer eingetragen wären. Dieser Umstand
verbietet es keineswegs, die Beklagten als Eigentümer von Land auf
Saanerboden anzuerkennen. Liegt ein Grundstück in mehrern Kreisen, so ist
es nach Art. 952 ZGB in jedem Kreis in das Grundbuch aufzunehmen. Die
Anmeldungen und rechtsbegründenden Eintragungen erfolgen nach Abs. 2
dieser Bestimmung in dem Grundbuch des Kreises, in dem der grössere
Teil des Grundstücks liegt. Abs. 3 schreibt schliesslich vor, dass die
Eintragungen in diesem Buch den andern Ämtern vom Grundbuchverwalter
mitzuteilen sind. Der grössere Teil der Liegenschaft Kübeliberg liegt in
der Gemeinde Zweisimmen. Die Beklagten haben also mit der Eintragung ihres
Erwerbs im Grundbuch von Zweisimmen nach Art. 952 Abs. 2 (in Verbindung
mit Art. 656 Abs. 1) ZGB das Eigentum an dieser Liegenschaft erworben.
Der Umstand, dass im Grundbuch von Saanen entgegen Abs. 1 kein Blatt für
den "Kübeliberg" besteht und der Grundbuchverwalter von Zweisimmen an das
Grundbuchamt Saanen keine Mitteilung im Sinne von Abs. 3 erlassen hat,
bedeutet eine Ordnungswidrigkeit, die nichts daran ändern kann, dass die
Liegenschaft teilweise auf dem Gebiet der Gemeinde Saanen liegt und den
Beklagten gehört.

    Art. 971 ZGB, den der Kläger anruft, hat mit dem vorliegenden Falle
nichts zu tun. Es ist nicht zu entscheiden, welche dinglichen Rechte den
Beklagten an der Liegenschaft Kübeliberg zustehen, sondern der Streit
geht darum, wie weit diese unstreitig im Eigentum der Beklagten stehende
Liegenschaft sich erstrecke.

    Es kann schliesslich auch keine Rede davon sein, dass die Beklagten
das Ersitzungsverfahren nach Art. 662 ZGB einleiten sollten, auf das der
Kläger sie verweisen möchte. Die Beklagten besitzen nicht ein Grundstück,
das nicht im Grundbuch aufgenommen ist oder dessen Eigentümer aus dem
Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist tot
oder für verschollen erklärt war, sondern das in Frage stehende Grundstück,
der "Kübeliberg", ist im Grundbuch (wenn auch nur in demjenigen von
Zweisimmen) als ihr Eigentum eingetragen.

    Es bleibt also dabei, dass im Gebiet der streitigen Quelle der Zaun
die Grenze zwischen den Liegenschaften der Parteien bildet.

Erwägung 5

    5.- Da somit feststeht, dass die streitige Quelle auf der Liegenschaft
des Klägers entsprang und die Beklagten die Grabung, die dieser Quelle
Wasser entzog, auf ihrem Boden vorgenommen haben, beurteilen sich
die auf Wiederherstellung oder Schadenersatz gerichteten Klagebegehren
nach Art. 706/707 ZGB. Diese Bestimmungen ordnen die Rechtsfolgen einer
solchen Grabung abschliessend. Die Bestimmungen über den Besitzesschutz
(Art. 926 ff.), auf die der Kläger sich beruft, sind nicht anwendbar,
weil fliessendes Wasser kaum Gegenstand des Besitzes sein kann und
der Besitz am Quellgrundstück auf jeden Fall nicht die die Quelle
speisenden unterirdischen Wasserläufe ergreift, die durch die Grabung
auf dem Nachbargrundstück abgeleitet wurden. Wenn die Auffassung des
Klägers richtig wäre, dass das Vorgehen der Beklagten angesichts der
nicht vollständigen Erfassung des im Quellgebiet vorhandenen Wassers
und der Ableitung des gewonnenen Wassers auf sein Grundstück gar keine
Abgrabung im Sinne von Art. 706 f. darstelle, würden also seine Ansprüche
auf Wiederherstellung oder Schadenersatz jeder Grundlage entbehren. Seine
Auffassung ist jedoch ohne Zweifel unrichtig. Es handelt sich um einen
klassischen Fall der Abgrabung. Dass derjenige, der nach Wasser gräbt,
dieses vollständig fasst und nutzt, ist nicht Voraussetzung für die
Anwendung von Art. 706/707 ZGB.

Erwägung 6

    6.- Schadenersatz kann nach Art. 706 ZGB nur verlangt werden, wenn
die abgegrabene, beeinträchtigte oder verunreinigte Quelle in erheblicher
Weise benutzt oder zum Zwecke der Verwertung gefasst worden war.

    Unter einer Fassung ist nach BGE 44 II 477 eine künstliche Einrichtung
zu verstehen, die aus dem Erdinnern Wasser zutage fördert, es zum Zwecke
der Weiterleitung sammelt und weiterführt. Zum mindesten muss es sich
um eine Vorrichtung handeln, die aus dem Erdinnern kommendes Wasser
zusammenfasst, um es einem bestimmten Orte zuzuleiten. Hieran fehlt es im
vorliegenden Fall. Damit, dass in einer Entfernung von 7-11 m von den
Quellaufstössen ein Baumstamm über den Wasserablauf gelegt wurde, ist
keine solche Vorrichtung erstellt worden. Das Wasser wurde durch diese
Massnahme nicht zum Zwecke der Weiterleitung zusammengefasst, sondern
nur in primitiver Weise gestaut und dann sich selber überlassen. Im Falle
BGE 64 II 340 ff. hat denn auch niemand daran gedacht, dass es sich beim
"bassin" in der Nähe der Quelle, von dem noch Trümmer vorhanden waren,
um eine Fassung gehandelt haben könnte.

    Hinsichtlich der Benutzung hat die Vorinstanz verbindlich festgestellt,
dass der durch den Baumstamm aufgestaute Tümpel dem auf der Hasenlochalp
weidenden Vieh zur Tränke diente. Dabei handelte es sich zweifellos
um eine Benutzung der Hasenlochquelle (wogegen die Messungen und die
Verkaufsverhandlungen, auf die der Kläger sich ausserdem beruft, bei
Beurteilung der Frage, ob die Quelle vor der Abgrabung benutzt worden
sei, keine Rolle spielen). Ob diese Benutzung als erhebliche im Sinne
von Art. 706 zu betrachten sei, beurteilt sich nach der Intensität des
Bedürfnisses, dem die Quelle diente (LEEMANN, 2. Aufl., N. 11, und HAAB
N. 7 zu Art. 706/707). Künftige Bedürfnisse, insbesondere solche, die
sich aus einer bessern Bewirtschaftung des durch die Quelle mit Wasser
versorgten Grundstücks ergeben, sind nicht zu berücksichtigen. Bei
Prüfung der Frage, ob das bisher befriedigte Bedürfnis so intensiv
gewesen sei, dass die Benutzung als erhebliche bezeichnet zu werden
verdient, darf dagegen billigerweise kein zu strenger Massstab angelegt
werden. Durch Fassung oder bisherige Nutzung bekundete Interessen des
Quelleigentümers sollen nach der Meinung des Gesetzes grundsätzlich
geschützt werden. Mit der Wendung, dass die Benutzung eine erhebliche
sein müsse, wollte nur gesagt werden, dass eine bloss gelegentliche
Benutzung, wie z.B. gelegentliches Nehmen eines Trunkes im Vorbeigehen,
nicht genüge. Dass die Benutzung der Hasenlochquelle in diesem Sinne
erheblich war, lässt sich nach dem Gutachten Abbühl und Luterbacher, dem
die Vorinstanz folgt, nicht verneinen. Über die Bedeutung dieser Quelle
für die bisherige Bewirtschaftung der Hasenlochalp haben diese Experten
nämlich festgestellt, "dass die Quelle für die Bewirtschaftung ... vor
... dem Abgraben nötig war ..., da die andern Weidbrunnen unzuverlässig
sind." Später schwächten sie diese Feststellung allerdings etwas ab,
indem sie erklärten, angesichts der vorhandenen Brunnen könne nicht gesagt
werden, das Wasser der Hasenlochquelle sei für die Bewirtschaftung der
Alp direkt unentbehrlich, doch wäre die Alp ohne die Quelle weniger
wirtschaftlich; man müsste eben sehen, wie man sich sonst behelfen
könnte. Auch wenn man sich an diese Äusserungen hält, bleibt es jedoch
dabei, dass die Benutzung der Hasenlochquelle zum Tränken des Viehs einem
ernstzunehmenden Bedürfnis entsprach.

    Die Beklagten haben dem Kläger daher Schadenersatz zu leisten, sofern
sie nicht gemäss Art. 707 zur Wiederherstellung des frühern Zustands
angehalten werden können. Da sie die Quelle gemäss Feststellung der
Vorinstanz "planmässig", also absichtlich, abgegraben haben und den Kläger
selbst kein Verschulden trifft, steht es nicht im Ermessen des Richters,
ob und in welchem Umfang Ersatz zu leisten sei, wie es nach Art. 706
Abs. 2 bei Schuldlosigkeit des Abgrabenden oder bei Selbstverschulden
des Geschädigten zutrifft. Vielmehr wird, wenn nicht der frühere Zustand
wiederherzustellen ist, unter allen Umständen voller Ersatz geschuldet.

Erwägung 7

    7.- Die Wiederherstellung des frühern Zustandes kann nach Art. 707
Abs. 1 bei Abgrabung von Quellen, soweit überhaupt möglich, verlangt
werden, wenn diese für die Bewirtschaftung oder Bewohnung eines Grundstücks
oder für eine Trinkwasserversorgung unentbehrlich sind. In den andern
Fällen besteht nach Art. 707 Abs. 2 ein Anspruch auf Wiederherstellung nur,
wo besondere Umstände sie rechtfertigen.

    a) Die Vorinstanz hat aus dem Gutachten Abbühl und Luterbacher
geschlossen, die Hasenlochquelle sei für die Bewirtschaftung der
Hasenlochalp nicht unentbehrlich im Sinne von Art. 707. Im einzelnen
führte sie zu diesem Punkte aus, die Quelle sei sicher ein Vorteil für die
Bewirtschaftung, aber nicht eine Voraussetzung dafür in dem Sinne, dass
sie ohne dieses Wasser aufgegeben werden müsste oder nur sehr unzulänglich
oder gestützt auf unzumutbaren sonstigen Aufwand durchgeführt werden
könnte. Aus diesen Feststellungen, die im wesentlichen tatsächlicher
Natur sind, konnte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung schliessen,
dass die Quelle im Sinne des Gesetzes für die gegenwärtige Bewirtschaftung
der Alp, die auch hier massgebend ist, nicht unentbehrlich sei.

    b) Wann besondere Umstände im Sinne von Art. 707 Abs. 2 vorliegen,
ist eine Frage des Ermessens, die der Richter gemäss Art. 4 ZGB "nach
Recht und Billigkeit" zu entscheiden hat.

    In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dieser Fall sei dann
gegeben, wenn die Wiederherstellung nicht mit grossen Kosten verbunden
sei, während sich der Schaden schwer liquidieren lasse (WIELAND N. 3
c zu Art. 706/707), wenn die Wiederherstellung einerseits ohne grosse
Kosten sich bewirken lasse, anderseits den wirtschaftlichen Bedürfnissen
entspreche, oder wenn die Schädigung eine besonders störende sei (BLASS,
Das Quellen- und Brunnen recht, 1910, S. 86, und LEEMANN, 2. Aufl.,
N. 28 zu Art. 706/707), bezw. wenn sich die Wiederherstellung ohne
wesentliche Schwierigkeiten bewerkstelligen lasse oder ein ausnehmend
grosser Schaden entstanden sei (HAAB N. 24 zu Art. 706/707). Auf die
wirtschaftliche Zweckmässigkeit nahm auch das Bundesgericht in seinem
Urteil vom 19. Dezember 1918 i.S. Schnyder gegen Tuchfabrik Wädenswil
Rücksicht (Bl. Z. R. 18 Nr. 42 S. 85/86; in BGE 44 II 473 ff. ist die
fragliche Stelle nicht abgedruckt). Betrachtet man diesen Gesichtspunkt
als massgebend, so erscheint im vorliegenden Falle die Wiederherstellung
des frühern Zustandes nicht als gerechtfertigt. Sie liesse sich, wenn
überhaupt, nicht ohne Schwierigkeiten durchführen (Bericht Peter), und
es wäre, wirtschaftlich betrachtet, auch nicht vernünftig, die nun einmal
bestehende Fassung zu beseitigen, um eine nur in primitiver Weise genutzte
Quelle wieder im frühern Umfang fliessen zu lassen(Falls die Gemeinde
sich heute noch für das Wasser interessiert, bestünde die vernünftigste,
aber freilich nicht erzwingbare Lösung wohl darin, dass die bestehende
Fassung entsprechend der Anregung des Experten Peter durch eine solche auf
dem Boden des Klägers ergänzt würde, die das restliche Wasser auffinge,
und dass das Wasser beider Fassungen nach einer gemeinsamen, von der
Gemeinde zu erstellenden Brunnstube geleitet und die von der Gemeinde
aufzuwendende Totalentschädigung zwischen den Parteien geteilt würde.)

    Um das Vorhandensein besonderer Umstände im Sinne von Art. 707
Abs. 2 darzutun, beruft sich der Kläger denn auch weniger auf die
wirtschaftliche Zweckmässigkeit als darauf, dass die Beklagten die
auf seinem Lande entspringende und von ihm genutzte Quelle planmässig
abgegraben haben, um das Wasser der Gemeinde zu verkaufen, mit der er
bereits Verhandlungen über einen Verkauf geführt habe, und dass für die
Ableitung des - von den Beklagten einstweilen nicht genutzten - Wassers
sein Land in Anspruch genommen worden sei. Die Vorinstanz führte hiezu aus,
das Abgraben habe einen "unangenehmen Beigeschmack", doch hätten sich die
Beklagten dabei innerhalb ihrer Rechte als Grundeigentümer bewegt, sodass
darin besondere Umstände im Sinne von Art. 707 Abs. 2 nicht zu erblicken
seien. Man kann in der Tat finden, das Vorgehen der Beklagten sei nicht
freundnachbarlich, wenn auch zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist'dass
sie dem Kläger, bevor sie zur Grabung schritten, gewisse Vorschläge für
ein gemeinsames Vorgehen gemacht hatten, die der Kläger ablehnte. Ein
Grund zur Anwendung von Art. 707 Abs. 2 ist in ihrem Verhalten aber,
wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, nicht zu sehen. Dass die
Abgrabung planmässig, d.h. absichtlich erfolgte, hat nur zur Folge, dass
voller Schadenersatz geschuldet wird (Art. 706 Abs. 2 e contrario; oben
Erw. 6 am Ende). Der Zweck, der mit der absichtlichen Abgrabung verfolgt
wurde, würde die weitergehende Sanktion der Wiederherstellung höchstens
dann rechtfertigen, wenn es den Beklagten nur darum zu tun gewesen wäre,
den Nachbarn zu schädigen. Dies war nicht der Fall. Die Abgrabung erfolgte
zu dem an sich legitimen Zwecke des Verkaufes des gewonnenen Wassers. Dass
die Beklagten dem Kläger mit dieser Verwertung zuvorzukommen suchten,
kann ebenfalls kein Grund dafür sein, sie zur Wiederherstellung des
frühern Zustandes zu verurteilen. Das Gesetz erlaubt grundsätzlich jedem
Eigentümer, auf seinem Lande nach Wasser zu graben, soweit dadurch nicht
dem Nachbarn bereits gefasstes oder in erheblicher Weise benutztes Wasser
entzogen wird. Es stellt also den Grundsatz der Priorität auf (BGE 64 II
342). Im Rahmen dieses gesetzlichen Systems kann darin, dass ein Nachbar
dem andern bei der Auswertung eines Wasservorkommens den Rang abzulaufen
sucht, kein besonderer Umstand im Sinne von Art. 707 Abs. 2 erblickt
werden. Ebensowenig ist in dieser Hinsicht der Umstand von Bedeutung, dass
die Beklagten das gewonnene Wasser einstweilen in den alten Abflussgraben
zurückfliessen lassen (wodurch dem Kläger offenbar kein Schaden entsteht).

    Das Begehren um Wiederherstellung des frühern Zustandes ist daher
abzuweisen, ohne dass noch untersucht werden müsste, ob eine solche
Wiederherstellung überhaupt möglich sei.

Erwägung 8

    8.- Um den Schwierigkeiten und Unzukömmlichkeiten auszuweichen, die
einer Wiederherstellung der frühern Quellverhältnisse entgegenstehen,
verlangt der Kläger eventuell "Wiederherstellung" durch Abtretung
eines Gebietsstreifens oder Einräumung einer Dienstbarkeit. Solche
Rechtsänderungen bedeuten jedoch keine Wiederherstellung des frühern
Zustandes. Sie könnten allerhöchstens unter dem Titel des Schadenersatzes
angeordnet werden.

Erwägung 9

    9.- Der Schadenersatzanspruch, auf den der Kläger demnach angewiesen
bleibt, geht, wie schon bemerkt, auf Ersatz des vollen Schadens. Als
Schaden kommt aber nur die Beeinträchtigung der bisherigen Wassernutzung
in Frage. Da die Fassung oder erhebliche Benutzung eine Voraussetzung
des in Art. 706 vorgesehenen Schadenersatzanspruchs ist, kann der
Schadenersatz nicht über den Ersatz für die wirklich gefasste oder
benutzte Wassermenge hinausgehen (vgl. LEEMANN, 2. Aufl., N. 12, und
HAAB N. 7 zu Art. 706/707). Der Kläger hat also nicht etwa Anspruch auf
Ersatz des Betrags, den er durch Verkauf der Hasenlochquelle vielleicht
hätte lösen können, sondern nur auf Ausgleich der Schädigung, die in der
Verunmöglichung oder Schmälerung der bisherigen Benutzung liegt. Wieviel
Wasser die bisherige Benutzung erforderte, ist eine Tatfrage. Die Annahme
der Vorinstanz, dass 15 Minutenliter hiefür ausreichten, ist daher für
das Bundesgericht verbindlich. Die Beklagten erklärten sich bereit,
dem Kläger diese Wassermenge zu überlassen. Diesen Realersatz anzunehmen,
konnte die Vorinstanz dem Kläger ohne Bundesrechtsverletzung zumuten.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und
das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern vom 23. Februar 1954
wird bestätigt.