Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 319



80 II 319

52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1954 i. S. Parkhotel
Bubenberg A.-G. gegen Flurgenossenschaft Spiez-Hondrich. Regeste

    Berufungsantrag, Art. 55 Abs. 1 lit. b OG: bei Klagen auf Geldleistung
(Schadenersatz) ist ziffernmässige Nennung des verlangten Geldbetrages
erforderlich (Erw. 2).

    Quellenrecht; Wiederherstellung abgegrabener Quellen, Art. 707 Abs. 1
ZGB: Begriff der "Unentbehrlichkeit" (Erw. 3). - Bedingte Anerkennung
der Pflicht auf Wiederherstellung? (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Zu Gunsten der Liegenschaft der Parkhotel Bubenberg A.-G. in
Spiez sind im Grundbuch ein Wasserrecht und zwei Quellenrechte zu
Lasten verschiedener Grundstücke Dritter in Hondrich eingetragen. Mit
dem Wasser aus diesen gefassten Quellen konnte sich das Hotel seit
Jahren selbst versorgen. Im Jahre 1945 begann die Flurgenossenschaft
Spiez-Hondrich mit der Entwässerung des Quellengebietes, worauf die
Parkhotel A.-G. Ing. Schönholzer mit der Überprüfung ihrer Wasserversorgung
beauftragte. In einem ersten Bericht vom 18. Juli 1945 stellte er den
Gesamterguss der drei Fassungen mit 30 ml fest und sagte das Versiegen
der Quelle zufolge der Absenkung des Grundwasserspiegels voraus. Weitere
Wassermessungen im Juli/August 1945 ergaben Werte zwischen 20 und 37 ml,
eine solche vom 22. Oktober 1945 52,1 ml. Der gleichzeitige chemische
und bakteriologische Befund lautete gut. Weitere von den Parteien
gemeinsam vorgenommene Wassermessungen ergaben vom Dezember 1946 -
Dezember 1948 einen Rückgang von 60 auf 25 ml. Im September 1951 wurde
das Wasser vom Kantonschemiker wegen zu hohen Keimgehalts und Anwesenheit
typischer Fäkalbakterien beanstandet, worauf die Gesundheitsbehörde von
Spiez am 5. September 1951 dessen weitere Verwendung als Trinkwasser
untersagte. Infolgedessen musste die Parkhotel Bubenberg A.-G. das Wasser
von der Wasserversorgungsgenossenschaft Spiez-Aeschi beziehen (jährlich
3600 m3 pauschal für Fr. 1087.50; Mehrverbrauch gesondert zu vergüten).

    Verhandlungen zwischen den Parteien wegen Entschädigung endeten im
August 1949, nach Darstellung der Flurgenossenschaft im Januar 1951,
ohne Erfolg.

    B.- Im November 1953 erhob die Parkhotel A.-G. vor der
Aussöhnungsinstanz und im Januar 1945 vor dem Appellationshof gegen die
Flurgenossenschaft die vorliegende Klage mit den Begehren,

    a) die Beklagte sei zu verurteilen, in ihren Kosten alle diejenigen
Vorkehren zu treffen, die den ungehinderten Zufluss des Wassers in
ursprünglichem Umfange und in ursprünglicher Qualität zu der Besitzung
der Klägerin gewährleisten; b) die Beklagte sei zu verurteilen, der
Klägerin als Schadenersatz einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag nebst
gesetzlichem Verzugszins zu bezahlen.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, in erster Linie wegen
Verjährung der erhobenen Ansprüche.

    Mit Urteil vom 18. Mai 1954 hat die Vorinstanz die Einrede
der Verjährung sowohl bezüglich des Wiederherstellungs- als des
Schadenersatzanspruches geschützt und die Klage abgewiesen. Sie führt aus,
der Schadenersatzanspruch gemäss Art. 706 ZGB sei obligatorischer Natur
und unterliege der einjährigen Verjährung gemäss dem analog anzuwendenden
Art. 60 OR. Bezüglich des Wiederherstellungsanspruchs gemäss Art. 707 sei
die Verjährungsfrage in Lehre und Rechtsprechung bisher offen geblieben;
das Gesetz biete jedoch keine Handhabe für die Annahme negatorischen
Charakters und daheriger Unverjährbarkeit desselben. Eine solche Lösung
wäre unbefriedigend, weil sie dazu führen würde, dass unter Umständen
eine Wiederherstellungsklage beurteilt werden müsste, während die
damit verbundene Schadenersatzklage für den bisher entstandenen Schaden
verjährt wäre. Eine solche unterschiedliche Behandlung der beiden eng
zusammenhängenden Bestimmungen könne aber dem Sinn und Zweck des Gesetzes
nicht entsprechen. Es sei mithin auf beide Ansprüche die einjährige
Verjährung gemäss Art. 60 OR anzuwenden.

    Die Verjährung beginne so lange nicht zu laufen, als dem Geschädigten
die wesentlichen Elemente des Schadens nicht bekannt seien (BGE 74 II
30 ff.). Diese Kenntnis habe nun aber die Klägerin wenn nicht schon
Ende 1948, als nach dem regenreichen Sommer der Zufluss aus den Quellen
zurückgegangen, so doch spätestens im September 1951 gehabt, als ihr
die Verwendung des Wassers zu Trinkzwecken verboten worden und sie zu
anderweitigem Wasserbezug genötigt gewesen sei. Die Verjährung habe
somit spätestens am 5. September 1951 zu laufen begonnen und sei nie
unterbrochen worden. Zu Unrecht wolle die Klägerin eine die 10-jährige
Verjährung einleitende Schuldanerkennung im Sinne von Art. 137 Abs. 2 OR in
zwei Schreiben des Anwalts der Beklagten vom 18. Dezember 1946 und vom 24.
August 1949 erblicken, mit welchen die Ansprüche nur grundsätzlich, nicht
aber auch dem Betrage nach anerkannt, geschweige denn durch Novation
eine neue abstrakte Schuldverpflichtung begründet worden seien. Ein
Rechtsmissbrauch liege in der Geltendmachung der Verjährung keineswegs,
da das Verhalten der Beklagten, auch die erwähnten beiden Schreiben,
nicht dazu angetan gewesen seien, die Klägerin von der rechtzeitigen
Wahrung ihrer Rechte abzuhalten.

    Die Klage auf Wiederherstellung aus Art. 707 ZGB müsste übrigens
auch abgewiesen werden, wenn dieser Anspruch negatorischer Art und damit
unverjährbar wäre; denn es sei ohne weitere Beweisführung offensichtlich,
dass die Voraussetzungen des Art. 707 - Unentbehrlichkeit der abgegrabenen
Quellen (Abs. 1) oder die Wiederherstellung rechtfertigende besondere
Umstände (Abs. 2) - nicht vorlägen und zudem die Wiederherstellung des
früheren Zustandes nicht möglich wäre, ohne die gesamte Melioration
rückgängig zu machen.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung stellt die Klägerin
die wiedergegebenen Klagebegehren als Anträge; am Schluss der
Berufungsbegründung beantragt sie überdies Rückweisung der Sache an die
kantonalen Gerichtsbehörden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Streitwert übersteigt offensichtlich Fr. 8000.--, da nach
Feststellung der Vorinstanz die Klägerin infolge des Verlustes ihrer
Quellen zum Bezuge fremden Wassers zum Preise von Fr. 1087.50 im Jahr
genötigt ist, was eine dauernde Belastung darstellt.

Erwägung 2

    2.- Der Berufungsantrag 2, "die Beklagte sei zu verurteilen, der
Klägerin als Schadenersatz einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag
nebst gesetzlichem Verzugszins zu bezahlen", genügt der Vorschrift
von Art. 55 Abs. 1 lit. b OG nicht, wonach die Berufungsschrift "die
genaue Angabe, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche
Abänderungen beantragt werden" enthalten muss. Dazu gehört bei Klagen
auf Geldleistung die ziffernmässige Nennung des verlangten Betrages (BGE
75 II 334, 79 II 255, BIRCHMEIER, N. 4 d zu Art. 55, N. 2 b zu Art. 51
OG). Der Berufungsklägerin durfte auch ohne weiteres zugemutet werden,
die Schadenersatzforderung zu beziffern, da sie im Prozesse den Standpunkt
eingenommen hatte, früher (in den Jahren 1945-1952) sei ihr die Bemessung
ihres Schadens noch nicht möglich gewesen, weshalb die Verjährungsfrist
noch nicht zu laufen begonnen habe, woraus e contrario zu schliessen ist,
dass die Bemessung ihr, als sie im Jahre 1953 endlich Klage erhob, nun
möglich gewesen sein muss. Die Berufung wird auch nicht etwa durch den,
nicht im Zusammenhang mit den formulierten Anträgen 1-3 gestellten, sondern
erst als Schlusssatz der Begründung angehängten Antrag auf Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz gerettet. Wohl wurde in dem zitierten
Entscheid i.S. Jörg der Vorbehalt angebracht, die Stellung bezifferter
Begehren könnte allenfalls dann als unnötig betrachtet werden, wenn für
das Bundesgericht ohnehin auf alle Fälle keine Festsetzung der Beträge,
sondern nur eine grundsätzliche Gutheissung der Klage mit Rückweisung der
Sache an die Vorinstanz zum Entscheid über die zuzusprechenden Beträge in
Betracht käme (BGE 75 II 335). Das ist aber im vorliegenden Falle, wie im
zitierten, nicht die Meinung der Berufungsklägerin; sie verlangt nicht
grundsätzliche Gutheissung der Klage und Rückweisung zur Bestimmung des
Betrages, sondern in erster Linie abschliessende Festsetzung desselben
durch das Bundesgericht, wie vor der Vorinstanz durch diese. Übrigens
erscheint fraglich, ob der im zit. Entscheide gemachte Vorbehalt
auf eine Schadenersatzklage überhaupt anwendbar wäre; denn bei einer
Schadenersatzforderung gehört der Nachweis des Schadens, auch der Höhe
nach, zum Tatbestand, also zur Substanzierung der Klage. Am Erfordernis
der Bezifferung der Forderung vor Bundesgericht ändert schliesslich auch
der Umstand nichts, dass die Vorinstanz die Hauptverhandlung ausdrücklich
auf die Entscheidung der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede
beschränkt hatte; denn mit der Berufung verlangte die Klägerin ja nicht
nur Abweisung dieser Einrede und Rückweisung, sondern Verurteilung der
Beklagten zu einer Geldleistung. Das Erfordernis der ziffernmässigen
Nennung des Forderungsbetrags nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG dient übrigens
auch der Feststellung des Streitwertes als Voraussetzung der Zulässigkeit
der Berufung, die natürlich auch für eine blosse Rückweisung gegeben
sein muss.

    Kann mithin auf das Berufungsbegehren 2 (Schadenersatz) wegen
ungenügenden Antrags nicht eingetreten werden, so entfällt die Prüfung
der Frage der Verjährung in diesem Punkte.

Erwägung 3

    3.- Bezüglich des Berufungsbegehrens 1 (Wiederherstellung), auf das
einzutreten ist, erübrigt sich die Prüfung der Verjährungsfrage ebenfalls,
weil es aus den von der Vorinstanz in Erwägung 4 ad abundantiam genannten
materiellrechtlichen Gründen abgewiesen werden muss. Die Vorinstanz
führt aus, es sei ohne weitere Beweisführung offensichtlich, dass die
Voraussetzungen des Art. 707 ZGB nicht gegeben seien. Weder sei das
Wasser der fraglichen Quellen für die Klägerin unentbehrlich - sie habe
ohne Schwierigkeiten anderes Trinkwasser erhalten können -, noch lägen
besondere Umstände vor, die die Wiederherstellung rechtfertigen würden;
zudem sei die Wiederherstellung des früheren Zustandes gar nicht möglich,
da sonst die gesamte Melioration rückgängig gemacht werden müsste.

    Soweit diese Ausführungen tatsächliche Feststellungen enthalten, sind
diese für das Bundesgericht verbindlich, nachdem sie nicht als auf Versehen
oder Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften beruhend angefochten
worden sind - und offensichtlich auch nicht werden können. Soweit es
sich aber um Auslegung des Gesetzes (Art. 707 ZGB) und Subsumption des
Tatbestandes unter dasselbe, also Anwendung des Bundesrechts, handelt,
hat die Berufungsklägerin nicht dargetan, inwiefern damit dieses verletzt
werde. Es hat daher bei der Klageabweisung auch aus diesem Grunde sein
Bewenden. Der Auslegung der Vorinstanz muss übrigens beigepflichtet
werden. Die Wiederherstellung kann nach Art. 707 Abs. 1 verlangt werden
für Quellen und Brunnen, die für die Bewirtschaftung oder Bewohnung eines
Grundstückes oder für Trinkwasserversorgung unentbehrlich sind. Dieser
Begriff wird in Lehre und Praxis zutreffend im Sinne von "unersetzlich"
ausgelegt. Unentbehrlich ist eine Quelle für das berechtigte Grundstück
nicht schon dann, wenn diesem die Wasserzufuhr unentbehrlich und dieses
Bedürfnis bisher aus der abgegrabenen Quelle befriedigt worden ist,
sondern nur dann, wenn der unabdingbare Bedarf nicht anderweitig in
gleichwertiger und wirtschaftlich tragbarer Weise gedeckt werden kann. Für
die Hotelliegenschaft der Klägerin ist die Wasserzufuhr zweifellos
unentbehrlich; das Wasser aus der beeinträchtigten eigenen Quelle aber
ist es nicht, denn die Klägerin konnte ohne weiteres das nötige Wasser
aus einer öffentlichen Wasserversorgung beziehen zu Bedingungen, die
vielleicht weniger günstig sind als die Selbstversorgung, aber jedenfalls
nicht schlechter als für die grosse Mehrzahl der Wasserverbraucher ohne
eigene Quellen. Ist mithin die Unentbehrlichkeit bzw. Unersetzlichkeit
der Quellen für die Klägerin zu verneinen, so kann dahingestellt bleiben,
wie hier die Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Wiederherstellung,
dass diese nämlich "überhaupt möglich" sei, zu beurteilen wäre,
angesichts der Feststellung der Vorinstanz, dass die Quellen nur unter
Opferung des ganzen Meliorationswerkes wieder zum Fliessen gebracht
werden könnten. Eine allfällige Benachteiligung der Klägerin zufolge der
teurern Ersatzbeschaffung des Wassers würde einen Schaden darstellen,
der auf Grund von Art. 706 ZGB hätte geltend gemacht werden können.

Erwägung 4

    4.- Die Berufungsklägerin stützt nun freilich ihr
Wiederherstellungsbegehren nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die
Erklärungen des Anwalts der Beklagten vom 18. Dezember 1946 und 24. August
1949, worin dieser sagte: "Sollte die Quelle des Herrn Arnet wirklich
zurückgehen, so wird die Flurgenossenschaft ihr nach Möglichkeit anderes
Wasser zuführen oder dann für den Schaden aufkommen", bzw. sie habe "die
grundsätzliche Haftung für einen erwiesenermassen als Folge der Drainage
eingetretenen Rückgang der Bubenberg-Quelle nie bestritten", ein solcher
Nachweis liege aber nicht vor. Die Berufungsklägerin erblickt speziell im
erstzitierten Passus nicht eine Bezugnahme auf die Schadenersatzpflicht
gemäss Art. 706 ZGB, sondern behauptet, mit dieser Erklärung "wünsche"
die Beklagte bei einem Rückgang der Wasserführung den früheren Zustand
wieder herzustellen; "dieser Anspruch entspricht dem Rechtsbegehren
der Berufungsklägerin und zudem jenem aus Art. 707 ZGB, jedoch ohne
Berücksichtigung der dort genannten besondern Voraussetzungen". Indessen
kann in den erwähnten Erklärungen keineswegs eine bedingte Anerkennung
der Pflicht auf "Wiederherstellung des früheren Zustandes", die ja eine
Beseitigung der gesamten, mit öffentlichen Subventionen ausgeführten
Entwässerungsanlagen erfordern würde, erblickt werden, sondern bestenfalls
eine solche der Haftung für nachgewiesenen Schaden zufolge Rückgangs der
Quelle und der eventuellen Pflicht, anderes Wasser zuzuführen oder (sonst)
für den Schaden aufzukommen; d.h. eindeutig, Realersatz oder Geldersatz,
also Schadenersatz zu leisten, nicht aber die Wiederherstellung des
früheren Zustandes. Auch auf diese Erklärungen kann daher ein dahingehender
Anspruch im Sinne des Berufungsantrags 1 nicht gestützt werden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen.