Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 281



80 II 281

47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1954 i.S. Verband
"Freierwerbende Schweizer Architekten" F.SA gegen Bund Schweizer
Architekten BSA. Regeste

    Recht der Persönlichkeit (Art. 27 ff. ZGB), Abgrenzung gegen die
Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb (nach dem UWG vom 30. September
1943). Erw. 2.

    Namensrechtlicher Schutz einer Kurzbezeichnung, die sich ein
Berufsverband zur obligatorischen Verwendung durch seine Mitglieder
beigelegt hat (Art. 29 ZGB). Erw. 3-7.

Sachverhalt

    A.- Beide Parteien sind Berufsverbände schweizerischer Architekten
und zwar Vereine im Sinne von Art. 60 Abs. 1 ZGB. Der Kläger und
Berufungsbeklagte besteht seit 1908 und wurde 1909 im Handelsregister von
Zürich eingetragen. Er trägt seit seiner Gründung den Namen "Bund Schweizer
Architekten (BSA)/Fédération des Architectes Suisses (FAS)". In Statuten
und andern Vereinsdokumenten, sowie bei der Kennzeichnung eines Architekten
als Vereinsmitglied wird, soviel aus den Akten ersichtlich, die deutsche
Abkürzung BSA regelmässig ohne Punkte nach den einzelnen Buchstaben
verwendet, während für die französische Bezeichnung sowohl FAS wie F.A.S.
üblich ist. Nach Art. 5 der Statuten sind die Mitglieder - heute rund
260 an der Zahl - verpflichtet, sich auf beruflichen Schriftstücken als
"Architekt BSA" bezw. "FAS" zu bezeichnen, und zwar individuell, also in
Firmen mit mehreren Teilhabern nur, wer persönlich Mitglied des BSA ist.

    Der beklagte, nicht eingetragene, heute rund 100 Mitglieder zählende
Verein (Berufungskläger) wurde 1935 gegründet mit der Bezeichnung "Freie
Schweizer Architektenschaft, F.SA (Association des Architectes Suisses
Indépendants, A.A.I./Associazione degli Architetti Svizzeri Indipendenti,
A.A.I."). Auch er verpflichtet seine Mitglieder, ihre Verbandszugehörigkeit
zu bekunden, indem sie ihrem Namen die Bezeichnung F.SA bezw. A.A.I.
beifügen.

    B.- Seit Juli 1948 verhandelten die Parteien über eine Namensänderung
des Beklagten, weil der Kläger seine Interessen durch Verwechslungen der
beiden Berufsverbände gefährdet glaubte. Hierauf gab sich der Beklagte,
mit Beschlüssen vom 24. Mai 1950 und 25. April 1951, folgende neue
Bezeichnung: "Freierwerbende Schweizer Architekten F.SA (Fédération Suisse
des Architectes Indépendants F.SAI./Federazione Svizzera degli Architetti
Indipendenti F.SAI."). In einer bezüglichen Mitteilung des Beklagten an
den Anwalt des Klägers vom 9. Mai 1951 heisst es:

    "... Der Zentral-Vorstand bedauert es ausserordentlich, Ihnen,
beziehungsweise dem BSA, keinen bessern Bescheid geben zu können. Der
Zentral-Vorstand versichert Sie, alles in seiner Macht stehende zu tun,
um weitere Verwechslungen, speziell zwischen den Bezeichnungen FSA -
FAS, in Zukunft zu vermeiden und hofft, dass die guten Beziehungen, die
bis heute zwischen dem BSA und dem FSA bestanden haben, auch weiterhin
bestehen mögen."

    C.- Der Kläger sah in den neuen Bezeichnungen des Beklagten eine eher
noch grössere Verwechslungsgefahr. Nach weitern Auseinandersetzungen und
Beschaffung von Zeugnissen über tatsächlich vorgekommene Verwechslungen
leitete er im März 1952 Klage ein mit dem Begehren, es sei dem Verband
Freierwerbende Schweizer Architekten die Führung dieses Vereinsnamens,
insbesondere die Führung der Abkürzungen F.SA und F.SAI. zu untersagen.

    D.- Das Zivilgericht Basel-Stadt hat die Klage, soweit sie sich
auf den ausgeschriebenen Vereinsnamen des Beklagten bezog, abgewiesen,
diesem aber den weitern Gebrauch der für seinen Vereinsnamen verwendeten
Abkürzungen F.SA und F.SAI. untersagt.

    Mit diesem Entscheide hat der Kläger sich abgefunden, während der
Beklagte mit dem erneuten Antrag auf gänzliche Klageabweisung appelliert
hat.

    Das Appellationsgericht hat mit Urteil vom 28. Mai 1954 in Abweisung
der Appellation das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

    E.- Mit vorliegender Berufung verlangt der Beklagte neuerdings
gänzliche Abweisung der Klage; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung
an das Appellationsgericht zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Aus der knappen Fassung der vorinstanzlichen Urteilsbegründung darf
nicht auf unvollständige Überprüfung des Prozesstoffes geschlossen werden.
Vielmehr hat das Appellationsgericht den Erwägungen des Zivilgerichts
"in der Hauptsache ohne weiteres" beigestimmt, also dessen Ansicht zur
seinigen gemacht. Die einzige Abweichung betrifft die Frage, ob eine
erhebliche Gefahr der Verwechslung von "BSA" und "F.SA" erwiesen sei. Auch
dies hat das Appellationsgericht aber nicht verneint, wie es der Beklagte
(auf Seite 5 der Berufungsschrift) behauptet. Es hat die Frage vielmehr
offen gelassen, weil es fand, die Bezeichnung "F.SA" sei jedenfalls
deshalb unzulässig, weil sie sich nicht genügend von der französischen
Benennung des Klägers ("FAS") unterscheide.

Erwägung 2

    2.- Der klagende Verband beruft sich zutreffend auf das Recht
der Persönlichkeit (Art. 27 ff. ZGB) und auf das als dessen Ausfluss
hervorgehobene Namensrecht (Art. 29 ZGB). Der in Art. 944 ff. OR
vorgesehene Firmenschutz kommt ihm, obwohl er im Handelsregister
eingetragen ist, nicht zu. Er gilt nach ständiger Rechtsprechung
(vgl. BGE 34 II 114 ff.) nur für geschäftliche Unternehmungen, nicht
für ideale Vereine. Diese sind dagegen des Namensrechtes teilhaftig,
auf das sich die Rechtsfähigkeit aller juristischen Personen erstreckt
(Art. 53 ZGB). Die Geltendmachung dieses Rechtes ist unabhängig davon, ob
allenfalls in der Art seiner Verletzung zugleich ein unlauterer Wettbewerb
liegen mag. Der Kläger konnte daher den ursprünglich eingenommenen
Standpunkt, es liege auch unlauterer Wettbewerb vor, aufgeben, ohne die
namensrechtliche Grundlage der Klage in Frage zu stellen. Gewiss sind
Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb nunmehr ausschliesslich nach dem
Spezialgesetz vom 30. September 1943 zu beurteilen, das nicht vom Schutz
der Persönlichkeit ausgeht, sondern vermögenswerte Güter schützen will
(vgl. das Geleitwort von GERMANN zur Taschenausgabe des UWG). Allein
das Namensrecht, wie überhaupt das Recht der Persönlichkeit, besteht
selbständig neben dem Verbot unlauteren Wettbewerbes (vgl. BGE 72 II
387, am Ende von Erw. 4). Für die damit verbundenen Feststellungs- und
Unterlassungsansprüche ist nach wie vor Art. 29 ZGB massgebend.

Erwägung 3

    3.- Dessen Abs. 2 verpönt die Anmassung, d.h. den unbefugten Gebrauch
des einem andern zustehenden Namens. Eine Verletzung des Namensrechtes
liegt aber auch in der Annahme und Führung eines täuschend ähnlichen
Namens, der geeignet ist, Verwirrung zu stiften und erhebliche Interessen
des andern zu beeinträchtigen. Insbesondere sollen juristische Personen bei
der Wahl ihres Namens darauf Bedacht nehmen, eine Benennung zu wählen, die
sich genügend von schon bestehenden Namen anderer juristischer Personen
unterscheidet, zumal solcher mit gleichem sachlichen und örtlichen
Wirkungskreis (BGE 42 II 315, 58 II 313). An diese Regel hatte und hat
sich auch der beklagte Verein zu halten, der sich wie der klagende Verein
aus schweizerischen Architekten zusammensetzt. Der lange vor dem Beklagten
gegründete Kläger kann sich auf seinen zeitlichen Vorrang in der Namenswahl
berufen. Bei bestehender Verwechslungsgefahr ist daher nicht der Kläger,
sondern der Beklagte zur Abhilfe verpflichtet.

Erwägung 4

    4.- Der ausgeschriebene Name des Beklagten ist nicht mehr angefochten.
Die Klage richtet sich nur mehr gegen die ihm vorangestellten oder
beigefügten und namentlich von den einzelnen Mitgliedern als Zusatz zu
ihrem Namen im beruflichen Verkehr verwendeten Abkürzungen "F.SA" (deutsch)
und "F.SAI." (französisch und italienisch). Der Beklagte glaubt, diese
Bezeichnungen zunächst einfach mit dem Hinweis darauf rechtfertigen zu
können, dass sie aus den Initialen der als solche nicht mehr beanstandeten
vollen Namen bestehen. Allein den Kurzbezeichnungen kommt selbständige
Bedeutung zu. Sie sind heutzutage (bei Körperschaften des privaten
und öffentlichen Rechts mit Einschluss internationaler Einrichtungen)
derart gebräuchlich geworden, dass manche juristische Person vornehmlich
unter ihrer Kurzbezeichnung bekannt ist. Beide Prozessparteien haben
ihrer Kurzbezeichnung zudem die besondere Bedeutung verliehen, dass sie
ihren Mitgliedern als Zusatz zur Firma in beruflichen Schriftstücken zu
dienen hat. Diesen vom klagenden Verein von Anfang an in den Statuten
festgelegten Verwendungszweck darf der beklagte Verein nicht mit einer
täuschend ähnlichen Kurzbezeichnung, die er in gleicher Weise seinen
eigenen Mitgliedern zur Verfügung stellt, beeinträchtigen.

Erwägung 5

    5.- Mit dem vorinstanzlichen Urteil kann offen gelassen werden, ob die
deutsche Kurzbezeichnung des Beklagten (F.SA" oder, wie es oft ohne Punkte
heisst, "FSA", vgl. Nr. 5, 6, 16, 20 der Klagebeilagen) sich hinlänglich
von der deutschen Kurzbezeichnung des Klägers ("BSA.") unterscheide. Wie
dem auch sein möge, besteht, wie das Appellationsgericht zutreffend
bemerkt, jedenfalls eine erhebliche Gefahr der Verwechslung von "F.SA"
("FSA") mit der französischen Kurzbezeichnung "FAS" des Klägers.

    Der Beklagte möchte diese Bezeichnung zwar vom Namensschutz ausgenommen
wissen. Er erklärt, sie habe (anders als seine eigene deutsche Bezeichnung
"F.SA") sich nicht durchgesetzt, also nicht Verkehrsgeltung erlangt;
niemand spreche vom "FAS". Allein, um diese Bezeichnung des Namensschutzes
teilhaftig werden zu lassen, genügt es, dass sie seit der Gründung des
Klägers für seine Mitglieder französischer Zunge statutarisch festgelegt
und von diesen Mitgliedern denn auch ständig verwendet worden ist. Damit
hat sie ihren Zweck erfüllt, die Zugehörigkeit zum klagenden Verbande
zu bekunden. Dass mancher Empfänger eines mit diesem Zusatze versehenen
Architektenbriefes nichts Näheres über den klagenden Verband weiss,
ja dessen vollen Namen nicht kennt, macht die Kurzbezeichnung nicht des
Schutzes unwürdig. Gerade in den Kreisen, die einfach das Zeichen der
Zugehörigkeit zu einem angesehenen Architektenverband zu beachten pflegen,
ist mit Verwechslungen am ehesten zu rechnen. Natürlich gehen solche Briefe
häufig vom einen in das andere Sprachgebiet. Auch der mündliche Verkehr
wickelt sich oft ausserhalb des Wohnortes ab, ganz abgesehen davon, dass
mancher auch an seinem Wohnort sich einer andern als der dort herrschenden
Sprache zu bedienen pflegt.

    Dass die Bezeichnungen "FAS" ("F.A.S.") und "F.SA" ("FSA") leicht
verwechselt werden, liegt auf der Hand. Sie klingen ähnlich und bieten ein
ähnliches Wortbild. Auch ohne Nachweis bestimmter nachteiliger Vorfälle ist
das Namensrecht durch die Schaffung einer ernstlichen Verwechslungsgefahr
bereits verletzt (BGE 58 II 316). Übrigens stellen die Vorinstanzen
tatsächlich vorgekommene Verwechslungen fest. Sie stützen sich dabei auf
das briefliche Zugeständnis des beklagten Verbandes vom 9. Mai 1951. Bei
dieser Sachlage bedarf es nicht der Rückweisung der Sache zu ergänzender
Beweisführung. Die von der Klägerschaft vorgelegten schriftlichen Zeugnisse
über vorgekommene Verwechslungen waren übrigens mindestens dazu angetan,
die ernstliche Verwechslungsgefahr, wie sie aus der Ähnlichkeit der
Kurznamen hervorgeht, zu bestätigen.

    Da der beklagte Verband (dem Beispiel des Klägers folgend) seinen
Mitgliedern die Verwendung der abgekürzten Vereinsbezeichnung als
Zusatz zur Berufsfirma vorgeschrieben hat, muss er auch für diese Art
der Verwendung einstehen, ist also auch hinsichtlich der Verletzung
des Namensrechts des Klägers im mündlichen und schriftlichen Verkehr
seiner (des Beklagten) Mitglieder mit Kunden- und andern Kreisen passiv
legitimiert.

    Zu Unrecht wendet er Verwirkung des dem Kläger zukommenden
Namensschutzes ein. Der Kläger hat die Störung seines Namenrechtes in
guten Treuen erst geltend gemacht, als sie sich wegen des Anwachsens der
Mitgliederzahl des beklagten Verbandes in erheblichem Masse bemerkbar
machte. Da die Störung andauert, braucht er sie nicht länger zu dulden.

Erwägung 6

    6.- Endlich trifft nicht zu, dass sich eine sachgemässe andere
Kurzbezeichnung für den beklagten Verband gar nicht finden lasse. Sie wird
freilich, wenn sie aus den Initialen des vollen Namens bestehen soll,
dessen Änderung oder Erweiterung nötig machen. Das dürfte jedoch keine
grossen Schwierigkeiten bieten. Eine hinreichende Unterscheidbarkeit
lässt sich etwa dadurch bewirken, dass dem heute bestehenden Namen des
Beklagten ein Wort wie "Verein", "Vereinigung" oder "Verband" angefügt
wird. Die entsprechende Abkürzung aus vier Buchstaben würde jedem auch
nur einigermassen aufmerksamen Zuhörer oder Leser als von den Kurznamen
des Klägers abweichend auffallen. Der neu angefügte vierte Buchstabe
würde nicht nur dem Wortbild ein anderes Gepräge geben, sondern (zumal
er natürlicherweise als letzter den Akzent trüge) auch den Klang deutlich
verändern.

Erwägung 7

    7.- So verhält es sich schon jetzt mit der französischen und
italienischen Kurzbezeichnung des Beklagten ("F.S. A.I."). Sie ist daher
nicht zu beanstanden. Verwechslungen mit den Kurznamen des Klägers können
hiebei nur vorkommen, wenn der Zuhörer oder Leser sehr unachtsam ist. Dafür
hat der Beklagte aber nicht einzustehen. In diesem Punkt erweist sich
seine Berufung somit als begründet.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung des Beklagten wird teilweise gutgeheissen und das
Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 28. Mai 1954
aufgehoben, soweit es dem Beklagten den Gebrauch der Namensabkürzung
"F.SAI." untersagt.

    Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Urteil
bestätigt.