Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 228



80 II 228

37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1954 i. S. Spar- und
Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon gegen Konkursmasse des Franz Keller.
Regeste

    Grundpfandrecht, Erstreckung auf die Zugehör (Art. 805, 644 /5 ZGB).

    Nur solche Sachen können als Zugehör gelten, die für die
Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die
auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit
nötig oder dienlich sind.

    Wenn ein Bauunternehmer auf seinem Grundstück, wo sich sein Bureau
befindet, Baugerätschaften und -materialien aufbewahrt, die anderswo für
Bauarbeiten verwendet werden, so sind diese Sachen nicht Zugehör seines
Grundstückes.

Sachverhalt

    A.- Über Franz Keller in Bauma, der ein Baugeschäft betrieben hatte,
ist der Konkurs eröffnet worden. Vorher, in den Jahren 1945-1951,
hatte der Gemeinschuldner wiederholt seine Liegenschaft in Bauma der
heutigen Klägerin, der Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon, für
Konto korrentkredite verpfändet. Bei den Krediterhöhungen hatte er eine
Anzahl von Maschinen und Geräten, die er für seinen Betrieb verwendete
(Betonmischer, Kleinkran, Bauaufzug, Kompressor u.s.w.), als Zugehör zu der
Liegenschaft im Grundbuch anmerken lassen. Diese Liegenschaft besteht aus
einem Wohnhaus, in dem der Gemeinschuldner ein Bureau für kaufmännische
und technische Arbeiten eingerichtet hatte, aus einem Garten, offenen
und gedeckten Lagerplätzen und zwei Magazingebäuden. Hier wurden jeweilen
Baumaschinen, -geräte und -materialien aufbewahrt, solange sie nicht auf
den Baustellen verwendet wurden.

    B.- Im Konkurse beanspruchte die Klägerin für ihre Darlehensforderung
das Pfandrecht an der Liegenschaft und an den Gegenständen, die im
Grundbuch als Zugehör angemerkt worden sind. Das Konkursamt Bauma als
Konkursverwaltung wies jedoch den Anspruch auf das Pfandrecht an den
erwähnten als Zugehör bezeichneten Gegenständen ab; es bestritt, dass
diese als Zugehör zur Liegenschaft zu betrachten seien. Die Spar- und
Leihkasse Pfäffikon erhob infolgedessen gegen die Konkursmasse Klage auf
Anerkennung des bestrittenen Pfandrechts.

    C.- Die II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies
die Klage durch Urteil vom 1. Juni 1954 ab.

    D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit
dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen.

    E.- Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des
obergerichtlichen Urteils beantragt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    ...

Erwägung 3

    3.- Dass der Entscheid der Vorinstanz Art. 805 ZGB verletze,
wie die Klägerin geltend macht, ist offensichtlich unrichtig. Diese
Gesetzesvorschrift bestimmt nicht allgemein, unter welchen Voraussetzungen
Sachen als Zugehör zu einem Grundstück zu betrachten sind. In dieser
Beziehung schreibt Art. 805 in Abs. 2 lediglich vor, dass solche Sachen,
die bei der Verpfändung als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch
angemerkt werden, als Zugehör gelten, solange nicht dargetan ist, dass
ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen
kann. Die Vorinstanz hat nun nicht übersehen, dass die Gegenstände, auf
die sich das streitige Pfandrecht bezieht, insgesamt oder teilweise bei
der Verpfändung als Zugehör bezeichnet und im Grundbuch angemerkt worden
sind. Aber sie hat geprüft, ob bewiesen sei, dass ihnen diese Eigenschaft
nach Art. 644/5 ZGB nicht zukommen könne, und damit getan, was Art. 805
Abs. 2 ZGB vorsieht.

Erwägung 4

    4.- Es kann sich somit nur fragen, ob, wie die Klägerin weiter
behauptet, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die
streitigen Pfandgegenstände dauernd für die Bewirtschaftung oder Benützung
des Grundstücks des Gemeinschuldners bestimmt und zu diesem durch
Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung gebracht
sind, in der sie ihm zu dienen haben (Art. 644, Abs. 2 ZGB). Der Zweck
der Verwahrung der Hauptsache kommt hier nicht in Frage, da das Grundstück
im Gegenteil zur Verwahrung der streitigen Gegenstände dient. Anderseits
ist unbestritten, dass die weitere Voraussetzung der Zugehör im Sinne des
Art. 644 Abs. 2 ZGB, die Widmung durch den klaren Willen des Eigentümers
der Hauptsache, vorliegt.

    Wörtlich genommen, fehlt offenbar die wirtschaftliche Zweckbeziehung
der als Pfand beanspruchten Gerätschaften und Materialien zum Grundstück
des Gemeinschuldners; denn sie dienen nicht zu dessen Bewirtschaftung,
sondern für ein Bauunternehmen und zwar für Bauarbeiten, die nicht auf
dem Grundstück des Gemeinschuldners vor sich gehen. Lediglich der Sitz
und das Bureau der Unternehmung befinden sich hier. Indem die Klägerin
Gewicht darauf legt, dass die streitigen Gegenstände dem Baubetrieb des
Gemeinschuldners dienten, nimmt sie den irrtümlichen Standpunkt ein, dass
Art. 644 ZGB sich auch auf die sog. Unternehmenszugehör beziehe. Diese ist
freilich dem schweizerischen Rechte nicht völlig fremd, wird aber von ihm
nur in gewissen Fällen auf Grund von Sondernormen anerkannt (vgl. Art. 676
Abs. 1 ZGB, Art. 9 f. BG über Verpfändung und Zwangsliquidationen von
Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1971).

    Wohl herrscht in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, der Begriff
der Zugehör im Sinne des Art. 644 ZGB solle nicht zu eng umschrieben
werden, da das Gesetz den Zweck verfolge, die in gewerblichen und
industriellen Betriebseinrichtungen festgelegten erheblichen Vermögenswerte
auf dem Wege der hypothekarischen Verpfändung ohne Gebrauchsentfremdung
der Kreditwirtschaft des Eigentümers nutzbar zu machen. Danach ist es
z.B. nicht erforderlich, dass die Hauptsache für sich allein, ohne die
Zugehör, überhaupt nicht verwendet werden könne oder dass die Zugehör
der Hauptsache als Ganzes und in allen ihren Benützungsarten diene (BGE
45 II S. 190; HAAB, Komm. z. ZGB Art. 644/5 N. 1,9). Aber unter allem
Umständen können doch nur solche Sachen als Zugehör gelten, die für
die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder
für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle
Tätigkeit nötig oder dienlich sind; denn nur unter dieser Voraussetzung
besteht eine Beziehung zur Eigenart der Hauptsache, die von Art. 645
ZGB gefordert wird, wie die Vorinstanz hervorgehoben hat (vgl. HAAB aaO
Art. 644/5 N. 9). Sachen, die bloss wechselseitig mit einem Grundstück
zusammen einem Gewerbebetrieb dienen, aber nicht zur Verwendung auf dem
Grundstück oder für dieses selbst bestimmt sind, sind nicht seine Zugehör
(LEEMANN, Komm. z. ZGB, 2. Aufl., Art. 644/5 N. 8). In den Fällen, wo
die Rechtsprechung für einen Gewerbebetrieb dienende Sachen als Zugehör zu
einer Liegenschaft im Sinne des Art. 644 ZGB betrachtet hat, handelte es
sich denn auch um solche Sachen, die gerade dazu bestimmt waren, die auf
der Liegenschaft selbst vor sich gehende Tätigkeit zu ermöglichen oder sie
zweckmässig durchzuführen oder zu ergänzen, so im Fall des Hotelmobiliars
(BGE 43 II S. 599 f.), der für eine Maschinenfabrik bestimmten Maschinen
(BGE 45 II S. 181 ff.), der zu einer chemischen Fabrik gehörigen
Kesseleisenbahnwagen (BGE 54 II S. 115 ff.), der für eine Weinhandlung
dienenden Keltereieinrichtungen (BGE 56 II S. 185 f.), der für ein Säge-
und Hobelwerk bestimmten Wagen (Urteil des sol. Obergerichts vom 26. Mai
1931, Zeitschr. f. Beurkundungs- und Grundbuchrecht 16 S. 215). In keinem
dieser Fälle hatte man es mit einer Liegenschaft zu tun, auf der lediglich
die Leitung des Unternehmens stattfand, die hiefür nötige Bureauarbeit
vor sich ging; sondern die Liegenschaft "verkörperte" in allen Fällen
den Unternehmensbetrieb, wie sich die Vorinstanz ausdrückt, und die als
Zugehör bezeichneten Sachen wurden mindestens zu bestimmten Zeiten auf
der Liegenschaft für den Betrieb benützt oder standen doch dort dafür
zur Verfügung.

Erwägung 5

    5.- Freilich würde eine weitergehende Umschreibung des Zugehörbegriffs,
wie sie die Klägerin vertritt, dem Kreditbedürfnis der Betriebsinhaber
dienen. Aber anderseits sind die Interessen der Kreditgeber oder Dritter
zu beachten. Grundsätzlich soll die Verpfändung von Fahrnis äusserlich
sichtbar werden durch den Entzug des Besitzes (Art. 884 ZGB). Die
gleiche Erkennbarkeit wird von Art. 644/5 in Verbindung mit Art. 805
ZGB für das Grundpfandrecht an der Zugehör insofern gefordert, als
der wirtschaftliche und räumliche Zusammenhang zwischen Hauptsache und
Zugehör äusserlich sichtbar sein muss. Wenn bewegliche Sachen, die einem
auf einer Liegenschaft betriebenen Gewerbe dienen, mit dem Grundstück
verpfändet werden sollen, muss deshalb die Dienstleistung sich gerade
auf diejenige gewerbliche Tätigkeit beziehen, die auf diesem Grundstück
selbst vor sich geht, von diesem "verkörpert" wird. Sonst würde ein
Einbruch in den Grundsatz der Sichtbarkeit der Verpfändung vorliegen,
und es wäre nicht leicht, praktisch untragbare Folgen durch Aufstellung
weiterer, einfacher und klarer Merkmale zu vermeiden. Die Klägerin macht
ja unter Berufung auf HAAB, Kommentar z. Sachenrecht, Einleitung N. 63,
und OFTINGER, Kommentar z. Sachenrecht, 2. Aufl., Art. 884 N. 198, selbst
geltend, das schweizerische Sachenrecht beruhe auf dem Publizitätsprinzip,
d.h. auf dem Streben nach äusserer Erkennbarkeit der dinglichen Rechte. Dem
entspricht es nicht, das Grundpfandrecht ausser an einer Liegenschaft auch
an der darauf befindlichen Fahrnis zuzulassen, wenn diese zwar der auf
der Liegenschaft betriebenen industriellen oder gewerblichen Unternehmung
dient, aber nicht speziell demjenigen Teil des Unternehmens, der auf
der Liegenschaft selbst vor sich geht. Wer einer Baufirma Kredit gibt,
die Eigentümerin einer Liegenschaft ist und dort ihr Bureau hat, soll
sich darauf verlassen dürfen, dass die auf der Liegenschaft befindlichen
Baugerätschaften, die für anderswo vor sich gehende Bauarbeiten verwendet
werden, nicht den Grundpfandgläubigern pfandrechtlich haften.

    Für die Annahme des Gegenteils beruft sich die Klägerin zu Unrecht
auf HAAB, aaO Art. 644/5 N. 8, 9, 11. Die hier in N. 10 und 11 angeführten
Beispiele von Zugehör zu einer Industrie- oder Gewerbeliegenschaft zeigen,
dass der Verfasser Sachen im Auge hat, die der auf der Liegenschaft
selbst durchgeführten Betriebstätigkeit dienen und dort verwendet
werden oder hiefür zur Verfügung stehen, wenn auch ihr ordentlicher
Standort sich ausserhalb der Liegenschaft selbst befinden kann. Bei dem
dabei zitierten Entscheid des deutschen Reichsgerichts (Reichsger. in
Zivils. 47 S. 197 ff.) handelt es sich um Gondeln, die der Eigentümer
eines für einen Wirtschaftsbetrieb hergerichteten Grundstücks auf einem
hinzugepachteten, benachbarten Teiche hielt, um Gäste in die Wirtschaft
zu ziehen und festzuhalten. Das Reichsgericht hebt darin hervor, dass
die Gondeln unzweifelhaft der Wirtschaft und damit dem wirtschaftlichen
Zwecke des Grundstücks dienten.

Erwägung 6

    6.- Im vorliegenden Falle steht nun fest, dass die Bauarbeiten,
für deren Durchführung die als Zugehör zu Pfand beanspruchten Sachen
verwendet wurden oder zur Verfügung standen, nicht auf dem Grundstück
des Gemeinschuldners ausgeführt wurden, die genannten Sachen also nicht
speziell dazu bestimmt waren, der auf diesem Grundstück vor sich gehenden
Betriebstätigkeit zu dienen, hiebei verwendet zu werden. Lediglich die
als Bestandteile anerkannten Gegenstände dienten zur Ausführung gewisser
Vorarbeiten auf dem Grundstück. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass
einzelne Baumaschinen des Gemeinschuldners wenigstens gelegentlich auch zu
Arbeiten an Ort und Stelle gebraucht worden seien. Die streitigen, zu Pfand
beanspruchten Baugeräte und -materialien befanden sich somit lediglich zur
Aufbewahrung zeitweise auf dem Grundstück des Gemeinschuldners. Deshalb
können sie, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nach Art. 645
ZGB nicht als seine Zugehör gelten, obwohl das Grundstück teilweise
auch dem Bauunternehmen diente. Der Vergleich, den die Klägerin mit den
im Keller über den Sommer aufbewahrten Vorfenstern zieht, geht fehl;
denn diese werden ja während des Winters im Hause selbst benutzt.
Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Gegenstände sich nur zur
Aufbewahrung auf dem Grundstück des Gemeinschuldners befunden hätten,
indem sie darauf verweist, dass dieser hier kein Lagergeschäft betrieben
habe. Dieser Einwand ist unverständlich. Es ist nicht einzusehen,
wieso ein Grundeigentümer nicht auch eigene Sachen auf seinem Grundstück
verwahren könnte, ohne sie hier für seine Lebensbedürfnisse oder für einen
Geschäftsbetrieb zu benutzen. Die Aufbewahrung im Sinne des Art. 645 ZGB
setzt keineswegs voraus, dass es sich um einen Hinterlegungsvertrag handle.

    Die Vorinstanz hat also mit Recht entschieden, dass die streitigen
Gegenstände nicht Zugehör des Grundstückes des Gemeinschuldners seien
und daher nicht vom Grundpfandrecht an dieser Liegenschaft erfasst würden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 1954 bestätigt.