Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 II 160



80 II 160

24. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Juli 1954
i.S. Bösiger gegen Sollberger. Regeste

    Landwirtschaftliches Bodenrecht; Art. 42 BMB.

    Grundsätzliches über die Widerruflichkeit der behördlichen Genehmigung
und Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes. Unzuständigkeit des
Zivilrichters zur selbständigen Überprüfung der ergangenen Entscheidung.

    Wirkung der Genehmigungsverweigerung auf den zivilrechtlichen Bestand
des Grundgeschäftes.

Sachverhalt

    Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 9. Mai 1951 kaufte Edwin
Sollberger von Rudolf Bösiger dessen landwirtschaftliches Heimwesen und
verschiedenes Inventar zum Preise von Fr. 90'000.--. Unter sich hatten
die Parteien einen Mehrpreis von Fr. 25'000.-- vereinbart, welche Summe
Sollberger unmittelbar vor der Beurkundung des Kaufes bei einem Dritten
hinterlegte. Bösiger behob sie einige Tage später und ersuchte um die
gemäss BRB vom 9. Januar 1940/7. November 1941 über Massnahmen gegen die
Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter (BMB)
erforderliche behördliche Genehmigung. Diese wurde vom Regierungsrat des
Kantons Luzern am 28. Juni 1951 verweigert, nachdem Bösiger selber die
Nebenabrede mitgeteilt hatte. Hiegegen reichte Sollberger im September
1951 ein Wiedererwägungsgesuch ein. Der Regierungsrat kam - in Ansehung
verschiedener neuer Tatsachen, als welche er u.a. die revidierte
Katasterschatzung und die Rückforderung der Nebenleistung wertete -
auf seinen früheren Beschluss zurück und erteilte durch Entscheid vom
21. März 1952 die Zustimmung zum Kaufvertrag.

    Da Bösiger, auf dessen staatsrechtliche Beschwerde das Bundesgericht
nicht eingetreten war, zur Vollziehung des Vertrages nicht Hand bot,
belangte ihn Sollberger mit dem Begehren um Zuspruch des Eigentums an
der Liegenschaft und Anordnung des Eintrages im Grundbuch. Die Gerichte
des Kantons Luzern, das Obergericht mit Urteil vom 10. März 1954, hiessen
die Klage gut. Auf Berufung des Beklagten hin bestätigt das Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Für den gegebenen Fall der Anwendbarkeit des BMB hält die
Berufung daran fest, dass der die Genehmigung hinterher gewährende
Wiedererwägungsbeschluss des Regierungsrates vom 21. März 1952 keine
Wirkung entfaltet habe, weil durch die anfängliche Verweigerung der
Genehmigung "der Vertrag definitiv dahingefallen sei".

    a) Zugegeben und übrigens unbestreitbar ist, dass die Genehmigung
oder Nichtgenehmigung eines Grundstückkaufes nach BMB rechtlich eine
Verwaltungsverfügung darstellt. Hiefür kann in einzelnen auf den nicht
veröffentlichten BGE vom 16. Juli 1948 i.S. Otth c. Michel und Bern
verwiesen werden. Die sich ergebenden Folgerungen hat die Vorinstanz
richtig gezogen. Verwaltungsverfügungen geniessen keine materielle
Rechtskraft. Sie können abgeändert oder aufgehoben werden, sofern
das öffentliche Interesse es erheischt und keine ausdrückliche
Gesetzesvorschrift oder Rücksichten auf die Rechtssicherheit
es verbieten. Weder der BMB noch, laut vorinstanzlicher Angabe,
das luzernische Kantonsrecht enthalten eine Bestimmung, die den
Regierungsrat daran gehindert hätte, auf die am 28. Juni 1951
ausgesprochene Nichtgenehmigung des Kaufvertrages zurückzukommen. Die
Berufungsbehauptung, Art. 5 Abs. 4 BMB lasse die Wiedererwägung nicht zu,
ist schon im genannten BGE vom 16. Juli 1948 widerlegt. Ob die frühere
Verfügung abzuändern war oder nicht, hing daher - um weiterhin jenem
Präjudiz zu folgen - von der Abwägung zweier sich gegenüberstehenden
Gesichtspunkte ab, nämlich "dem Postulat der richtigen Durchführung des
objektiven Rechts auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit
auf der anderen Seite". Diese Würdigung oblag ausschliesslich der nach
BMB zuständigen Verwaltungsbehörde. Sie hat am 21. März 1952 in der
bekannten Weise entschieden. Der Zivilrichter muss sich daran halten. Eine
selbständige Prüfung, sei es in formeller oder in materieller Hinsicht, ist
ihm verwehrt (vgl. BGE 75 II 367/8). Somit kann er auch nicht untersuchen,
ob die seinerzeitige Genehmigungsverweigerung subjektive Rechte zugunsten
des Beklagten begründet habe und deswegen unabänderlich gewesen sei, wie
die Berufung anhand der Lehrmeinung FLEINERS (Institutionen des Deutschen
Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 201) geltend macht.

    b) Dagegen ist die andere Frage, ob nach vorangegangener
Nichtgenehmigung des Kaufvertrages dieser anlässlich des
regierungsrätlichen Wiedererwägungsbeschlusses überhaupt noch bestanden
habe, zivilrechtlicher Natur und darum vom Zivilrichter zu beantworten. Die
Berufung befürwortet Verneinung. Sie hält sich dabei an KAUFMANN,
Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz S. 170, der die behördliche
Vertragsgenehmigung als rechtsgestaltende Verwaltungsverfügung kennzeichnet
und anschliessend ausführt:

    "Mit der Genehmigung wird ein privates, subjektives Recht auf
Übertragung des Eigentums begründet; deshalb ist die Genehmigung
grundsätzlich unwiderruflich. Mit der Verweigerung der Genehmigung
fällt der Vertrag definitiv dahin. Auf eine Wiedererwägung ist deshalb
nur einzutreten, wenn beide Parteien an dem erstmals nicht genehmigten
Vertrag festhalten."

    Seine Anschauung stützt KAUFMANN auf die oben zitierte Stelle bei
FLEINER, auf zwei Entscheidungen des Berner Regierungsrates aus dem Jahre
1943 und auf reichsgerichtliche Urteile.

    Indessen ist die schweizerische Praxis andere Wege gegangen. So
schützte der Regierungsrat des Kantons Bern am 13. Februar 1948 ein
Wiedererwägungsgesuch, mit dem die Aufhebung einer fünf Jahre zuvor
erteilten Handänderungs-Genehmigung begehrt wurde, und das Bundesgericht
wies die hiegegen gerichtete Willkürbeschwerde durch das mehrfach
erwähnte Urteil vom 16. Juli 1948 ab. Anderseits hat schon RGZ S. 142
ff. die Widerruflichkeit wenigstens der Genehmigung zu einer noch
nicht vollzogenen Auflassung bejaht. Was derart für die Genehmigung
zugestanden ist, die doch einen Anspruch auf Eigentumsübertragung verleiht
und damit auf Umgestaltung der Rechtsverhältnisse zielt, muss an sich
umso mehr für die Nichtgenehmigung Geltung haben, welche lediglich die
bisherige Lage bestätigt. Abweichend verhielte es sich allerdings, wenn
wirklich die einmal erklärte Verweigerung zugleich das Grundgeschäft
beseitigen würde. Dann aber könnte, angesichts seiner Formbedürftigkeit,
ein gemeinsames sowenig wie ein einseitiges Gesuch zur Wiedererwägung
verhelfen, sondern es wäre dafür eine nochmalige öffentlich beurkundete
Übereinkunft notwendig. Indem KAUFMANN den blossen Festhaltewillen
der Parteien als zulängliche Bedingung einer Wiedererwägung erachtet,
widerspricht er seiner Auffassung, dass mit der Verweigerung der
Genehmigung der Vertrag definitiv dahinfalle. Letztere hält in der Tat
nicht stand. Wenn Art. 42 Abs. 1 BMB anordnet, dass ein der Genehmigung
unterliegendes Rechtsgeschäft ohne sie nichtig sei, so heisst das nicht,
jegliche Genehmigungsverweigerung zeitige zwangsläufig und sofort solche
Wirkung. Als Verwaltungsverfügung ergeht die Nichtgenehmigung, ihrem Wesen
gemäss und in den erörterten Grenzen, zunächst unter dem Vorbehalt einer
künftigen Änderung oder Aufhebung. Er endet, wo nicht zeitliche Befristung
eingreift, sobald sich die Beteiligten mit der getroffenen Entscheidung
abfinden oder Umstände hinzutreten, welche nach verwaltungsrechtlichen
Grundsätzen ein Zurückkommen darauf verunmöglichen. Entsprechend verlängert
sich der die Parteien zivilrechtlich bedingt bindende Schwebezustand, dem
der BMB den genehmigungspflichtigen Vertrag in der Periode vom Abschluss
bis zur behördlichen Verfügung ohnehin unterwirft. Daraus erwächst für
den Verkehr keine unerträgliche Ungewissheit. Sofern die Verweigerung
nicht erkennbar hingenommen oder abgelehnt wird, hat jede Partei es in
der Hand, die andere durch geeignete Mittel zur Stellungnahme zu drängen.

    Ehe also die Nichtgenehmigung im dargelegten Sinne endgültig
geworden ist, fällt der Kaufvertrag nicht endgültig weg. Vorliegend
hat nun der Kläger auf den ersten Entscheid des Regierungsrates hin
staatsrechtliche Beschwerde erhoben und ein Wiedererwägungsgesuch
unterbreitet. In Anbetracht dessen blieb der Vertrag bedingt wirksam und
war einem neuen Verwaltungsakte zugänglich. Daher lässt sich nicht sagen,
der Beklagte habe "die volle Verfügungsfreiheit über sein Grundstück"
zurückerlangt. Ob er Einblick in die rechtlichen Zusammenhänge hatte oder
nicht, ist unerheblich. Zumindest wusste er um die vom Kläger eingeleiteten
Schritte und durfte in guten Treuen nicht annehmen, die Sache sei durch
Verweigerung erledigt. Vergleiche mit der vormundschaftlichen Genehmigung
gemäss Art. 410 ZGB sind schon deswegen untauglich, weil es sich dort um
eine privatrechtliche Ordnung handelt, während das Genehmigungsverfahren
nach BMB in den Bereich des öffentlichen Rechts gehört.