Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 III 79



80 III 79

15. Entscheid vom 24. August 1954 i.S. Planzer. Regeste

    Konkurs. vorzeitige Grundstücksverwertung (Art. 243 Abs.  2 SchKG,
Art. 128 VZG). Voraussetzungen. Berücksichtigung der Werteinbusse,
die daraus entstünde, dass der Betrieb des Gemeinschuldners vor der
Verwertung eingestellt werden müsste, wenn damit bis nach Abschluss des
Kollokationsverfahrens zugewartet würde.

Sachverhalt

    In dem am 15. Juni 1954 eröffneten Konkurs über Josef Planzer, Fenster-
und Türenfabrik, Erstfeld, bewilligte die kantonale Aufsichtsbehörde am 30.
Juli 1954 auf Gesuch des Konkursamtes Uri in Anwendung von Art. 243 Abs. 2
SchKG und Art. 128 Abs. 2 VZG die vorzeitige Verwertung der "Grundpfänder",
d.h. der Liegenschaft des Gemeinschuldners, auf der ein Mehrfamilienhaus
und ein Werkstattgebäude stehen. Gegen diesen Entscheid richtet sich der
vorliegende Rekurs des Gemeinschuldners.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Ohne Aufschub werden im Konkurs nach Art. 243 Abs. 2 SchKG
Sachen verwertet, die einer schnellen Wertverminderung ausgesetzt
sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern. In Einschränkung
dieser Vorschrift bestimmt Art. 128 Abs. 1 VZG, dass Grundstücke, an
denen Pfandrechte oder andere dingliche Rechte geltend gemacht werden,
selbst im Falle der Dringlichkeit erst verwertet werden dürfen, nachdem
das Kollokationsverfahren über diese Rechte durchgeführt und allfällige
Kollokationsprozesse erledigt sind. Ausnahmsweise, d.h. wenn ganz besondere
Umstände die Verwertung als unaufschiebbar erscheinen lassen, können jedoch
nach Art. 128 Abs. 2 VZG die Aufsichtsbehörden die Verwertung schon vorher
bewilligen, sofern keine berechtigten Interessen verletzt werden. Ob
diese Voraussetzungen erfüllt seien, ist eine Frage, deren Beantwortung
weitgehend ins Ermessen der kantonalen Aufsichtsbehörden gestellt ist
(vgl. zu alledem BGE 72 III 29 ff., 75 II 102 ff., 78 III 79 ff.).

    Im vorliegenden Falle ist die Verwertung der Liegenschaft
des Gemeinschuldners nicht aus dem Grunde besonders dringlich
("überdringlich"), weil dieser Liegenschaft im Falle des Aufschubs
der Verwertung bis nach Abschluss des Kollokationsverfahrens schwerer
körperlicher Schaden drohen würde oder weil für ihren Unterhalt sehr
kostspielige, der Masse nicht zuzumutende Aufwendungen nötig wären. Die
Vorinstanz hat jedoch festgestellt, dass einerseits die Weiterführung des
Betriebs des Gemeinschuldners bis nach Abschluss des Kollokationsverfahrens
für die Masse finanziell nicht tragbar sei, anderseits aber die Einstellung
des Betriebs "eine ausserordentliche Wertverminderung darstellen
würde." Diese Annahmen sind im wesentlichen tatsächlicher Natur. Für das
Bundesgericht ist daher verbindlich festgestellt, dass der Liegenschaft
des Gemeinschuldners aus den von der Vorinstanz angegebenen Gründen eine
starke Werteinbusse droht, die nur durch rasche Verwertung abgewendet
werden kann. Bei diesem Sachverhalt konnte die Vorinstanz wie bei Gefahr
schweren körperlichen Schadens ohne Bundesrechtsverletzung annehmen, dass
die Verwertung nicht bloss dringlich, sondern im Sinne von Art. 128 Abs.
2 VZG "überdringlich" sei.

    Eine Verletzung berechtigter Interessen macht der Rekurrent mit
der Begründung geltend, der Widerruf des Konkurses auf Grund eines
aussergerichtlichen Nachlassvertrags sei höchst wahrscheinlich, da
bereits die Zustimmung von 75% der Gläubiger, darunter der grössten,
vorliege. Dieser neuen und durch die Akten nicht belegten Behauptung
steht jedoch die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz gegenüber, es
bestehe nur eine "sehr vage Möglichkeit" des Konkurswiderrufs; noch an
der 1. Gläubigerversammlung sei von einem Nachlassvertrag mit keinem Wort
die Rede gewesen. Ausserdem weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin,
dass dem Gemeinschuldner auch bei Bewilligung der vorzeitigen Verwertung
noch ein Monat Zeit bleibt, um die Zustimmungserklärungen aller Gläubiger
einzuholen und vorzulegen. Unter diesen Umständen verstösst es nicht
gegen Bundesrecht, dass sie den Einwand des Gemeinschuldners, durch die
vorzeitige Verwertung würden berechtigte Interessen im Sinne von Art. 128
Abs. 2 VZG verletzt, als unbegründet zurückwies. Sie hielt sich dabei
vielmehr im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens.

Entscheid:

        Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.