Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 III 149



80 III 149

34. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1954
i. S. Französischer Staat gegen Legerlotz. Regeste

    1.  Zuständigkeitsfragen des eidgenössischen Rechts (Erw. 1 und
2). Voraussetzungen der Berufung an das Bundesgericht gegen einen die
Zuständigkeit bejahenden Vorentscheid eines untern Gerichtes:

    a) nach Art. 49 OG;

    b) nach Art. 48 Abs. 3 OG.

    Wann ist Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 Abs. 1 lit. b OG zulässig?

    2.  Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869 zwischen der Schweiz und
Frankreich (Erw. 3 und 4).

    Tragweite des Art. 11 für die Anwendung von Art. 1.

    Weder die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 noch (entgegen BGE 79 III
39 ff.) die Verordnung des Bundesgerichts vom 29. Juni 1936 haben die
Garantie des Wohnsitzrichters über Art. 1 des Staatsvertrages hinaus
erweitert. Für die nicht von dieser Vorschrift betroffenen Fälle gilt
Art. 278 SchKG und damit auch der Gerichtsstand des Arrestortes nach
kantonalem oder eidgenössischem Recht.

    3.  Räumliche Begrenzung der Ausübung staatlicher Hoheit (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Der in New York wohnende Deutsche oder Staatenlose Legerlotz
fordert vom französischen Staat Fr. 23'472.75 Kapital- und Zinszahlungen
als Gläubiger zweier Staatsanleihen, sowie Schadenersatz wegen Verweigerung
der Auszahlung von Zins- und Amortisationsbeträgen einer Anleihe der
Stadt Paris. Er liess für die erwähnte Gesamtforderung im Januar 1951
"Guthaben und Forderungen" des französischen Staates bei drei Banken in
Zürich arrestieren und leitete dort Betreibung ein. Auf den Rechtsvorschlag
des Schuldners folgte eine Klage beim Bezirksgericht Zürich auf Zusprechung
der in Betreibung gesetzten Forderung.

    B.- Der Schuldner erhob in erster Linie die Einrede
   der Unzuständigkeit,
a) weil er als Staat keiner fremden Gerichtsbarkeit unterstehe,
   b) weil eine Forderungsklage gegen einen in Frankreich
domizilierten Franzosen nach Art. 1 der bundesgerichtlichen Verordnung vom
29. Juni 1936 zur Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 zum Gerichtsstandsvertrag
zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 nur in Frankreich
erhoben werden dürfe.

    C.- Ferner stellte der Schuldner beim Betreibungsamte das Gesuch um
Aufhebung des Arrestes, da die Klage nicht am zuständigen Ort angehoben
und der Arrest daher hinfällig geworden sei. Sowohl das Amt wie auch
die auf dem Beschwerde- und Rekursweg nach Art. 17 ff. SchKG angerufenen
Aufsichtsbehörden wiesen dieses Begehren ab. Die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichtes erklärte in ihrem Entscheid vom 18.
September 1951, es sei Sache der mit der Forderungsklage befassten
Gerichte, nicht der Betreibungsbehörden, darüber zu entscheiden, ob die
Klage zuständigen Ortes angebracht und der Arrest damit in rechtswirksamer
Weise prosequiert worden sei (BGE 77 III 140).

    D.- Auf Begehren beider Parteien traf das Bezirksgericht am 12. März
1952 einen rekursfähigen Vorentscheid über die Zuständigkeitsfrage. Danach
trat es im Teilbetrag von Fr. 21, 912.75 auf die Klage ein, wies diese
dagegen für den Restbetrag von Fr. 1560.-- (Schadenersatzanspruch)
von der Hand. Keine Partei legte gegen den Vorentscheid Rekurs ein. Bei
der einlässlichen Beantwortung der nun auf Fr. 21'912.75 beschränkten
Klage bemerkte der beklagte Staat indessen, er behalte sich vor, die
Unzuständigkeit der zürcherischen Gerichte im Berufungsverfahren neuerdings
geltend zu machen.

    E.- Gegen das Urteil des Bezirksgerichts vom 29. April 1953,
das dem Kläger einen Betrag von Fr. 14'431.20 zuzüglich Arrest- und
Betreibungskosten zusprach und die Mehrforderung abwies, legten beide
Parteien Berufung an das Obergericht ein. Der Kläger beharrte auf der
ganzen Forderung von Fr. 21'912.75, der beklagte Staat auf der
   gänzlichen Abweisung der
Klage. Vorweg hielt er an der Unzuständigkeitseinrede mit Einschluss des
Exemptionsprivilegs der Staaten fest. Das Obergericht trat jedoch auf
die Zuständigkeitsfrage nicht ein, da der darüber ergangene Vorentscheid
des Bezirksgerichtes vom 12. März 1952 rechtskräftig geworden sei. Im
übrigen hiess es mit seinem Urteil vom 17. November 1953 die Berufung
des Klägers grösstenteils gut und erhöhte die ihm zustehende Forderung
auf Fr. 21'190.--.

    F.- Mit vorliegender Berufung verlangt der beklagte Staat die
Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und, soweit nötig, auch des
Vorentscheides des Bezirksgerichtes vom 12. März 1952, und die Verneinung
der Zuständigkeit der zürcherischen unter Verweisung des Klägers an
die französischen Gerichte; eventuell die Rückweisung der Sache an das
Obergericht zu neuer Beurteilung.

    Für den Fall, dass die Berufung als unzulässig befunden würde, will
der beklagte Staat seine Rechtsschrift als Nichtigkeitsbeschwerde im
Sinne von Art. 68 ff. OG betrachtet wissen.

    G.- Er erhob ferner kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die das
Kassationsgericht des Kantons Zürich jedoch am 3. Mai 1954 abwies, soweit
es darauf eintreten konnte.

    H.- Der Kläger trägt auf uneinlässliche Ablehnung, eventuell auf
einlässliche Abweisung der Berufung und der Nichtigkeitsbeschwerde an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In der mit der Berufung in erster Linie geltend gemachten
Zuständigkeitsfrage ist kein obergerichtliches Urteil ergangen. Da der
Vorentscheid des Bezirksgerichts nicht weitergezogen worden war, ist er
nach der vom Kassationsgericht bestätigten Entscheidung des Obergerichts
rechtskräftig geworden, mit der Folge, dass die Zuständigkeitsfrage dann
auch nicht mehr zusammen mit der Hauptsache dem Obergericht unterbreitet
werden konnte. Diese
   auf
folgenden § 17 Abs. 2 der zürcherischen Zivilprozessordnung:

    "Wird die Einrede der Unzuständigkeit vom Gerichte verworfen und
der Entscheid nicht an die zweite Instanz weitergezogen, so gilt die
Zuständigkeit des Gerichts als anerkannt."

    gestützte Entscheidung ist für das Bundesgericht verbindlich. Denn die
Anwendung kantonalen Rechtes ist im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen
(Art. 43 Abs. 1 OG), ebensowenig bei Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 OG).

Erwägung 2

    2.- Konnte aber das Obergericht sich mit der Zuständigkeitsfrage
nicht mehr befassen, so kann auch nicht etwa der darüber ergangene
Vorentscheid der untern Instanz mit Berufung (oder, in einer nicht der
Berufung unterliegenden Zivilsache, mit Nichtigkeitsbeschwerde) beim
Bundesgericht angefochten werden.

    a) Eine gesonderte Berufung im Sinne von Art. 49 OG kommt schon
wegen Fristablaufs gegenüber dem Vorentscheid vom 12. März 1952 nicht
mehr in Frage. Im übrigen ging jener Vorentscheid nicht von einer
letztinstanzlichen kantonalen Behörde gemäss Art. 48 Abs. 1 oder 2
OG aus. Es handelt sich um ein unteres Gericht, das einfach in erster
Instanz geurteilt hatte. Somit liegt keiner der Fälle von Art. 48 Abs. 2 OG
vor. Selbst wenn dagegen kein Rekurs an das Obergericht zulässig gewesen
wäre, müsste der Weg der Berufung zur Weiterziehung an das Bundesgericht
versagt werden (BGE 71 II 184, 77 II 281; Urteil der I. Zivilabteilung
vom 29. August 1952 i.S. Achermann gegen Gabriell; GIOVANOLI, Probleme
der Berufung, ZbJV 90 S. 56 ff.).

    b) Aber auch zusammen mit dem Endentscheid des Obergerichts vom
17. November 1953 kann der Vorentscheid des Bezirksgerichts vom 12. März
1952 nicht Gegenstand der Berufung sein. Gewiss spricht Art. 48 Abs. 3 OG
von den dem Endentscheide vorausgegangenen Entscheiden, ohne ausdrücklich
zu bestimmen, auch diese müssten in letzter kantonaler Instanz gefällt
worden sein. Hinsichtlich des entsprechenden Art. 58 Abs. 2 des alten

OG
   war umstritten, ob dem
Haupturteil der obern Instanz vorausgegangene Entscheidungen einer untern
Instanz zusammen mit jenem an das Bundesgericht weitergezogen werden
könnten. In der Botschaft des Bundesrates vom 5. April 1892 war bemerkt
worden: "In Betracht kommen ausser den in der Appellationsinstanz selbst
erlassenen Entscheiden nur diejenigen erstinstanzlichen Entscheidungen,
an welche das kantonale Appellationsgericht gebunden ist" (Bundesblatt 1892
II 337). Die Frage wurde indessen von der Rechtsprechung dahin abgeklärt,
dass Vor- und Teilentscheide einer untern Instanz, die an die letzte
kantonale Instanz hätten weitergezogen werden können, ausser Betracht
fallen (BGE 25 II 938). Daran ist (entgegen WEISS, Berufung, S. 49
ff.) auch für die Anwendung des geltenden Art. 48 Abs. 3 OG festzuhalten.

    Dies um so mehr, als Art. 48 Abs. 3 OG durch Art. 55 lit. b und c
OG ergänzt wird. Danach sind neue Anträge und ebenso neue Einreden in
der bundesgerichtlichen Instanz ausgeschlossen. Als neu haben aber auch
solche Anträge und Einreden zu gelten, die in der letzten kantonalen
Instanz nicht in prozessual wirksamer Weise geltend gemacht wurden
(vgl. BGE 58 II 438, BIRCHMEIER S. 201).

    c) Geht man von einer nicht der Berufung unterliegenden Zivilsache
aus, so käme eine Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG ebenfalls nur
gegen eine Entscheidung der letzten kantonalen Instanz in Frage. Da
der beklagte Staat die ihm offenstehende Weiterziehung des bezirks
gerichtlichen Vorentscheides an das Obergericht unterliess, hat er die
kantonalen Instanzen in der Zuständigkeitsfrage nicht erschöpft, womit
auch die Voraussetzung für eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht erfüllt ist.

Erwägung 3

    3.- Nun beruft er sich aber noch auf staatsvertragliche Bestimmungen,
die dem schweizerischen (kantonalen und eidgenössischen) Prozessrechte
vorgingen. Seine Unzuständigkeitseinrede stütze sich nämlich auf Art. 1
des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869
nebst Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 und

    Ausführungsverordnung vom 29. Juni 1936. Nach Art.
11 des Gerichtsstandsvertrages seien nun die staatsvertraglichen
Zuständigkeitsnormen von Amtes wegen zu beachten. Das habe somit in jeder
Instanz zu geschehen, gleichgültig ob und wie sich bereits eine untere
Instanz mit der Frage befasst habe.

    Mit diesen Ausführungen rügt der beklagte Staat die Verletzung
eines vom Bund abgeschlossenen Staatsvertrages, was als Verletzung
von Bundesrecht zu gelten hat (Art. 43 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1
lit. b OG). Auf diese Rüge ist daher einzutreten, und zwar erscheint
als das richtige Rechtsmittel die Berufung. Wohl hat das Obergericht
die Streitsache nach französischem Rechte beurteilt, es hat jedoch die
Anwendung französischer kriegsrechtlicher Erlasse abgelehnt, und gerade
dagegen wendet sich der Berufungskläger, indem er geltend macht, das
Obergericht habe jene Erlasse zu Unrecht als der öffentlichen Ordnung der
Schweiz zuwiderlaufend erachtet. Darin liegt die Rüge einer unrichtigen
Anwendung schweizerischen und zwar eidgenössischen Rechtes.

Erwägung 4

    4.- Art. 11 des Gerichtsstandsvertrages von 1869 bestimmt:

    "Wird bei einem schweizerischen oder bei einem französischen Gerichte
eine Klage anhängig gemacht, die nach Inhalt der vorhergehenden Artikel
nicht in seine Kompetenz fällt, so soll es von Amtes wegen, selbst
in Abwesenheit des Beklagten, die Parteien an den kompetenten Richter
verweisen."

    Die Lehrmeinungen über die Tragweite dieser (durch das erläuternde
Protokoll ergänzten) Vorschrift sind geteilt. Überwiegend wird ihr
indessen mit Recht nicht entnommen, es seien alle vorausgehenden
Zuständigkeitsnormen des Staatsvertrages als zwingend zu
betrachten. Vielmehr ist zwischen solchen, die um der öffentlichen
Ordnung willen aufgestellt und daher zwingend sind, und solchen, die
nur das Interesse einer Partei wahren wollen, zu unterscheiden. Zu den
letztern gehört Art. 1, was aus der Zulässigkeit einer Prorogation nach
Art. 3 zu folgern ist (vgl.

    BROCHER, Commentaire du Traité franco-suisse p. 93 ff.; AUJAY,
Etudes sur le Traité franco-suisse N. 361; PILLET, Les conventions
internationales relatives à la compétence judiciaire p. 223 ff.; ESCHER,
Neuere Probleme aus der Rechtsprechung zum französisch-schweizerischen
Gerichtsstandsvertrag S. 140 ff.). Unter Vorbehalt einer gültigen
Prorogation oder Einlassung (BGE 49 I 204 mit Zitaten) ist aber die
Ausschliesslichkeit des in Art. 1 des Staatsvertrages vorgesehenen
Gerichtsstandes von Amtes wegen zu beachten (vgl. das erläuternde Protokoll
und die vom Bundesrat wie auch vom französischen Justizministerium zu
Art. 11 des Staatsvertrages erlassenen Kreisschreiben: Bundesblatt 1869
III 133, 1873 II 666 und 671 deutsch, 1869 III 129, 1873 II 625 und 629
französisch). Im vorliegenden Falle steht nicht ausser Zweifel, ob sich der
beklagte Staat rechtsverbindlich auf die Sache eingelassen hat. Er hatte
die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte bestritten und reichte die
materielle Klagebeantwortung unter ausdrücklichem Vorbehalt hinsichtlich
der Zuständigkeit ein. Dass unter solchen Umständen die Unterlassung, den
die Zuständigkeit bejahenden Vorentscheid weiterzuziehen, als Einlassung
gedeutet werden könne, wurde in BGE 23 S. 1578 verneint. Sollte an dieser
Auslegung des Staatsvertrags festzuhalten sein, so könnte ihr eine vom
kantonalen Prozessgesetz aufgestellte Fiktion, wie sie § 17 Abs. 2 der
zürcherischen ZPO enthält, nicht wohl entgegenstehen. Zu dieser Frage nimmt
BGE 41 I 526 nicht Stellung. Sie kann auch hier offen bleiben. Denn der
beklagte Staat vermag gar keine Zuständigkeitsnorm anzurufen, die unter
dem Schutz des Art. 11 des Gerichtsstandsvertrages von 1869 stünde.

    a) Art. 1 dieses Staatsvertrages gilt nach seinem eindeutigen
Wortlaute nur für Streitigkeiten zwischen Schweizern und Franzosen. Es
müssen sich also als Parteien Schweizer auf Kläger- und Franzosen auf
Beklagtenseite oder umgekehrt Franzosen als Kläger und Schweizer als
Beklagte gegenüberstehen. Dieser Gerichtsstandsschutz wird demnach einem
Schweizer oder Franzosen weder zuteil, wenn er von einem Landsmanne
belangt wird, noch wenn der Kläger einem dritten Staat angehört oder
staatenlos ist. Diese aus der erwähnten Vorschrift einwandfrei sich
ergebende Ordnung ist auch in der Gerichtspraxis anerkannt (BGE 4 S. 261,
40 I 485/6, 56 I 185, 61 I 261, 63 I 242).

    Im vorliegenden Fall ist der beklagte Staat freilich als Franzose im
Sinne jenes Art. 1 zu betrachten. Denn dieser Vorschrift unterstehen auch
juristische Personen (BGE 41 I 209, 48 I 90), und es besteht kein Grund,
die Vertragsstaaten in privatrechtlichen Streitigkeiten davon auszunehmen,
sowenig wie bei Anwendung von Art. 17 der Internationalen Übereinkunft
betreffend Zivilprozessrecht (wozu BGE 77 I 48 ff.).

    Der Schutz des Art. 1 des Staatsvertrages käme jedoch dem Beklagten,
wie dargetan, nur gegenüber der Klage eines Schweizers zu, also nicht
gegenüber der vorliegenden Klage eines Deutschen oder Staatenlosen.

    b) Die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 hat die Zuständigkeitsnormen
des Gerichtsstandsvertrages von 1869 nicht erweitert, sondern in zwei
Punkten gemildert. Nach ihrem Art. 1 können Entschädigungsklagen aus
Strassenverkehrsunfällen nach Wahl des Klägers am Wohnorte des Beklagten
(gemäss den bisherigen Vorschriften des Art. 1 des Staatsvertrages) oder
am Unfallorte angebracht werden (was im vorliegenden Falle keine Rolle
spielt). Und nach Art. 2 der Zusatzakte fallen vorläufige und sichernde
Massnahmen nicht unter den staatsvertraglichen Gerichtsstandsschutz;
sie können ohne Rücksicht auf die für die Entscheidung in der Sache
selbst geltenden staatsvertraglichen Zuständigkeitsnormen nach der innern
Gesetzgebung jedes der beiden Staaten getroffen werden (was früher streitig
war; vgl. KOUTAISSOFF, Des mesures provisionnelles et du séquestre dans
les relations franco-suisses, Schweizerische Juristenzeitung 34 S. 56
ff.). Doch darf an solche Massnahmen keine dem Gerichtsstandsvertrag
widersprechende Zuständigkeit für den Hauptprozess geknüpft werden. Soweit
die innere Gesetzgebung des Staates, in dem eine solche Massnahme getroffen
wird, derartige Folgen vorsieht, dürfen sie im Anwendungsbereich des
Gerichtsstandsvertrages nicht eintreten. Dieser Anwendungsbereich soll
also (mit Vorbehalt der vorläufigen und sichernden Massnahmen als solcher)
gewahrt bleiben. Dagegen ist er nicht erweitert und insbesondere Art. 1
des Staatsvertrages nicht auf andere Streitigkeiten als solche zwischen
Schweizern und Franzosen ausgedehnt worden. Diese Rechtslage findet
sich bereits in der bundesrätlichen Botschaft zur Zusatzakte dargelegt
(Bundesblatt 1936 I 693 ff. deutsch, 709 ff. französisch; ebenso BGE
76 I 36/7). In dieser Hinsicht ist belanglos, ob man den Vorbehalt der
vorläufigen und sichernden Massnahmen als Art. IIbis (wie es in der
Schweiz geschieht) oder als Art. 11bis (so laut der Veröffentlichung im
Journal officiel de la République française vom 26. Juni 1936) in den
Gerichtsstandsvertrag einreiht.

    c) Gemäss dem die Zusatzakte genehmigenden Bundesbeschluss
vom 25. April 1936, Art. 2 Abs. 1, hatte das Bundesgericht "die zur
Ausführung von Art. 2 der Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 erforderlichen,
von den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs
abweichenden Vorschriften" zu erlassen. Es handelte sich insbesondere
darum, für Forderungen eines Schweizers gegen einen in Frankreich wohnenden
Franzosen eine von Art. 278 SchKG abweichende, der dem Schuldner nach dem
Gerichtsstandsvertrag zukommenden Gerichtsstandsgarantie Rechnung tragende
Art der Prosequierung eines Arrestes vorzusehen. Denn in einem solchen
Streitfall ist sowohl der nach den meisten kantonalen Prozessordnungen
gegebene Gerichtsstand des Arrestortes für die Forderungsklage des
Gläubigers wie auch der bei provisorischer Rechtsöffnung vom Bundesrecht
vorgesehene Gerichtsstand des (Arrest-)Betreibungsortes für die
Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG)
   unstatthaft. Nur die
Arrestlegung selbst, als sichernde Massnahme, kann nach der Zusatzakte ohne
Rücksicht auf den für die gerichtliche Entscheidung über die Forderung
geltenden staatsvertraglichen Gerichtsstand erfolgen. Demgemäss sieht
die Verordnung des Bundesgerichtes vom 29. Juni 1936 in Art. 1 vor, dass,
wenn sich der Gerichtsstand nach dem Staatsvertrage in Frankreich befindet,
ein in der Schweiz gelegter Arrest eben durch Klage in Frankreich (binnen
einer auf 30 Tage nach Zustellung der Arresturkunde bemessenen Frist)
zu prosequieren ist. Die Umschreibung des näher zu ordnenden Tatbestandes
in Art. 1 der Verordnung:

    "Ist ein Arrest gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen für
eine Forderung bewilligt und vollzogen worden, wegen der die Klage bei
dem natürlichen Richter des Beklagten in Frankreich anhängig zu machen
ist ...."

    stellt keineswegs eine über Art. 1 des Staatsvertrages hinausgehende
Zuständigkeitsnorm auf, sondern bezieht sich auf die in der Präambel
erwähnte Zusatzakte zum Gerichtsstandsvertrag und damit auch auf diesen
selbst. Es handelt sich eben um die Forderungen, wegen deren die Klage
nach den Vorschriften des Gerichtsstandsvertrages bei dem natürlichen
Richter des Beklagten in Frankreich anzuheben ist. Andere dahingehende
Normen standen gar nicht in Betracht, und es konnte nicht Sache der
Verordnung sein, über den Staatsvertrag hinaus solche Normen aufzustellen,
womit in die innere schweizerische (kantonale und eidgenössische)
Zuständigkeitsordnung eingegriffen würde. Eine Befugnis hiezu liesse
sich weder aus Art. 15 Abs. 2 SchKG herleiten (denn es stünde nicht die
Vollziehung, sondern eine Änderung des Gesetzes in Frage), noch enthält
der erwähnte Bundesbeschluss vom 25. April 1936 eine dahingehende
Delegation. In BGE 74 III 13 ff. wird denn auch bloss die Art der
Prosequierung verdeutlicht, und BGE 77 III 140 ff. weist die Befugnis
zur Entscheidung darüber, ob nach Art. 278 SchKG habe vorgegangen werden
dürfen oder nach dem Staatsvertrag in

    Verbindung mit der in Frage stehenden Verordnung hätte vorgegangen
werden sollen, den Gerichten zu. Eine andere Tragweite wird dann allerdings
dem Bundesbeschluss vom 25. April 1936 und der darauf beruhenden
bundesgerichtlichen Verordnung in der Begründung eines Sonderfalles
beigemessen, der einen möglicherweise unter Art. 5 des Staatsvertrages
fallenden Streit zwischen Franzosen betraf (BGE 79 III 39 ff.). Doch
kann trotz einer zustimmenden Literaturmeinung (GUY FLATTET im Journal
des Tribunaux 1953, Poursuite pour dettes, p. 67 ff.) an den betreffenden
Ausführungen auch nach einmütiger Ansicht der am heutigen Urteil vollzählig
mitwirkenden Mitglieder der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer nicht
festgehalten werden. Der Bundesbeschluss vom 25. April 1936 und die auf ihm
beruhende Ausführungsverordnung vom 29. Juni 1936 enthalten keine über den
Gerichtsstandsvertrag hinausgehende Garantie des Wohnsitzgerichtsstandes.
Übrigens könnte für eine ausserhalb des Staatsvertrages stehende
Zuständigkeitsnorm des Bundes- oder des kantonalen Rechts der besondere
Schutz des Art. 11 des Staatsvertrages nicht angerufen werden.

Erwägung 5

    5.- In der Sache selbst wendet das Obergericht ausschliesslich
französisches Recht an, was der Berufungskläger durchaus gelten
lässt. Insoweit kann das angefochtene Urteil vom Bundesgerichte nicht
überprüft werden (Art. 43 OG). Indessen wendet sich der Berufungskläger
dagegen, dass das Obergericht ausschliesslich nach den Grundsätzen
des Privatrechts geurteilt und die "politischen und kriegsrechtlichen
Einwände" des Beklagten nicht berücksichtigt hat (Erw. 8). Er sieht
darin eine ungerechtfertigte Berufung auf die öffentliche Ordnung der
Schweiz; nach seiner Ansicht widersprechen die von ihm angerufenen
öffentlichrechtlichen Bestimmungen Frankreichs nicht der öffentlichen
Ordnung der Schweiz und sind daher auch vom schweizerischen Richter zu
beachten, wie in BGE 68 II 283 ff. ausgesprochen worden sei. Allein das
angefochtene Urteil stützt sich gar nicht auf die öffentliche Ordnung. Es
hat offenbar die völkerrechtliche Abgrenzung der staatlichen Hoheitsrechte
gemäss den Grenzen des Gebiets jedes Staates im Auge, was denn auch nicht
zu beanstanden ist (BGE 40 I 486/7, 79 II 198/9).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen
und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer,
vom 17. November 1953 bestätigt.