Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 80 III 111



80 III 111

24. Entscheid vom 20. Oktober 1954 i.S. Stebler. Regeste

    Amtliche Verwahrung gepfändeter Fahrnis (Art. 98 SchKG).

    Unzulässigkeit wegen Eigentumsansprache der Ehefrau des Schuldners oder
wegen Hängigkeit einer Beschwerde gegen die Pfändung? Ersatz gepfändeter
Gegenstände durch andere. Kognition des Bundesgerichts hinsichtlich der
Voraussetzungen von Art. 98 Abs. 3 SchKG.

Sachverhalt

    Das Betreibungsamt Bern pfändete am 29. Mai 1954 im Hause des
Schuldners in Bern 265 Flaschen Wein und Spirituosen (Nrn. 1-12
Pfändungsurkunde). Diese wurden als Eigentum der Ehefrau des Schuldners
bezeichnet. Am 28. August 1954 nahm sie das Betreibungsamt auf Begehren
der Gläubigerin in amtliche Verwahrung. Die kantonale Aufsichtsbehörde
hat die Beschwerde, mit der die Ehefrau des Schuldners die Rückgabe
der weggenommenen Gegenstände verlangte, am 29. September 1954
abgewiesen. Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das
Bundesgericht weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin macht in erster Linie geltend, die amtliche
Verwahrung sei deshalb unzulässig, weil sie an den weggenommenen
Gegenständen den ausschliesslichen Gewahrsam gehabt habe; die Annahme
der Vorinstanz, dass ihr Ehemann daran Mitgewahrsam gehabt habe, sei
unrichtig. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die
für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 81 in Verbindung mit Art. 43
Abs. 3 und 63 Abs. 2 OG), muss jedoch angenommen werden, dass der Schuldner
bis gegen Ende Februar 1954 am ehelichen Domizil in Bern wohnte und auch
seit seiner Übersiedelung nach Basel immer wieder in kürzern Abständen
(häufig über das Wochenende) in sein Haus zu seiner Familie zurückkehrt,
und dass er vor Betreibungsamt Basel erklärt hat, er besitze in Bern
einen Weinkeller. Hieraus muss geschlossen werden, dass nicht nur die
Rekurrentin, sondern auch der Schuldner über den dort liegenden Wein
verfügen konnte. Dies erscheint auch als das Normale. Der Schuldner
hatte in seinem Eigenheim nicht bloss die Stellung des Eigentümers eines
Miethauses, der an den Sachen der Mieter keinen Gewahrsam hat. Die
Eigentumsansprache der Rekurrentin stand unter diesen Umständen der
amtlichen Verwahrung nicht im Wege (vgl. BGE 79 III Nr. 24).

Erwägung 2

    2.- Es kann auch keine Rede davon sein, dass diese Massnahme mangels
einer gültigen Pfändung gesetzwidrig sei. Der Umstand, dass gegen die
Pfändung eine Beschwerde anhängig war, machte die Pfändung nicht ungültig.
Dass dieser (heute endgültig abgewiesenen) Beschwerde aufschiebende
Wirkung erteilt worden und die amtliche Verwahrung aus diesem Grunde
unstatthaft gewesen sei, behauptet die Rekurrentin selber nicht. Der von
ihr angezogene Entscheid BGE 58 III 82 hat mit der Frage, ob während der
Hängigkeit einer Beschwerde gegen die Pfändung die amtliche Verwahrung
verfügt werden dürfe, nichts zu tun.

Erwägung 3

    3.- Vergeblich sucht die Rekurrentin die amtliche Verwahrung mit der
Begründung anzufechten, dass nicht gepfändeter Wein in Verwahrung genommen
worden sei. Das Verzeichnis der gepfändeten Flaschen deckt sich zwar nicht
in allen Punkten mit dem Inventar der in Verwahrung genommenen. Dies
ist aber nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zur
Hauptsache nur darauf zurückzuführen, dass sich die Bezeichnung einer
Anzahl von Flaschen nachträglich als unrichtig herausstellte und daher
bei der Inventierung der in Verwahrung genommenen Flaschen durch die
zutreffende Bezeichnung ersetzt wurde. Die unrichtige Bezeichnung
in der Pfändungsurkunde änderte nichts daran, dass die betreffenden
Flaschen gepfändet worden waren und der Schuldner nach den Umständen
hierüber nicht im Zweifel sein konnte. Hinsichtlich des Ersatzes von
zwei Flaschen Auvernier durch zwei Flaschen Vully stellt die Vorinstanz
verbindlich fest, dass die anstelle des Schuldners anwesende Rekurrentin
ihn anbot und das Betreibungsamt seine Zustimmung dazu gab. Damit fielen
die Ersatzstücke, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, ohne
weiteres unter Pfändungsbeschlag (BGE 60 III 196). Sollten unter den
ausserdem noch in Verwahrung genommenen 36 Flaschen Vully einige nicht
zu den beim Pfändungsvollzug vorgefundenen 36 Flaschen Vully gehören,
sondern aus einer später eingetroffenen Sendung stammen, so wären durch
diese Verwechslung keine schützenswerten Interessen verletzt worden. Im
übrigen ist das Betreibungsamt zum Umtausch der angeblich verwechselten
Flaschen bereit.

Erwägung 4

    4.- Ob die Gläubigerin glaubhaft gemacht habe, dass die amtliche
Verwahrung zur Sicherung ihrer durch die Pfändung begründeten Rechte
geboten sei, ist im wesentlichen eine Ermessens- und Beweisfrage,
die das Bundesgericht nicht überprüfen kann (BGE 48 III 201). Eine
Ermessensüberschreitung oder eine Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften, gegen die es einschreiten könnte, ist im vorliegenden
Falle nicht dargetan.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.